M99 vor Räumung

REVOLUTIONSBEDARF Linker Laden soll im September geräumt werden. Besitzer HG bleibt hartnäckig

Am 22. September soll die Ladenwohnung von Hans Georg Lindenau (HG) in der Manteuffelstraße 99 zwangsgeräumt werden.
Der alte Räumungstermin am 9. August war ausgesetzt worden, nachdem sich die Anwälte von HG und dem Hauseigentümer
auf einen freiwilligen Auszug bis zum 20. September geeinigt hatten. Doch HG will sich daran nur halten, wenn er den Verkauf seines Warensortiments in einem anderen Laden in Kreuzberg fortsetzen kann. Der aber wurde bislang nicht gefunden. In Teilen der linken Szene war die Vereinbarung als „schlechter Deal“ kritisiert worden, der den Widerstand demobilisiert habe.
David Schuster vom Berliner Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ schließt sich der Kritik nicht an. „Wenn die eigene Existenz
auf dem Spiel steht, würde wahrscheinlich jeder nach dem Strohhalm der Verlängerung greifen, sagte er der taz. Das Bündnis unterstützt die Kundgebungen, die jeden Donnerstag vor dem M99 stattfinden und mobilisiert für den 22. September zur Verhinderung der Räumung. Der neue Termin ist der Jahrestag des Todes von Klaus-Jürgen Rattay, der am 22. September 1981 bei der Räumung besetzter Häuser von einem Wasserwerfer überrollt wurde. Eine Hoffnung bleibt HG noch: Seine Anwälte wollen einen gerichtlichen Räumungsschutz auf Grundlage eines Attests des Klinikums Neukölln beantragen, das HG eine psychische Gefährdung durch die Räumung diagnostiziert. „Einen alten Baum kann man nicht verpflanzen“, lautet das passende Motto eines von Kurt Jotter entworfenen neuen Plakats. Der Mitbegründer der Politkunstgruppe „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“, die die Westberliner Protestkultur der 1980er Jahre revolutionierte, unterstützt MieteInnenproteste mit künstlerischen Interventionen.

aus Taz 18.8.2016

Peter Nowak