Jedem Bachelor seinen Master

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat den Bundestag aufgefordert, den freien Zugang zum Masterstudium gesetzlich zu garantieren. Dazu legte die GEW gestern eine Studie vor.

»Der Bund ist nach Maßgabe des Grundgesetzes berechtigt, den freien Zugang zum Masterstudium gesetzlich zu regeln. Seine Gesetzgebungskompetenz für Hochschulzulassung und -abschlüsse schließen auch den Zugang zu einem Masterstudiengang ein“, lautet das Fazit des auf Bildungsfragen spezialisierten Münsteraner Rechtsanwalts Wilhelm Achelpöhler, der das Gutachten verfasst hat. Der Jurist stützt sich auf Artikel 74,  Abs. 1 Nr. 33 des Grundgesetzes, nach dem der Bund über die Gesetzgebungskompetenz zur Regelung der Hochschulabschlüsse und der Hochschulzulassung verfügt. Der Bund kann  Länder und Hochschulen zu einem wirksamen Verfahren zur Vergabe der Masterstudienplätze auffordern.   Zudem besitze der Bund die Kompetenz zur Regelung, der für die Aufnahme des Studiums erforderlichen Qualifikation der Bewerber.  

Für das für die  Hochschulpolitik verantwortliche GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller ist damit die Verantwortung der Politik klar benannt. Er fordert den Bundestag auf, für den freien Zugang zu allen Masterstudienplätzen zu garantieren, statt das Recht einiger Hochschulen zu verteidigen, sich eine „kleine Elite angeblich besonders geeigneter Studierender auszusuchen“.   „Solange in vielen Studienfächern wie der Lehrerbildung der Bachelor nicht berufsqualifizierend ist, wäre es verantwortungslos, Studierende gegen ihren Willen mit dem Bachelorzeugnis in der Tasche auf den Arbeitsmarkt zu schicken“, betont Keller.

Bereits 2010 hatte ein Viertel aller Masterstudiengänge einen Numerus clausus. 2011 wird sich die Lage verschärfen, da immer mehr Bachelorstudierende ihren Abschluss machen und ins Masterstudium drängen.

 „Das Rechtsgutachten,  zeigt jetzt schwarz auf weiß: Der Bund hat die Kompetenz zur Regelung des Zugangs und der erforderlichen Qualifikationen der Bewerber“, kommentierte der Bundesgeschäftsführer der Juso-Hochschulgruppen Tobias Keim die Expertise.   Für deLinke.SDS  ist allerdings für die Durchsetzung des freien Masterstudiengangs weiterhin der Druck der Studierenden und die Bereitschaft dafür auf die Straße zu gehen, erforderlich. 
 
In den letzten Tagen hat sich Druck auf die Politik erhöht, für mehr Chancengleichheit in den Hochschulen zu sorgen.   Ein Bündnis, das von den der FDP nahestehenden Liberalen Hochschulgruppen über die Jusos und der DGB-Jugend  bis zum Verband   DieLinke.SDS  reicht, forderte  am vergangenen Dienstag in Berlin  den freien  Zugang zum Masterstudium. Die  Erklärung ist unter  http://www.freier-masterzugang.org/ im Internet zu finden und wurde mittlerweile von mehr als 400 Personen unterstützt.
Gefordert wird u.a. ein Bund-Länder-Programm zur Schaffung neuer Studienplätze.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/195562.jedem-bachelor-seinen-master.html

Peter Nowak

Urheberrechtsverletzung oder Suche nach Informanten?

Hausdurchsuchung im Frankfurter Attac-Büro wegen der Veröffentlichung eines Gutachtens zur BayernLB

Die Münchner Staatsanwaltschaft hat am 14. April die Geschäftsstelle der globalisierungskritischen Organisation Attac in Frankfurt/Main von der Polizei durchsuchen lassen.

Laut Durchsuchungsbefehl wird dem Vorstand des Attac-Trägervereins vorgeworfen, mit der Veröffentlichung eines Gutachtens zur BayernLB auf der Attac-Homepage das Urheberrecht verletzt zu haben. Das Gutachten war von der Bayerischen Landesregierung bei der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg in Auftrag gegeben, aber nie veröffentlicht worden. Attac hatte es m November letzten Jahres ins Netz gestellt und diesen Schritt mit der Notwendigkeit begründet vor einer Bankenrettung die Ursache der Krise offen zu legen.

„Es darf keine Bankenrettungen geben, ohne die Ursachen und Verursacher der Krise offen zu legen! Wenn Geld von Steuerzahlern eingesetzt wird, muss sich auch die Geschäftspolitik einer Bank ändern“, erklärte Detlev Larcher vom Attac-Koordinierungskreis.

Die Landesbank des Freistaates hatte Milliarden Euro bei einem Übernahmeversuch der österreichischen Bank Hypo Group Alpe Adria sowie der Lehmann-Pleite verloren und konnte nur mit einem staatlichen Rettungsschirm in Höhe von mehr als 31 Milliarden Euro vor der Pleite bewahrt werden. Mit der Verantwortung führender bayerischer Politiker vor allem aus der Ära Stoiber befasste sich ein Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags.

Die Attac-Pressesprecherin Frauke Distelrath zeigte sich im Gespräch mit Telepolis verwundert, dass die Hausdurchsuchung wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung erfolgte, aber es bisher keine Forderung an Attac gab, das inkriminierte Gutachten von der Homepage zu entfernen. Zudem hatte Distelrath den Eindruck, dass Ziel der Durchsuchung die Suche nach der Quelle für das Gutachten gewesen ist. Schon kurz nach der Veröffentlichung hatte der CSU-Politiker und Chef der Parlamentarischen Kontrollkommission für die BayernLB Ernst Weidenbusch und Attac mit einer Strafanzeige gedroht. Auch der bayerische Grünen Abgeordnete Eike Hallitzky war über die Veröffentlichung nicht glücklich und befürchtete, dass Konkurrenten der Bayern LP dadurch Informationen bekommen könnten.

 Vielleicht hat die Durchsuchung von Attac auch einen von den Anzeigenstellern nicht beabsichtigten Nebeneffekt, erneute Aufmerksamkeit für die noch heute nicht restlos geklärte Verantwortlichkeit führender Landespolitiker für die Bankenpleite zu wecken, die in den Unterlagen zu finden ist. Schließlich hat das Bayern-Leak bisher bei weitem nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die WikiLeaks bekommen hat. Dort sollte der Bericht übrigens ursprünglich veröffentlicht werden.
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149674

Mehr Chancengleichheit?

Sabrina Klaus-Schelletter zur Forderung nach einem freien Masterzugang / Klaus-Schelletter ist Referentin in der Abteilung Jugend und Jugendpolitik beim DGB

 ND: Die DGB-Jugend hat sich dieser Tage gemeinsam mit verschiedenen Studentenverbänden gegen die Beschränkung des Zugangs zum Masterstudium für Bachelorabsolventen ausgesprochen. Was verbindet eine Arbeitnehmerorganisation mit Studentenverbänden?
Klaus-Schelletter: Wir setzen uns für u. a. für die Verbesserung der Ausbildungssituation und die Arbeitsbedingungen junger Menschen ein – sowohl auf der betrieblichen wie auf der universitären Ebene. Zudem treten wir als junge Gewerkschafter für die Chancengleichheit im gesamten Bildungssystem ein, damit eine qualifizierte und nachhaltige Bildung unabhängig von Herkunft und Einkommen ermöglicht wird.

 Augenblicklich regelt in vielen Fächern der Notenschnitt beim Bachelorabschluss die Aufnahme zu einem Masterstudium. Sie kritisieren aber nicht nur diesen Numerus clausus (NC).
Richtig. Momentan ist es so, dass Kinder aus Selbstständigen- und Beamtenfamilien, von denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss hat, eine fünfmal höhere Chance als Kinder aus klassischen Arbeiterfamilien haben, ein Studium zu beginnen. Der Anteil von Arbeiterkindern an den Hochschulen liegt nach Ergebnissen von Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerkes seit Jahren stabil bei etwa 20 Prozent. Von Chancengleichheit kann also keine Rede sein. Wir fordern eine gebührenfreie Bildung auf allen Ausbildungsstufen.

 Was sind die Ursachen für die mangelnde Chancengleichheit im Hochschulsystem?
Im Jahr 2008 nannten in einer Erhebung 76 Prozent der Studienberechtigten als Grund für einen Verzicht auf eine Einschreibung an eine Hochschule finanzielle Gründe. Verständlich – immerhin ist die primäre Finanzierungsquelle für Studierende noch immer das Elternhaus, an zweiter Stelle steht der eigene Verdienst. Kinder aus Arbeiterfamilien müssen sich ihr Einkommen während des Studiums häufiger selber mitverdienen als Kinder von Akademikern. Auch die Gründe für Studienabbrüche sind sehr oft finanzieller Natur.

 In der Kritik steht immer wieder die Bologna-Reform. Die war eigentlich dazu gedacht, den Studienzugang zu erleichtern und die Berufschancen von jungen Akademikern zu verbessern. Ist die Reform gescheitert?
Die Probleme stammen überwiegend aus der Zeit vor den Bologna-Reformen, haben sich aber durch Nichtberücksichtigung während des Umbaus des Hochschulsystems verschärft. Die Verkürzung der Studienzeiten hatte eine Verdichtung der Studieninhalte zur Folge. Dadurch werden Kinder aus Arbeiterfamilien strukturell weiter benachteiligt. Studierende, die gezwungen sind, ihren Lebensunterhalt selber zu bestreiten oder während des Studiums dazuverdienen müssen, haben größere Probleme, die verschärften Anforderungen in ihren jeweiligen Studiengängen erfüllen zu können. Verdichtete Studiengänge mit hoher Arbeitsbelastung und studentische Erwerbsarbeit passen nicht gut zusammen.

 Wie soll ein freier Zugang zum Masterstudium ohne Numerus Clausus Abhilfe schaffen?
Das Bildungssystem in Deutschland funktioniert wie ein Trichter. An jeder Stufe werden Kinder aus nichtakademischen Familien ausgefiltert. Auch der Master ist eine solche Schwelle. Deshalb braucht es dringend den Abbau von Hürden und dafür ist an dieser Stelle der freie Zugang zum Master notwendig. Ein freier Zugang würde eine Schwelle abbauen und wäre ein Beitrag zur Erhöhung der Chancengleichheit im Bildungsbereich.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195528.mehr-chancengleichheit.html?

Rassistische Beleidigung ohne Folgen?

Kritik an Urteil des Arbeitsgerichts Hannover
Das Arbeitsgerichts Hannover erklärte die Kündigung des Mitarbeiters der Hannoveraner Baufirma Renziehausen für unwirksam, der Kollegen rassisch beleidigt und sie als Kanaken und Russenschweine beschimpft hatte. Türkische Mitarbeiter hat er als Ölaugen bezeichnet. Nur mit diesem Fall hatten sich die Arbeitsrichter zu befassen und sahen keinen Kündigungsgrund. So war einem Schöffen der Begriff Ölaugen nicht als rassistische Beleidigung bekannt.

 Das kürzlich veröffentlichte Urteil von Ende März stößt auf Kritik von vielen Seiten. »Der Ton im Baugewerbe ist zwar rauer als etwa in einem Versicherungsbüro. Aber nichtsdestotrotz darf eine Schwelle nicht überschritten werden«, betonte die Geschäftsführerin der Landesvereinigung Bauwirtschaft Niedersachsen Cornelia Höltkemeier. Auch für den Hannoveraner Arbeitsrechtler Jens Klinkert ist »die Äußerung klar ausländerfeindlich und damit nicht hinzunehmen«. In der Vergangenheit hatten Kündigungen wegen Diskriminierung von Arbeitskollegen vor den Arbeitsgerichten Bestand. So wurde die fristlose Kündigung des Beschäftigten eines Salzgitter Stahlwerks bestätigt, der einen Mitarbeiter nach dessen Sterilisation als »leere Luftpumpe« bezeichnet hatte.

Der Pressesprecher der IG Bau-Agrar-Umwelt Ruprecht Hammerschmidt konnte sich zum konkreten Fall nicht äußern, weil er die Details nicht kenne. »Wir tolerieren allerdings grundsätzlich keinerlei Diskriminierungen gegen Minderheiten am Arbeitsplatz, gegen wen auch immer sie gerichtet sind«, sagte er gegenüber ND. Es komme in der Regel sehr selten vor, dass sich Kollegen wegen rassistischer Beleidigungen an die Gewerkschaft wenden.

Nach der öffentlichen Kritik verteidigte der Direktor des Hannoveraner Arbeitsgerichts, Kilian Wucherpfennig, das Urteil und verglich es mit dem Fall Emmely. Die Kündigung der Berliner »Kai- ser’s«-Kassiererin war wegen der angeblichen Unterschlagung von Pfandbons im Wert von 1,30 Euro in mehreren Instanzen bestätigt worden. Nach einer großen Solidaritätskampagne hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt die Kündigung mit der Begründung aufgehoben, dass angesichts der langen Betriebszugehörigkeit der Kassiererin eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung nicht vertretbar ist. Dieser Vergleich wurde wegen Verharmlosung von Rassismus ebenfalls kritisiert. Der Fall wird die Arbeitsgerichte indes weiter beschäftigen: Die Baufirma Renziehausen hat Berufung eingelegt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195551.linke-zum-suendenbock-gestempelt.html

Peter Nowak

Was alles Kunst ist

In Brandenburg steht eine Schülerpunkband wegen eines Liedes gegen Polizisten vor Gericht

Die Freiheit der Kunst hat in Deutschland Verfassungsrang. Auch Musiker, deren Texte von Gewalt handeln, sind dadurch erstmal geschützt. Über die Grenzen wird derzeit in Neuruppin verhandelt.

Der Kunstfreiheit ist es zu verdanken, dass Musikbands in ihren Songs Inhalte verbreiten können, die strafrechtliche Folgen hätten, wenn sie ein Demonstrationsredner von der Bühne rufen würde. Nach dem Grundgesetz ist es verboten, auf Methoden und Inhalte der „künstlerischen Tätigkeiten“ einzuwirken oder „allgemein verbindliche Regelungen für den Schaffensprozess“   vorzuschreiben . Die Punkband Slime musste sich wegen der Zeile „Stampft die Polizei zu Brei, haut den Pigs die Fresse ein, denn nur ein totes ist ein gutes Schwein“ nie vor Gericht verantworten. Ebenso wenig die Band „Die Ärzte“, die in einen Lied von „Bullen aufhängen“ und „Schwänzen rösten“ fantasierte.
Der Rechtsanwalt Stephan Martin trug diese Beispiele kürzlich vor dem Neuruppiner Landgericht vor. Er verteidigt Musiker der örtlichen Schülerpunkband  „Krachakne“, die sich in ihren Texten nicht nur mit den Neonazis sondern auch  der Staatsmacht wenig freundlich auseinandersetzen. „Die Polizei, dein Freund und Helfer, knall sie ab und hilf dir selber“, lautet der reimten die Jugendlichen in einem Song, den sie auf Konzerten im Beisein von Zivilbeamten  gesungen haben sollen. Das trug ihnen beim Verfassungsschutz des Landes Brandenburg nicht nur den Titel „linksextreme Hassmusiker“ sondern auch eine Anzeige wegen  Aufruf wegen zur Gewalt ein.  Denn die Kunstfreiheit ist auch für Bands kein Freibrief. 
Die Kläger müssen nun   nachweisen, dass es den Bands um politische Inhalte und nicht um Kunst geht. Und das wird  nicht einfach, wie Jurist Stephan Martin weiß.  Die  Punkband „Normahl“ jedenfalls wurde wegen  ähnlicher Gewaltphantasien mit Polizisten jedenfalls   1994 vom Oberlandesgericht Thüringen freigesprochen.  Bei ihrem Song handelt es siich um Kunst und nicht um politische Agitation, befand das Gericht. Aber es gibt auch den Fall zweier Musiker, die Todesdrohungen gegen eine reale Person – die SPD-Politikerin Monika Griefahn, die sich für eine schärfere Kontrolle von Jugendszenen ausgesprochen hat, gerappt haben. Sie wurden 2008 zu Geld- und Bewährungsstrafen verurteilt. Es war die erste Verurteilung einer Band, die nicht aus dem rechten Spektrum kommt.  
Wo die Kunst endet, ist allerdings auch in der linken Bewegung ein Streitpunkt. So fordern antifaschistische Initiativen verschiedentlich das Verbot von Auftritten rechter oder homosexuellenfeindlicher Musiker. Können die sich aber nicht ebenso wie linke Punkband auf die Kunstfreiheit berufen?  Ein Berliner Antifaaktivist, dessen Gruppe sich schwerpunktmäßig mit Rechtsrock befasst, verneint:   „Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen. Das gilt für uns auch wenn die rechte Hetze gesungen wird“.  B
Bisher waren überwiegend Bands aus der rechten Szene von gerichtlichen Maßnahmen betroffen, bestätigte der Kulturwissenschaftler Daniel Schneider vom Berliner Archiv der Jugendkulturen.     Dass jetzt auch gegen links ermittelt wird, könne mit der Akzentverschiebung in der Politik der schwarz-geben Bundesregierung  zusammenhängen, die den Kampf gegen Rechts  den Kampf gegen alle Extremisten ersetzen will, erklärte er gegenüber ND.      Ob  Krachakne-Anwalt Stephan Martin die Neurppiner Richter überzeugt kann, ist bislang   offen. Das Verfahren gegen die Jungmusiker läuft noch.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/195348.was-alles-kunst-ist.html?sstr=Krachakne

Peter Nowak

Eskalation im Libyen-Konflikt

Die Kontaktgruppe setzt in Verein mit den Aufständischen auf einen Regimewechsel
Die vor zwei Wochen bei der internationalen Libyen-Konferenz in London gegründete Kontaktgruppe hat bei ihrem Treffen in Doha ihren Ton gegenüber dem libyschen Regime verschärft. Der Tenor des von Vertretern aus über 20 Staaten und internationalen Organisationen bestückten Gremiums war eindeutig. Gadaffi hat keine Zukunft mehr und muss abtreten, lautete die Forderung.

Damit geht man über den UN-Beschluss, mit dem die Bombardierung militärischer Ziele in Libyen gerechtfertigt wird, hinaus. Der sah keinen Regime Change, sondern einen Schutz der Zivilbevölkerung vor. Deren Situation hat sich aber in den letzten Wochen noch zugespitzt. Die Not der Menschen in Libyen wird nach Einschätzung der Vereinten Nationen immer schlimmer. In der Stadt Misurata sei der Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung stark eingeschränkt oder ganz abgeschnitten.

„Etwa 490.000 Menschen haben nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissars seit Beginn der Krise das Land verlassen. Noch einmal 330 000 sind innerhalb Libyens auf der Flucht.“

Damit wiederholt sich in Libyen ein Szenario aus dem Kosovo-Konflikt. Auch dort verschlechterte sich die Lage der Zivilbevölkerung durch die einseitige Unterstützung einer Bürgerkriegspartei aus dem Ausland. Die wiederum war zu keinen Kompromiss bereit. Die Verschlechterung der Situation der Menschen vor Ort führte wiederum dazu, nach weiteren militärischen Maßnahmen aus dem Ausland zu rufen, wieder mit der Begründung, das Los der von Hunger und Gewalt bedrohten Menschen zu verbessern.

Aufständische gegen jeden Kompromiss

So lehnten die libyschen Aufständischen einen von der Afrikanischen Union initiierten Vermittlungsvorschlag im libyschen Bürgerkrieg von Anfang an vehement ab, zu dem sich das Regime bereit erklärt hatte. Die Reaktion ist auf den ersten Blick verwunderlich, wurde doch immer wieder in den Nachrichten vermeldet, dass die Aufständischen in militärischer Bedrängnis, die Regierungstruppen dagegen auf dem Vormarsch seien.

Doch da die Oppositionskräfte Unterstützung aus dem Ausland erhalten, können sie hoch pokern. Die USA, Frankreich und Großbritannien hatten auch ein großes Interesse, die Initiative der Afrikanischen Union scheitern zu lassen. So können sie bestens demonstrieren, dass ohne die westlichen Player in Afrika nichts läuft.

Der Ausgang des Konflikts in der Elfenbeinküste (siehe Despotenwechsel in der Elfenbeinküste) dürfte solche Strategien befördert haben. Schließlich haben dort zunächst die französische Regierung und dann auch die UN einseitig in einen Machtkampf zwischen zwei Blöcken in dem Land interveniert. Obwohl nachweislich auf beiden Seiten Wahlbetrug und Menschenrechtsverletzungen begangen wurden, gilt in der öffentlichen Meinung, der von Frankreich Unterstützte als Demokrat, der Bekämpfte dagegen als Diktator.

Im Falle von Libyen ist Gaddafis Diktatorenrolle klar; dass die Aufständischen Demokraten sind, ist deswegen noch lange nicht erwiesen. Darum dürfte es auch nicht mehr gehen, wenn sich die humanitäre Situation in Libyen weiter verschlechtert und die Gewalt zunimmt. Die Rufe nach der Entsendung von Bodentruppen dürften dann lauter werden. Auf der Frühjahrstagung der Nato-Außenminister, die morgen in Berlin beginnt, dürfte darüber ebenfalls diskutiert werden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149662

Peter Nowak

Freier Zugang zum Masterstudiengang

Die Wahl zwischen einem Masterstudium und dem direkten Einstieg in den Beruf soll nicht von der Verfügbarkeit der Masterstudienplätze abhängen, fordern liberale, grüne und linke Studentengruppen
Es ist äußerst selten, dass ein der FDP nahe stehender Studierendenverband mit dem der Linkspartei nahe stehenden DieLinke.SDS und dem fzs an einen Strang zieht. Auf einer Pressekonferenz in Berlin forderten sie unisono in einer gemeinsamen Erklärung einen freien Zugang zum Masterstudiengang.

„Der Bologna-Prozess kämpft in der Bundesrepublik auch nach mehr als 10 Jahren immer noch mit gravierenden Problemen. Dabei ist vor allem der Übergang vom Bachelor- in ein Masterstudium eine entscheidende Frage unter Studierenden. Die Wahl zwischen einem Masterstudium und dem direkten Einstieg in den Beruf darf nicht von der Verfügbarkeit der Masterstudienplätze abhängen“, heißt es in der Präambel der gemeinsamen Erklärung, die in den Hochschulen jetzt weiter diskutiert werden soll. Über die weitere Umgangsweise gehen dann die Meinungen allerdings auseinander. Während sich alle Beteiligten auf Petitionen und die Eingabe der Erklärung in die Hochschulgremien einigen konnten, hoffte der Vertreter der Linken.SDS, dass die Forderung auch zu Studierendenprotesten führen wird.

Einig war man sich auch in der Forderung, dass von Bund und Ländern eine Bedarfsanalyse vorgelegt werden muss, die die Zahlen über die tatsächlichen Kapazitäten an Masterstudienplätzen in den einzelnen Ländern offen legt, den Bedarf an Masterstudienplätzen ermittelt und mit einem Bund-Länder-Programm für einen Ausbau der Kapazitäten sorgt. Sabrina Klaus-Schelletter von der DGB-Jugend begründete das Engagement ihrer Organisation in dieser Frage mit der Forderung nach Verbesserung der Ausbildungsbedingungen für junge Menschen, sowohl auf betrieblicher als auch auf universitärer Ebene. Sie wies daraufhin, dass im deutschen Bildungssystem Kinder aus Arbeiterfamilien gegenüber denen aus Akademikerfamilien strukturell benachteiligt seien, was durch die fehlenden Masterstudienplätze verschärft wird.

Am Freitag will die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft einen Bericht vorlegen, der sich mit der Frage befasst, ob der Bund den freien Zugang zu Masterstudiengängen gewährleisten kann. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/10/149650

Peter Nowak

Bakuninhütte kann wieder genutzt werden

Die Bakuninhütte bei Meiningen darf wieder als Schutz- und Wanderhütte genutzt werden. Allerdings dürfen in dem in den 1920er Jahren errichteten Gebäude weder Essen noch Übernachtungen angeboten werden. Mit diesem Vergleich endete ein Streit über die Hüttennutzung am Oberverwaltungsgericht Thüringen zwischen dem Kreis der Wander- und Naturfreunde Meinigen e.V. und dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen (ND vom 5.1.2011). Das Haus war für die libertäre Bewegung in der Endphase der Weimarer Republik ein wichtiger Treffpunkt.

Der Verein ist erfreut über den Ausgang des Verfahrens: »Dies ist die Grundlage, um das historische Gebäude der Bakuninhütte zu erhalten und für Wanderfreunde und -freundinnen wieder zugänglich zu machen«, erklärte ein Vorstandsmitglied gegenüber ND.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195347.bewegungsmelder.html

www.bakuninhuette.de

Peter Nowak

Modernisierung ist nicht das Problem

Initiativen wollen sich gegen Mietsteigerungen wehren / Konferenz am Wochenende

Die Passionskirche am Marheinekeplatz in Kreuzberg war gut gefüllt. Aber nicht die Seelsorge, sondern die Angst vor Mieterhöhung und Vertreibung hatte die Menschen zu dem Diskussionsabend mobilisiert. Eingeladen hatten verschiedene Mieterbündnisse, die sich seit Monaten regelmäßig treffen und verschiedene Arbeitsgruppen gegründet haben. Eine Recherchegruppe erforscht die Besitzverhältnisse bestimmter Häuser. Eine Politik-AG bereitet einen Spaziergang im Chamissokiez vor.

»Nicht die Modernisierung ist das Problem, sondern die folgenden Mietsteigerungen«, betonte Mieteranwalt Heinz Paul. Die Chancen für eine erfolgreiche Gegenwehr seien ungleich höher, wenn sich die Bewohner eines betroffenen Hauses möglichst frühzeitig und zahlreich zusammenfinden und organisieren, betonte der Jurist. Schließlich wollen die meisten Eigentümer zeit- und kostenaufwendige Gerichtsprozesse vermeiden und bevorzugen außergerichtliche Einigungen.

In der Diskussion wurde der Politik Benachteiligung der Mieter vorgeworfen. So berichtete eine Mieterin, dass ihr Wohnhaus von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gekauft worden sei. Diese Rechtsform ermögliche jedem Gesellschafter Kündigungen wegen Eigenbedarfs und trage so zur Aushebelung des Mieterschutzes bei. Die Wohnungspolitik des Senats wurde heftig kritisiert. So sei die Zweckentfremdungsverordnung aufgehoben, aber keine Rechtsverordnung für den Milieuschutz erlassen worden. Auch eine Verlängerung der Sperrfrist von Kündigungen nach der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen war eine Forderung aus dem Publikum.

Der Berliner Mieterverein, der Landesverband des Arbeitslosenverbandes e.V. und die »Kampagne gegen Zwangsumzüge nach Hartz IV« haben den Senat aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Jobcenter die Aufforderungen an Erwerbslose aussetzen, wegen zu hoher Mietkosten die Wohnung zu wechseln. Außerdem müsse der Senat unverzüglich regeln, welche Kosten der Unterkunft (KdU) angemessen sind.

Im vergangenen Jahr forderten die Berliner Jobcenter in 8770 Fällen Erwerbslose zur Senkung ihrer Mietkosten auf. In 3917 Fällen wurde eine Senkung der Kosten erreicht, in 428 Fällen durch einen Wohnungswechsel. In den übrigen Fällen mussten die Erwerbslosen durch Einsparungen an anderer Stelle oder durch Untervermietung die zusätzlichen Mietkosten aufbringen.

Die Mieterinitiativen wollen den Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus nutzen, um für eine mieterfreundliche Politik zu werben. Dass dabei alle Parteien in der Kritik stehen, zeigte sich an Plakaten mit den gar nicht so freundlichen Konterfeis der Spitzenkandidaten. Der nächste Termin für die Protestkoordinierung steht schon fest. Am 16. April lädt die Berliner Mietergemeinschaft von 10.30 Uhr bis 18 Uhr unter dem Titel »Vorsicht Wohnungsnot« zu einer Konferenz ins DGB-Haus, Keithstraße 1/3.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195416.modernisierung-ist-nicht-das-problem.html

Peter Nowak

Mieterinitiative gegen Zwangsumzüge

HARTZ IV Wohnpauschale für Erwerbslose ist zu niedrig, sagen Mieter- und Arbeitslosenvereine
Der Berliner Mieterverein und der Berliner Landesverband des Arbeitslosenverbandes e. V. fordern ein Ende der Zwangsumzüge von Hartz-IV-Beziehern. Der Senat müsse Sorge tragen, dass die Jobcenter die Aufforderungen an Erwerbslose aussetzen, wegen zu hoher Mietkosten die Wohnung zu wechseln. Außerdem müsse der Senat unverzüglich neu regeln, was als angemessene Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft (KdU) gelten kann. Die 2005 erlassene Verwaltungsvorschrift zur Wohnkostenübernahme sei wegen der gestiegenen Mieten in Berlin Makulatur und stehe im Widerspruch zu höchstrichterlichen Vorgaben. „Aber wir befürchten, dass SPD und Linke im Senat wegen Uneinigkeit die Frage einer Neuregelung bis nach den Abgeordnetenwahlen im Herbst hinauszögern will“, begründete der Geschäftsführer des Mietervereins Reiner Wild am Montag auf einer Pressekonferenz die Initiative.

„Eine weitere Verzögerung würde für Tausende von Bedarfsgemeinschaften trotz gestiegener Mieten und Heizkosten zu geringe Wohnkostenübernahmen bedeuten und hätte eine neue Klagewelle vor den Sozialgerichten zur Folge“, betont Wild. Unterstützt wird die Initiative von der „Berliner Kampagne gegen Zwangsumzüge nach Hartz IV“, die Erwerbslose berät, die zu Senkungen ihrer Miete aufgefordert werden. Kampagnen-Mitbegründerin Eva Willig erklärte, die Frage, ob Erwerbslose ihre Wohnung behalten können, sei für viele existenziell.

So forderten die Berliner Jobcenter 2009 in 8.770 Fällen Erwerbslose zur Senkung ihrer Mietkosten auf. In 3.917 Fällen wurde eine Senkung der Kosten erreicht, in 428 Fällen durch einen Wohnungswechsel. In den übrigen Fällen kommen die Erwerbslosen durch Einsparungen an anderer Stelle oder durch Untervermietung für die zusätzlichen Mietkosten auf.

Um die Koordinierung von MieterInnenprotesten wird es auch auf einer Konferenz gehen, zu der die Berliner Mietergemeinschaft am Samstag von 10.30 Uhr bis 18 Uhr ins DGB-Haus in die Keithstraße 1-3 einlädt

Mehr Infos: www.bmgev.de

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F04%2F12%2Fa0143&cHash=c028da55de

Peter Nowak

Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt

Auf einem Medienkongress in Berlin wurden manche Mythen über die Internetgesellschaft in Frage gestellt
Viel wurde über Revolution geredet am 8. und 9. April im Berliner Haus der Kulturen der Welt, über die im arabischen Raum ebenso wie über die Internetrevolution. Die sollte eigentlich im Mittelpunkt des von Freitag und Taz organisierten Medienkongresses stehen, der das Motto trug: „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt.“

Doch in die Planungsphase fielen die Aufstände von Tunesien, Ägypten und Libyen und so bekam die Revolution auch wieder eine gesellschaftspolitische Dimension. Auf der Eröffnungsveranstaltung wurden beide Revolutionsvorstellungen verbunden. Über die Rolle des Internet bei den Aufständen diskutierten Medienaktivisten aus Ägypten, Tunesien, Irak und Belarus. Sie stellten unisono klar, dass die ganz realen Aufstände auf den Plätzen und Straßen die Revolution ausmachen und das Internet lediglich ein wichtiges Hilfsmittel sei. So betonte die ägyptische Aktivistin Mona Seif, sie sehe als politische Aktivistin das Internet als eine Möglichkeit, ihre Ideen zu verbreiten.

Die tunesische Bloggerin Lina ben Mhenni betonte ebenfalls die Rolle des Internets für die Koordination der Proteste. Victor Malishevsky aus Belarus berichtete über eine eher demobilisierende Seite des Internetaktivismus. So hätten in seinem Land viele Menschen das Ansehen eines Live-Streams von Demonstrationen im Umfeld der letzten Präsidentenwahlen als ihren Beitrag zur Oppositionsbewegung bewertet, ohne sich an einer Demonstration beteiligt zu haben.

Blogger nicht gleich Dissident

Der Medienwissenschaftler und Blogger Evgeny Morozov räumte mit manchen romantischen Vorstellungen über die politische Dissidenz der Blogger auf und lieferte einige Gegenbeispiele. So zahlte die chinesische Regierung an Blogger 50 Cent, damit sie Beiträge und Kommentare posten, die die chinesische Regierung in ein gutes Licht rücken. Wie Blogger Spitzeldienste für die Polizei leisten, zeigte sich auch im Fall von Adrian Lamo, der Bradley Manning bei den US-Behörden denunzierte, wichtige Informationen an Wikileaks weitergeleitet zu haben.

Sowohl die Solidarität mit Manning als auch die Folgen der Internetplattform Wikileaks waren Themen in den rund zwei Dutzend Workshops und Diskussionen am Samstag. Gerade am Beispiel von Wikileaks wird jetzt schon deutlich, dass der Plattform von den Medien eine Rolle zugeschrieben wurde, die sie mit weder personell noch technisch erfüllen konnte. Seit Monaten wird über den Wikileaks-Gründer mehr diskutiert als über die veröffentlichten Dokumente.

Morozov warnte auch vor der Vorstellung, das Internetzeitalter sei die beste Stütze für demokratische Bestrebungen in der Politik. Die Online-Welt sei wesentlich leichter manipulierbar als Zeitungen und bei weitem nicht so transparent, wie manche Menschen glauben, betonte er. Seine Mahnung auch bei Bloggern genau auf die Inhalte zu schauen, hätte auf dem Kongress gleich im Anschluss beherzigt werden können, als ein Videobeitrag der kubanischen Bloggerin Yoani Sanchez gezeigt wurde. Die selbst innerhalb der kubanischen Opposition wegen ihrer ultrarechten Thesen umstrittene Bloggerin wurde auch auf der Konferenz als Ikone der Meinungsfreiheit gefeiert.

Auffällig war das Fehlen von Positionen auf der Konferenz, die die eine grundsätzliche Kritik auch an den Verhältnissen in Deutschland leisteten. Wenn man bedenkt, in welchen Umfeld und Kontext die Taz Ende der 70e Jahre gegründet wurde, bekommt das Kongressmotto eine zusätzliche Bedeutung. Die Gründer hatten sich eine grundlegende politische Umwälzung auf die Druckfahnen geschrieben und das Internet bekommen.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/149632
 
Peter Nowak

Bomben oder Bomben lassen?

Die Positionierung zum Bürgerkrieg in Libyen sorgt weiterhin für Diskussionen, die allerdings nicht in Glaubenskriege ausarten
Lange Jahre war der israelische Oppositionelle Uri Avnery in Deutschland bei Kriegsgegnern hoch angesehen. Doch seit einigen Tagen sind manche seiner alten Freunde über Avnery irritiert. Er hat sich nämlich für eine militärische Intervention auf Seiten der Aufständischen in Libyen ausgesprochen und dabei nicht mit Pathos und historischen Vergleichen gespart.

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 Mein Herz schlägt für die Libyer (tatsächlich bedeutet „libi“ im Hebräischen „mein Herz“). Und „Nicht-Einmischung“ klingt in meinen Ohren wie ein schmutziges Wort. Es erinnert mich an den Spanischen Bürgerkrieg, der tobte, als ich noch ein Kind war. 1936 wurde die Spanische Republik brutal von einem spanischen General, Francisco Franco, mit aus Marokko importierten Truppen angegriffen. Es war ein sehr blutiger Krieg mit unsagbaren Gräueln. Nazideutschland und das faschistischen Italien griffen Franco damals unter die Arme, die deutsche Luftwaffe terrorisierte spanische Städte wie Guernica.
Uri Avnery

Der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke antwortet Avnery in einem Offenen Brief mit nachdenklichen Worten:
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 Ich bin in vielem, was es abzuwägen gilt, tief verunsichert. Ich möchte, dass das Töten und Morden aufhört, auf allen Seiten. Und ich will dazu beitragen, dass Gaddafi verschwindet. Das wird aber eher nicht das Ergebnis des Krieges sein.
Wolfgang Gehrcke
Am Ende seines Briefes dankt Gehrcke Avnery, den er einen „Gerechten in einer ungerechten Welt“ für seine „Herausforderung zum Nachdenken“ nennt.

Ja zum deutschen Sonderweg

Auch der friedenspolitische Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie und Veteran der deutschen Friedensbewegung Andreas Buro widerspricht Avnery in seinem „pazifistischen Blick auf Libyen“.
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 Bei der offiziellen Legitimation des NATO-Einsatzes im libyschen Konflikt wird viel von einer ‚humanitären Intervention‘ gesprochen. Die Ideologie der ‚humanitären Intervention‘ ist die Fortsetzung der Ideologie vom „Gerechten Krieg“, der wichtigsten Legitimationsideologie für fast alle Kriege. Für die Friedensbewegung stellt sich die Frage, welche Folgen hätte es, wenn Pazifisten sich für eine humanitäre Intervention mit militärischen Mitteln einsetzten, wie es zum Beispiel Uri Avnery tut?
Andreas Buro
Allerdings bleibt er nicht in dem bei pazifistischen Kreisen so beliebten Darstellung der eigenen moralischen Zerrissenheit stehen, die aus den Debatten der Grünen rund um den Kosovo-Einsatz so beliebt waren. Buro stellt zumindest einige Fragen zur konkreten Situation im libyschen Bürgerkrieg:
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 Warum wird fast ausschließlich über die tatsächlichen und potentiellen Opfer der Gaddafi-Truppen berichtet, aber nicht über die Massaker der Rebellengruppen?
Andreas Buro
Allerdings hätte man gerne erfahren, auf welche Quellen sich der Verfasser dabei bezieht. Auch sein positives Bekenntnis zu einem „deutschen Sonderweg zur friedlichen Konfliktbearbeitung“ muss vor dem Hintergrund der letzten 20 Jahre kritisch gesehen werden. Schließlich hat Deutschland im Konflikt auf dem Balkan bekanntlich nicht im Sinne einer friedlichen Konfliktbearbeitung agiert. Lassen sich hier Pazifisten nicht einfach in deutsche Staatsinteressen einspannen, die manchmal, wie die Beispiele Irak oder Libyen zeigen, eine Ablehnung militärischer Eingriffe beinhaltet?

Gepflegte Debatte um Libyen-Einsatz

Bei der aktuellen innerdeutschen Debatte um den militärischen Eingriff in den libyschen Bürgerkrieg ist das Fehlen der Aufgeregtheit auffällig, die während des Balkan-Einsatzes aber auch während des Irak-Krieges noch aus politischen Differenzen Feindschaften machten. Sowohl auf Seiten der Befürworter als auch der Gegner eines Einsatzes wird häufig betont, dass die eigene Positionierung mit vielen eingestandenen Unsicherheiten verbunden ist.

Das wurde auch auf einer von der Wochenzeitung Jungle World organisierten Diskussionsveranstaltung deutlich. Dort pflegten Kritiker und Gegner des Militäreinsatzes einen gepflegten Meinungsaustausch, wie Moderator Ivo Bozic am Ende der Diskussion positiv hervorhob.

Der Arzt Ramadan Bousabarah von der libyschen Gemeinde in Berlin betonte, dass mit dem militärischen Eingreifen ein von Gaddafi lautstark angekündigtes Massaker an den von den Oppositionellen gehaltenen Städten verhindert wurde. Der Berliner Landesvorsitzende der Linken Stefan Liebich betonte, dass er als führendes Mitglied im realpolitischen Forums Demokratischer Sozialsten nicht zu den grundsätzlichen Gegnern jeglicher von der UN legitimierter Militäreinsätze gehört. Die militärische Durchsetzung der Flugverbotszone hält Liebich allerdings für falsch.

Der für das Auslandsressort in der Jungle World zuständige Redakteur Jörn Schulz betonte, dass ihm das Argument, die staatliche Souveränität eines Landes müsse auf jeden Fall gewahrt werden, nicht überzeugt. Damit legitimieren Machthaber gerne jegliche Unterdrückung der eigenen Bevölkerung. Die politische Linke habe sich hingegen unabhängig von den Landesgrenzen mit politischen Bewegungen solidarisiert, die gegen ihre Unterdrückung kämpften.

Wie islamistisch ist die libyschen Opposition?

Unklar blieb der Charakter der politischen Opposition in Libyen auch auf der Veranstaltung. So betonte Ramadan Bousabarah zwar, dass libysche Volk würde zusammenstehen, wenn nur der Gaddafi-Clan verschwindet. Da fragten sich manche aus dem Publikum, ob auch die afrikanischen Arbeiter und Migranten zum libyschen Volk gehören. Bozic zeigte sich irritiert, dass ein Ausgangspunkt der neueren lybischen Opposition  im Jahr 2006 die Proteste gegen die Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung waren. Es verwundert schon, dass Menschen in auf die Straße gegangen sind und sich in Gefahr begeben haben nicht für ihre eigenen Rechte, sondern wegen einiger Karikaturen, die niemand auch nur gesehen hat.

Die Unklarheiten über die Rolle islamistischer Gruppen in der libyschen Opposition spielen auch in der Debatte eine Rolle, die in der Jüdischen Allgemeinen Zeitung über das Pro und Contra eines militärischen Eingriffs in den libyschen Bürgerkrieg geführt wurde. Malte Lehning vom Berliner Tagesspiegel verweist auch das Risiko, „dass in einem eskalierenden Bürgerkrieg weitaus mehr Zivilisten getötet werden, als es durch eine Niederschlagung des Aufstands geschehen wäre“.

Dass innerhalb weniger Tage gleich zweimal libysche Oppositionelle Opfer der Bombardierungen wurden, die eigentlich ihrem Schutz dienen sollten, bestätigen die Befürchtungen. Sie erinnern an die Entwicklung im Kosovokonflikt, wo albanische Flüchtlinge und Roma Opfer der Natobomben wurden, die sie offiziell schützen sollten. Im Unterschied zur damaligen Frontenbildung zwischen Gegnern und Befürwortern eines militärischen Einsatzes dominieren aktuell die Nachdenklichkeit und das Eingeständnis von Unsicherheiten auf beiden Seiten. 
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34514/1.html

Peter Nowak

EU-Länder zeigen afrikanischen Flüchtlingen kalte Schulter

Die Tragödie vor Lampedusa und „europäische Spielregeln“
Mindestens 150 Flüchtlinge gelten nach einem Bootsunglück vor Lampedusa in der Nacht auf Mittwoch als vermisst. Das Unglück geschah, als sich die Flüchtlinge, die in Lybien gestartet waren, schon in Sicherheit wähnten und die Küstenwache die Menschen auf ihr Schnellboot umladen wollte. Das Flüchtlingsboot hatte sich in Seenot befunden. Natürlich stellt sich die Frage, wie das Unglück vor den Augen der Küstenwache geschehen konnte. Schließlich gehören Sicherheitsvorkehrungen gegen das Kentern beim Bergen von Menschen aus manövrierunfähigen Booten zu den Basiskompetenzen einer Küstenwache.
Rechte Stimmungsmache
Die Tragödie im Mittelmeer ist nicht die erste ihrer Art. Der innenpolitisch bedrängte italienische Ministerpräsident Berlusconi versuchte sich erst kürzlich vor den Einwohnern Lampedusas als Hardliner und Heilsbringer mit großen Versprechungen zu präsentieren, der das Flüchtlingsproblem schnell lösen will. Einige Tage zuvor hetzten Politiker der italienischen rechtspopulistischen Regierungspartei Lega Nord gemeinsam mit der Vorsitzenden des extrem rechten Front National, Marine Le Pen, auf Lampedusa gegen die Flüchtlinge.
Mittlerweile versucht die italienische Regierung mit großzügigen finanziellen Zusagen an die neue tunesische Regierung diese zur Flüchtlingsabwehr zu verpflichten, wie sie sie mit der gestürzten Diktatur vereinbart hatte. Doch bisher blieb man auf tunesischer Seite unverbindlich.
Europäische Spielregeln gegen die Flüchtlinge
Die EU-Regierungen äußern sich nach außen sehr kritisch zum Flüchtlingsmanagement der italienischen Rechtsregierung. Doch dabei geht es den meisten Politikern weniger um das Schicksal der Flüchtlinge, sondern um die Angst, die italienische Regierung werde sie nicht an der Weiterreise in andere EU-Länder hindern. Schließlich haben die meisten Migranten angegeben, Italien nur als Transitland auf den Weg in andere EU-Länder nutzen zu wollen.
Die Ankündigung der italienischen Regierung, die Flüchtlinge mit Aufenthaltsgenehmigungen auszustatten, würde den Interessen der Flüchtlinge sehr entgegenkommen. Denn damit könnten sie in andere europäische Staaten reisen. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber lehnte es im Interview mit dem Deutschlandfunk vehement ab, afrikanische Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen.
„Wir haben Spielregeln vereinbart, wie in Europa mit Flüchtlingen umzugehen ist, und Italien hat diese Spielregeln akzeptiert“, doziert Weber in Richtung der italienischen Regierung und droht mit Sanktionen.
„Dann muss die Kommission dafür sorgen, dass das Recht, das wir in Europa haben, auch umgesetzt wird. Ich kann nicht akzeptieren, dass wir sozusagen jemandem dann nachgeben, weil er Spielregeln nicht einhält.“
Die Verletzung der Spielregeln besteht für Weber und viele seiner Parteikollegen nicht in der unmenschlichen Behandlung der Flüchtlinge, sondern in deren möglichen Einreise in die EU. Die wenigen Stimmen von Flüchtlingshilfsorganisationen wie Pro Asyl, die schon seit Wochen fordern, den Flüchtlingen Fluchtwege in der EU zu öffnen, werden in der Öffentlichkeit kaum gehört. Die europäische Politik sehnt sich nach starken Regimes zurück, die die Torwächterrolle für sie in Nordafrika spielen, wie es lange Jahre Gaddafi vorgemacht hat. 
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/149610
Peter Nowak

Herrschaftskritik als Kurzvideo

Gibt es Herrschaft heute überhaupt noch und wenn ja, wie funktioniert sie? Diesen Fragen hat sich das Medienprojekt »Der Rote Faden« gestellt, das von Aktivisten aus antifaschistischen Initiativen und der »Jungen GEW« Berlin gegründet wurde. In zwölf Kurzvideos untersuchen sie verschiedene Herrschaftsverhältnisse wie Recht und Gerechtigkeit, Wirtschaft, Rassismus, Antisemitismus, Klassen und Geschlechter. Den analytischen Erläuterungen sind Bilder unterlegt, die an die populäre Kulturwelt anknüpfen. »Damit soll Menschen, die nicht mit linken Debatten vertraut sind, der Zugang erleichtert werden«, erklärt einer der Mitarbeiter des Projekts. Er sieht in der modernen Herrschaftskritik einen »roten Faden« für die Entwicklung einer linken Perspektive. Die sechs- bis zwölf-minütigen Videos eignen sich gut für die politische Bildungsarbeit. In den nächsten Monaten sollen sie im Offenen Kanal Berlin (OKB) gesendet werden. Im Internet können sie kostenlos heruntergeladen werden. www.herrschaftskritik.org

http://www.neues-deutschland.de/artikel/194859.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Dekadente Römer verurteilt

Prozess der Darmstädter FDP gegen Erwerbslose endet mit Geldstrafen
 
 
Westerwelles Gerede vom letzten Jahr hat für sechs Darmstädter Erwerbslose juristische Spätfolgen. Sie sind am Montag wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden. Die Aktivisten der Gewerkschaftlichen Arbeitsloseninitiative Darmstadt (Galida) hatten im März 2010 als Römer verkleidet im Darmstädter FDP-Büro ein Gelage mit Wein und Hähnchenbrust veranstaltet. Damit wollten sie den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle persiflieren, der kurz zuvor im Zusammenhang mit Hartz IV erklärt hatte, wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu spätrömischer Dekadenz ein.

Bei drei Erwerbslosen ließ es der Richter Klaus Schmidt vom Amtsgericht Darmstadt bei einer Verwarnung bewenden, drei müssen Geldstrafen bezahlen. Zudem werden den Angeklagten die Gerichtskosten aufgebürdet. »Wir wollten den Liberalen zeigen, was spätrömische Dekadenz bedeutet«, so ein Galida-Sprecher. Doch der anwesende Geschäftsstellenleiter Günther Hartel verstand keinen Spaß. Er informierte die Polizei, ließ das Büro räumen und erstattete gegen die Erwerbslosen Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Diesen Tatbestand sah auch Richter Schmidt erfüllt. Satire könne keinen rechtsfreien Raum schaffen, betonte er in der Urteilsbegründung.

»Auch wenn wir mit dem Urteil nicht zufrieden sind, haben wir uns entschlossen, das Buch ›Spätrömische Dekadenz‹ für uns zu schließen«, kommentierte Thomas Rindt von Galida den Prozessausgang. Schließlich sei Westerwelle ein Stück Vergangenheit – es warten die Auseinandersetzungen der Gegenwart. Dass die Aktivisten ihren Humor nicht verloren haben, machten sie auch am Verhandlungstag deutlich. Vor Prozessbeginn stand ein Double des ehemaligen FDP-Vorsitzenden Hans Dietrich Genscher den Aktivisten im Kampf gegen Westerwelle bei. Weil auf die Aktivisten jetzt mit den Prozesskosten Geldforderungen von 2500 bis 3000 Euro zukommen, haben sie ein Spendenkonto zur Unterstützung eingerichtet.

Bunte Hilfe Darmstadt, Sparkasse Darmstadt, Konto: 11 00 33 54, BLZ: 508 501 50, Stichwort: GALIDA

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/194861.dekadente-roemer-verurteilt.html

Peter Nowak