Mieterhöhung in der Koloniestraße vorläufig ausgesetzt, doch nicht zurück genommen

Vor zwei Monaten hatten die  500 BewohnerInnen  aus 157 Wohnungen der Häuser in der  Koloniestraße Koloniestraße 2, 2a, 6, 6a, 6b, 7 und 8 erfahren, dass sich  ab 1. Dezember 2015 ihre Mieten teilweise verdoppeln sollen (MieterEcho Online berichtete). Die Portfolio GmbH Lior Mamrud und Josif Smuskovics, die die Häuser 2010  erworben  hat, profitiert von dem  Wegfall der sogenannten Anschlussfinanzierung. Sie macht es möglich, dass  die Mieten der ehemaligen  Sozialwohnungen  in der Koloniestraße  steigen können. Viele der BewohnerInnen haben ein geringes Einkommen, befürchten  Mietschulden und mögliche Zwangsräumungen und suchen sich neue Wohnungen. Doch viele BewohnerInnen wollen nicht wegziehen, sondern gegen die Mieterhöhung kämpfen. Und sie wollen dafür sorgen, dass das Thema in der Öffentlichkeit nicht in Vergessenheit gerät. Ca. 70 MieterInnen   der Weddinger  Koloniestraße und ihre UnterstützerInnen versammelten sich  vor einigen Tagen vor  dem   Roten Rathaus. Die Kundgebung wurde von der Stadtteilinitiative „Hände weg vom Wedding“, dem „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ und dem Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ unterstützt.  Nicht die fröhliche Weihnachten sondern die „ fröhliche Entmietung“  der  Häuser in der Koloniestraße wurde auf einen Transparent angeprangert.

„Sie wollen uns Angst machen“
„Etwa ein Fünftel der MieterInnen  ist schon ausgezogen“, monierte Canan Delipalta, eine Mieterin  der Koloniestraße, die ihre Wohnung nicht verlassen will.  „Jede leere Wohnung ist ein Gewinn für den Eigentümer. Er spielt auf Zeit“, sagte eine andere Bewohnerin.   Die MieterInnen sehen es daher auch nicht als  Erfolg, als sie  Mitte Dezember Post von der Hausverwaltung erhielten und ihnen mitgeteilt wurde, dass die Mieterhöhung zum 1. Dezember zunächst ausgesetzt wird, weil noch  juristischen Auseinandersetzungen mit dem Bezirksamt  anhängig sind.  Zugleich wurde aber angekündigt, die Mieten rückwirkend ab dem 1. Dezember 2015 zu erhöhen, sollte die Hausverwaltung den Prozess gewinnen, Nun haben viele MieterInnen Angst, dass sie hohe Beträge nachzahlen müssen. Auf diese Weise wird die stille Entmietung forciert. „Sie wollen uns Angst machen“, fasst Canan Delipalta die Strategie von Eigentümer und Hausverwaltung zusammen.  Die Mieter/innen haben sich auch durch den kurzen Auftritt des Weddinger Sozialstadtrats Stephan von Dassel nicht beruhigen  lassen, der die Maßnahmen seiner Behörde lobte und den BewohnerInnen riet,  entspannt ins neue Jahr zu gehen. Ein Sprecher des Stadtteilbündnisses „ Hände weg vom Wedding“   kritisierte den Sozialstadtrat von Dassel, dass er sich als  Weihnachtsmann aufgespielt habe und den Mieter/nnen einreden wolle, sie bräuchten sich keine Sorgen zu machen .Er erinnerte daran, dass es erst dem Engagement  der MieterInnen in der Koloniestraße zu verdanken sei, dass die Auseinandersetzung auch berlinweit bekannt wurden. Er warnte aber davor,  jetzt auf den Justizweg und die Behörden zu vertrauen. Wichtig sei es vielmehr, den Widerstand fortzusetzen und  auszuweiten. Kurt Joter vom Büro für ungewöhnliche Maßnahmen stellte  in seiner kurzen Ansprache den Zusammenhang  zur Berliner Wohnungspolitik her. Das Problem sei, so meinte er, dass durch die Politik der unterschiedlichen Parteien  der Soziale Wohnungsbau  abgewickelt worden sei und kein Ersatz angeboten werde.

MieterEcho online 26.12.2015

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/kolonistr-weihnachten.html
Peter Nowak

12 000 Unterschriften für das Café Leo

Unterstützer übergaben Petition an das Bezirksamt

Kreuzberg hat es vorgemacht: Nun setzen sich Anwohner in Wedding für den Erhalt eines für den Kiez am Leopoldplatz wichtigen Cafés ein. Tausende unterzeichneten eine Online-Pettion.

12 000 Unterschriften hat Daniel Gollasch am Donnerstag dem Bezirksamt Mitte übergeben. So viele Menschen haben die von dem Grünenpolitiker initiierte Petition mit der Forderung »Café Leo muss bleiben« unterzeichnet. Dabei handelt es sich um einen mobilen Imbisswagen, aus dem Hüseyin Ünlü seit 2011 Snacks und alkoholfreie Getränke verkauft. Zum Jahresende soll damit Schluss sein. Das von Carsten Spallek (CDU) geführte Straßen- und Grünflächenamt will die Sondernutzungsgenehmigung nicht mehr verlängern. Spallek verweist auf die aktuelle Gesetzeslage, nach der in einer geschützten Grünanlage ein Café-Betrieb nicht genehmigungsfähig sei. Das Café sei in den letzten Jahren nur wegen seines »sozialen Sonderstellungsmerkmals im Rahmen des Projekts Leopoldplatz« genehmigt worden, erklärte Spallek dem Bezirksblatt »Berliner Woche«.

Das Café Leo wurde im Rahmen des Programms» Aktives Zentrum Müllerstraße« eröffnet und finanziert. Eigentlich war der Imbisswagen nur als Provisorium gedacht. Geplant war die Errichtung eines festen Gebäudes mit Toiletten. Doch dazu ist es bis heute nicht gekommen. Dass das Café Leo ersatzlos verschwinden soll, empört viele Menschen aus der Nachbarschaft. Die Stadtteilinitiative »mensch müller« fordert den Erhalt ebenso wie viele Anwohner. Gollatsch, der in der Nähe des Leopoldplatzes wohnt, hat die Petition initiiert. »Ohne das Café Leo würde es mit dem Leopoldpatz wieder bergab gehen. Alle Anstrengungen der letzten Jahre wären damit umsonst gewesen«, kommentiert Walter Frey, einer der vielen Unterzeichner, online die Petition.

Die Weddinger Stadtteilinitiative »Hände weg vom Wedding« hat in den letzten Jahren kritisiert, dass mit der Umgestaltung des Leopoldplatzes auch eine Verdrängung von einkommensschwachen Menschen verbunden ist. Auch politische Stadtteilveranstaltungen waren auf Teilen des Leopoldplatzes unerwünscht. So untersagte die Nazarethkirche der Stadtteilinitiative die Nutzung eines Areals, das ihr zur Verfügung gestellt wurde für eine Filmvorführung. Sollte auch der Imbisswagen endgültig verschwinden, würde der Leopoldplatz für Menschen mit geringen Einkommen noch unattraktiver. Denn nicht alle können sich ein Getränk in den schicken Restaurants und Cafés in der Umgebung leisten.

Die Unterstützer des Cafés kündigen weitere Aktionen an. Daniel Gollasch sagte im Gespräch mit dem »nd«, dass die Menschen, die sich per Unterschrift für den Erhalt des Café Leo eingesetzt haben, auch auf die Straße gehen, wenn die Politik sich nicht bewegt. »Wenn Orte des Alltags und der Nachbarschaft verschwinden, setzen sich die Nachbarn besonders dafür ein.«

https://www.neues-deutschland.de/artikel/992070.unterschriften-fuer-das-cafe-leo.html

Peter Nowak

Koloniestraße oder wie mit Sozialwohnungen Profit gemacht wird

„Keine Tricks mehr“ und “Stoppt die fiktiven  Kosten im sozialen Wohnungsbau“ lauteten die Parolen, mit den  MieterInnen  mehrerer Häuser der  Weddinger  Koloniestraße vor einigen Tagen vor der Berliner SPD-Zentrale protestierten.  Die Kaltmieten der  BewohnerInnen der Koloniestraße 2, 2a, 6, 6a 6b 7 und 8 sollen sich ab 1. Dezember von monatlich 6 auf 12 Euro pro Quadratmeter fast verdoppeln.  Eine Mieterin, die  bisher 408 Euro Miete im Monat gezahlt hat, soll nun mit  790,56 Euro monatlich überweisen.  Betroffen sind ca. 500 BewohnerInnen  aus 157 Wohnungen. Viele von ihnen gehören zu den Menschen mit geringen Einkommen, beziehen Hartz IV oder arbeiten Niedriglohnbereich. Da war der Schock groß, als vor einigen Wochen die Ankündigung der Mieterhöhung angekommen ist. Einige hätten sofort gekündigt, berichtete Kristina Schmygarjew.   Die Mieterin der Wohnanlage in der Koloniestraße hat sich in den letzten Wochen mit Stadtteilinitiativen  wie „Hände weg vom Wedding“ und anderen politischen Organisationen getroffen.  Ihr Ziel ist klar: „Ich will erreichen, dass alle MieterInnen in ihren Wohnungen bleiben können und die Mieterhöhung zurückgenommen wird“, betont Frau  Kristina Schmygarjew. In den  letzten Wochen gab es zahlreiche MieterInnenversammlungen.  Anfangs haben sich die BewohnerInnen noch im geräumigen Hof getroffen, mittlerweile hat man die Beratungen  witterungsbedingt  in den Heizungskeller verlegt. An  den Protesten beteiligen sind regelmäßig ca. 60-80 MieterInnen. Viele von ihnen sind in der Koloniestraße geboren und wollen auf keinen Fall wegziehen.  Dabei ist die Koloniestraße keinesfalls eine Ausnahme in Berlin. Die im Sozialen Wohnungsbau errichteten Häuser gehören zu den ca. 28000 Berliner Sozialwohnungen, die vom Wegfall der sogenannten Anschlussfinanzierung betroffen.  Danach können die VermieterInnen dieser Wohnungen die sogenannte Kostenmiete in voller Höhe verlangen. Laut Gesetz soll die Miete  kostendeckend sein. Das  bedeutet eigentlich, dass sie nicht höher als die laufenden Aufwendungen der VermieterInnen sein soll. Tatsächlich ist die Miete nach dem Wegfall der Anschlussförderung oft  zwei- bis dreimal höher als die ortsübliche Vergleichsmiete. So wird eine Wohnanlage durch den Wegfall der Anschlussfinanzierung für Eigentümer erst richtig profitabel.  Nach Einsicht in das Grundbuch wurde klar, dass der jetzigen EigentümerInnen der Wohnanlage in der Koloniestraße etwa 10 Millionen Euro für das ganze Ensemble gezahlt haben.  In der Wirtschaftlichkeitsberechnung stehen aber die ursprünglichen Baukosten von 32. Millionen. Dass heißt, der  jetzige Eigentümer darf laut Gesetz  Kosten geltend machen, die er nie gehabt hat und die schon durch Subventionen und Garantien im Insolvenz-Fall durch Steuergeld bezahlt wurden.

Ein bewährtes Team am  Berliner Immobilienmarkt
Die Wohnanlage in der Koloniestraße wurde nach einer Insolvenz des Voreigentümers 2010 an    die  Portfolio GmbH Lior Mamrud und Josif Smuskovics     verkauft.  Zu den  in den letzten Jahren  mehrfach wechselten Hausverwaltungen gehört die Claus Hausverwaltung GmbH.   Hellmuth Claus ist wiederum Geschäftsführer von  Immonexxt, die mit dem Slogan „Wohnen mit Wohlfühlfaktor“ wirbt.   BeobachterInnen des Berliner Wohnungsmarktes ist das Duo Claus/ Lior Mamrud und Josif Smuskovics   allerdings schon häufiger begegnet.   Zum 1. Januar 2014 hat die Claus Hausverwaltung die Verwaltung wesentlicher Teile des Immobilienbestandes der Berliner Family Office Mamrud Smuskovics-Gruppe übernommen. Im Gegenzug hat die D.V.I. Deutsche Vermögens- und Immobilienverwaltung GmbH – ein Unternehmen der MamrudSmuskovics-Gruppe – 50 % der Gesellschaftsanteile der Claus Hausverwaltung GmbH erworben. Stefan Claus, Geschäftsführer der Claus Hausverwaltung GmbH, sieht in der Verzahnung Vorteile für beide Partner. Während die Claus Hausverwaltung den von ihr verwalteten Immobilienbestand von derzeit rd. 4.000 Wohnungen schrittweise auf über 7.000 erweitere, rücke der Investor durch seine Gesellschafterstellung noch näher an die Immobilienverwaltung heran. Der für die Verwaltung geschlossener Immobilienfonds zuständige Unternehmensbereich der Claus-Gruppe, die BEB Verwaltungs GmbH, bleibt von diesen Veränderungen unberührt und unter der alleinigen Kontrolle der Familie Claus. Im Zuge der Trennung der beiden Unternehmensbereiche ist Stefan Claus aus der Geschäftsführung der BEB Verwaltungs GmbH ausgeschieden; verantwortlicher Geschäftsführer der BEB Verwaltungs GmbH bleibt Dino Kirchmeier. DVI.Gruppe beschreibt auf ihrer Homepage die Grundzüge ihrer Unternehmensphilosophie:
„Im Gegensatz zu den klassischen Immobilienunternehmen haben wir unser Investmentspektrum sehr weit definiert und je nach Bedarf führende Spezialisten in den Akquisitions- und Entwicklungsprozess integriert. Vom konventionellen Wohn- und Geschäftshaus bis hin zu komplexen NPL-Transaktionen haben wir auf unserer bisherigen Reise eine Vielzahl von umfangreichen Baumaßnahmen durchgeführt, nahezu alle Facetten der gewerblich genutzten Immobilie in unseren Bestand aufgenommen, großflächige Bebauungspläne für eigene Grundstücke initiiert, zahlreiche unterschiedliche Wohnanlagen erworben und nicht zuletzt die mehrheitliche Übernahme von geschlossenen Immobilienfonds umgesetzt. …..  Angetrieben von der Leidenschaft für Immobilien, sehen wir unsere Kernkompetenz in der Bereitschaft neue Wege zu gehen und beweglich zu sein – Entschlossenheit und Konsequenz prägen unsere Umsetzung.“
„Die Gründe liegen in der Markteinschätzung des Eigentümers“
Der Berliner Kurier hatte im März 2011 unter der Überschrift „Wer sind die skrupellosen Miethaie?“ auch die Claus Hausverwaltung besucht. Sie suchten nach den Verantwortlichen   für massive Mieterhöhungen in der Berliner Kochstraße, die damals Schlagzeilen machten. „Die Gründe liegen in der Markteinschätzung des Eigentümers“, zitiert der Kurier aus einer Mail von Stefan Claus.  Das dürfte auch auf die Wohnanlage  in der Koloniestraße zutreffen.

aus:   MieterEcho online

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/koloniestr.html

Peter Nowak

Erst Rausschmiss, dann Reglementierung

WOHNEN Vor einem Jahr wurde Tina S. zwangsgeräumt. Seither kämpft sie um ihre Privatsphäre
Über ein Jahr ist her, dass Tina S. aus ihrer Wohnung in der Buttmannstraße 18 im Wedding geräumt wurde. Am kommenden Freitag lädt die Stadtteilinitiative „Hände weg vom Wedding“ ab 17 Uhr in den Nachbarladen in der Buttmannstraße 16 zum Kiezpalaver mit Büfett – auf den Treffen wird es auch um die seit einem Jahr leer stehende Wohnung von Tina S. gehen, die nach der Sanierung wesentlich teurer zur Neuvermietung angeboten wird. „Wir wollen darüber sprechen, wie die Probleme im Kiez gemeinsam angegangen werden können“, erklärte Martin Steinberg von dem Weddinger Stadtteilbündnis. Tina S. würde gern wieder in ihre alte Wohnung zurückkehren.  Sie lebt zurzeit bei UnterstützerInnen, muss aber in nächsten Monaten eine neue Wohnung finden. Davor hat sie mehrere Monate in der Einrichtung der Berliner Wohnungsnothilfe FrauenBeDacht in Berlin-Mitte gewohnt. Dort geriet sie mit der Hausordnung in Konflikt. „Die erste Abmahnung erhielt ich, weil ich in der Gemeinschaftsküche geraucht habe, was ein Verstoß gegen die Hausordnung ist. Drei Abmahnungen führen zur Kündigung“, berichtet Tina S. gegenüber der taz. Sie habe sich in der Einrichtung reglementiert gefühlt und juristisch um ihre Privatsphäre kämpfen müssen, betont sie. So habe sie dem Personal erfolglos mehrmals verboten, ihr Zimmer ohne ihre Einwilligung zu betreten. Erst nachdem sie einen Anwalt einschaltete, erhielt sie von der Geschäftsstelle der Gebewo Soziale Dienste, die die Einrichtung
betreibt, per SMS die Mitteilung, dass alle MitarbeiterInnen angewiesen wurden, das Zimmer nicht ohne ihre Einwilligung zu betreten.

Kündigung nach vier Tagen
Robert Veltmann von der Geschäftsstelle der Gebewo Soziale Dienste wehrt sich gegen die Vorwürfe. „Da wir in solch einer Unterkunft auch viele Menschen mit erheblichen sozialen Problemen beherbergen, dient es allen Bewohnerinnen im Haus, eine verbindliche Hausordnung zu pflegen.“ Die von Tina S. kritisierte Regelung, dass Bewohnerinnen gekündigt wird, wenn sie vier Tage nicht in der Einrichtung übernachten, begründet Veltmann mit der Kooperationsverpflichtung gegenüber den Jobcentern. „Die von Ihnen bemängelte Regelung beruht darauf, dass wir als Trägerorganisation unabgesprochenes Fernbleiben der Bewohnerinnen nach spätestens drei Werktagen dem zuständigen Kostenträger mitteilen müssen, der dann seinerseits wegen fehlender Mitwirkung die Zahlung für die Unterhaltskosten einstellt“, schreibt Veltmann an den Rechtsanwalt von Tina S. Henrik Solf.
aus Taz vom 12.8.2015
PETER NOWAK

Kein Recht auf Platz

AKTION Gericht untersagt Open-Air-Kino auf dem „Leo“ – weil der teilweise der Kirche gehört

Ein Open-Air-Kino gegen Verdrängung hatte die Stadtteilinitiative „Hände weg vom Wedding“ für Sonntagabend auf dem Weddinger Leopoldplatz geplant. Der Film „Buy, Buy St. Pauli“ über Gentrifizierung in Hamburg sollte gezeigt und anschließend mit den FilmemacherInnen diskutiert werden. Doch dann musste sich die Stadtteilinitiative mit der eigenen Verdrängung auseinandersetzen.

Am 24. April hatte das Amtsgericht Wedding der evangelischen Nazarethkirchengemeinde recht gegeben und die Veranstaltung auf dem Areal untersagt. Es gebe genügend Platz auf dem nichtprivaten Teil des Platzes, so die Begründung der Richterin. Sie zog zudem den politischen Charakter der Veranstaltung in Zweifel.

Zuvor hatte die Stadtteilinitiative noch eine einstweilige Verfügung erwirken können. Weil die als Kundgebung angemeldete Filmvorführung unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit falle, sei die Gemeinde zur Duldung der Aktion verpflichtet, so die Begründung.

Enttäuscht von dem Urteil ist Martin Steinberg von der Stadtteilinitiative. „Erschreckend“ sei es, „mit welchem Nachdruck die Nazarethkirchengemeinde versucht, eine politische Meinungsäußerung auf Teilen des Platzes zu verhindern“, sagte er zur taz. Er verwies darauf, dass das Areal mit öffentlichen Mitteln saniert wurde, bevor es 2006 in den Besitz der Gemeinde überging.

Für Steinberg ist mit dem Urteil der Konflikt nicht beendet. Er wird auch Thema der Aktionstage sein, die noch bis zum 30. April an verschiedenen Orten in Wedding stattfinden. Am 28. April um 20 Uhr wird Robert Maruschke im „Ex-Rotaprint“ in der Gottschedstraße 4 über Stadtteilorganisierung in den USA berichten.

Am 30. April ab 18.30 Uhr wird der ganze Leopoldplatz zum Ort der politischen Auseinandersetzung. Dann beginnt dort eine Stadtteildemo unter dem Motto „Organize! Gegen Rassismus und soziale Ausgrenzung!“, die durch den Wedding zieht.

Anders als in den vergangenen Jahren haben die OrganisatorInnen auf den Zusatz „Walpurgisnacht“ verzichtet. „Damit wollten wir betonen, dass es uns um eine antikapitalistische Demonstration geht, und auch Menschen im Stadtteil ansprechen, die mit dem Bezug zur Walpurgisnacht nichts anfangen können“, begründete Steinberg diese Entscheidung.

Programm der Aktionswoche „Hände weg vom Wedding“:

haendewegvomwedding.blogsport.eu


http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F04%2F27%2Fa0099&cHash=801051ea40e79a52a20cfdd079ce761e

Peter Nowak

Kein Recht auf Platz

Die Privatisierung des öffentlichen Raums schränkt die Grundrechte ein. Auch die Mieterbewegung ist davon betroffen.

Der Leopoldplatz im Berliner Stadtteil Wedding wird täglich von vielen Menschen überquert und die meisten von ihnen dürften ihn als öffentlichen Platz wahrnehmen. Kaum jemand weiß, dass auf Teilen des Platzes die Grundrechte nur eingeschränkt gelten. Erst seit die Initiative »Hände weg vom Wedding«, in der sich Weddinger Mieter und Stadtteilaktivisten zusammengeschlossen haben, dort Anfang August eine Videokundgebung mit dem Film »Mietrebellen« veranstalten wollten, wurde deutlich, dass der Platz gar nicht so öffentlich ist. Seit 2006 gehört ein Teil des Leopoldplatzes der evangelischen Nazareth-Kirchengemeinde, die eine Genehmigung der Kundgebung ablehnte. Auf dem Platz müsse politische Neutralität herrschen, lautete die Begründung des Vorsitzenden der Kirchengemeinde, Sebastian Bergmann.

Das Berliner Amtsgericht schloss sich dieser Sichtweise an und wies eine einstweilige Verfügung gegen das Platzverbot mit der Begründung zurück, die Kirchengemeinde sei »nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden«. Denn bei ihr handele es sich nicht um »eine staatliche Organisation oder ein Unternehmen, das mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht«. Deshalb finde in diesem Fall auch das Fraport-Urteil aus dem Jahr 2005 keine Anwendung. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass auch auf einem Flughafen Proteste gegen die Abschiebung von Flüchtlingen möglich sein müssen.

Der Berliner Rechtsanwalt Peer Stolle, der die Weddinger Stadtteiliniative juristisch vertrat, hat für die Entscheidung des Amtsgerichts kein Verständnis und hält sie für rechtsfehlerhaft. Im Gespräch mit der Jungle Word kritisierte er, dass das Amtsgericht einen Widerspruch verunmöglicht habe, weil es die Entscheidung nicht per Fax, sondern per Post versandt habe. Aus zeitlichen Gründen seien weitere rechtliche Schritte so nicht mehr möglich gewesen. Für Stolle hat das Gericht damit einen Rechtsschutz vereitelt. Das Platzverbot hatte trotzdem keinen Bestand, weil ein großer Teil der Teilnehmer der Kundgebung auf dem Leopoldplatz die Trennlinie zum kirchlichen Teil des Platzes souverän ignorierte.

Bereits Mitte der neunziger Jahre machten künstlerische Initiativen und Stadtteilaktivisten mit Innenstadtaktionstagen auf die Konsequenzen einer Privatisierung öffentlicher Plätze aufmerksam. Schon damals wurde gewarnt, dass mitten in der Stadt Orte entstehen könnten, auf denen politische Meinungsäußerungen nicht mehr möglich und Menschen mit wenig Einkommen unerwünscht sind. Solche Aktionstage in Innenstädten gibt es nicht mehr, die Probleme, die bei ihnen angesprochen wurden, allerdings schon.

Vor allem in aufgewerteten Stadtteilen entzünden sich schnell Diskussionen über Trinker, die auf öffentlichen Plätzen zum Ärgernis werden. Betroffene der Debatte sind oft Menschen, die sich ihr Bier günstig im Spätkauf oder Discounter holen und auf einem öffentlichen Platz konsumieren wollen. Menschen, die es sich leisten können und wollen, alkoholische Getränke in einem der Restaurants zu verzehren, werden hingegen als begehrte Konsumenten umworben.

Eine Bewegung, die ein Recht auf Stadt fordert und ihren postulierten Anspruch ernst nimmt, sollte die Fragen, die damals die Organisatoren der Innenstadtaktionstage aufgeworfen haben, wieder aufgreifen. Eine Schwäche der Debatte um Stadtpolitik vor über 20 Jahren war allerdings die weitgehende Ausblendung der Eigentumsfrage. Man konzentrierte sich vor allem auf die Nutzung öffentlicher Plätze. Doch nicht nur die Auseinandersetzung um die Nutzung des Leopoldplatzes macht deutlich, dass die Frage des Eigentums mittlerweile eine zentrale Rolle spielt. Für den Münchner Publizisten Claus Schreer, der das Buch »Das Geschäft mit der Wohnung – Bodenspekulation und Stadtentwicklung im Kapitalismus« herausgegeben hat, ist die Frage nach den Eigentumsverhältnissen auch zentral für eine Mieterbewegung. »Einen wirklichen sozialen Wohnungsbau, der mit der Garantie dauerhaft preiswerter Mieten einhergeht, kann es überhaupt nur unter völliger Ausschaltung von Kapital- und Bankprofiten geben«, schreibt er.

http://jungle-world.com/artikel/2014/35/50479.html

Peter Nowak

Wenn auf privatisierten Plätzen die Grundrechte nicht mehr gelten

Kampf für Mieterrechte und gegen Privatisierung von öffentlichem Raum im Wedding

„Organisiert Mieterinitiativen. Lernt Eure Nachbaren kennen.  Nutzt öffentliche Plätze für Eure Treffen“.   Diese Aufforderung richtete eine Rednerin der StadtteiIinitiative   „Hände weg vom Wedding“  an ca. 250 Menschen, die sich dort am Donnerstagabend auf dem Leopoldplatz   zu Open-Air Aufführung des  Films „Mietrebellen“ von Gertrude Schulte Westenberg und Matthias Coers versammelt hatten.
Er zeigt die Vielfalt der Berliner  Mieterkämpfe von den Protesten der Senioren der Stillen Straße und der Palisadenpanther bis zu der Bewegung gegen Zwangsräumungen.  Daran knüpften Rednerinnen des Weddinger Bündnisses,  in dem sich MieterInnen und StadtteilaktivistInnen zusammengeschlossen haben, mit aktuellen Beispielen aus dem Stadtteil an. Sie erinnerten daran, dass im Juni  Tina S. aus ihrer Wohnung in der Weddinger Buttmannstraße 18, in der sie über 30 Jahre gewohnt hat,  zwangsgeräumt wurde.  Eine Erwerbslosenaktivistin berichtet, dass die Mieten auch im Wedding  oftmals über den Satz liegen, den das Jobcenter Hartz IV-EmpfängerInnen zubilligt.  Für sie bleibt dann nur die Alternative, den Rest der Miete von ihren kargen Einkünften zu bestreiten oder wegzuziehen.
Bereits  2010 trafen sich MieterInnen zu mehreren  Veranstaltungen,  um über die aktuellen Aufwertungsentwicklungen im Stadtteil zu analysieren und Gegenstrategien zu entwickeln (siehe MieterEcho 541/Juni 2010).   Seit letztem Jahr veranstaltet die Initiative „Hände weg vom Wedding“ regelmäßig Kundgebungen auf öffentlichen Plätzen und  vor Jobcentern, um auf  die  Verarmungsprozesse und die drohende Verdrängung  einkommensschwacher Menschen im Stadtteil aufmerksam zu machen.

Wenn die Grundrechte nicht mehr gelten

Der  Teil des Leopoldplatzes, der seit 2006 im Eigentum  der Nazareth-Kirchgemeinde ist,  sollte für die MieterInnenkundgebung  zur Verfügung stehen.    Der  Vorsitzende  des Gemeindekirchenrates  Sebastian Bergmann erklärte, man müsse die politische Neutralität achten. Davon  war er  auch nicht durch den Offenen Brief der beiden Regisseure des Films „Mietrebellen“  abzubringen, in dem sie fragten, ob „eine evangelische Gemeinde ihrem Anspruch nach, als Ort der Armen und Verdrängten, ihre Tore nicht öffnen müsste, statt sie für diese öffentliche Filmaufführung zu schließen.“   Unterstützung bekam die Kirchengemeinde durch das Berliner Amtsgericht. Es lehnte eine Einstweilige Verfügung gegen das Platzverbot mit der Begründung ab, dass  die Kirchengemeinde  „nicht unmittelbar an die  Grundrechte gebunden“ sei. Denn bei ihr handele es nicht um  „eine staatliche Organisation oder ein Unternehmen, das mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht.“   Mit dieser Begründung bekommen aber private Organisationen eine Handhabe, demokratische Grundrechte wie  Demonstrations- und Versammlungsfreiheit z außer Kraft zu setzen. Vor einer solchen Entwicklung hatten  KritikerInnen der neoliberalen Stadtentwicklung in den 90er Jahren mit  Innenstadtaktionstagen gewarnt.   Die Weddinger Initiative hat nun den Kampf um den öffentlichen Raum und die Interessen der MieterInnen zusammengeführt, in dem sie  den Platz für einige Stunden in Besitz genommen  und über  den MieterInnenwiderstand zu diskutieren.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/mietrebellen-evangelische-kirche.html

MieterEcho online 08.08.2014

Peter Nowak

Mietrebellen vor Kirche unerwünscht

Es sollte eine Premiere werden. Am heutigen Donnerstag wollte die Initiative »Hände weg vom Wedding« ab 19 Uhr den Film »Mietrebellen« erstmals unter freiem Himmel zeigen. Die Dokumentation über die Mieterbewegung in Berlin läuft derzeit recht erfolgreich in den Kinos. Auch der Auftritt eines Hip-Hop-Musikers war geplant.

Doch aus dem Vorhaben wird wohl nichts. »Aus Gründen der politischen Neutralität darf die Veranstaltung auf dem Platz nicht stattfinden«, erklärt Sebastian Bergmann von der Nazareth-Kirchengemeinde. Die Kirche ist zuständig, weil ein Teil des Leopoldplatzes 2006 in ihr Eigentum überging.

»Ein öffentlicher Platz wird privatisiert, und dann soll dort das Demonstrationsrecht nicht mehr gelten«, kritisiert Anna Dorn von »Hände weg vom Wedding«. Die Stadtteilinitiative will nun mit einer einstweiligen Verfügung die Kundgebung doch noch kurzfristig durchsetzen. Dorn verweist in diesem Zusammenhang auf das »Fraport-Urteil« des Bundesverfassungsgerichts von 2011. Die Karlsruher Richter erklärten damals, dass auch privatisierte Orte wie Flughäfen, Bahnhöfe oder Malls öffentliche Foren seien, in denen eine unmittelbare Grundrechtsbindung gelte, so dass Demonstrationen nicht ohne Weiteres verboten werden können. In einem Brief an die Kirchengemeinde forderten unterdessen auch die Regisseure von »Mietrebellen«, das Verbot aufzuheben.

Anwohner berichten unterdessen, dass seit der Privatisierung einiges anders sei auf dem Leopoldplatz: So seien einkommensschwache Menschen dort generell nicht mehr erwünscht – auch dagegen soll protestiert werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/941626.mietrebellen-vor-kirche-unerwuenscht.html

Peter Nowak