Rettung gescheitert

M99 Anwalt besteht auf Räumung des Ladens mit Revolutionsbedarf
Der Runde Tisch zum Erhalt des Gemischtwarenladens mit Revolutionsbedarf M99 ist gescheitert. Der Eigentümer der Manteuffelstraße 99 war nicht erschienen, sein Anwalt beharrte auf der Räumung. „Dass er damit die Lebensgrundlage des rollstuhlabhängigen Ladenbetreibers Hans Georg Lindenau zerstört und ihn auch obdachlos macht, scheint ihn nicht zu interessieren“, kritisiert Sarah
Schuster vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“. Es unterstützt Lindenau gegen die drohende  Zwangsräumung. Der Runde Tisch sollte eine weitere Eskalation verhindern. Beim ersten Treffen am 16. Februar war der Eigentümer noch anwesend (taz berichtete). Nachdem das zweite Treffen keine Einigung gebracht hat und auch kein weiterer Termin mehr vereinbart wurde, sieht das Zwangsräumungsbündnis nun akute Räumungsgefahr. Lindenau hofft allerdings noch, sich mit dem Eigentümer zu einigen. „Die  Verhandlungen finden jetzt außerhalb des Runden Tisches statt“, sagte er der taz. Er wolle eine Bleibeperspektive bis mindestens Mitte
2017 vereinbaren. Damit würde er Zeit gewinnen, eine Alternative für seine Ladenwohnung zu suchen. Der Eigentümer und sein Anwalt waren für die taz für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
aus taz vom 11.03.2016
Peter Nowak

»Berufsausübungsverbot«

Seit knapp 30 Jahren gibt es den »M99 – Gemischtwarenhandel für Revolutionsbedarf« in der Manteuffelstaße 99 in Berlin-Kreuzberg, dem nun die Zwangsräumung droht. Der Betreiber Hans-Georg Lindenau wohnt auch dort. Der gebürtige Franke ist querschnittsgelähmt. Er hat mit der Jungle World gesprochen.

Ist die Ladenbezeichnung ein Werbegag für die linke Szene?

Schon Ende der achtziger Jahre habe ich mich von den als Zensur empfundenen Dogmen der linken Infoladenszene verabschiedet. Der Name spielt darauf an, dass ich am Jahrestag der Revolution von 1848 geboren bin, und ich auch heute noch Revolutionsbedarf habe, ohne einer im Detail festgelegten Linie zu folgen.

Kürzlich hat Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) die Räumung Ihres Ladens bis Ende Februar als Schlag gegen die autonome Szene bezeichnet. Fühlen Sie sich geehrt?

Mich erinnert diese Hetze im Wahlkampf an die Situation 1984. Damals wurde so die Räumung des »Kunst- und Kulturcentrums Kreuzberg« (Kuckuck) vorbereitet, in dem ich aktiv war. Im M99 habe ich diese Arbeit fortgesetzt. Wenn ich einen Räumungstermin bekomme, wünsche ich mir eine Demonstration zur Anhalter Straße 7, wo das Kuckuckshaus noch ohne Fassade und Vorplatz steht.

Bereiten Sie sich auf die drohende Zwangsräumung vor?

Ich will keine Zwangsräumung verhindern, sondern kämpfe dafür, in meinen Laden und in meiner Wohnung bleiben zu können. Daher fordere ich einen Runden Tisch mit Politik und Hauseigentümern, wie vom ehemaligen Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz zugesagt.

Gäbe es nach einer Räumung für Sie eine Alternative?

Ich hätte in meiner sozialen Umgebung Kreuzbergs keine Chance, meine seit 1990 rollstuhlabhängigkeitsgelebte Wohnen-und-Arbeiten-Symbiose mit seit Jahrzehnten auf mich persönlich abgestimmter, besuchsfrequentierter Anwesenheitsassistenz fortzusetzen. Beim Verlust meiner Ladenwohnung würde ich mich psychisch in die isolierte Rollstuhlklasse mit Berufsausübungsverbot zurückversetzt fühlen.

Bekommen Sie Solidarität?

Am 9. Januar gab es die erste Solidaritätsdemonstration durch Kreuzberg. Die Initiativen Bizim und »Zwangsräumung verhindern« haben mir ermöglicht, ein Solidaritätsplakat unter dem Motto »M99 Himmelfahrt« zu erarbeiten. Damit sollen Spenden eingenommen werden, weil ich schon heute durch die drohende Räumung hohe Kosten habe.

http://jungle-world.com/artikel/2016/04/53398.html

Small Talk von Peter Nowak