Generation Mauerpark wieder auf der Straße

Protest gegen die geplante Bebauung Peter Nowak
Viele hatten nicht damit gerechnet, dass in Prenzlauer Berg noch gegen
Gentrifizierung protestiert würde. Doch dann demonstrierten im Herbst mehr als 2000 Menschen gegen den geplanten Bau von Wohnungen für den vermögenden
Mittelstand zwischen Wedding und Prenzlauer Berg.
Christian Rippel ist Pressesprecher der Initiative
„Mauerpark Fertigstellen“, die in den
letzten Monaten Lobbyarbeit für den Mauerpark
gemacht hat. Zu ihren Aktionen gehörten
Feste im Mauerpark, Anwohnerversammlungen
und als Höhepunkt die Demonstration.
Rippel betont, dass die Initiative nicht nur
gegen die Bebauungspläne des Bezirks Mitte
ist, sondern vielmehr fordert, dass der Mauerpark
endlich vollendet werde. Dabei hat sie
Mitglieder der Parteien Die Linke, Bündnis
90/Die Grünen und sogar der CDU auf ihrer
Seite. So heißt es in den vom CDU-Ortsverband
Brunnenstraße verfassten Text „10 Punkte zu
Mauerpark und Brunnenviertel“: „Die Fertigstellung
des Mauerparks auf der Weddinger
Seite muss nach 15 Jahren Verzögerung endlich
realisiert werden. (…) Der voranschreitende
Weiterverkauf der zur Fertigstellung des
Parks benötigten Grundstücke an private
Investoren führt zu immer neuen Ansprechpartnern
und immer komplexeren Interessenlagen.“
Initiative verweist auf die finanziellen
Einbußen, falls sich die Fertigstellung des
Mauerparks weiter verzögere. Die Allianz-
Umweltstiftung förderte vor 15 Jahren den von
Stadtteilinitiativen geforderten und im Zuge
der damaligen Olympia-Bewerbung realisierten
Ausbau des Mauerparks als städtische
Grünfläche mit 4,5 Millionen DM. Damit war
allerdings die Auflage verbunden, den Park bis
2010 auf mindestens zehn Hektar zu vergrößern.
Bis heute fehlen zwei Hektar, und nun
soll ein etwa 30 Meter breiter Streifen mit
sechsgeschossigen Häusern bebaut werden.
Ein Bruch der Vereinbarung würde bedeuten,
dass die Allianz-Umweltstiftung die Förderung
zurückverlangen könnte. Angesichts leerer
Kassen würde das die Bezirksverwaltung gewaltig
unter Druck setzen.
Unterschiedliche Protestgründe
Vor allem drei Gründe mobilisieren die Menschen:
Erstens würde die Trennung zwischen den Stadtteilen noch verstärkt. Schon jetzt ist
das soziale Gefälle zwischen dem neuen Mittelstand
in Prenzlauer Berg und den Arbeiterfamilien,
oft mit Migrationshintergrund, im
Wedding groß. „Wenn die geplante Bebauung
Realität würde, könnten die Weddinger in die
Klofenster der neuen Reichen blicken“, bringt
es Rippel auf den Punkt. Der zweite Grund für
den Protest ist die drohende Zerstörung einer
Grünfläche, und drittens droht der Verlust
eines Raums für Kultur. Der Mauerpark ist seit
Mitte der 90er Jahre ein Ort, wo musiziert,
getrommelt und gefeiert werden kann, ohne
dass gleich die Polizei einschreitet. Das dürfte
sich mit den neuen Anwohner/innen schnell
ändern, befürchtet nicht nur Rippel.
Er zählt sich selbst zur „Generation Mauerpark“
– zu jenen, die aus Prenzlauer Berg,
Pankow oder Mitte stammend, in den 90er
Jahren als Jugendliche ihre Freizeit im Mauerpark
verbrachten. Damals hatten Einrichtungen
wie eine legale Sprayer-Wand und das
subkulturelle Flair des Stadtteils eine große
Ausstrahlungskraft. Obwohl viele heute in
anderen Stadtteilen wohnen, beteiligen sie
sich am Protest gegen die Baupläne. Und auch
den in den letzten Jahren zugezogenen Eltern
ist der Park wichtig und sie beteiligen sich an
den Aktionen.
Rippel betont, dass seine Initiative auf einen
Mauerpark ohne Polizei Wert legt. Auch privat
organisierte Kiezstreifen würden nicht akzeptiert
und seien sowieso völlig unnötig. Bisher
seien die Nutzer/innen ohne Ordnungskräfte
klargekommen, Probleme habe man ohne
polizeiliche Maßnahmen geregelt, und das
solle auch künftig so bleiben.
Rolle der Vivico
Auf einer Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung
in Mitte am 25. November 2009,
bei der Politiker der Parteien Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen die Freunde des
Mauerparks unterstützten, wurde die Entscheidung
über die Bebauung vertagt. Einstweilen
will die Initiative die Rolle der Immobiliengesellschaft
Vivico Real Estate stärker
thematisieren. Die Vivico ist die Eigentümerin
der Fläche des Mauerparks und wurde 2008
vom Bund an eine österreichische Immobiliengruppe
verkauft. Das Ziel der Vivico ist, einen
möglichst großen Teil des Areals als Bauland
auszuweisen und gewinnbringend zu verkaufen.
Somit ist die Vivico die eigentliche
Kontrahentin der Mauerpark-Freund/innen.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mepdf/me338heft.pdf

Peter Nowak

»Sachleistungen entmündigen Menschen«

 

Flüchtlingsaktivistin Marei Pelzer: Auch Regelsätze für Asylbewerber sind verfassungswidrig / Marei Pelzer ist rechtspolitische Referentin des Flüchtlingsnetzwerks Pro Asyl
 

ND: Sie haben in einer Pressemeldung geschrieben, dass nach der Karlsruher Entscheidung zu Hartz IV die Regelsätze für Asylbewerber ebenfalls verfassungswidrig sind. Wo ist da der Zusammenhang?
Pelzer: Das Bundesverfassungsgericht hat bezogen auf Hartz IV entschieden, dass die Leistungen nicht auf »offensichtlich freihändig geschätzten« Zahlen beruhen dürfen. Was bei Hartz IV bemängelt wird, ist bei den Leistungen für Asylsuchende noch viel krasser der Fall: Die Betroffenen müssen seit 1993 von um mehr als 35 Prozent gekürzten Sozialleistungen leben. Bei Kindern unter acht Jahren gibt es weitere Abzüge. Hier ist nicht nur die Festsetzung willkürlich – die gekürzten Leistungen machen aus den Betroffenen auch noch Bedürftige zweiter Klasse.

Wie hoch sind die Leistungen für Flüchtlinge bisher?
Seit Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes im Jahr 1993 sind die Sätze von 360 DM für den Haushaltsvorstand, 220 DM für Kinder unter acht Jahren und für andere Familienmitglieder 310 DM nicht mehr geändert worden. Der Gesetzgeber hat nicht einmal eine Umrechnung auf Euro-Beträge vorgenommen geschweige denn die Beträge der Inflationsrate angepasst. Asylsuchende, Geduldete und auch Menschen mit einem humanitären Aufenthaltsstatus werden mindestens vier Jahre vom sozialen Existenzminimum ausgeschlossen und müssen unter Mangelversorgung leiden.

Wie leben die Menschen damit?
Der Alltag ist für die Betroffenen sehr belastend. Sie bekommen die

Mangelversorgung in allen Lebensbereichen zu spüren – angefangen bei der Kleidung, über Stifte und Hefte für die Schule bis hin zu Lebensmitteln. Hinzu kommt ja auch, dass in manchen Bundesländern nur Sachleistungen gewährt werden. Das bedeutet Lebensmittelpakete, Zwangsunterbringung in Lagern und Kleidung aus der Kleiderkammer. Sachleistungen entmündigen Menschen. Dies ist weder für Flüchtlinge noch für Hartz-IV-Bezieher zumutbar.

Werden hier von den Gerichten, ähnlich wie bei der Residenzpflicht, Sonderregelungen für Menschen ohne deutschen Pass herangezogen, um Ungleichbehandlung zu rechtfertigen?
Das Asylbewerberleistungsgesetz wurde als Teil einer Abschreckungsstrategie gegen Flüchtlinge eingeführt. Pro Asyl fordert die Abschaffung des Gesetzes, weil es nur eine Menschenwürde gibt. Eine Unterscheidung beim sozialen Existenzminimum darf es nicht geben.

In der Erwerbslosenbewegung wird die These vertreten, dass der Umgang mit Flüchtlingen ein Experimentierfeld ist, das dann auch auf andere Gruppen von Erwerbslosen angewandt wird.
Das kann man so sagen. Vieles von dem, was die Agendapolitik gebracht hat, wurde vorher schon an Flüchtlingen ausprobiert. Ein Beispiel ist, dass Asylsuchende zur Arbeit gezwungen werden können. Hartz IV hat den so genannten Ein-Euro-Job als neue Form des Zwangs gebracht. Ebenfalls kann man die verstärkte Möglichkeit nennen, die Leistungen bis auf Null zu drücken. Der völlige Entzug von Leistungen zur Verhaltenskontrolle ist im Asylbereich schon seit Längerem bekannt.

Kommt das Thema Regelsätze für Asylbewerber in der Debatte um Hartz IV ihrer Meinung nach zu kurz?
Wir hoffen sehr, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch positive Effekte für das Leistungsrecht für Asylsuchende haben kann. Die Politik sollte von sich aus die notwendigen Reformen auch auf diese Gruppe ausweiten. Wenn sie sich weigert, bleibt wohl auch hier nur der Gang nach Karlsruhe. Es ist an der Zeit, den Skandal der Mangelversorgung von Asylsuchenden endlich zu beenden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165037.sachleistungen-entmuendigen-menschen.html

Fragen: Peter Nowak

Teilerfolg für Arbeiter von Conti

Frankreich: Geldbuße statt Bewährungsstrafe
Die Mobilisierung für die zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilten Mitarbeiter von Conti hatte Erfolg: Ein Gericht milderte die Urteile für die an Protestaktionen Beteiligten ab.
Am vergangenen Freitag wurden in Frankreich sechs Arbeiter des Reifenherstellers Continental zu Geldstrafen zwischen 2000 und 4000 Euro wegen der Beteiligung an einer Aktion im Rahmen eines Streiks verurteilt. Sie gehörten zu einer Gruppe von etwa 500 Arbeitern, die im April 2009 für Aufsehen sorgten, als sie ein Werk von Continental in Clairnoix bei Paris demolierten.

 Die Beschäftigten kämpften gegen die Schließung von Conti und den Verlust von Arbeitsplätzen. Kurz vor der Aktion hatte ein französisches Gericht die Werksschließung für rechtens erklärt. Dass die Arbeiter gegen das Werk in Clairnoix vorgingen, war nach Ansicht von Beobachtern kein Zufall. So hieß es, dass in dem Werk neue Produktionstechnologien getestet wurden, um sie anschließend ins Ausland zu verlagern. Die Aktion wurde, ähnlich wie das zeitweilige Festsetzen von Firmenchefs (»Bossnapping«) durch Fabrikbelegschaften, als neue Form von Arbeitermilitanz auch in Deutschland wahrgenommen.

Nachdem die sechs Arbeiter im September 2009 zu Haftstrafen auf Bewährung verurteilt worden waren, wurde in der Berufungsverhandlung eine härtere Strafe befürchtet. In den letzten Wochen war jedoch eine große Solidaritätsbewegung mit den Angeklagten entstanden, an der sich Politiker verschiedener linker Parteien und Gewerkschaften beteiligten. Am 13. Januar, als die Berufungsverhandlung begonnen hatte, demonstrierten mehr als tausend Menschen im Amiens (Nordfrankreich) für einen Freispruch der Arbeiter. Dabei wurde der Verdacht geäußert, dass man die sechs Beschäftigten angeklagt habe, weil sie sich in der Gewerkschaft CGT aktiv am Streik beteiligt hatten. Daher wird es auch als Erfolg gewertet, dass selbst der Staatsanwalt Pierre Avignon in seinem Plädoyer betonte, dass nicht eine soziale Bewegung bestraft werden dürfe.

Das Urteil wurde von der Solidaritätsbewegung als milde bezeichnet und als Erfolg der Mobilisierung eingeschätzt. Allerdings gab es um die Aktion auch gewerkschaftsinternen Streit. So hatte Xavier Mathieu, der Wortführer des Widerstands der Conti-Arbeiter, wiederholt kritisiert, dass sich die Spitzen der Gewerkschaften in ihrer Solidarität mit der Basis sehr zurückgehalten haben. Von der Kritik nahm Mathieu auch seine eigene Gewerkschaft, die CGT, nicht aus.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/164959.teilerfolg-fuer-arbeiter-von-conti.html

Peter Nowak

Peter Nowak zur Vergangenheit einer Berliner Siedlung

Anfang der fünfziger Jahre wurde das Waldviertel in Berlin-Zehlendorf noch ganz unbefangen „SS-Siedlung“ genannt. Am Rande der Hauptstadt war Ende der dreißiger Jahre eine Kameradschaftssiedlung der Nazi-Schutzstaffel errichtet worden. Man lebte in einem Umfeld, „in dem die Angehörigen der SS ausreichend und gesunden Wohnraum finden und das insbesondere den Aufstieg der Familien zu fördern geeignet ist“, so „Reichsführer“ Heinrich Himmler.
Nach dem Ende des NS-Regimes war es für die braune Elite erst einmal mit dem Stadtrandidyll vorbei. Die Alliierten vergaben die Wohnungen an Verfolgte und Emigranten. Doch schon Mitte der fünfziger Jahre wehte wieder ein anderer Wind. Antonin Dick, der als Emigrantenkind seine Schulzeit in dem Viertel verbracht hat, kann sich noch erinnern, wie SS-Leute Anspruch auf ehemaligen Wohnungen und zurückgelassenes Mobiliars erhoben.
Heute will ein Großteil der Bewohner an die Nazi-Vergangenheit der Siedlung möglichst nicht mehr erinnert werden. Man solle doch endlich die Vergangenheit ruhen lassen, hieß es, als das Zehlendorfer Kulturamt die Aufstellung einer Informationstafel zur Geschichte der Siedlung beschloss. Die Siedlung stehe schon siebzig Jahre – und habe nur sieben Jahre davon SS-Zwecken gedient, so ein Bewohner. Ein anderer befürchtete gar, dass Neonazis angelockt werden könnten.
Anwohner stellen Fragen
Die Einwände hatten Erfolg. Das zuständige Kulturamt wartete mit einer ganz neuen Variante des Prinzips „Geschichte von Unten“ auf. Da die Bewohner mehrheitlich den Namen Himmler im Zusammenhang mit der Vergangenheit der Siedlung nicht lesen wollten, wurde der kurzerhand gestrichen. Auch die Rolle der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten (Gagfah) wird in dem Text weitgehend ausgeblendet. Das Unternehmen war für Bau und Verwaltung der Siedlung zuständig. Gagfah-Architekt Hans Gerlach hatte die Planung mit dem Rasse- und Siedlungshauptamt der SS für abgestimmt. Die Gagfah gehörte auch in der Nachkriegszeit zu den führenden Berliner Wohnungskonzernen.
Kulturamtschefin Sabine Weißler räumte ein, dass es schwierig sei, historisch korrekt zu bleiben und gleichzeitig die Anwohner-Wünsche zu berücksichtigen. Die Zehlendorfer Version der Vergangenheit kann man nun auf der Tafel lesen. „Die friedvolle Atmosphäre, welche die in den Landschaftsraum eingebettete Siedlung dem unbefangenen Betrachter heute vermittelt, macht es schwer, ihre Geschichte in Erinnerung zu rufen. Diese ist unmittelbar mit ihrer Entstehungszeit im Nationalsozialismus verwoben.“ Eine NS-Verfolgte, die von den Alliierten eine Wohnung in der Siedlung zugewiesen bekam und dort bis heute wohnt, wurde ebenso wenig zur Diskussion um die Tafel eingeladen, wie ihr in der Emigration geborener und in Berlin aufgewachsener Sohn.
Sollte das Zehlendorfer Modell Schule machen und Informationstexte über die NS-Vergangenheit künftig mit den Anwohnern ausgehandelt werden? Dann würde wohl bald kein bekannter Nazi mehr namentlich genannt werden – weil die heutigen Bewohner nicht mit ihm in Verbindung gebracht werden wollen.

Quelle: der Freitag,

28. Januar 2010
4. Woche, S. 4
Peter Nowak

Verfahren gegen linkes Webportal

Hoher Strafbefehl wegen Prozessberichts
Am kommenden Dienstag verhandelt das Amtsgericht Krefeld gegen eine Redakteurin, die in ihrem Online-Magazin einen Text der Roten Hilfe veröffentlichte.

Die Betreiberin der linken Online-Zeitung »Scharf-Links«, Edith Bartelmus-Scholich, hatte Widerspruch gegen einen Strafbefehl in Höhe von 12 000 Euro eingelegt. Er wurde verhängt, weil sie einen Richter des Oberlandesgerichtes Düsseldorf beleidigt haben soll. Doch sie hat den inkriminierten Text nicht selbst verfasst. Es handelt sich um einen Prozessbericht der Ortsgruppe Düsseldorf-Mönchengladbach der Roten Hilfe zum Verfahren gegen den türkischen Linken Faruk Ereren.

Seit mehreren Monaten wird gegen ihn wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung nach dem Paragrafen 129b vor dem OLG Düsseldorf verhandelt. »Wir beobachten das Verfahren regelmäßig und verfassen Prozessberichte, um Öffentlichkeit über das Verfahren herzustellen«, erklärte am Montagabend eine Vertreterin der Roten Hilfe auf einer Informationsveranstaltung im Düsseldorfer DGB-Haus. Die Berichte wurden an linke Publikationen wie »Scharf-Links« geschickt.

In dem Text, der jetzt die Justiz befasst, wurde über einen Verhandlungstag berichtet, in dem gegen den Zeugen Nuri Eryüksel Beugehaft verhängt wurde. Der türkische Journalist hatte es abgelehnt, über die Strukturen der türkischen Exilorganisation Aussagen zu machen, weil er sich dabei selber belasten könnte. Das Gericht bestand aber auf seine Zeugenaussage und erließ nach seiner Weigerung eine sechsmonatige Beugehaft, die noch im Gerichtssaal vollstreckt wurde. Dieses Vorgehen sorgte unter den Prozessbeobachtern für Aufregung. Eryüksel war mehrere Jahre in türkischen Gefängnissen inhaftiert, wo er schwer gefoltert wurde. Als Spätfolge der Folter hat er mittlerweile sein Augenlicht verloren.

Zynisch empfundene Äußerung des Richters

Darum dreht sich auch der inkriminierte Satz in dem Prozessbericht, mit dem sich das Gericht befassen muss. Die Prozessbeobachter schreiben, der zuständige Richter habe nach der Verkündung der Beugehaft erklärt, damit könne Eryükesel trotz seiner Erblindung eine andere Sichtweise bekommen. Während der Richter diese Äußerung vehement bestreitet, haben mehrere Prozessbeobachter, darunter auch ein Vertreter des Komitees für Grundrechte und Demokratie, unabhängig voneinander bestätigt, der Richter habe bei der Verhängung der Beugehaft eine von ihnen als zynisch empfundende Äußerung getätigt. An den genauen Wortlaut aber können sie sich nicht mehr erinnern.

»Zu unseren Grundsätzen gehört es, linken Projekten die Möglichkeit zu geben, ihre Erklärungen bei uns zu veröffentlichen«, erklärte Edith Bartelmus-Scholich. Sie sieht in dem Verfahren ein Angriff auf die Pressefreiheit und moniert besonders das Vorgehen des Gerichts. Es habe weder eine Beschwerde über den Bericht noch die Aufforderung zu einer Gegendarstellung gegeben. Stattdessen sei ohne Vorwarnung der hohe Strafbefehl erlassen worden. Für die Online-Redakteurin ist klar, dass sie den Betrag nicht zahlen kann. »Sollte er von dem Krefelder Gericht bestätigt werden, droht mir ersatzweise Haft.«

Mittlerweile läuft ein weiteres Verfahren gegen den presserechtlich Verantwortlichen des »Gefangeneninfos«, einer Publikation, die sich mit Knast und Repression befasst und den Prozessbericht ebenfalls abgedruckt hat.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/164772.verfahren-gegen-linkes-webportal.html

Peter Nowak

Westerwelle-Dämmerung

Landtagswahl in NRW wird der interne Burgfrieden halten
So schnell kann es gehen. Am Tag der Bundestagswahl wurde die FDP unter ihrem Vorsitzenden Guido Westerwelle noch als die große Siegerin gefeiert. Knapp vier Monate später sehen selbst die den Liberalen nahestehenden Medien die FDP im Sinkflug. Am Sonntag lud Westerwelle dann zu einer parteiinternen Krisensitzung, die natürlich offiziell nicht so genannt wurde. Kurs halten und die eigenen Pläne, vor allem bei den Steuersenkungen noch beschleunigen, hießen die Stichworte. Doch damit wird sich der koalitionsinterne Streit fortsetzen, bei dem die FDP momentan am meisten verliert.

Mittlerweile ist den liberalen Spitzenpolitikern klar geworden, dass es um ihre Zukunft geht. Es reicht nicht mehr, wie es Westerwelle vor einigen Tagen noch gemacht hat, als Bundesminister weiter so zu agieren, als sei er noch in der Opposition, und gleichzeitig den jetzigen Oppositionsparteien eine Kampagne vorzuwerfen. Wenn eine Partei innerhalb weniger Monate in Umfragen fast die Hälfte der Wähler weg bricht, müssen die Parteistrategen die Ursachen in erster Linie im eigenen Lager suchen.

 

Erfolg mit Leihstimmen

Dass die FDP mit dem Wahlerfolg unabhängig von ihrer späteren Politik ihren Zenit schon überschritten hatte, war Politbeobachtern klar. Denn die hohen Ergebnisse bestanden zum nicht unerheblichen Teil aus Leihstimmen aus dem christdemokratischen Lager. Diese Wähler wollten die Fortsetzung der großen Koalition verhindern und gaben dieses Mal der FDP ihre Stimme.

Daneben hat das konkrete Agieren der FDP in den letzten Wochen auch einen Teil der liberalen Stammwähler vor den Kopf gestoßen. Sie gerierte sich in der Debatte über die Gesundheitsreform und die Steuersenkungen als eine Programmpartei, die ihre Politik von ideologischen Prämissen ableitet. Ein nicht geringer Teil der FDP-Wähler sieht sich aber als ideologiefrei. Ideologisch sind im zweifelsfrei immer die politischen Gegner, vor allem die Gewerkschaften und die Grünen.

Dieser Teil der Liberalen wirft Westerwelle vor, mit der Ideologisierung der Debatte die Verwirklichung der Ziele eher erschwert zu haben. Sie sehen sich als Pragmatiker der Macht, denen es mehr um die konkreten Ergebnisse als auf die korrekte ideologische Begründung ankommt. Sie kreiden der FDP an, ihre Rolle als Regierungspartei noch nicht gefunden zu haben. Diese Kritik kommt auch aus der FDP selber und dürfte deshalb von der gegenwärtigen Parteiführung besonders ernst genommen werden. Denn hier könnte sich ein zukünftiger innerparteilicher Konflikt auftun, an dem Westerwelle sicher kein Interesse hat.

 

Erinnerung an J.W.Möllemann

Dabei würde es auch um eine parteiintern nie geleistete Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit gehen. Es war der FDP-Politiker Jürgen W. Möllemann, der die Strategie der Ideologisierung der Partei gegen den Willen der an pragmatischen Politikmodellen interessierten Altliberalen vorangetrieben hatte. Zu seinen eifrigsten Unterstützern gehörte der damalige aufstrebende Jungpolitiker Westerwelle. Zeitweise wirkten beide im Kampf gegen die alte Garde aus der Kohlära wie ein Tandem.

Erst nachdem Möllemann mit dubiösen Spendentricksereien und antiisraelischen Tönen politischen und kurz danach auch physischen Selbstmord verübt hatte, war für Westerwelle der Weg an die Parteispitze frei. Möllemann wurde in kurzer Zeit zur Persona non grata. Nur die hohen Geldstrafen für die nicht angegebenen Spenden erinnern noch an seine Zeit. Eine kritische Auseinandersetzung mit seinem Politikkonzept, das in modifizierter Form auch das von Westerwelle ist, hat es nicht gegeben. Wenn jetzt in den Medien beim Streit in der FDP auch wieder an Möllemann erinnert wird, muss das an der Parteispitze als Warnsignal aufgefasst werden.

 

Gnadenfrist für Westerwelle

Noch scheint Westerwelle parteiintern unangefochten. Seit er selber potentielle Konkurrenten wie seinen Vorgänger Wolfgang Gerhardt abservierte, gab es in der FDP keine personelle Alternative mehr. Zudem ist es Westerwelle gelungen, die Bürgerrechtsliberalen um Sabine Leutheusser-Schnarrenberger parteiintern einzubinden, die zeitweise in der FDP wie ein versprengter Haufen unter all den Wirtschaftsliberalen wirkten.

Die Kritik dürfte schnell zunehmen, wenn sich die momentane Schwäche der FDP nicht nur an Umfragewerten, sondern an Wahlergebnissen festmachen lässt. Der Wahl in NRW kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Auch dort werden der FDP hohe Verluste prognostiziert, die der schwarz-gelben Landesregierung in Düsseldorf die Mehrheit kosten könnten. Die Neuauflage eines Bündnisses zwischen SPD und Grünen wäre ebenso denkbar, wie ein schwarz-grünes Bündnis an der Ruhr. Nachdem die Grünen dort auch schon mit Wolfgang Clement regierten, gegen den Rüttgers fast schon wie ein Herz-Jesu-Sozialist wirkt, dürften sie keine großen Probleme damit haben. Wohl aber die FDP, denn jede weitere schwarz-grüne Koalition geht an ihre Existenz. Es würde sich damit eine zweite Variante einer bürgerlichen Koalition mit den auch nicht mehr ganz so jungen Linksliberalen von den Grünen etablieren.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32044/1.html

 

Peter Nowak

Späte Anklage

In New York läuft ein Verfahren gegen die deutschen Unternehmen Daimler und Rhein-Metall; ihnen wird vorgeworfen, dass sie mit dem früheren südafrikanischen Apartheid-Regime wirtschaftlich zusammengearbeitet haben
Fast zwei Jahrzehnte ist das Apartheid-Regime in Südafrika schon Vergangenheit. Jetzt könnten mehrere Großkonzerne doch noch von der Geschichte eingeholt werden. Zur Zeit läuft in New York ein Verfahren gegen die deutschen Unternehmen Daimler und Rhein-Metall sowie die US-Firmen GM, Ford und IBM. Opfer des Apartheid-Regimes, die sich in der Khulumani-Support-Group zusammengeschlossen haben, und ihre Unterstützer werfen diesen Unternehmen vor, durch die wirtschaftliche Zusammenarbeit dazu beigetragen zu haben, dass sich das international geächtete Regime an der Macht halten konnte.

So wird dem Daimler-Konzern vorgeworfen, dem Apartheidregime-Regime Hubschrauber und Flugzeuge geliefert zu haben, die auch bei der Bekämpfung von Protesten der Bevölkerung zum Einsatz gekommen sind. Dadurch seien sie auch an deren Verbrechen gegen die Bevölkerung schuldig, argumentieren die Rechtsanwälte, die eine Sammelklage von mehreren Tausend Apartheidgegnern eingereicht haben. Sollten sie Erfolg haben, müssten die Firmen mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe rechnen. Auch der Imageverlust für die betroffenen Firmen wäre enorm.

Frage der Zuständigkeit

Doch zunächst geht es vor dem New Yorker Gericht um die Frage, ob die Klagen überhaupt zulässig sind. Die Kläger berufen sich auf den Alien Tort Claims Act, mit dem gegen die Piraterie vorgegangen werden sollte. Das Papier von 1798 erklärt völkerrechtliche Verletzungen von Nichtamerikanern gegenüber Nichtamerikanern für gesetzeswidrig und gesteht ihnen das Recht zu, sich an Gerichte in den USA zu wenden. Die Bundesregierung will die Zuständigkeit eines US-Gerichts für deutsche Firmen nicht anerkennen. Bisher haben auch mehrere Vorinstanzen in diesem Sinne entschieden und die Klagen deshalb als unbegründet zurückgewiesen.

Doch jetzt stehen die Chancen für die Kläger besser. So hat der südafrikanische Justizminister Jeff Radebe ein Verfahren in den USA ausdrücklich begrüßt. Auch die Obama-Regierung hat sich, anders als ihre Vorgänger, für die Anwendung des Alien Tort Claims Act in diesen Fällen ausgesprochen. Der Anwalt der Kläger Michael Hausfeld gehört zu den politischen Unterstützern des gegenwärtigen US-Präsidenten
 http://www.heise.de/tp/blogs/8/147035

Peter Nowak

Grundgesetz und AKW

Laufzeitverlängerung verletzt Schutzpflicht
In die Diskussion um die Laufzeitverlängerung von AKW hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen besonderen Akzent gesetzt. Sie stellte in dieser Woche in Berlin ein Gutachten vor, in dem ein längerer Weiterbetrieb der AKW für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt wird.

 Für die Autorin Cornelia Ziehm, die bei der DUH das Ressort Klimawende und Energiewandel leitet, verletzt der Staat seine Schutzpflichten, wenn er die Produktion weiteren Atommülls zulässt, ohne dass es eine Lösung für die Endlagerung hoch radioaktiven Abfalls gibt. Ziehm leitet diese Einschätzung aus den im Grundgesetz festgelegten Grundrechten auf Leben, Gesundheit und Eigentum sowie dem seit 1994 dort festgeschriebenen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen für die nächsten Generationen ab.

Das mediale und politische Interesse an dieser Expertise hielt sich in Grenzen. Die SPD hat die Bundesregierung zu einer Stellungnahme aufgefordert, das Thema aber auch nicht besonders hoch gehängt. Denn einen Hebel zum Ausstieg liefert das Gutachten wohl kaum. Sonst hätte der AKW-kritische Teil des Parlaments schon längst ein Normenkontrollverfahren einleitet, um die Frage zu klären, ob der Betrieb der AKW überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die in dem Gutachten angesprochenen Probleme beginnen nicht erst bei einer Laufzeitverlängerung.

Der Schritt unterbleibt aber aus gutem Grund. Die zuständigen Richter werden sich der Auslegung des DUH schwerlich anschließen. Verfassungsfragen sind auch und in erster Linie Machtfragen. Wenn AKW stillgelegt werden, dann wegen des politischen Drucks oder aus ökonomischen Gründen. Deswegen sind die AKW-Gegner auch gut beraten, ihren außerparlamentarischen Widerstand zu vergrößern. Wenn der Druck groß genug ist, könnte auch eine Debatte darüber geführt werden, wie realistisch ein AKW-Verbot im Grundgesetz ist.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/164603.grundgesetz-und-akw.html

Peter Nowak

Nie wieder Deutschland am Hindukusch

Wer sich mit der afghanischen Demokratiebewegung solidarisieren will, muss den Abzug der internationalen Truppen fordern.

„Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt«, lautete in den achtziger Jahren ein beliebter Slogan auf Demonstrationen, als Deutsch­land wegen seiner Vergangenheit noch als nur begrenzt kriegsfähig galt und keine Soldaten in Kriegseinsätze schickte. Heute dagegen gehen auch deutsche Soldaten, etwa das weitgehend un­ter Ausschluss der Öffentlichkeit agierende Kom­mando Spezialkräfte (KSK), in aller Welt ihrem schon von Kurt Tucholsky prägnant benannten Handwerk nach.

Spätestens seit dem von deutschen Militärs zu verantwortenden Massaker an einer unbekannten Zahl von afghanischen Dorfbewohnern dürfte allgemein bekannt sein, dass die Bundeswehr in Afghanistan nicht als bewaffnete Hilfsorganisation tätig ist. Führende Politiker, an der Spitze Bundeskanzlerin Angela Merkel, verbaten sich jeg­liche Kritik aus dem In- und Ausland am Bombardement. Und führende deutsche Militärs legten mit der Bemerkung, dass die in Kunduz getöteten Zivilisten keine Unbeteiligten gewesen seien, das internationale Kriegsrecht in deutscher Tradition aus. Fast gleichzeitig mit dem Kunduz-Massaker wurde im Bendlerblock, dem Sitz des deutschen Kriegsministeriums, ein Ehrenmal für die bei ihrem Job in aller Welt ums Leben gekommenen deutschen Soldaten eingeweiht.

Die Warnungen vor der Entstehung einer neuen deutschen Militärmacht, die vor knapp 20 Jahren die Kampagne »Nie wieder Deutschland« antrieb, haben sich also zumindest in diesem Punkt voll bestätigt. Doch heute hört man von denen, die sich mehr oder minder in diese Tradition stellen, keine Proteste gegen die selbstbewusste deutsche Militärmacht, die arme afghanische Bauern, die sich offenbar etwas Benzin aus gestohlenen Tanklastzügen abzapfen wollten, mit dem Tode bestrafte.

Im Gegenteil. Da benutzt Magnus Klaue in einem Artikel in der Jungle World (Nr. 3/2010) die Phrase von der »Verteidigung der Zivilisation«, die schon 1914 von der SPD-Führung verwendet wurde, um der sozialdemokratischen Basis den Krieg gegen das zaristische Russland schmackhaft zu machen. In der aktuellen Ausgabe der Monatszeitschrift Konkret kreiert Stefan Frank eine jihadistische Weltverschwörung und wirft Obama vor, dieser nicht mit der nötigen Entschlossenheit entgegenzutreten. Sollte man Obama nicht gleich empfehlen, von Deutschland zu lernen? Schließlich hat sich Oberst Klein in Kunduz nicht von den Bedenken von US-Militärs abhalten lassen, die gestohlenen Tanklastzüge und die sie umgebende Menschenmenge bombardieren zu lassen.

Wer meint, der Militäreinsatz diene der Demokratisierung und sei deshalb gerechtfertigt, sollte auf die Demokratiebewegung in Afghanistan hören. Denn die kämpft nicht nur gegen die Taliban, sondern auch gegen die Warlords im Lager des afghanischen Präsidenten Hamid Karzai und damit auch gegen die westlichen Militärs, die dessen Regierung stützen. Die afghanische Islamkritikerin und parteilose Abgeordnete Malalai Joya, die nach Morddrohungen prowestlicher Islamisten und Warlords untertauchen musste und ihr Mandat verlor, spricht sich in ihrem Buch »Ich erhebe meine Stimme« für einen Abzug aller fremden Truppen aus Afghanistan aus, denen sie vorwirft, nicht die Demokratie, sondern »eine Fraktion der Warlords und Islamisten« zu fördern. Auch die Frauenorganisation Rawa, die den Sturz der Taliban begrüßt hat, spricht sich mittlerweile für einen schnellen Truppenabzug aus.

Auf diese Kräfte kann sich eine emanzipatorische Linke stützen, wenn sie einen schnellen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fordert. Die in deutschen Medien vielzitierten deutschnationalen Lautsprecher dieser Forderung sollte man dagegen rechts liegenlassen. Etwa Rupert Neudeck, den Chef der Hilfsorganisation Grünhelme, der in der Frankfurter Rundschau über die den Deutschen »aus ausgeprägtem Geschichtsbewusstsein« zutiefst verbundenen afghanischen Stämme schwadroniert. Oder den ehemaligen CDU-Rechtsaußen Jürgen Todenhöfer, der sich in der Taz als Friedensfreund produziert, den Krieg wegen der alliierten Bombardements auf Hanau hassen gelernt haben will und sich nun um das Image Deutschlands sorgt. Seine aktive Unterstützung der afghanischen Islamisten, die Anfang der achtziger Jahre gegen die von der Roten Armee gestützte linke Regierung kämpften, wird in der Taz derweil als »Reise zu afghanischen Freiheitskämpfern« bezeichnet.

Die linke Reformregierung, die 1978 tatsächlich in Afghanistan Rechte für Frauen einführte und eine Bildungs- und Gesundheitsreform realisierte, hätte damals kritischer Unterstützung von links bedurft. Aber bis auf wenige Ausnahmen schlug sich die deutsche Linke damals auf Seiten der Islamisten. Heute dagegen gibt es auf Seiten der afghanischen Regierung keine emanzipatorische oder zivilisatorische Kraft, auf die sich Linke positiv beziehen könnten, sondern allein kleine demokratische Ansätze in der afghanischen Gesellschaft. Diese davor zu schützen, unter die Stiefel deutscher Soldaten oder ins Visier deutscher Bom­ber zu geraten, wäre die Aufgabe der hiesigen minoritären Linken. Und diese Aufgabe beinhaltet, zu verlangen, dass die Bundeswehr abzieht.

http://jungle-world.com/artikel/2010/05/40279.html

Peter Nowak

 

Solidarität mit Tekel wächst

Kundgebung in Berlin für Arbeiter des türkischen Ex-Staatsbetriebs
In Berlin demonstrierten Deutsche, Türken und Kurden zusammen gegen die Massenentlassungen beim ehemaligen türkischen Staatsunternehmen Tekel. Auch Gewerkschaften hierzulande solidarisieren sich.
 
Sprechchöre in deutscher, türkischer und kurdischer Sprache schallten am Mittwochnachmittag durch Kreuzberg. Rund 100 Menschen hatten sich in Berlin mit dem Arbeitskampf der Beschäftigten bei Tekel solidarisiert. Seit der Privatisierung des ehemals staatlichen türkischen Tabakkonzerns protestieren fast 12 000 Arbeiter seit dem 15. Dezember gegen drohende Entlassungen und Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen.

Ein Sprecher des aus Gewerkschaftern sowie türkischen und kurdischen Vereinen bestehenden Solidaritätskomitees mit den Tekel-Beschäftigten berichtete über den aktuellen Stand des Arbeitskampfes. Der Streik habe in der Türkei schnell eine landespolitische Bedeutung bekommen. In ihm komme die zunehmende Unzufriedenheit mit der neoliberalen Wirtschaftspolitik der konservativ-islamischen Regierung zum Ausdruck. Wegen der großen Unterstützung in der Bevölkerung mussten sich mittlerweile die Verantwortlichen der Polizei für die Repression entschuldigen, mit der anfangs gegen die Streikenden vorgegangen worden war. Derzeit versucht die Regierung Zeit zu gewinnen, so die Einschätzung eines anderen Redners. Ein Vermittlungsversuch unter Beteiligung führender Gewerkschaften sei vor wenigen Tagen gescheitert, weil die Regierung nur über Entschädigungen verhandeln wollte.

Eine Gruppe von Arbeitern hat daraufhin einen ausgesetzten Hungerstreik wieder aufgenommen. Rufe nach einem Generalstreik in der Türkei werden immer lauter. Gleichzeitig hat der türkische Ministerpräsident Erdogan mit der baldigen Räumung der Zeltstadt in Ankara gedroht, in der sich die Streikenden aufhalten. Sie ist auch Anlaufpunkt für die Delegationen aus aller Welt geworden.

Inzwischen haben in vielen Ländern Solidaritätsaktionen begonnen – in Deutschland relativ spät, meinte Selahattin Yildirim gegenüber ND. Er ist Koordinator der Solidaritätsaktionen in Deutschland. »Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unterstützt als Partnerorganisation der Tekel-Beschäftigten die Solidaritätsarbeit von Anfang an«, betont Yildirim. Vom DGB allerdings wünscht er sich noch eine wirkungsvolle Unterstützung. Auch der Berliner IG-Metall-Betriebsrat Mustafe Efe sprach sich auf der Berliner Kundgebung für eine stärkere gewerkschaftliche Unterstützung für die türkischen Kollegen aus. Er zog dabei auch Parallelen zur Situation in Deutschland. Kämpferische Gewerkschafter fühlen sich durch den Arbeitskampf in der Türkei motiviert, meinte Efe, der in einem Berliner Autowerk für eine linksoppositionelle Liste zur Betriebsratswahl kandidiert. Am kommenden Mittwoch ist in Berlin eine weitere Kundgebung geplant. In anderen Städten sind ähnliche Aktionen in Vorbereitung. Auch das Europäische Parlament will sich mit den Arbeiterrechten in der Türkei befassen, so Yildirim. Schließlich seien bei der Privatisierung der Tabakfabrik wesentliche Richtlinien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) umgangen worden.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/164421.solidaritaet-mit-tekel-waechst.html

Peter Nowak

Sicherheitscheck abgelehnt

PROTEST FU-Student steht vor Gericht, weil er ein Plakat ohne Impressum getragen haben soll
Ist es strafbar, ein Plakat ohne Impressum vor dem Bauch zu tragen? Mit dieser Frage wird sich das Landgericht Berlin am heutigen Freitag befassen. Dort ist der Politologiestudent Jens Q. angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Verletzung des Pressegesetzes, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung vor.

Q. hatte am 5. November 2008 an der Freien Universität (FU) gegen die verschärften Sicherheitsstandards wegen einer Rede von Bundespräsident Horst Köhler im Rahmen der Immatrikulationsfeier für Erstsemester auf dem Campus protestiert. Studierende, aber auch die Datenschutzbeauftragte der FU, Ingrid Pahlsen-Brandt, monierten damals, dass alle ZuhörerInnen der Köhler-Rede ihre Personalien vom Bundespräsidialamt überprüfen lassen mussten. Zudem gab es beim Einlass zwei Sicherheitskontrollen. Als Protest organisierten Studierende eine alternative Immatrikulationsfeier in der Nähe des Hörsaals, in dem Köhler sprach. „Ich hielt ein Mobilisierungsplakat für die Aktion vor die Brust, als ich und drei weitere KommilitonInnen von Polizisten festgenommen wurden“, berichtet Q. der taz.

Bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht im vergangenen Jahr hatten neben dem Angeklagten drei StudentInnen als Zeugen ausgesagt, Q. habe bei seiner Festnahme keinen Widerstand geleistet. Der Polizist, der Q. festgenommen hat, erklärte, jener sei seiner Aufforderung, zum Polizeiauto zu gehen, nicht gefolgt. Zudem habe er leichte Verletzungen an der Handinnenfläche davongetragen, als er dem Festgenommenen die Hände auf den Rücken drehte und dieser den Griff lockern wollte. Q. wurde zu einer Geldstrafe von 450 Euro verurteilt. Er legte dagegen Berufung ein.

„Das Amtsgericht stützte meine Verurteilung lediglich auf die Aussage des Polizisten, obwohl ihm vier Aussagen widersprachen“, kritisiert Q. Er habe den Eindruck gehabt, allein die Festnahme bei den Protesten werde ihm schon als Beweis seiner Schuld ausgelegt. Ein studentisches Unterstützungskomitee ruft für diesen Freitag zur Prozessbeobachtung vor dem Landgericht auf.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F02%2F05%2Fa0064&cHash=bde5535575

PETER NOWAK

 Prozessbeginn:5. Februar, 9 Uhr, Raum 220, Turmstraße 91. Die Beobachtergruppe trifft sich um 8.30 Uhr am Eingang des Gerichts

Lauschig wohnen in früherer SS-Siedlung

GESCHICHTE In Zehlendorf erinnert eine Stele an die NS-Vergangenheit der Waldsiedlung. Einigen Anwohnern passt das gar nicht, andere fordern mehr Information – etwa über die SS-Mitglieder unter den früheren Mietern

In der Zehlendorfer Waldsiedlung wird seit kurzem auf einer Stele über die braune Vergangenheit informiert. Doch die späte Erinnerung ist umstritten. Die Initiative ging vom Kulturamt Steglitz-Zehlendorf aus, das bisher bereits drei Informationsstelen zu geschichtlichen Themen in dem Stadtteil erarbeitet hat. Doch noch nie war die Diskussion im Vorfeld so kontrovers wie in der Waldsiedlung. Denn ein Teil der Bewohner möchte möglichst gar nicht daran erinnern, dass der attraktive Wohnort am Rande Berlins in den 30er-Jahren als SS-Kameradschaftssiedlung entstanden ist.

„Die friedvolle Atmosphäre, welche die in den Landschaftsraum eingebettete Siedlung dem unbefangenen Betrachter heute vermittelt, macht es schwer, ihre Geschichte in Erinnerung zu rufen. Diese ist unmittelbar mit ihrer Entstehungszeit im Nationalsozialismus verwoben.“ Diese Sätze stehen auf einer Informationsstele, die an der Kreuzung Argentinische Allee, Ecke Teschener Weg in der Waldsiedlung Krumme Lanke in Zehlendorf eingeweiht wurde. Bis zum Ende des NS-Regimes waren mehr als 90 Prozent der Bewohner SS-Leute und ihre Familien. Ziel war es damals, eine Siedlung zu schaffen, „in der die Angehörigen der SS ausreichend und gesunden Wohnraum finden, der insbesondere den Aufstieg der Familien zu fördern geeignet ist“, schrieb Ende der 30er Reichsführer SS Heinrich Himmler über das Wohnprojekt.

„Man soll doch endlich die Vergangenheit ruhen lassen. Schließlich steht die Siedlung schon 70 Jahre. Sieben Jahre davon hat sie SS-Zwecken gedient“, sagte ein Anwohner vor kurzem bei einer Bürgerversammlung. Ein anderer befürchtete gar, durch die Debatte um die braune Vergangenheit des Wohngebiets könnten Neonazis angelockt werden. Dabei sei man froh, dass die Waldsiedlung nicht mehr mit ihrer Vergangenheit in Verbindung gebracht wird. In den frühen 50er-Jahren hieß das Areal in der Bevölkerung noch SS-Siedlung. Die Alliierten hatten dort nach 1945 bevorzugt Verfolgte und Widerstandskämpfer untergebracht.

Die 99-jährige Dora Dick lebt noch heute in der Wohnung, die sie als jüdische Emigrantin und kommunistische Widerstandskämpferin nach ihrer Rückkehr aus dem Exil zugewiesen bekam. Ihr Sohn Antonin Dick kann sich noch gut an die Schulzeit in der Siedlung erinnern. Dazu gehörte auch, dass schon bald nach Beginn des Kalten Krieges einige SS-Leute Anspruch auf ihre ehemaligen Wohnungen und Teile des Mobiliars erhoben.

Dass an die braune Vergangenheit der Siedlung erinnert wird, begrüßt Dick grundsätzlich. Der Theaterregisseur, der sich in seinen Stücken häufig mit NS-Verfolgung, Flucht und Emigration befasst hat, kritisiert allerdings, dass die dort noch lebenden NS-Gegner nicht von Anfang an in das Projekt einbezogen worden sind. „Weder ich noch meine Mutter wurden eingeladen, als es um die Planung der Stele oder die Diskussion um den Text ging“, moniert er. Erst aus der Zeitung habe habe er von der Bürgerversammlung erfahren.

Dick kritisiert auch, dass die Rolle der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten (Gagfah) in dem Text weitgehend ausgeblendet wird. Das Wohnungsunternehmen war für den Bau und die Verwaltung der Siedlung zuständig. Gagfah-Architekt Hans Gerlach hatte die Planung mit dem SS-Hauptamt für Rasse und Siedlung abgestimmt. „Die Frage, wer von den SS-Kriegsverbrechern in der Siedlung gewohnt hat, ist noch immer weitgehend unklar. Um die aufzuklären, müsste die Gagfah Mietsverträge und Geschäftsbücher aus der damaligen Zeit öffentlich zugänglich machen“, fordert Dick.

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F01%2F06%2Fa0159&cHash=c2ae67833a

Peter Nowak

Eine Stele des Anstoßes

In der Zehlendorfer Waldsiedlung wird über braune Vergangenheit informiert
»Die friedvolle Atmosphäre, welche die in den Landschaftsraum eingebettete Siedlung dem unbefangenen Betrachter heute vermittelt, macht es schwer, ihre Geschichte in Erinnerung zu rufen. Diese ist unmittelbar mit ihrer Entstehungszeit im Nationalsozialismus verwoben.« Diese Sätze stehen auf einer Informationsstele, die an der Kreuzung Argentinischen Allee/Ecke Teschener Weg in der Waldsiedlung Krumme Lanke in Zehlendorf eingeweiht wurde.

 Die Initiative ging vom Kulturamt Steglitz-Zehlendorf aus, das bisher schon drei Informationsstelen zu geschichtlichen Themen in dem Stadtteil erarbeitet hat. Doch noch nie war die Diskussion im Vorfeld so kontrovers wie in der Waldsiedlung. Denn ein Teil der Bewohner möchte möglichst nicht daran erinnern, dass der heute hochattraktive Wohnort am Rande Berlins in den 30er Jahren als SS-Kameradschaftssiedlung entstanden ist. Bis zum Ende des NS-Regimes waren mehr als 90 Prozent der Bewohner SS-Leute und ihre Familien. Ziel war es, eine Siedlung zu schaffen, »in der die Angehörigen der SS ausreichend und gesunden Wohnraum finden, der insbesondere den Aufstieg der Familien zu fördern geeignet ist«, schrieb Ende der 30er Jahre Reichsführer SS Heinrich Himmler über das Wohnprojekt.

Man solle endlich die Vergangenheit ruhen lassen, meinte ein Anwohner bei einer Bürgerversammlung. Schließlich stehe die Siedlung schon siebzig Jahre. Sieben Jahre davon habe sie SS-Zwecken gedient. Ein anderer Anwohner fürchtete, durch die Debatte könnten Neonazis angelockt werden. Dabei sei man froh, dass die Waldsiedlung nicht mehr mit ihrer Vergangenheit in Verbindung gebracht wird.

In den frühen 50er Jahren hieß das Areal in der Bevölkerung noch die SS-Siedlung. Damals war allerdings ein Großteil der führenden Nationalsozialisten geflohen. Die Alliierten hatten nach 1945 bevorzugt Verfolgte und Widerstandskämpfer in den Wohnungen untergebracht. Die 99-jährige Dora Dick lebt noch heute in der Wohnung, die ihr als jüdischer Emigrantin und kommunistischer Widerstandskämpferin nach Rückkehr aus dem britischen Exil zugewiesen wurde. Ihr Sohn Antonin Dick kann sich gut an die Schulzeit erinnern. Dazu gehört, dass bald nach Beginn des Kalten Krieges einige SS-Leute Anspruch auf ihre ehemaligen Wohnungen und Teile des Mobiliars erhoben hatten.

Dass an die braune Vergangenheit der Siedlung erinnert wird, begrüßt Dick. Er kritisiert allerdings, dass die dort noch lebenden NS-Gegner nicht von Anfang an in das Projekt einbezogen worden sind. »Weder meine Mutter noch ich wurden eingeladen, als es um die Planung der Stele oder die Diskussion um den Text ging«, moniert Dick. Sabine Weißler vom Kulturamt ist von der Auseinandersetzung nicht überrascht. »Schließlich sind historische Themen kontrovers, eine einheitliche Meinung kann es da gar nicht geben.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/162202.eine-stele-des-anstosses.html

Peter Nowak

Mehr als nur ein Strohfeuer?

Florian Wilde (32), Bundesgeschäftsführer des Studierendenverbandes »Die Linke.SDS«, über die Perspektiven der Studentenproteste
 

ND: Vergangenes Wochenende traf sich der Studierendenverband »Die Linke.SDS« in Bochum zu seinem mittlerweile fünften Bundeskongress. Wie wurden die aktuellen Bildungsproteste bewertet?
Wilde: Wir sehen in ihnen aus mehreren Gründen einen großen Erfolg. Es ist gelungen, das Thema Bildung wieder in einer größeren Öffentlichkeit zu verankern. Die Zusammenarbeit zwischen Schülern und Studierenden stellt einen großen Fortschritt dar. An den Hochschulen war es der erste Aufstand einer Generation, die unter den völlig veränderten Bedingungen des Bachelor-Master-Systems studiert. Zudem war die zweite Protestwelle die erste soziale Bewegung unter der konservativ-liberalen Bundesregierung.

Wo sehen Sie Schwächen der Bewegung?
Sie hat noch nicht die Stärke erreicht, um substanzielle Reformen im Bildungsbereich durchzusetzen. Schließlich sind Studiengebühren und Bachelor- und Masterstudiengänge noch nicht abschafft.

Bekommt Ihr Verband nicht auch die Furcht vieler studentischer Aktivisten vor linker Vereinnahmung zu spüren?
Wir sind ein sozialistischer Verband, der in den Protesten eigene Akzente setzen will. Dabei geht es nicht um Vereinnahmung, sondern um solidarische Diskussion auf Augenhöhe im Bildungsstreikbündnis über die richtige Proteststrategie. Wir haben bei den Protesten die Erfahrung gemacht, dass Studierende durchaus auf Themen ansprechbar sind, die nicht nur das Bildungsthema betreffen. So gab es eine große Unterstützung für den Streik des Reinigungspersonals und der Mensamitarbeiter an den Hochschulen Das grundlegende Problem besteht jedoch darin, dass durch die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge der linke Aktivismus an den Unis insgesamt in eine Krise geraten ist, weil die Studierenden kaum noch Zeit für politische Aktivitäten haben. Wir müssen darauf Antworten finden, um wieder handlungsfähig zu werden. Der Aufbau eines bundesweiten Verbandes, der den Aktiven vor Ort die Arbeit erleichtert, gehört dazu.

Wie soll es mit den Bildungsprotesten weitergehen?
Wir haben den Vorschlag eines Besetzungsstreiks in die Diskussion gebracht. Im Unterschied zu den bisherigen Protesten würde damit der Unibetrieb komplett lahmgelegt. Die Studierenden müssen sich dann nicht wie bisher individuell zwischen der Beteiligung an Aktionen oder der Teilnahme an Vorlesungen entscheiden. Damit würde ein Freiraum geschaffen, um Alternativen zur bisherigen Bildungspolitik zu entwickeln und den Protest von der Uni in die Gesellschaft zu tragen. Allerdings muss eine solche Aktion gut vorbereitet werden und unter den Studierenden verankert sein. Ein Besetzungsstreik könnte 2011 oder 2012 aktuell werden, wenn die doppelten Abiturjahrgänge an die Unis drängen.

Warum soll dadurch die Protestbereitschaft steigen?
Schon jetzt sind die Studienbedingungen oft sehr schlecht. Durch die doppelten Jahrgänge wird sich die Situation noch verschärfen. Da schon bisher gerade die Erstsemester stark an den Protesten beteiligt sind, bestehen hier große Chancen, dass dann der Widerstand wächst.

Wie soll es aber in den nächsten Monaten kurzfristig mit den Bildungsprotesten weitergehen?
Wir wollen die Landtagswahl in NRW zu einer Abstimmung über die Abschaffung der Studiengebühren machen. Konkret schlagen wir eine bundesweite Demonstration in NRW Anfang Mai vor, um die Parteien außerparlamentarisch unter Druck zu setzen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/162970.mehr-als-nur-ein-strohfeuer.html

Interview: Peter Nowak

Das wache Gesicht des alten Bauern

Ein Film zeigt die Basis der bolivarianischen Revolution in Venezuela
„Wir müssen selbst entscheiden, was wir wollen. Wir sind diejenigen, die die Bedürfnisse kennen und wissen, was in unserer Community los ist“, erklärt Omayra Pérez selbstbewusst. Sie will ihre Community eines an den Hängen von Caracas gelegenen Armutsviertels davon überzeugen, einen Consejo Comunal (Kommunalen Rat) zu gründen. In über 30.000 Consejos Comunales entscheiden die BewohnerInnen Venezuelas selbst kollektiv in Versammlungen über viele Belange ihres Umfeldes.
Diese Macht der Bevölkerung von Unten wird in der Regel kaum erwähnt, wenn in den hiesigen Medien von Venezuela die Rede ist. Immer wieder wird Präsident Chavez in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt. Die gleichen Medien regen sich dann über den Personenkult in Venezuela auf.

In dem 94minütigen Film des Berliner Filmemachers Dario Azzellini und des Wiener Videokünstlers Oliver Ressler hingegen ist Chavez nur auf einigen T-Shirts und auf einigen Transparenten sichtbar, die an den Wänden der Gebäude hängen, in denen sich die BewohnerInnen treffen und über die Consejos Comunales diskutieren. Die Filmemacher führen uns zu drei unterschiedlichen Schauplätzen: In ein Armenviertel in Caracas, in das Armenviertel Petare am Rande von Caracas und das ländliche Barinas.

Es sind oft sehr intensive Gespräche. Die Menschen, müde von der Arbeit, Bauern noch in Arbeitsstiefeln, nehmen ihr Schicksal selber in die Hand.

Es geht um ihre unmittelbaren Bedürfnisse, die sie erstmals in ihrem Leben selber bestimmen können. Nicht alle sind schnell zu überzeugen. Den Filmemachern gelingt es immer wieder die Blicke der Menschen einzufangen, die dort in halboffenen Landwirtschaftsgebäuden, in Barriohäusern oder in Schulen zusammen sitzen. Junge Mädchen kauen Kaugummi und blicken recht skeptisch drein, wenn ihnen gesagt wird, dass es auf sie selber jetzt ankommt. Auch eine ältere Frau blickt sehr ungeschlossen. Da ist aber auch die Frau, die mit einer flammenden Rede die Menschen davon überzeugt, dass sie jetzt selber Protagonisten der Veränderung ist. Und da ist der wache Blick eines sehr alten Bauers. Er blickt ganz offen und selbstbewusst in die Kamera.

In Erzählungen von Subcommandante Marcos aus Chiapas findet man die Geschichten vom alten Antonio, der sich durch die gesellschaftlichen Veränderungen emanzipiert. An ihn erinnert dieser selbstbewusste alte Mann. Es ist ein Gesicht der bolivarianischen Revolution. Mehr als in allen Texten und Reden, auch in dem Film wird in an seinem Blick deutlich, die Menschen können sind erstmals selber Subjekt der Geschichte, zumindest in ihrer unmittelbaren Umgebung.

Es macht den besonderen Reiz des Filmes aus, dass Ressler und Azzellini die Gesichter der Menschen und ihre kleinen Gesten aufnimmt. Da poliert eine Stadtteilaktivistin kurz vor ihrer Rede mit einem Messer noch schnell ihre Fingernägel. Da sind Menschen, denen man ansieht, dass sie es noch nicht gewohnt sind, vor vielen Menschen zu reden. Sie haben erst zu lernen begonnen. Doch, weil sie hier Gleiche unter Gleichen sind, beginnen sie von den kleinen Veränderungen zu reden. Bildung, eine Wasserleitung, die regelmäßige Müllabfuhr, für die meisten MetropolenbewohnerInnen sind es banale, alltägliche Serviceleistungen. Doch für die große Mehrheit der Weltbevölkerung ist es heute noch immer Luxus.

Die Macht im Staat

Es werden natürlich auch die FunktionärInnen der Revolution gezeigt, keine BürokratInnen, sondern junge AktivistInnen, sehr viele Frauen darunter, die mit Che Guevara-Motiven auf T-Shirts und Kappen über den Aufbau einer neuen Gesellschaft reden. Für sie ist die Macht in den Kommunen die Grundlage für die Veränderung des ganzen Staates. Sie geben auch zu, dass es schwierig ist. Zu viele schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit erzeugt beim Zuschauer eine gesunde Skepsis, aber auch die Hoffnung, dass diese Menschen ihre Ziele erreichen.

http://www.trend.infopartisan.net/trd0210/trd260210.html

Peter Nowak

Comuna im Aufbau
Ein Film von Dario Azzellini & Oliver Ressler, 94 min.

 
Do 04.02.: 18.00h
Sa 06.02.: 18.45h  (in Anw. des Regisseurs Dario Azzellini)
So 07.02.: 18.45h (in Anw. des Regisseurs Dario Azzellini)
Mo 08.02.: 18.45h
Di 09.02.: 18.45h
Mi 10.02.: 18.45h
Do 11.02.: 18.00h
Sa 13.02.: 17.00h
So 14.02.: 17.00h
Mo 15.02.: 20.15h
Di 16.02.: 20.15h
Mi 17.02.: 18.30h

Die DVD kann bestellt werden über:
http://www.azzellini.net/ /