Friedrichshainer wehren sich gegen Mieterhöhungen

Neue Initiative mobilisiert zu Kundgebungen

»Gegen Mietsteigerungen – wir bleiben alle«. Diese Parole steht auf einem Transparent, das aus einem Fenster in der Boxhagener Straße 33 in Friedrichshain hängt. Die wenigen Menschen, die noch in dem Haus wohnen, wehren sich gegen eine drohende Luxusmodernisierung. Ende März gab es sogar eine kurze Blockade, als die Eigentümer einen Baum im Garten des Hauses fällen ließen.
Hebammen

Solche Aktionen sind in Friedrichshain keine Ausnahme. »An vielen Ecken in dem großen Stadtteil wehren sich Mieter gegen drohende Vertreibung. Allerdings bleiben diese Proteste bisher vereinzelt«, meint Roland Schneider. Er engagiert sich im kürzlich gegründeten Initiativkreis »Keine Rendite mit der Miete / Friedrichshain«. Ziel ist die Bündelung der Proteste im Stadtteil. Am heutigen Freitag wollen die Aktivisten um 18 Uhr mit einer Kundgebung am U-Bahnhof Frankfurter Tor auf ihr Anliegen aufmerksam machen. Das Motto lautet: »Mieten runter – Löhne und Einkommen rauf«. »Damit wollen wir deutlich machen, dass neben Mietsteigerungen auch in Friedrichshain Hartz IV und prekäre Arbeitsverhältnisse für viele Menschen ein großes Problem sind«, sagt Schneider. Nach der Kundgebung soll im Jugendwiderstandsmuseum in der Rigaer Straße 9 der Film »Mietenstopp« gezeigt werden. Ein dreiköpfiges Filmteam dokumentiert darin Aktivitäten von Mietergruppen aus verschiedenen Stadtteilen. Friedrichshain ist nicht dabei. Schneider hofft, dass sich das ändert: »Nach der Filmvorführung wollen wir diskutieren, ob wir nicht auch in Friedrichshain eine aktive Mieterbewegung aufbauen können.«

Schließlich wächst auch hier in der Bevölkerung die Angst, die Miete nicht mehr zahlen zu können. So gab es in den letzten Monaten Mieterhöhungen in den denkmalgeschützten Wohnhäusern um das Frankfurter Tor herum und in angrenzenden Straßen. In der Umgebung der Richard-Sorge-Straße haben sich Mieter in den letzten Wochen getroffen und über die Aufwertungstendenzen gesprochen.

Ein konkretes Vorhaben hat die neue Friedrichshainer Gruppe schon geplant. Am kommenden Montag demonstrieren Initiativen aus ganz Berlin unter dem Motto »Keine Rendite mit der Miete« gegen die Jahrestagung der Immobilienwirtschaft am Potsdamer Platz.
keinerenditemitdermiete.org
http://www.neues-deutschland.de/artikel/229810
.friedrichshainer-wehren-sich-gegen-mieterhoehungen.html
Peter Nowak

Modernisierung ist nicht das Problem

Initiativen wollen sich gegen Mietsteigerungen wehren / Konferenz am Wochenende

Die Passionskirche am Marheinekeplatz in Kreuzberg war gut gefüllt. Aber nicht die Seelsorge, sondern die Angst vor Mieterhöhung und Vertreibung hatte die Menschen zu dem Diskussionsabend mobilisiert. Eingeladen hatten verschiedene Mieterbündnisse, die sich seit Monaten regelmäßig treffen und verschiedene Arbeitsgruppen gegründet haben. Eine Recherchegruppe erforscht die Besitzverhältnisse bestimmter Häuser. Eine Politik-AG bereitet einen Spaziergang im Chamissokiez vor.

»Nicht die Modernisierung ist das Problem, sondern die folgenden Mietsteigerungen«, betonte Mieteranwalt Heinz Paul. Die Chancen für eine erfolgreiche Gegenwehr seien ungleich höher, wenn sich die Bewohner eines betroffenen Hauses möglichst frühzeitig und zahlreich zusammenfinden und organisieren, betonte der Jurist. Schließlich wollen die meisten Eigentümer zeit- und kostenaufwendige Gerichtsprozesse vermeiden und bevorzugen außergerichtliche Einigungen.

In der Diskussion wurde der Politik Benachteiligung der Mieter vorgeworfen. So berichtete eine Mieterin, dass ihr Wohnhaus von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gekauft worden sei. Diese Rechtsform ermögliche jedem Gesellschafter Kündigungen wegen Eigenbedarfs und trage so zur Aushebelung des Mieterschutzes bei. Die Wohnungspolitik des Senats wurde heftig kritisiert. So sei die Zweckentfremdungsverordnung aufgehoben, aber keine Rechtsverordnung für den Milieuschutz erlassen worden. Auch eine Verlängerung der Sperrfrist von Kündigungen nach der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen war eine Forderung aus dem Publikum.

Der Berliner Mieterverein, der Landesverband des Arbeitslosenverbandes e.V. und die »Kampagne gegen Zwangsumzüge nach Hartz IV« haben den Senat aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Jobcenter die Aufforderungen an Erwerbslose aussetzen, wegen zu hoher Mietkosten die Wohnung zu wechseln. Außerdem müsse der Senat unverzüglich regeln, welche Kosten der Unterkunft (KdU) angemessen sind.

Im vergangenen Jahr forderten die Berliner Jobcenter in 8770 Fällen Erwerbslose zur Senkung ihrer Mietkosten auf. In 3917 Fällen wurde eine Senkung der Kosten erreicht, in 428 Fällen durch einen Wohnungswechsel. In den übrigen Fällen mussten die Erwerbslosen durch Einsparungen an anderer Stelle oder durch Untervermietung die zusätzlichen Mietkosten aufbringen.

Die Mieterinitiativen wollen den Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus nutzen, um für eine mieterfreundliche Politik zu werben. Dass dabei alle Parteien in der Kritik stehen, zeigte sich an Plakaten mit den gar nicht so freundlichen Konterfeis der Spitzenkandidaten. Der nächste Termin für die Protestkoordinierung steht schon fest. Am 16. April lädt die Berliner Mietergemeinschaft von 10.30 Uhr bis 18 Uhr unter dem Titel »Vorsicht Wohnungsnot« zu einer Konferenz ins DGB-Haus, Keithstraße 1/3.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/195416.modernisierung-ist-nicht-das-problem.html

Peter Nowak