Vor 20 Jahren wurde in Ostdeutschland gegen die Einführung von Hartz IV protestiert. Im Museum des Kapitalismus in Berlin wurde kürzlich über die heutige Situation von Arbeitslosen diskutiert.

Bürgergelddebatte: Schuften wie im Frühkapitalismus?

„Bei der Hetze gegen Bürgergeldbezieher überbieten sich AfD und CDU schon lange. Da hat es nie eine Brandmauer gegeben“, erklärte Gitta Schalk. Sie verwies darauf, dass sowohl die AfD als auch die Unionsparteien das Bürgergeld als leistungsloses Einkommen diffamierten und schärfere Sanktionen gegen Menschen forderten, die sich angeblich weigerten, Arbeit um jeden Preis anzunehmen.

Friedrich Merz war erst wenige Stunden zum Kanzlerkandidaten der Union ausgerufen, als er von einem Journalisten im Fernseh-Interview gefragt wurde, was aus seiner Sicht die „wichtigste Einzelmaßnahme“ sei, „um die Wirtschaft in Gang zu bringen“. Der CDU-Politiker gab darauf seine bekannte Position zur Antwort, dass er dafür sorgen wolle, dass das Bürgergeld so geändert werde, dass sich Arbeit wieder lohne. Menschen, die einer Arbeit nachgingen, müssten mehr Geld haben als Menschen, die nicht arbeiteten. Für Gitta Schalk von der …


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Angriffe auf Bürgergeldbezieher von SPD bis AfD: Gemeint sind alle Lohnabhängigen. Warum das so ist – und was die Antwort sein sollte. Ein Kommentar.

Vorstoß für Bürgergeld-Streichung: Dauerkampagne gegen arme Menschen

Es wäre also eine neue Kampagne nötig, die sich der langfristigen Aufgabe stellt, das Sanktionsregime zu Fall zu bringen. Mit diesem Selbstbewusstsein, könnte man auch Bündnispartner gewinnen. Dabei sollte man auch den Zusammenhang mit der massiven Militarisierung Deutschlands herstellen. Ein Land, das nach den Erklärungen von Bundesverteidigungsministers wieder kriegsfähig werden will und sich seine Einflusszone in der Ukraine etwas kosten lässt, bezweckt mit den Krieg gegen die Armen zweierlei: Mehr Gelder fließen in die Rüstung, die Rüstungskonzerne steigern ihre Gewinne, aber die Armen müssen den Gürtel enger schnallen

Die „sozialen Hängematten“ wurden in den letzten Tagen politisch und medial wieder eifrig bemüht. Dort sollen sich nicht etwa steuervermeidende Konzerne tummeln, sondern Bürgergeldbezieher, die nicht jede Lohnarbeit um jeden Preis annehmen wollen. Die würden es in der sozialen Hängematte bequem machen, aus der sie unbedingt verscheucht werden müssen, wenn es nach Politikern von …

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„Den Rechten nicht die Strasse überlassen?“

Auswertungsdiskussion zu den Sozialprotesten gegen Inflation

Die bürgerliche Welt veranstaltete Salons zu schöngeistigen Themen. Dran knüpfen die regelmässigen Veranstaltungen von Berliner Erwerbslosenaktivist*innen an, doch sie widmen sich nicht schöngeistigen Themen, sondern Fragen von Protest und Widerstand.

Unter dem Titel „Heisser Herbst und kalter Winter“ ging es kürzlich um die Auswertung der Herbstproteste gegen Inflation und hohe Mieten und da standen die Begriffe als Metaphern. Den heissen Herbst erhofften sich verschiedene linke Bündnisse, die seit dem Spätsommer diese Proteste organisierten. Der kalte Winter stand für die Furcht, dass ohne russisches Gas die Wohnungen kalt bleiben. Beides ist  …

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Viele führen ihren Existenzkampf lieber individuell, weil dies kurzfristig effektiver sein kann. Linke Bündnisse suchen mittel- und langfristige Strategien. Gestritten wird über Abgrenzung nach rechts.

Sozialproteste: Wenn die Armen trotz Inflation nicht auf die Straße gehen

Für die Diskussion am Freitagabend wäre interessant gewesen, die verschiedenen Umverteilungskämpfe und "Formen der Aneignung" – vom individuellen Klauen über das kollektive "Wir zahlen nicht" bis zum Arbeitskampf um mehr Lohn – zu diskutieren und zu fragen, wie eine gemeinsame Strategie entwickelt werden kann.

„Heißer Herbst und kalter Winter“ – meteorologisch passte der Titel nicht so recht. Aber am Freitagabend ging es um die Auswertung der Herbstproteste gegen Inflation und hohe Mieten – und da standen die Begriffe als Metaphern. Den heißen Herbst erhofften sich verschiedene linke Bündnisse, die seit dem Spätsommer diese Proteste organisierten. Der kalte Winter stand für die Furcht, dass ohne russisches Gas die Wohnungen kalt bleiben. Beides ist weitgehend ausgeblieben. Die Herbstproteste blieben überschaubar, und Kälte mussten wie bisher einkommensarme Menschen erleiden, die sich entweder gar keine Wohnung leisten können oder denen Strom und Gas abgestellt wurden. Am Freitagabend kamen alle …

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Wie der Bürgerblock gegen arme Menschen kämpft

Feindbild Erwerbslose

Man hätte erwarten können, dass eine Protestbewegung entsteht, die die Bürgergelddebatte zum Anlass nimmt für eine Kampagne, um das ganze Sanktionsregime abzuschaffen. Dabei hätte sich die Gelegenheit ergeben, unter dem Motto "Gegen den deutschen Arbeitszwang" vor die Jobcenter zu ziehen und sich mit armen Menschen, seien es Roma, Geflüchtete aus Afrika oder Hartz IV-Bezieher*innen, zu solidarisieren.

„Ich fühle mich im Stich gelassen, da die ARGE immer noch die für mich so wichtigen 200 Euro nicht überwiesen hat. Ich habe zwei Hunde, muss meine Haftpflicht und Futter usw. bezahlen, und sitze auf dem Trockenen.“ Diese Klage stammt von einer wohnungslosen Person und ist Teil des Kunstprojekts „Still alive“, das bis 7. Januar 2023 in der PSM-Galerie in Berlin-Schöneberg zu sehen qE. . Dort gibt die Künstlerin Almut Linde wohnungslosen Menschen in Berlin eine Stimme. Sie hat mit verschiedenen dieser Menschen gesprochen und sie gebeten, ihre Gedanken und Gefühle aufzuschreiben. Diese Notizen finden sich an den Wänden der Galerie. Sie erzählen von den alltäglichen Problemen beim Kampf ums Überleben, wenn man keinen Rückzugsort hat. Aber sie zeigen auch den Widerstandswillen der Menschen, die sich durch die widrigen Umstände nicht unterkriegen lassen wollen. Wie in der zitierten Notiz sind die Arbeitsagenturen und Jobcenter immer ein Thema, denn sie …

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Das Bürgergeld wird als komfortable Alternative zur Erwerbsarbeit dargestellt. Die Kampagne richtet sich auch und vor allem gegen Arbeitende. Denn die Absicht dahinter ist, den Preis der Ware Arbeitskraft niedrig zu halten.

Von Merz bis Rechtsaußen: Eigentümerblock hetzt gegen Arme

Es ist bemerkenswert, dass diese informelle Kooperation zwischen Konservativen, Kapitalverbänden, einer rechten Wochenzeitung und der AfD nicht stärkere Proteste der gesellschaftlichen Linken hervorruft. Sie echauffieren sich – wie der Schwarz-Rote Block Hamburg – lieber darüber, dass auf der Demonstration "Solidarisch aus der Krise" in der Hansestadt eine traditionslinke Gruppe teilnehmen durfte, die auch bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen gesehen worden sein soll.

„Das Bürgergeld scheitert vorerst Bundesrat“ oder „Es wird knapp für das Bürgergeld, lauteten dieser Tage viele Pressemeldungen. Dabei fällt auf, dass die ganze Angelegenheit wie ein rein bürokratischer Akt dargestellt wird. Weitgehend außer Acht gelassen wird, dass die gesamte Kampagne gegen das Bürgergeld ein erneuter Kampf gegen Erwerbslose und Hartz IV-Bezieher ist. Helena Steinhaus von der Initiative Sanktionsfrei findet in der Wochenzeitung Freitag für diese Kampagne die richtigen Worte. …

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Eine Replik auf »Die unwahrscheinliche Bewegung« von Harald Rein

»Teil der Kämpfe«

Ein weiteres Aktionsfeld von einkommensarmen Menschen vor allem in den Großstädten ist der Kampf um bezahlbare Wohnungen. Schließlich sind sie besonders von Zwangsräumungen betroffen. Viele sind wohnungs- oder obdachlos. Im Berliner Mieter:innenbündnis sind auch Initiativen wie das „Wohnungsparlament in Gründung“ vertreten.

Über das „ausbleibende Bündnis zwischen Bewegungslinken und Erwerbsloseninitiativen“ schreibt Harald Rein im express 3-4/2021. Schließlich hat Rein schon in seinem Buch „Wenn arme Leute sich nicht mehr fügen“ die Kämpfe von einkommensarmen Menschen in Geschichte und Gegenwart in den Fokus gerückt. Dort hat er auch gut herausgearbeitet, wie ….

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Alltagswiderstand

Der Sozialwissenschaftler und Erwerbslosenaktivist Harald Rein knüpft mit seinem neuesten Buch »Wenn arme Leute sich nicht mehr fügen« an die vor allen in englischsprachigen Ländern geführte Debatte über die Poor People’s Movements an. Es sind soziale Bewegungen von Menschen, die weitgehend außerhalb der Lohnarbeitsprozesse stehen und denen auch von linken Sozialwissenschaftler_innen oft politisches Desinteresse unterstellt wird. Letztere beziehen sich dabei auf die Marienthal-Studie von Anfang der 1930er Jahre. Marienthal war ein österreichisches Dorf, in dem nach der Pleite einer großen Textilfabrik ein Großteil der Bewohner_innen erwerbslos wurde. Resignation und Apathie bei vielen von Ihnen waren die Folge. Rein kritisiert, dass die Ergebnisse bis heute unzulässig verallgemeinert werden. Sehr kenntnisreich und detailliert beschreibt er, wie sich Erwerbslose nach der Novemberrevolution von 1918 in Räten organisierten und von den Gewerkschaften selbstbewusst Unterstützung und Solidarität einforderten. Detailliert und ohne antikommunistische Reflexe stellt der Autor auch die Erwerbslosenpolitik der KPD in der Weimarer Republik vor. In den letzten Kapiteln listet er die unterschiedlichen Themenfelder der jüngeren Erwerbslosenbewegung auf. Dabei richtet er den Blick auf den Alltagswiderstand von Erwerbslosen, der sich rund um die Jobcenter abspielt. Zu hoffen ist, dass sich manche durch die Lektüre des Buches zur Nachahmung ermutigt fühlen.

Peter Nowak

Harald Rein: Wenn arme Leute sich nicht mehr fügen…! Bemerkungen über den Zusammenhang von Alltag und Protest. AG SPAK, Neu-Ulm. 184 Seiten, 14,80 EUR.

ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nrhttps://www.akweb.de/ak_s/ak633/04.htm
. 633 / 12.12.2017

Erwerbslose können kämpfen

Autor Harald Rein sieht entgegen verbreiteter Vorurteile bei Armen Selbstbewusstsein

Wenn von »armen Leuten« die Rede ist, schwingt schnell ein Klang von Bedauern und Mitleid in den Worten mit. Doch wenn der Sozialwissenschaftler und Erwerbslosenaktivist Harald Rein seinem neuesten Buch den Titel »Wenn arme Leute sich nicht mehr fügen« gibt, knüpft er damit an die Debatte über eine selbstbewusste politische Bewegung an. Er meint Aktivisten, die weitgehend außerhalb der Lohnarbeitsprozesse stehen.

In einem zentralen Kapitel setzt sich Rein kritisch mit der – auch von manchen von linken – Wissenschaftlern vertretenen Meinung auseinander, dass arme Leute nicht in der Lage wären, sich politisch zu artikulieren. Der Autor beschäftigt sich speziell mit der »Marienthal-Studie« von Anfang der 1930er Jahre, auf die sich viele dieser Intellektuellen in ihrer Argumentation berufen.

Marienthal war ein österreichisches Dorf, in dem nach der Schließung einer großen Textilfabrik ein Großteil der Bewohner erwerbslos wurde. Der Jobverlust führte laut der Studie bei einem Großteil der Bewohner zu Resignation und Apathie. Ein Ergebnis, das Rein auch nicht bestreitet. Er kritisiert allerdings, dass die Befunde unzulässig verallgemeinert worden seien.

Vor allen in Großstädten und bei jüngeren Menschen hätte Erwerbslosigkeit laut dem Sozialwissenschaftler auch zu Lebensperspektiven jenseits der Lohnarbeit geführt. Kenntnisreich beschreibt Rein etwa, wie sich Erwerbslose nach der Novemberrevolution von 1918 in eigenen Räten organisiert und von den Gewerkschaften selbstbewusst Unterstützung eingefordert hatten. Rein zeigt zeitgleich aber auch auf, wie die Spitzen der Gewerkschaften und SPD schon früh auf Distanz zu Erwerbslosenorganisationen gegangen sind, weil diese ihre Autonomie nicht aufgeben wollten.

Der Aktivist geht ebenfalls auf die Erwerbslosenpolitik der KPD und ihr nahestehender Organisationen in der Weimarer Republik ein. Er lehnt die häufig von Historikern bemühte These ab, dass die KPD die Erwerbslosen nur für ihre politischen Zwecke instrumentalisiert habe. Rein zeigt an Hand von Dokumenten viel mehr auf, dass kommunistische Kommunalpolitiker sehr konkrete Maßnahmen für Erwerbslose erkämpft hatten.

Der Sozialwissenschaftler widmet sich in seinem Buch detailliert der libertären Strömung der Erwerbslosenbewegung, auf die sich die autonome Erwerbslosenbewegung der 1980er Jahre berief. Im Unterschied zu den gewerkschaftsnahen Strömungen sehen diese nicht die fehlende Erwerbsarbeit, sondern das fehlende finanzielle Einkommen als Hauptproblem.

In einem Überblick listet Rein auch die unterschiedlichen Themenfelder der jüngeren Erwerbslosenbewegung auf, die 2004 im Kampf gegen die Agenda 2010 für einige Wochen sogar noch einmal zu einer Massenbewegung angeschwollen war.

Letztlich richtet der Autor den Blick auf den aktuellen Alltagswiderstand von Erwerbslosen, der sich rund um die Jobcenter abspielt. Dieser könne kurzeitige »Hausbesuche« wie auch die Begleitung von Betroffenen umfassen. Es wäre zu hoffen, dass sich manche durch die Lektüre des Buches ermutigt fühlen, solche Schritte der Selbstermächtigung zu unterstützen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1071608.erwerbslose-koennen-kaempfen.html

Peter Nowak

Harald Rein:
Wenn arme Leute sich nicht mehr fügen…!
Bemerkungen über den Zusammenhang von Alltag und Protest

http://www.agspak-buecher.de/Harald-Rein-Wenn-arme-Leute-sich-nicht-mehr-fuegen
ISBN 978-3-945959-25-1 / 2017 / 184 Seiten / 14,80 Euro