Generation Mauerpark wieder auf der Straße

Protest gegen die geplante Bebauung Peter Nowak
Viele hatten nicht damit gerechnet, dass in Prenzlauer Berg noch gegen
Gentrifizierung protestiert würde. Doch dann demonstrierten im Herbst mehr als 2000 Menschen gegen den geplanten Bau von Wohnungen für den vermögenden
Mittelstand zwischen Wedding und Prenzlauer Berg.
Christian Rippel ist Pressesprecher der Initiative
„Mauerpark Fertigstellen“, die in den
letzten Monaten Lobbyarbeit für den Mauerpark
gemacht hat. Zu ihren Aktionen gehörten
Feste im Mauerpark, Anwohnerversammlungen
und als Höhepunkt die Demonstration.
Rippel betont, dass die Initiative nicht nur
gegen die Bebauungspläne des Bezirks Mitte
ist, sondern vielmehr fordert, dass der Mauerpark
endlich vollendet werde. Dabei hat sie
Mitglieder der Parteien Die Linke, Bündnis
90/Die Grünen und sogar der CDU auf ihrer
Seite. So heißt es in den vom CDU-Ortsverband
Brunnenstraße verfassten Text „10 Punkte zu
Mauerpark und Brunnenviertel“: „Die Fertigstellung
des Mauerparks auf der Weddinger
Seite muss nach 15 Jahren Verzögerung endlich
realisiert werden. (…) Der voranschreitende
Weiterverkauf der zur Fertigstellung des
Parks benötigten Grundstücke an private
Investoren führt zu immer neuen Ansprechpartnern
und immer komplexeren Interessenlagen.“
Initiative verweist auf die finanziellen
Einbußen, falls sich die Fertigstellung des
Mauerparks weiter verzögere. Die Allianz-
Umweltstiftung förderte vor 15 Jahren den von
Stadtteilinitiativen geforderten und im Zuge
der damaligen Olympia-Bewerbung realisierten
Ausbau des Mauerparks als städtische
Grünfläche mit 4,5 Millionen DM. Damit war
allerdings die Auflage verbunden, den Park bis
2010 auf mindestens zehn Hektar zu vergrößern.
Bis heute fehlen zwei Hektar, und nun
soll ein etwa 30 Meter breiter Streifen mit
sechsgeschossigen Häusern bebaut werden.
Ein Bruch der Vereinbarung würde bedeuten,
dass die Allianz-Umweltstiftung die Förderung
zurückverlangen könnte. Angesichts leerer
Kassen würde das die Bezirksverwaltung gewaltig
unter Druck setzen.
Unterschiedliche Protestgründe
Vor allem drei Gründe mobilisieren die Menschen:
Erstens würde die Trennung zwischen den Stadtteilen noch verstärkt. Schon jetzt ist
das soziale Gefälle zwischen dem neuen Mittelstand
in Prenzlauer Berg und den Arbeiterfamilien,
oft mit Migrationshintergrund, im
Wedding groß. „Wenn die geplante Bebauung
Realität würde, könnten die Weddinger in die
Klofenster der neuen Reichen blicken“, bringt
es Rippel auf den Punkt. Der zweite Grund für
den Protest ist die drohende Zerstörung einer
Grünfläche, und drittens droht der Verlust
eines Raums für Kultur. Der Mauerpark ist seit
Mitte der 90er Jahre ein Ort, wo musiziert,
getrommelt und gefeiert werden kann, ohne
dass gleich die Polizei einschreitet. Das dürfte
sich mit den neuen Anwohner/innen schnell
ändern, befürchtet nicht nur Rippel.
Er zählt sich selbst zur „Generation Mauerpark“
– zu jenen, die aus Prenzlauer Berg,
Pankow oder Mitte stammend, in den 90er
Jahren als Jugendliche ihre Freizeit im Mauerpark
verbrachten. Damals hatten Einrichtungen
wie eine legale Sprayer-Wand und das
subkulturelle Flair des Stadtteils eine große
Ausstrahlungskraft. Obwohl viele heute in
anderen Stadtteilen wohnen, beteiligen sie
sich am Protest gegen die Baupläne. Und auch
den in den letzten Jahren zugezogenen Eltern
ist der Park wichtig und sie beteiligen sich an
den Aktionen.
Rippel betont, dass seine Initiative auf einen
Mauerpark ohne Polizei Wert legt. Auch privat
organisierte Kiezstreifen würden nicht akzeptiert
und seien sowieso völlig unnötig. Bisher
seien die Nutzer/innen ohne Ordnungskräfte
klargekommen, Probleme habe man ohne
polizeiliche Maßnahmen geregelt, und das
solle auch künftig so bleiben.
Rolle der Vivico
Auf einer Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung
in Mitte am 25. November 2009,
bei der Politiker der Parteien Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen die Freunde des
Mauerparks unterstützten, wurde die Entscheidung
über die Bebauung vertagt. Einstweilen
will die Initiative die Rolle der Immobiliengesellschaft
Vivico Real Estate stärker
thematisieren. Die Vivico ist die Eigentümerin
der Fläche des Mauerparks und wurde 2008
vom Bund an eine österreichische Immobiliengruppe
verkauft. Das Ziel der Vivico ist, einen
möglichst großen Teil des Areals als Bauland
auszuweisen und gewinnbringend zu verkaufen.
Somit ist die Vivico die eigentliche
Kontrahentin der Mauerpark-Freund/innen.

http://www.bmgev.de/mieterecho/mepdf/me338heft.pdf

Peter Nowak