Eskalation im Libyen-Konflikt

Die Kontaktgruppe setzt in Verein mit den Aufständischen auf einen Regimewechsel
Die vor zwei Wochen bei der internationalen Libyen-Konferenz in London gegründete Kontaktgruppe hat bei ihrem Treffen in Doha ihren Ton gegenüber dem libyschen Regime verschärft. Der Tenor des von Vertretern aus über 20 Staaten und internationalen Organisationen bestückten Gremiums war eindeutig. Gadaffi hat keine Zukunft mehr und muss abtreten, lautete die Forderung.

Damit geht man über den UN-Beschluss, mit dem die Bombardierung militärischer Ziele in Libyen gerechtfertigt wird, hinaus. Der sah keinen Regime Change, sondern einen Schutz der Zivilbevölkerung vor. Deren Situation hat sich aber in den letzten Wochen noch zugespitzt. Die Not der Menschen in Libyen wird nach Einschätzung der Vereinten Nationen immer schlimmer. In der Stadt Misurata sei der Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung stark eingeschränkt oder ganz abgeschnitten.

„Etwa 490.000 Menschen haben nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissars seit Beginn der Krise das Land verlassen. Noch einmal 330 000 sind innerhalb Libyens auf der Flucht.“

Damit wiederholt sich in Libyen ein Szenario aus dem Kosovo-Konflikt. Auch dort verschlechterte sich die Lage der Zivilbevölkerung durch die einseitige Unterstützung einer Bürgerkriegspartei aus dem Ausland. Die wiederum war zu keinen Kompromiss bereit. Die Verschlechterung der Situation der Menschen vor Ort führte wiederum dazu, nach weiteren militärischen Maßnahmen aus dem Ausland zu rufen, wieder mit der Begründung, das Los der von Hunger und Gewalt bedrohten Menschen zu verbessern.

Aufständische gegen jeden Kompromiss

So lehnten die libyschen Aufständischen einen von der Afrikanischen Union initiierten Vermittlungsvorschlag im libyschen Bürgerkrieg von Anfang an vehement ab, zu dem sich das Regime bereit erklärt hatte. Die Reaktion ist auf den ersten Blick verwunderlich, wurde doch immer wieder in den Nachrichten vermeldet, dass die Aufständischen in militärischer Bedrängnis, die Regierungstruppen dagegen auf dem Vormarsch seien.

Doch da die Oppositionskräfte Unterstützung aus dem Ausland erhalten, können sie hoch pokern. Die USA, Frankreich und Großbritannien hatten auch ein großes Interesse, die Initiative der Afrikanischen Union scheitern zu lassen. So können sie bestens demonstrieren, dass ohne die westlichen Player in Afrika nichts läuft.

Der Ausgang des Konflikts in der Elfenbeinküste (siehe Despotenwechsel in der Elfenbeinküste) dürfte solche Strategien befördert haben. Schließlich haben dort zunächst die französische Regierung und dann auch die UN einseitig in einen Machtkampf zwischen zwei Blöcken in dem Land interveniert. Obwohl nachweislich auf beiden Seiten Wahlbetrug und Menschenrechtsverletzungen begangen wurden, gilt in der öffentlichen Meinung, der von Frankreich Unterstützte als Demokrat, der Bekämpfte dagegen als Diktator.

Im Falle von Libyen ist Gaddafis Diktatorenrolle klar; dass die Aufständischen Demokraten sind, ist deswegen noch lange nicht erwiesen. Darum dürfte es auch nicht mehr gehen, wenn sich die humanitäre Situation in Libyen weiter verschlechtert und die Gewalt zunimmt. Die Rufe nach der Entsendung von Bodentruppen dürften dann lauter werden. Auf der Frühjahrstagung der Nato-Außenminister, die morgen in Berlin beginnt, dürfte darüber ebenfalls diskutiert werden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/149662

Peter Nowak