Neue Friedensbewegung oder Querfront?

AfD – Kontrahent und möglicher Partner?

Rechte Provokation zum Jahrestag der Befreiung

„Reichsbürger“ haben am 9. Mai eine Kundgebung am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow veranstaltet.

Die BRD ist nicht Deutschland. Die EU ist nicht Europa“ – lautete die Parole auf einem großen Transparent, das am Freitag am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow zu sehen war. Auch ein bekanntes antifaschistisches Motiv war dort in einer umgearbeiteten Version aufgezeichnet. Statt eines Hakenkreuzes wirft eine Figur eine EU-Fahne in den Mülleimer.

Am Fuße der „Statue mit Kind und zerbrochenem Hakenkreuz“ hatten zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus die rechtslastigen Reichsbürger eine mehrstündige Kundgebung angemeldet. Organisator war Rüdiger Klasen aus Mecklenburg-Vorpommern. Anfang der 90er Jahre war Klasen Kreisvorsitzender der NPD in Hagenow. Wegen Beteiligung an einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft war er zu einer dreieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Obwohl er im Prozess weitere NPD-Mitglieder beschuldigte, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein, trat Klasen noch 2010 auf einer NPD-Veranstaltung in Leipzig als Referent auf. Zunehmend aber verlegte Klasen seine Aktivitäten auf die rechtsesoterische „Reichsbürger“-Szene, die das Fortbestehen des Deutschen Reiches propagiert und die aktuellen deutschen Gesetze und Urkunden nicht anerkennt.

Am 9. Mai legte Klasen mit anderen am Sowjetischen Ehrenmal einen Kranz mit der Flagge des Deutschen Reiches und der Aufschrift „Im Gedenken an alle gefallenen Soldaten“ nieder. Auch der Betreiber des Youtube-Kanals „Allgemeiner Deutscher NSL Sender“ Heinz Mario Romanowski nahm an der Veranstaltung teil. NSL ist die Abkürzung für Neuschwabenland, einer regelmäßigen Zusammenkunft von Rechtsesoterikern in Berlin.

Nur wenige hundert Meter entfernt trafen sich am 9. Mai zahlreiche Menschen gemeinsam mit russischen Veteranen zu einer Feier anlässlich des Datums der Befreiung. Mehrere Teilnehmer der Feierlichkeit, die gegen die rechte Kundgebung protestierten, bekamen von der Polizei Platzverbot. Ob das Landeskriminalamt die rechte Kundgebung an diesem Ort und zu diesem Termin überhaupt hätte genehmigen dürfen, wird noch das Berliner Abgeordnetenhaus beschäftigen.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/rechte-provokation-zum-jahrestag-der-befreiung

Peter Nowak

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Diese Meldung bezieht sich auf den Artikel
http://www.jungewelt.de/2014/05-14/061.php

Rechte Provokation am Tag des Sieges

Berlin. Die rechte Gruppierung »Reichsbürger« hat am 9. Mai, dem Tag des Sieges über den Faschismus, eine Kundgebung am Ehrenmal für die gefallenen Soldaten der Roten Armee im Treptower Park abgehalten. Wie die Internetseite bnr.de berichtete, wurde die mehrstündige Provokation von dem ehemaligen NPD-Kader Rüdiger Klasen organisiert. Er war in den 90er Jahren wegen eines Brandanschlages auf ein Flüchtlingsheim verurteilt worden. Antifaschisten, die ihren Unmut äußerten, sollen Platzverweise erhalten haben. Nun muß das Berliner Abgeordnetenhaus klären, ob die Polizei den rechten Aufmarsch hätte genehmigen dürfen.(jW)

Wer braucht schon Fakten?

»11.9. Insidejob der USA« verkünden große Plakate vor dem Brandenburger Tor. Es ist Montag, seit dem 7. März ist dieser Tag für Verschwörungstheoretiker und rechte Esoteriker ein Pflichttermin. Um 18 Uhr versammeln sie sich vor dem Brandenburger Tor in Berlin und mittlerweile auch in 23 weiteren Städten. »Stoppt NWO und Fed« ist auf einem Transparent zu lesen. Die Abkürzungen stehen für »Neue Weltordnung« und die US-Notenbank, letztgenannte ist für die Montagsdemonstranten Feindbild Nummer eins. Auf selbstgebastelten Transparenten finden sich Parolen gegen die Fed und die USA. Ein Plakat zeigt einen Arm in den Farben der US-Flagge, der eine Lunte entzündet, um die Welt in die Luft zu jagen. Das gleiche Motiv war schon am 30. März vor dem Reichstagsgebäude zu sehen, als die Rechtspopulisten von Pro Deutschland mit Reichsbürgern und anderen Splittergruppen der rechten Szene für Putin demonstrierten. Auf der Montagsdemonstration mit etwa 1 200 Teilnehmern sagt ein Redner: »Wir sind nicht rechts oder links. Wir wollen nur, dass es mit Deutschland aufwärts geht.« Das will sicher auch der Mann, der Postkarten mit der Aufschrift »Einigkeit und Recht und Freiheit für des Menschen Tellerrand« verteilt. Beim Klick auf die angegebene Homepage gelangte man noch vor einigen Tagen zum Link des Youtube-Films »Der 2.Weltkrieg. Was man uns vergessen hat, zu erzählen«. Ernst Zündel und andere Altnazis verkünden dort ihre braune »Wahrheit« über Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Wahrheitssucher scheint es auf der Demonstration einige zu geben, immer wieder wird die Forderung nach »ehrlichen Medien« laut. Der Organisator der Berliner Montagsdemonstration vertritt ebenfalls eine ganz eigene historische Wahrheit, wenn er behauptet, für fast alle Kriege in den vergangenen 100 Jahren sei die Fed verantwortlich. Einige Antifaschisten, die die Szene am Brandenburger Tor beobachten, hoffen noch, dass sich die Bewegung verläuft.

http://jungle-world.com/artikel/2014/16/49699.html

Peter Nowak

Falsche Freunde

MONTAGSDEMOS Linke sagen ihre Teilnahme wegen Angst vor rechten Verschwörungstheoretikern ab

In 23 Städten wollen heute Montagsdemonstranten auf die Straße gehen: Berlin, Hamburg und München, aber auch Aachen und Wilhelmshaven stehen auf der Liste der Organisatoren. Doch es wächst die Kritik an der neuen Bewegung, die am 17. März mit einer Kundgebung von knapp 100 Menschen vor dem Brandenburger Tor begann.  Am letzten Montag versammelten sich knapp 1.500 Menschen in Berlin. Auf den Transparenten standen vage Aufrufe zum Weltfrieden. Auffällig aber waren die vielen Plakate mit Parolen gegen die US-Notenbank Fed. Auch auf der Facebook-Seite der Montagsdemonstranten heißt es: „Fed provoziert Krieg. Wir wollen das nicht.“  Die Linke Jugend- und Hochschulgruppe Magdeburg warnt inzwischen vor der Teilnahme an der Montagsdemonstration in Magdeburg. Auf den ersten Blick wirkten die Sorgen um den Weltfrieden und die Pressefreiheit wie linke Themen. Doch bei einer Recherche sei man auf eine „Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda gestoßen“, erklärt ein Mitglied der Hochschulgruppe. Die Truther-Bewegung bezweifelt, dass die Anschläge vom 11. September in den USA Islamisten verübten.  Bei einer Demo Anfang April waren Plakate zu sehen, auf denen die Anschläge als „Insidejob“ der USA bezeichnet wurden. Der Organisator der Berliner Montagsdemo, Lars Märholz, hat sich gegen Links- und Rechtsextremismus ausgesprochen, aber mit eigenwilligen historischen Thesen für Kritik gesorgt. Der Herausgeber des rechtskonservativen Compact-Magazins Jürgen Elsässer, vor seinen nationalen Coming-out ein Stichwortgeber der antideutschen Linken, solidarisiert sich mit Märholz und der neuen Montagsdemobewegung.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2014%2F04%2F14%2Fa0054&cHash=70ee633a93fa4012b013cebbea65f984

Peter Nowak

Immer Montags gegen FED und für den Frieden

Neue Montagsdemonstrationen: „Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda“

Es gab in den vergangenen zwei Jahrzehnen diverse Protestbewegungen, die unter dem Begriff Montagsdemonstration an die Manifestationen am Ende der DDR anknüpfen wollen. Aktuell gibt es eine neue Bewegung der Montagsdemonstrationen [1] , die sich hauptsächlich über das Internet koordinieren. An 23 Orten soll es bereits verschiedene Aktivitäten [2] gegeben haben. In einigen Städten sind es Mahnwachen, in anderen Kundgebungen und in manchen auch Demonstrationen . Am kommenden Montag soll sich die Bewegung noch ausweiten.

Auffallend ist die vage moralische Zielsetzung, „Wir wollen Frieden in der Welt“, „Für eine friedliche Zukunft“: Das ist so unbestimmt, dass wohl niemand dagegen ist. Dann taucht doch ein Gegner auf. „FED provoziert Krieg“, lautet das Motto. Die US-Notenbank ist eine Projektionsfläche für allerhand Verschwörungstheorien, nicht selten mit antisemitischen Untertönen [3].

Anonymous für Deutschland?

Einer der Ausgangspunkte dieser neuen Montagsbewegung ist ein neuneinhalb Minuten langes Video unter dem Titel „Anonymous – Nachricht an die deutsche Bevölkerung“ [4] . Die Medienkritikerin Elke Wittich sagt [5] polemisch, aber zutreffend: „Der Inhalt des neuneinhalb Minuten langen Machwerks, in dem außer den ‚Chemtrails‘ fast keine Verschwörungstheorie, ausgelassen wird, lässt sich so zusammenfassen: Die Hacker-Gruppe ‚Anonymous‘ ruft unter anderem zum Kampf gegen ‚Tabuthemen, Geschichtsfälschung, Gehirnwäsche, Masseneinwanderung‘ auf, hält Deutschland für ‚ein besetztes Land‘ und Feminismus ebenso wie ‚deutsches Schuldbewusstsein‘ für das Allerletzte, weil damit das ‚deutsche Volk‘ versklavt oder ausgerottet werden soll. Pathetisch verkündet Anonymous: ‚Die Korrupten fürchten uns. Die Ehrlichen unterstützen uns. Die Heroischen schließen sich uns an.'“

Auf der Internetplattform Ruhrbarone wurde über das „Video im Nazi-Style“ [6] polemisiert. Auch in Hackerkreisen sorgt das nationale Comingout von Anonymous für Verwirrung, Verärgerung und Spott. [7]

Querelen um Anmelder der Berliner Montagsdemonstration

In Berlin tritt ein vorher nicht politisch in Erscheinung getretener Lars Märholz als Anmelder und Organisator der Montagsdemonstration auf. Mittlerweile wächst die Kritik [8] an seinen Umgang mit Kritik und seinem mehr als zweifelhaften politischen Umfeld [9]. Ein Bildmotiv [10] auf Märholz‘ Facebookseite stellt beispielsweise die Bankiersfamilie Rothschild als Monster dar. Wenn Märholz in einem Interview erklärt: Woran liegen alle Kriege in der Geschichte in den letzten 100 Jahren? Und was ist die Ursache von allem? Und wenn man das halt alles ’n bisschen auseinander klabüsert und guckt genau hin, dann erkennt man im Endeffekt, dass die amerikanische Federal Reserve, die amerikanische Notenbank, das ist eine Privatbank, dass sie seit über hundert Jahren die Fäden auf diesem Planeten zieht, muss man sich schon fragen, ob er die FED auch beschuldigt, für die beiden Weltkriege verantwortlich zu sein.

In diesem nach Rechtsaußen anschlussfähigen ideologischen Sammelsurium mischen auch esoterische Reichsbürger [11] mit, für die das deutsche Reich noch immer besteht. Dazwischen tummeln sich politisch nicht festgelegte Menschen, die über Internet von den Demonstrationen erfahren haben.

Warnung vor „Verschwörungstheoretikern und Antisemiten“

In den ersten Wochen wurden diese Demos gegen die FED und alles Böse nicht weiter ernst genommen. Doch nachdem die Anzahl der Teilnehmer gewachsen ist, artikulieren sich auch die Kritiker deutlicher. So warnen [12] linke Jugend- und Studierendenorganisationen vor der Teilnahme vor einer am 14.4. in Magdeburg geplanten Montagsdemonstration [13], die mit Slogans wie „Wir sind das Volk“, „Gegen die Todespolitik der Federal Reserve“ und „Für eine ehrliche Presse“ mobilisiert. Die Kritiker monieren in dem Aufruf und bei den Unterstützern eine „Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda“.

http://www.heise.de/tp/news/Immer-Montags-gegen-FED-und-fuer-den-Friede-2169089.html

Peter Nowak

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Nachholende Würdigung

Auf den Spuren verfolgter GewerkschafterInnen

Rezension von Peter Nowak

GewerkschafterInnen gehörten mit zu den ersten, die von den Nazis verfolgt wurden. Oft waren sie Polizei und Unternehmen schon in der Weimarer Zeit verdächtig, besonders wenn sie sich für die Rechte ihrer Kollegen aktiv einsetzten. Die Verfolgungsbehörden konnten also oft auf schon angelegte Akten zurückgreifen. Doch nach 1945 wurde verfolgten Gewerkschaftern in der Regel kaum gedacht. Sie engagierten sich, wenn sie überlebt hatten, in Antifa-Ausschüssen und bei den Neugründungen der Gewerkschaften. Oft starben sie jedoch infolge der Entbehrungen von Verfolgung und KZ-Haft oder schlicht aufgrund der schlechten Lebensverhältnisse von ArbeiterInnen jung.

Daher ist es besonders verdienstvoll, dass seit einigen Jahren an der Freien Universität Berlin das Forschungsprojekt „Gewerkschafter/innen im NS-Staat. Verfolgung – Widerstand – Emigration“ den oft namenlosen verfolgten GewerkschafterInnen ein Gesicht gibt.

Das Projekt  geht maßgeblich auf die Initiative des inzwischen emeritierten Politik-Professors Siegfried Mielke zurück. Ihn hat  gestört, dass gewerkschaftlicher Widerstand – wenn überhaupt wahrgenommen – in der öffentlichen Erinnerungskultur zum Thema Widerstand gegen das NS-Regime eine Nebenrolle spielt.   Im Rahmen des Projekts sind  unter
Einbeziehung einer Reihe NachwuchswissenschaftlerIinnen und Studierender

mehrere Publikationen zum Thema Widerstand und Verfolgung von
GewerkschafternInnen aus verschiedensten Berufen entstanden. Einige
Studien werden in den nächsten Jahren folgen, z. B. zum Widerstand von
Angestellten, Eisenbahngewerkschaftern, Textilarbeitern,
Polizeigewerkschaftern. Einer der Nachwuchswissenschaftler ist der Diplompolitolge Stefan H
einz. Gegenüber express begründet er seine Motivation an der Teilnahme an dem Projekt so:

„Es ist wichtig und letztlich eine politische Angelegenheit, den bisher verkannten Umfang und die kaum wahrgenommene Intensität von Widerstand, Verfolgung und Emigration von
Gewerkschaftern/innen unterschiedlichster politischer Richtungen zu
ermitteln – auch um den „vergessenen“ Widerständlern eine späte Würdigung
widerfahren zu lassen.“

Im Rahmen dieses Projekts ist kürzlich im Metropol-Verlag ein Handbuch erschienen, das die Biographien von 95 Gewerkschaftern – tatsächlich ausschließlich Männern – vorstellt, die hauptsächlich in brandenburgischen Konzentrationslagern Sachsenhausen und Oranienburg,   aber auch im weniger bekannten KZ Sonnenburg, das heute in Polen liegt, inhaftiert   waren. Die an dem Forschungsprojekt beteiligten Wissenschaftler Siegfried Mielke und Stefan Heinz stellen in der ausführlichen Einleitung auch die Frage, warum die Gewerkschaften bisher so wenig unternommen haben, um die Verfolgungsgeschichte vieler ihrer Mitglieder bekannter zu machen. Wesentlich präsenter in der öffentlichen Wahrnehmung ist hingegen der Anpassungskurs, mit dem Funktionäre des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) nach dem Machtantritt der Nazis die Gewerkschaften in das „Dritte Reich“ eingliedern wollten. Trauriger Höhepunkt dieser Anpassungspolitik war der Aufruf des ADGB-Vorstands zur Teilnahme an den von den Nazis organisierten Feiern zum 1. Mai 1933. Einen Tag später ließen die Nazis die Gewerkschaftshäuser besetzen. „Die Auswirkungen der Anpassungspolitik der Organisatoren des ADGB im Frühjahr führten zu der weitverbreiteten Annahme, es habe kaum gewerkschaftlichen Widerstand gegeben. An diese öffentliche Wahrnehmung schließt sich an, dass sowohl die Quantität als auch die Qualität der Verfolgung, die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter betraf, unterschätzt wurden.“ (S. 11) Dabei wird von Heinz und Mielke auch die Verantwortung des DGB benannt. „Die DGB-Gewerkschaften in der Bundesrepublik haben demgegenüber eine große Zahl von Mitgliedern und Funktionäre ihrer Vorläuferorganisationen, die nach 1933 Opfer der NS-Verfolgung waren, in Vergessenheit geraten lassen.“ (S. 13) 1995 äußerte der damalige DGB-Vorsitzende Dieter Schulte sein Bedauern, dass die Gewerkschaften das Gedenken an die Verfolgten vernachlässigt hätten. Das FU-Forschungsprojekt holt nun fast sieben Jahrzehnte nach der Zerschlagung des NS-Systems die versäumte Erinnerungsarbeit nach.

Proletarier hinterlassen weniger Spuren als das Bürgertum

Die Herausgeber gehen auch auf die schwierige Quellenlage ein. ArbeiterInnen hinterlassen offenbar weniger Spuren als Menschen aus dem Bürgertum. Neben den Vernehmungsakten der politischen Polizei und der Gestapo sind auch Berichte, die die Gewerkschafter nach 1945 in Ost- wie Westdeutschland geschrieben haben, um als Verfolgte des NS-Regime anerkannt zu werden, wichtige Quellen, die in dem Buch herangezogen und kritisch ausgewertet werden. In einigen Fällen fließen in die Biographien auch persönliche Angaben von Angehörigen ein.

Die einzelnen Biographien sind sehr interessant und lebendig geschrieben und auch sozialgeschichtlich aufschlussreich. Traditionell interessierten sich viele Menschen auch aus dem Proletariat für das Leben von Adeligen und ‚Stars‘. Das zeigt beispielsweise  die Lektüre der sogenannnten Regenbogenpresse, aber auch das Konsumieren von Fernsehserien , die den „Reichen und Schönen“ gewidmet sind.

In dem Buch wird das Leben von unbekannten ArbeiterInnen dem Vergessen entrissen. Wir lernen in den Biographien Menschen in all ihren Widersprüchen, mit ihrem Mut und politischem Willen, aber auch mit ihren Zweifeln, Ängsten und Fehlern kennen. Gerade weil die Widersprüche nicht verschwiegen werden, ist die Lektüre so anregend. Gleich bei Paul Albrecht (S. 67ff.), dem ersten vorgestellten Gewerkschafter, werden diese Widersprüche deutlich. Als junger Mann war er in der anarchosyndikalistischen Jugend Thüringens aktiv. Ende der 1920er  wechselte er zur KPD,  weil er in deren eigenständiger Gewerkschaftsgründung und der stärkeren Abgrenzung zur SPD einen Linksruck sah. wegen deren Linkskurs zur KPD und engagierte sich in der Revolutionären Gewerkschaftsopposition. Bereits nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933 wurde er inhaftiert und misshandelt. Am 1. Juni 1933 wurde er in das Konzentrationslager Sonnenburg gebracht. Nach seiner Freilassung. 1934 setzte er seine Widerstandsarbeit fort. Zwischen 1945 und 1949 war er als Landrat von Genthin führend an der Aufteilung des Großgrundbesitzes beteiligt. Doch nachdem einige Briefe von 1938 bekannt wurden, die er in einem Sorgerechtsstreit mit seiner geschiedenen Frau um den gemeinsamen Sohn geschrieben hatte, verlor Albrecht sein Amt und wurde aus der SED ausgeschlossen (S. 85). In den Briefen hatte er erklärt, mittlerweile auf dem Boden des „Dritten Reiches“ zu stehen. Er warf seiner Frau vor, weiter mit Juden zu verkehren. Erst viele Jahre später, nachdem Albrecht Selbstkritik geübt hatte, wurde er wieder in die SED aufgenommen, bekam aber nur noch Verwaltungsposten beim FDGB. Die  in dem Buch dargelegte Quellenlage löst offen, ob Albrecht den Brief schrieb, um seine Widerstandstätigkeit zu schützen.

Unter den von den Nazis verfolgten GewerkschafterInnen gab es allerdings nicht nur aktive AntifaschistInnen. Exemplarisch sei hier die Biographie des Schauspielers Alfred Braun genannt, der als Sozialdemokrat und Mitglied der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger 1933 inhaftiert war. Nach einem kurzen Exil kehrte er nach Nazi-Deutschland zurück, wo er als  Hörspielregisseur  Karriere beim Berliner Rundfunk machte, die er nach 1945 bruchlos fortsetzte. Ein besonderes Kapitel nehmen die im NS-Staat zeitweise verfolgten gewerkschaftlich organisierten Polizisten ein. Hierfür steht exemplarisch die Biographie von Friedrich Woidelko (S. 778), der im Herbst 1933 für einige Wochen wegen staatsfeindlicher Betätigung verhaftet wurde, obwohl er zu dieser Zeit bereits NSDAP-Mitglied war.

„Nach seiner endgültigen Entlassung am 13. Oktober 1933 sei Woidelko aufgefordert worden,  … zu den Vorfällen zu schweigen und keinen Versuch zu unternehmen, aus der NSDAP auszutreten“ (S. 776). Er blieb bis zum Ende des NS-Regimes NSDAP-Mitglied.  Trotzdem wurde Woidelko nach 1945 eine kleine Rente als Entschädigung gezahlt. Kommunistische Gewerkschafter hingegen, die oft bis 1945 viele Jahre im Konzentrationslager verbringen musste, wurde im Kalten Krieg die Entschädigung verweigert, wenn sie sich weiterhin als Kommunisten betätigten. Viele der vorgestellten Gewerkschafter wollten sich nach 1945 am Aufbau eines antifaschistischen Deutschlands beteiligen. Nur wenige machten Karriere in Spitzenpositionen. Viele hatten zeitweise Konflikte mit der Parteibürokratie, wurden später aber wieder rehabilitiert und kamen auf neue Positionen. Zahlreiche der im Buch aufgeführten sozialdemokratischen Gewerkschaftler in der sowjetischen Besatzungszone unterstützten nach 1945 die Vereinigung der beiden großen Arbeiterparteien zur SED. Zumindest in den vorgestellten Fällen kann nicht davon geredet werden, dass sie gegenüber den ehemaligen KPD-Mitgliedern in der DDR benachteiligt wurden. Generell war in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR eine akribische Prüfung die Voraussetzung für die Anerkennung als Opfer des Naziregimes.

In dem Buch werden keine Helden vorgestellt, aber Menschen, die in der Regel nicht auf der Sonnenseite des Lebens standen und die in einer Zeit Widerstand leisteten, in der führende Industrielle und andere Stützen der Gesellschaft die Nazis gefördert haben. Gerade in einer Zeit, in der Neonazis die Krisenverlierer zu rekrutieren versuchen, ist die Erinnerung an diese Menschen sehr wichtig. Auch das Interesse der Studierenden an der Thematik ist in der  letzten Zeit gewachsen. Umso unverständlicher, dass die FU-Forschungsstelle, die diese wichtige historische Aufgabe übernommen hat, noch immer ohne nennenswerte finanzielle Mittel auskommen muss und ohne das ehrenamtlichen Engagement vieler Studierender und Wissenschaftler ihre wichtige Arbeit nicht fortsetzen könnte. Stefan Heinz beschreibt die prekäre Situation so:  „Nahezu alles, was wir machen, wird also aus Drittmitteln bestritten und muss immer wieder aufs Neue extern eingeworben werden, beispielsweise von der Hans-Böckler-Stiftung. Fallen diese Förderungen weg, können wir unsere Forschungen nicht fortsetzen.“

Peter Nowak

Siegfried Mielke (Hrsg.): „Gewerkschafter in den Konzentrationslagern Oranienburg und Sachsenhausen. Biographisches Handbuch“, Bde. 1-4, Berlin 2002-2013: EditionHentrich und Metropol Verlag

aus

express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 3/4 2014,

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

Rechte demonstrieren für Putin

Während in der Ukraine auch ultrarechte Kräfte aktiv sind, solidarisieren sich ihre Kameraden in Deutschland mit Putin

Ukrainische Rechte bekamen Unterstützung aus Schweden

Deutschland will schneller abschieben

Zeichen der Solidarität

Eine deutsche Delegation beteiligt sich an Protesten gegen Treffen der Waffen-SS in Riga

Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten VVN-BdA beteiligen sich in diesem Jahr erstmals an den Protesten gegen den Aufmarsch zu Ehren der Waffen-SS im lettischen Riga. Mit dem Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA, Markus Tervooren, sprach für »nd« Peter Nowak.

nd: Wer sind Ihre Partner beim Protest gegen das Waffen-SS-Treffen?
Tervooren: Unsere Partner in Riga sind unter Anderem das Lettische Antifaschistische Komitee und die Organisation Lettland ohne Nazismus. Hauptorganisator in Riga ist deren Vorsitzender Josef Koren. Er koordiniert die Proteste am 16. März seit vielen Jahren. Viele der Protestierer aus Lettland sind Nachkommen von Holocaustopfern, aber auch die Kinder ehemaliger Widerstandskämpfer.

Warum gibt es dieses Jahr erstmals eine europaweite Mobilisierung?
An den Protesten haben sich schon immer Menschen aus Europa und auch Israel beteiligt, so war Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Centrum Jerusalem dabei. Es sind aber nie sehr viele gewesen. Auch in diesem Jahr wird nur eine Delegation von Antifaschisten aus Deutschland an den Protesten teilnehmen, darunter auch die LINKE-Bundestagsabgeordnete Martina Renner. Wir wollen damit ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern des Nazismus und den lettischen Antifaschisten setzen.

Was ist in Riga geplant?
In Riga soll es einen Runden Tisch zu Neonazismus und neuem Nationalismus geben. Außerdem sind Kundgebungen gegen den Aufmarsch der Veteranen und Sympathisanten der Waffen-SS in Riga geplant.

Wie reagieren die lettischen Behörden darauf?
Die Polizei und die Gerichte versuchen im Moment, die Antifaschisten weit weg vom eigentlichen Geschehen »protestieren« zu lassen. Gleichzeitig wurden dem Runden Tisch das zweite Mal die Veranstaltungsräume gekündigt. So etwas kennen wir auch aus Deutschland und anderen EU-Ländern.

Haben Sie Informationen, ob auch Neonazis oder SS-Veteranen aus Deutschland oder Österreich am Treffen der Waffen-SS teilnehmen?
Aktuell haben wir keine Informationen. Aber gerade die baltischen Nationalisten unterstützen sich bei vielen Anlässen. Im letzten Jahr haben auch belgische und holländische Waffen-SS-Veteranen teilgenommen

Soll die Kooperation mit den lettischen Antifaschisten auch nach den Protesten vom Wochenende weitergehen?
Der FIR und der VVN-BdA sind Kontakte gerade in den Osten Europas sehr wichtig. Die sind in den letzten Jahren etwas eingeschlafen. Ein Grund liegt darin, dass viele antifaschistische Veteranenorganisationen mit denen Partnerschaften bestanden haben, oft aus Altersgründen nicht mehr richtig arbeitsfähig sind. Wir wollen alte Kontakte erneuern und freuen uns über neue. Daher werden wir auch in den kommenden Jahren sicher öfter nach Riga und auch in andere baltische Staaten fahren. So ist für den Sommer eine Beteiligung an antifaschistischen Protesten gegen einen Aufmarsch der Waffen-SS in Estland geplant.

Gibt es neben den Veteranenverbänden auch junge Antifagruppen?
Es gibt nur ganz wenige junge aktive Antifaschisten im Baltikum. Auch eine aktive Zivilgesellschaft, die sich gegen rechte Aufmärsche ausspricht, ist nicht vorhanden. Die einzige politische Kraft, die in den letzten Jahren das Treffen der lettischen Waffen-SS-Veteranen kritisierte, ist die sozialdemokratische Harmoniepartei, die zum großen Teil von den russischsprachigen Bürgern in Riga gewählt wird.

Spenden für die Delegation nach Lettland können unter dem Stichwort »Spende Riga« auf das Konto der VVN-BdA Bundesvereinigung, Konto-Nr: 190037270, bei der Berliner Sparkasse, BLZ 10050000 gezahlt werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/926884.zeichen-der-solidaritaet.html

Peter Nowak

Ultrarechte Bestrebungen in Osteuropa unter Beobachtung

Politische Initiativen sorgen sich um eine Entwicklung in der Ukraine, die ähnlich verlaufen könnte wie in Ungarn

Am 16. März wollen in der lettischen Hauptstadt Riga wieder die Veteranen der ehemaligen Waffen-SS und ihre jüngeren Epigonen durch die Stadt ziehen. Nur kleine Gruppen meist aus der russischsprachigen Bevölkerung protestieren gegen den Tag der Legionäre. Doch in diesem Jahr beteiligt sich erstmals auch eine Delegation von Antifaschisten aus Deutschland an den Protesten.

Die FIR [1] und die VVN-BdA [2] organisieren einen Bus, mit dem die Delegation in die lettische Hauptstadt fährt. Damit wollen sie das Bündnis für ein Lettland ohne Nazis unterstützen [3], das im Wesentlichen die Proteste in Lettland organisiert. Viele von ihnen sind Holocaustopfer oder Kinder ehemaliger Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Antifa nach Riga

Der Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA Markus Tervooren erklärte gegenüber Telepolis, dass die Delegation nach Riga keine einmalige Aktion bleiben soll: „Wir wollen alte Kontakte erneuern. Daher werden wir auch in den kommenden Jahren sicher öfter nach Riga und auch in andere baltische Staaten fahren. So ist für den Sommer eine Beteiligung an antifaschistischen Protesten gegen einen Aufmarsch der Waffen-SS in Estland geplant.“

Das verstärkte Interesse an einer Koordination des Widerstands gegen Rechts ist auch den aktuellen politischen Entwicklungen in Osteuropa geschuldet. Nachdem bereits in Ungarn eine rechte Ordnungszelle entstanden ist, in der eine mit absoluter Mehrheit regierende rechtskonservative Regierungspartei und eine rechtsextreme Oppositionspartei die politische Agenda bestimmen, könnte sich in der Ukraine eine ähnliche Entwicklung wiederholen.

Im Zuge des Umsturzes haben organisierte Ultrarechte in vielen Regionen an Einfluss gewonnen. Dabei geht es nicht darum zu behaupten, dass alle oder auch nur die Mehrheit der Protestierenden organisierte Rechte sind. Doch sie haben offenbar an vielen Orten eine politische Hegemonie, weil sie gut organisiert sind und es auch verstehen, Kritiker zu bedrohen und einzuschüchtern. Solche Meldungen sind in den letzten Wochen aus verschiedenen Regionen der Ukraine gekommen.

Streit unter Linken und Grünen

Mittlerweile hat die linke Solidaritätsorganisation Rote Hilfe [4] einen Solidaritätsaufruf für verfolgte Antifaschisten in der Ukraine veröffentlicht. Michael Dandl aus dem Bundesvorstand der Roten Hilfe erklärte in einem Interview: „Aktivisten, die versucht haben, im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten linke Positionen zu vertreten, wurden wiederholt angegriffen, so dass viele von ihnen die Stadt verlassen mussten. Ebenso wurde uns von Todesdrohungen und entsprechenden Listen, über die der ‚Rechte Sektor‘ verfügt, berichtet. Das ist äußerst bedrohlich für die Genossen vor Ort – und ein Ende ist nicht abzusehen.“

Nach ihm sollen Ortsgruppen der Roten Hilfe direkte Kontakte in die Ukraine haben und könnten Berichte über rechte Übergriffe in der Ukraine nachprüfen. Eine genaue Überprüfung der Quellen ist natürlich auch in diesen Fällen unbedingt erforderlich. Denn in den letzten Wochen hat sich über das Ausmaß der Beteiligung rechter Gruppen an den Protesten in der Ukraine eine politische Kontroverse entzündet.

Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde ein Aufruf grünennaher Wissenschaftler [5], die erklärten, die Protestbewegung sei nicht extremistisch, sondern freiheitlich. Den Autoren scheint nicht bewusst gewesen zu sein, dass der Begriff „freiheitlich“ in vielen Ländern das Adjektiv von rechten Parteien ist. Als Beispiel seien nur die Freiheitlichen in Österreich genannt. In dem Aufruf wird suggeriert, die extreme ukrainische Rechte sei im wesentlich ein Phantasma Moskaus [6]. Auch in Medien, die unverdächtig sind, Moskauer Interessen zu vertreten, kann man von Aktivitäten der Ultrarechten in der Ukraine lesen. Die Grünen warnen die Medien davor, sich von der russischen Propaganda instrumentalisieren zu lassen.

In der Linkspartei werden die Grünen kritisiert. Sahra Wagenknecht wirft [7] ihnen „Blindheit für die faschistischen Teile“ der Interims-Regierung vor. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen twitterte: „sehen noch immer den Wald vor lauter Bäumen nicht.Sehen in Kiew noch immer gar keine Faschisten.Auf dem rechten Auge blind?“ Allerdings gibt es auch in der unabhängigen Linken Kontroversen über den Umgang mit den Rechten.

So erklärten ukrainische Anarchisten [8] Ende Januar, warum sie sich trotz der starken Präsenz der Ultrarechten an den Protesten beteiligen: „Der Faschismus von der Partei der Regionen ist heute viel realistischer als der angebliche Faschismus der Swoboda Partei oder von den Deppen aus dem Rechten Sektor [außerparteiliche Nazis, die bei den Protesten aktiv sind und einen großen Anteil von Riot Porn produzieren, aber keine Massenunterstützung haben].“

Auffällig ist, wie inflationär hier der Faschismusvorwurf gegenüber der prorussischen Seite benutzt wird und wie er bei den Kräften, die sich auf den historischen ukrainischen Nationalismus beziehen, relativiert wird.

Russland – antifaschistisches Bollwerk?

Andere Kräfte wiederum imaginieren im Putin-Russland die Wiedergänger der autoritären nominalsozialistischen Sowjetunion und wollen noch einmal frühere Schlachten reinszenieren.

Tatsächlich bemüht sich die offizielle russische Seite sehr um eine antifaschistische Rhetorik. In den letzten Wochen ist in vielen Erklärungen darauf hingewiesen worden, dass Ultrarechte und Antisemiten in der ukrainischen Regierung sitzen. Auf der Krim wurden die Swoboda-Bewegung und der Rechte Sektor mittlerweile verboten.

Doch das macht aus der russischen Seite natürlich keinesfalls Antifaschisten. So etwa wird in einem demnächst im Kino anlaufenden Film „Die Moskauer Prozesse“ [9] des Schweizer Regisseurs Milo Rau deutlich, dass auch in Russland Neonazis und Ultrarechte im Herrschaftssystem aktiv gegen kritische Künstler, Juden, Linke und Unangepasste agieren.

Deswegen ist aber die russische Kritik der Beteiligung der ukrainischen Ultrarechten keinesfalls falsch. Zumal sie längst nicht nur von der Regierung und der ihnen nahestehenden Presse kommt. So haben auf einem Treffen am 25. Februar in Moskau auch libertäre und rätekommunistische Gruppen eine Erklärung verfasst, in der zum Aufbau eines „antifaschistischen Stabs Ukraine“ aufgerufen wird. Dort wird die Situation der letzten Monate in der Ukraine recht gut beschrieben:

„Die langjährige Politik der bürgerlichen Machthaber der Ukraine sowie die weltweite Wirtschaftskrise haben zu unerträglichen Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung geführt. Das Janukowitsch-Regime hatte während des letzten halben Jahres versprochen, einen bedeutenden Teil der wirtschaftlichen Probleme durch die europäische Integration zu lösen. Der plötzliche Verzicht auf die angekündigten Pläne provozierte eine weit verbreitete Unzufriedenheit und deren Ausbruch. Der Prozess war klassenübergreifend und weitgehend spontan. Am Besten darauf vorbereitet war die nationalistische Bewegung, die von der liberalen Opposition als Stoßtrupp des Straßenkampfes verwendet wurde, wodurch der Protest anti-kommunistische oder sogar faschistische Züge bekam.“

http://www.heise.de/tp/news/Ultrarechte-Bestrebungen-in-Osteuropa-unter-Beobachtung-2141120.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.fir.at/

[2]

http://www.vvn-bda.de/

[3]

http://worldwithoutnazism.org/deutsch/

[4]

http://www.rote-hilfe.de

[5]

https://www.boell.de/de/2014/02/20/euromaidan-freiheitliche-massenbewegung-zivilen-ungehorsams

[6]

http://anton-shekhovtsov.blogspot.de/2014/02/pro-russian-network-behind-anti.html

[7]

http://www.tagesspiegel.de/politik/krim-krise-sahra-wagenknecht-warnt-vor-dem-dritten-weltkrieg/9605202.html

[8]

http://syndikalismus.wordpress.com/2014/01/23/aufruf-zur-solidaritat-mit-den-ukrainischen-anarchisten/

[9]

http://www.filmstarts.de/kritiken/225160.html

Berlins Verfassung soll keine Rasse mehr kennen

Rote Hilfe sammelt für ukrainische Antifa

Linke Aktivisten berichten von einem »Klima permanenter Bedrohung« und Angriffen von Milizen des »Rechten Sektors«

Michael Dandl ist Mitglied im Bundesvorstand der Antirepressionsorganisation Rote Hilfe e.V.. Dort hat man einen Solidaritätsfonds für ukrainische AntifaschistInnen eingerichtet. Mit Dandl sprach für »neues deutschland« Peter Nowak

nd: Sie sammeln für ukrainische Antifaschisten. Wie kam es dazu?
Dandl: Parallel zur nahezu gleichgeschalteten Berichterstattung in bürgerlichen Medien erreichten uns düstere Situationsbeschreibungen und Hilferufe von Genossen aus der Ukraine. Sie berichten von Angriffen und einem Klima permanenter Bedrohung durch die Milizen des »Rechten Sektors«. Da die ukrainische Linke, zu der wir alle von staatlicher Repression betroffenen emanzipatorischen Gruppierungen und Organisationen zählen wollen, derzeit über keine starke Massenbasis verfügt, haben wir uns kurzfristig zu einer Solidaritätskampagne entschlossen. Denn die Faschisten haben weiterhin großen Zulauf und werden wohl auch im neuen Staatsapparat vertreten sein. Die Spenden werden für Gefangenenhilfe, Unterbringung, Rechtsbeistand, medizinische Versorgung und Aktionen gegen die staatliche Repression gesammelt.

Sie sprechen von faschistischen Angriffen. Haben Sie Beispiele?
Auch wenn es durchaus unterschiedliche antikapitalistische Gesellschaftsentwürfe bei linken Aktivisten gibt, ist offensichtlich, dass die flächendeckenden Zerstörungen von Lenin-Denkmälern und antifaschistischen Gedenksteinen in der gesamten Ukraine rechtsgerichtete Attacken darstellen. Auch die Angriffe auf Einrichtungen der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU), deren Büros verwüstet und zerstört oder besetzt werden, sind deutlichen Indizien für reaktionäre Umtriebe während des Machtwechsels und danach – unabhängig davon, wie man politisch zur KPU stehen mag.

Gab es auch Angriffe gegen außerparlamentarische Linke?
Aktivisten, die versucht haben, im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten linke Positionen zu vertreten, wurden wiederholt angegriffen. Viele von ihnen mussten die Stadt verlassen. Uns wurde auch von Todesdrohungen und entsprechenden Listen berichtet, über die der »Rechte Sektor« verfügt. Das ist äußerst bedrohlich für die Genossen – ein Ende ist nicht abzusehen.

Haben Sie direkten Kontakt?
Es besteht seit Jahren ein reger Austausch und eine enge Zusammenarbeit unserer Rote-Hilfe-Ortsgruppe in Salzwedel mit Genossen aus der Ukraine, die in Gruppen unterschiedlicher politischer Ausrichtung aktiv sind und auch vor den aktuellen Entwicklungen zusammengearbeitet haben. Es ist jetzt ein antifaschistisches Netzwerk entstanden, das sich gegen den faschistischen Terror und die staatliche Repression wehren wird. Aufgrund der Situation tritt dieses Netzwerk aber noch nicht an die Öffentlichkeit.

Wie überprüfen Sie die Quellen?
Durch den direkten Kontakt können wir Informationen und Quellen meist gut überprüfen. Auch die Anwesenheit linker Medien, von denen wir Informationen erhalten, ist hilfreich.

Wie soll das gesammelte Geld übergeben werden?
Das lässt sich noch schwer sagen, da die linke Infrastruktur in der Ukraine erst wieder aufgebaut werden muss. Derzeit ist auch unklar, wann linke Gruppen wieder öffentlich werden arbeiten können. Ob wir die Spenden an eine Solidaritätsorganisation in der Ukraine überweisen oder ob es in einiger Zeit Delegationen dorthin geben wird, ist noch nicht abzusehen. Aber wir werden einen Weg finden, um konkrete materielle Hilfe zu leisten.

Rote Hilfe Sparkasse Göttingen, Konto: 560 362 39, BLZ: 260 500 01 Stichwort: »Antifa Ukraine«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/926369.rote-hilfe-sammelt-fuer-ukrainische-antifa.html

Interview: Peter Nowak


»Uns wurde mit Erschießen gedroht«

Die Kritik an deutschen Geschichtsmythen provoziert in Deutschland oftmals noch immer einen rechten Shitstorm. Wie derzeit Anne Helm, Politikerin der Piratenpartei, wegen ihrer Bomber-Harris-Aktion standen vor einigen Wochen die beiden bayerischen Landtagsabgeordneten der Grünen, Sepp Duerr und Katharina Schulze, im Mittelpunkt rechter Angriffe. Sie hatten ein braunes Tuch mit der Aufschrift »Den Richtigen ein Denkmal, nicht den Altnazis! Gegen Spaenles Geschichtsklitterung« (Ludwig Spaenle ist der bayerische Kultusminister, Anm. d. Red.) über das sogenannte Denkmal für die Trümmerfrauen in München gelegt. Die Jungle World sprach mit Katharina Schulze über bayerische Geschichtspolitik und die Folgen ihrer Kritik daran.

Wieso haben Sie und Ihr Landtagskollege Sepp Dürr das Denkmal für die Trümmerfrauen verdeckt?

In München wurden – anders als in anderen großen deutschen Städten – zum weitaus überwiegenden Teil Altnazis von den US-Amerikanern zu den Aufräumarbeiten zwangsverpflichtet. Nach Informationen des Münchner Stadtarchivs waren an der Trümmerbeseitigung in der Stadt insgesamt 1 500 Personen beteiligt, davon 1 300 Männer. Sie waren zu 90 Prozent ehemalige aktive Mitglieder in NS-Organisationen. Dieser historisch unbestrittenen und von Seiten der Staatsregierung bestätigten Tatsache wurde im Zusammenhang mit der Aufstellung des Gedenksteins in keiner Weise Rechnung getragen. Das von dem Gedenkstein ausgehende Signal ist unseres Erachtens ein pauschales Dankeschön an alle Beteiligten an den Aufräumaktionen, die bei genauerem Hinsehen größtenteils mitverantwortlich waren für die Gräueltaten des »Dritten Reichs«. Damit werden die Fakten verdreht und historische Tatsachen relativiert.

Gab es denn vor der Errichtung des Denkmals eine Diskussion darüber, dass die Trümmerfrauen in München vor allem Nazimänner waren?

Die Debatte wird in München bereits seit mehr als zehn Jahren geführt. Auch im Münchner Stadtrat wurde das Thema schon mehrfach diskutiert. Vier Mal hat der Stadtrat sich gegen eine Aufstellung eines Denkmals für Trümmerfrauen auf städtischem Grund ausgesprochen. Und auch die letzte CSU-Initiative wurde 2008 abgelehnt, der Stadtrat schloss sich erneut der Feststellung der Historiker an, dass das Phänomen Trümmerfrauen in München eine untergeordnete Rolle gespielt hat und eine pauschale Ehrung deswegen höchst problematisch ist.

Wieso wurde das Denkmal dennoch errichtet?

Nachdem der Münchner Stadtrat die Aufstellung auf städtischem Grund mehrmals abgelehnt hatte, wandte sich der Verein »Dank und Gedenken der Aufbaugeneration, insbesondere der Trümmerfrauen e. V.« an die bayerische Landesregierung. Der Freistaat stellte auf der Grundlage eines Gestattungsvertrags ein Grundstück am Münchner Marstallplatz für die Errichtung des Gedenksteins zur Verfügung. Der Stein wurde im Mai 2013 aufgestellt und im September 2013 unter anderem im Beisein von Kultusminister Ludwig Spaenle eingeweiht.

Wie erklären Sie sich, dass das bayerische Kultusministerium nach diesen langen Diskussionen die Errichtung des »Denkmals« auf staatlichem Boden ermöglicht hat?

Daran wird wieder einmal deutlich, dass die CSU keine progressive Kraft ist. Der zuständige Minister Ludwig Spaenle ist selbst Historiker und müsste um die fatale Wirkung einer falschen Erinnerungskultur eigentlich wissen. Er hat auf die Anfrage meines Kollegen Sepp Dürr im bayerischen Landtag bestätigt, dass die Situation in München nach dem Krieg unbestritten eine andere war als in anderen deutschen Städten. Ebenso betonte er in seiner Antwort, dass die Ergebnisse der lokalen Forschung in München – nämlich, dass überwiegend Akteure, die dem NS-Regime zu Dienste gewesen waren, bei der Aktion zur Trümmerbeseitigung eine Rolle gespielt haben – bei der Gesamtwürdigung des Denkmals unstrittig einen sehr wichtigen Gesichtspunkt darstellen. Trotzdem hat er der Aufstellung des Denkmals in München zugestimmt und diese Entscheidung immer wieder gegen Kritik verteidigt.

Waren Sie von den wütenden Reaktionen auf Ihre Aktion überrascht?

Die Heftigkeit der Angriffe hat mich schon überrascht. Wir hatten unsere Aktion lediglich in einen lokalen Rahmen in München geplant, denn, wie ich schon angeführt habe, gibt es diese Diskussion dort schon länger. Als dann unsere Aktion bekannt wurde, ging in den rechten Medien und Internetforen ein regelrechter Shitstorm gegen uns los. In kurzer Zeit gingen auf den Facebookseiten unzählige Kommentare ein, darunter waren offene Holocaust-Leugner und NS-Nostalgiker, die ihre Hetze und Drohungen teilweise mit Klarnamen posteten. Uns wurde mit Vergasen und Erschießen gedroht. Ich habe die Kommentare mittlerweile gelöscht, denn ich möchte den Rechten keine Plattform auf meiner Seite bieten. Davor haben wir natürlich alles gesichert und alles strafrechtlich Relevante zur Anzeige gebracht. Die Diskussion in den Medien blieb meistens weiter sachlich. Es wurden Zeitzeugen und Historiker befragt, die ebenfalls die Forschungen des Münchner Stadtarchivs bestätigten, dass die Situation in München anders war als in anderen Städten. Bei den extremen Rechten ging die Hetze jedoch weiter. Es hat mich erschüttert, dass es auch zu Aktionen gegen Einrichtungen der Grünen kam. So wurde über dem Parteibüro in Berlin-Hellersdorf ein Transparent mit der Aufschrift »Grüne Denkmalschänder« angebracht.

1997 gab es in München eine rechte Mobilisierung gegen die dort gezeigte Wehrmachtsausstellung. Daran waren CSU-Politiker ebenso beteiligt wie offene Neonazis. Ist München für solche rechten Proteste besonders geeignet?

Die öffentliche Diskussion nach unserer Aktion hat gezeigt, dass sich insbesondere rechte Kreise durch die – von ihnen selbst befeuerte – Kritik an der Denkmalsverhüllung bestätigt sehen und eine Verbindung zu einem extrem rechten Geschichts- und Gegenwartsverständnis herstellen. Gerade München als ehemalige Hauptstadt der NS-Bewegung hat eine besondere Verpflichtung, sich der eigenen geschichtlichen Verantwortung zu stellen. Im Moment befindet sich gerade das NS-Dokumentationszentrum in Bau, wofür wir Grüne mit zahlreichen Initiativen jahrelang ge­arbeitet haben. Außerdem gibt es viele Bündnisse und Initiativen, die immer zur Stelle sind, wenn in München Rechte auf die Straße gehen.

In der auf Ihrer Homepage veröffentlichten Erklärung zur Verhüllungsaktion heißt es: »Die Aufräumarbeiten in München sind nicht vergleichbar mit dem bewundernswerten Einsatz der Trümmerfrauen in anderen deutschen Städten.« Müsste nicht auch in den Städten, in denen tatsächlich Frauen den Schutt wegräumten, die Frage gestellt werden: Was haben diese im NS gemacht?

Es gibt keine Kollektivschuld, aber es darf eben genauso weder kollektiven Freispruch noch generationenübergreifende Ehrung geben. So wenig die »Achtundsechziger« pauschal ihre Väter beschuldigen durften, dürfen die Enkel heute ihre Großmütter generell freisprechen. Wer an das Nachkriegsleid und die Aufbauleistungen erinnert, ohne einen Zusammenhang zur Vorgeschichte herzustellen und zum unsäglichen Leid, das Nazi-Deutschland über Millionen anderer ­gebracht hat, verzerrt die Verhältnisse. Pauschale Ehrungen sind deswegen problematisch und die historischen Fakten müssen immer vorher genau geprüft werden. Ich halte es deswegen für geeigneter und angemessener, in anderer Form, etwa durch Ehrungen von Einzelpersönlichkeiten, der Leistungen einzelner Menschen zu gedenken.

Also müsste Ihre Aktion doch eher ein Anlass sein, den deutschen Trümmerfrauen-Mythos nicht nur in München, sondern generell in Frage zu stellen?

Wir haben uns auf die konkreten Umstände in München bezogen. Wenn sich in anderen Städten Initiativen bilden, die auf erinnerungspolitischem Feld arbeiten und sich mit dem Thema Trümmerfrauen auseinandersetzen wollen, freue ich mich über den Austausch.

http://jungle-world.com/artikel/2014/10/49463.html

Interview: Peter Nowak