Verwirrspiel um deutsche Stromimporte

Sind die Diskussionen um Stromexporte, höhere Strompreise und sogar mögliche Blackouts der Beginn eines Propagandakriegs der Energiewirtschaft gegen die Abschaltung der AKW?
Seit Inkrafttreten des Atommoratoriums importiert Deutschland doppelt so viel Strom aus Frankreich wie bislang, erklärte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. In dem Nachbarland werden 80 % des Stroms aus der Atomkraft produziert. Auch die Stromimporte von Tschechien nach Deutschland haben in den letzten Wochen zugenommen. Zudem sei die Bundesrepublik Nettoexporteur zum Nettoimporteur von Strom geworden.

Gleichzeitig macht der Bundesverband das Moratorium auch für steigende Strompreise verantwortlich. Diese monokausale Erklärung erstaunt, hat doch der Wirtschaftsverband als Ursache für den steigenden Stromverbrauch auch den kalten Winter und die Wiederbelebung der Konjunktur angegeben. Diese Faktoren, die nichts mit dem Moratorium zu tun haben, dürften auch den Strompreis Einfluss haben.

In zahlreichen Medien wurden die politische Implikationen der Angaben gleich mitgeliefert. „Kritiker des Atom-Moratoriums der Bundesregierung hatten darauf verwiesen, dass es sinnlos sei, in Deutschland AKW abzuschalten, um dann die fehlende Menge durch Atomstrom oder klimaschädlichen Kohlestrom aus dem Ausland zu decken“, heißt es im Magazin Stern.

Der RWE-Manager und ehemalige Hamburger SPD-Umweltsenator Fritz Vahrenholt warnte gar davon, dass in Deutschland ohne den Stromexport die Lichter ausgehen könnten. Nur die erheblichen Stromimporte aus Frankreich und Tschechien verhindern seiner Meinung nach einen Blockout.

Deutschland weiter Netto-Stromexporteur

Nicht nur die Umweltorganisation Greenpeace sieht in den Warnungen aus dem Lager der Energiewirtschaft einen beginnenden Propagandakrieg gegen eine dauerhafte Abschaltung deutscher Atomkraftwerke. Umweltschützer warnen davor, dass die Atomlobby zurückschlägt. Es sei nicht so, dass in Deutschland die Kapazitäten ohne den Strom der abgeschalteten Alt-Meiler nicht mehr ausreichen würden. „Die gestiegenen Importe erklären sich vielmehr mit der Reaktion der Strommärkte, die sich immer mit dem günstigsten Strom versorgen – und der kann zeitweise auch verstärkt von Atomkraftwerken aus Frankreich kommen“, erklärte ein Greenpeace-Sprecher gegenüber Spiegel Online.

Auch eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums ging auf Distanz zu den Erklärungen der Energiewirtschaft. Schon vor dem Moratorium sei Strom aus Frankreich importiert worden. Sie widersprach der Darstellung, Deutschland sei insgesamt ein Netto-Stromimporteur geworden: „Wir bleiben Netto-Stromexporteur.“ So liefert Deutschland auch nach dem Moratorium weiterhin Strom an die Schweiz, wie auch aus den Daten des Bundesverbandes der Energiewirtschaft hervorgeht.

http://www.heise.de/tp/blogs/2/149596

 
Peter Nowak

Lehren aus Japan?

Ausgerechnet der vielerorts als umweltpolitischer Hoffnungsträger gefeierte US-Präsident Obama hat sich in einer Grundsatzrede an der Georgetown University in Washington kürzlich zum Weiterbau von AKW in den USA bekannt. Er bescheinigte der Atomkraft »ein wichtiges Potenzial«, man könne mit ihr »Strom erzeugen, ohne Kohlendioxid in die Atmosphäre zu blasen«.
Die von Obama nach dem japanischen Atomdesaster angeordnete Überprüfung aller AKW zielt keineswegs auf deren Abschaltung. Vielmehr sollen beim Bau der nächsten AKW-Generation die Lehren aus Japan berücksichtigt werden. Obama ist mit dieser Sicht nicht allein. Sein französischer Kollege Sarkozy hatte von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass er das ehrgeizige AKW-Programm fortsetzen will. Mit der Rückendeckung von Obama dürften auch die Atomkraftlobbyisten in den asiatischen und amerikanischen Schwellenländern wieder Oberwasser bekommen, die seit Fukushima etwas leiser geworden sind. Obama hat ihnen die Stichworte geliefert. Neben dem Klima geht es um Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft angesichts steigender Öl- und Benzinpreise. In Deutschland, wo die Stimmung gegen die AKW besonders stark ist, denken nur noch einzelne Unions- und FDP-Politiker laut über ein Wiedereinschalten der vorübergehend stillgelegten AKW nach.

 Doch mittlerweile geht RWE in die Offensive. Mit der Klage des Konzerns gegen das Atommoratorium soll angeblich nur die Rechtssicherheit für die Aktionäre hergestellt werden. Gern wird vergessen, dass die AKW-Lobbyisten die Rechtslage, auf die sie sich jetzt berufen, selbst mit hergestellt haben. Mit der Drohung, das AKW Biblis A wieder hochzufahren, will der Konzern testen, was in Deutschland in Sachen AKW machbar ist.

Die Gegner sollten sich auf ihre eigene Geschichte besinnen. Bei Kampagnen gegen Konzerne, die am AKW-Bau verdienen, waren RWE und Siemens schon früher mit Blockaden, Kundgebungen vor Firmenstandorten und Warenboykott konfrontiert worden.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/194637.lehren-aus-japan.html

Peter Nowak