Stadtteilinitiative gedenkt der ermordeten Vorwärts-Besetzer

MieterEcho online 17.01.2017

Stadtteilinitiative gedenkt der ermordeten Vorwärts-Besetzer

„Mein Mann wurde auch als Gefangener zur Garde-Dragonerkaserne gebracht und  ist dort ein Opfer der Soldateska geworden. Der Tod durch Erschießen wäre ein milder gewesen, doch die Verletzungen meines Mannes sind derart, dass von Erschießen keine Rede sein kann“.  Diesen Brief richtete Klara Möller im Januar 1919 an die „Die Republik“, die Tagesszeitung der Arbeiterräte, die vor 98 Jahren in Deutschland für eine grundlegende Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse nach der Novemberrevolution kämpften. Klara Möller beschrieb dort, wie sich  ihr Mann mit sechs weiteren Parlamentären nach der Besetzung des Vorwärtsgebäudes Anfang Januar 1919 den auf Seiten der Ebert-Noske-Regierung kämpfenden Freikorps ergeben hatte. Es waren neben Möller der Journalist  Wolfgang Fernbach, der  Mechaniker Karl Grubusch, der  Schmied Walter Heise, der Kutscher Erich Kluge,  der Werkzeugmacher Arthur Schöttler und  der Schlosser Paul Wackermann. Die sieben unbewaffneten Männer wurden in der Dragonerkaserne in Berlin-Kreuzberg brutal misshandelt und dann erschossen. Dass ihner  98 Jahre später am Ort ihres Todes gedacht wurde,  geht auf die  Initiative der stadtpolitische Gruppe “Dragopolis” zurück. Sie setzt sich auf dem Gelände des Dragonergeländes  für ein Stadtteilprojekt mit bezahlbaren  Mieten ein.  „Wir haben uns natürlich gefragt, was auf dem Dragonergelände historisch passiert ist“, erklärt ein Mitglied der Stadtteilinitiative  gegenüber MieterEcho online.  Dabei kam ihnen ein  Aufsatz des Historikers Gerhard Engel  in der Zeitschrift für historische Studien „Arbeit Bewegung Geschichte“  zur Hilfe. Dort rekapituliert der Historiker auch das publizistische Werk des Arbeiterdichters Werner Möller. Während der Gedenkveranstaltung wurden mehrere der  Gedichte und  Artikel vorgetragen, die Möller in seinem kurzen Leben  in der Presse der sozialdemokratischen Presse veröffentlichte. Nachdem er die Politik des Burgfriedens und der Kriegskredite  der PD-Führung scharf kritisierte, konnte er nur noch in den kleinen Zeitungen der linken Opposition publizieren, was das Auffinden seiner Texte erschwert.

Zum 100 Todestag eine Ehrung im Stadtteilzentrum

Die Stadtteilinitiative will ihre Geschichtsarbeit fortsetzen.  Ihre Utopie ist, am 11. Januar 2019,  hundert Jahre nach auf dem Mord auf dem Gelände des geplanten Stadtteilzentrums einen Gedenkort für die Opfer einzurichten. Doch noch immer ist die Zukunft des Areals unklar. Erst kürzlich schrieb der Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums Jens Spahn an die SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe, dass die Willensbildung zum weiteren Umgang mit der Liegenschaft noch nicht abgeschlossen ist“.  Bisher gehört die lukrative Immobilie dem Bund, der sie dem Höchstbietenden verkaufen und damit weiteren Luxusbauten den Weg ebnen wollte . Nachdem die Stadtteilinitiative für ihr Gegenmodell viel Zustimmung bekam,  gab sich die Berliner SPD auf einmal  rebellisch.  Im Bundesrat verweigerte sie dem Bundesfinanzministerium die Zustimmung zu dem schon getätigten Verkauf des Areals an einen Privatinvestor für 36 Millionen Euro. Doch der Käufer hat bereits Schadenersatzforderungen angekündigt. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen Lisa Paus monierte, in dem Vertrag  fehle eine Klausel, die Schadenersatzforderungen explizit ausschließt. Das Bundesfinanzministerium widerspricht dieser Darstellung. Ungeklärt ist auch, warum der Vertrag bereits  unterschrieben wurde, bevor die zuständigen Gremien gehört wurden. Ob es dabei lediglich um handwerkliche  Fehler handelt oder ob hier weiter versucht wird, einen Privatinvestor Vorteile zu verschaffen, ist offen.

MieterEcho online 17.01.2017

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/vorwaerts-besetzer.html
Peter Nowak

Mutige Sieben

Seit Jahr und Tag  kämpft die  stadtpolitische Gruppe „Dragopolis“ gegen  den Bau  teurer Eigentumswohnungen auf  dem Dragonergelände in Berlin-Kreuzberg.  Jüngst aber widmete sie sich  einem geschichtspolitischem Thema. Gemeinsam mit der “Initiative Gedenkort Januaraufstand“  erinnerten sie an einen ungesühnten  Mord  vor 97 Jahren. Am 11. Januar 1919 sind  sieben unbewaffnete Besetzer der SPD-Zeitung Vorwärts feige ermordert worden . Sie waren von den Verteidigern des Domizils der SPD-Zeitung „Vorwärts“ auf jenem Areal während der Januarkämpfe ausgesandt,  um die Kapitulation mit den Regierungssoldaten auszuhandeln.   Die Opfer waren der Journalist Wolfgang Fernbach, der  Mechaniker Karl Grubusch, der  Schmied Walter Heise, der  Kutscher Erich Kluge, der Klempner Werner  Möller, der  Werkzeugmacher Arthur   Schöttler und  der  Schlosser Paul Wackermann.  Auf der Gedenkveranstaltung wurde aus zeitgenössischen Dokumenten zitiert, darunter den aus  Erinnerungen  der persönlichen Vertrauten und  Nachlassverwalterin   Rosa Luxemburgs, Mathilde Jakob, wie auch aus der dreibändigen „Geschichte  der Novemberrevolution“, die der Vorsitzende  der betrieblichen Räteorganisation „Revolutionäre Obleute“ Richard Müller   Mitte der 20er Jahre  veröffentlichte (  2011 im Verlag „Die Buchmacherei“ wieder aufgelegt).  Müller  beschrieb detailliert, wie  die sieben Parlamentäre gezwungen wurden, sich vor ihrer er Ermordung  zu entkleiden; die Soldaten nahmen ihnen zudem alle  Wertsachen ab.   Als anschließend  die Verteidiger des „Vorwärts“ mit erhobenen Händen aus dem Gebäude kamen,  wurden sie „unter scheußlichen Misshandlungen“ in die  Dragonerkaserne getrieben und dort zunächst in einem Stall interniert…..

Auf  enigen zeitgenössischen Fotos,   die  auf der  Gedenkveranstaltung präsentiert wurden, waren bereits auf Fahrzeugen der Freikorps gemalte Hakenkreuze zu sehen.  Der Journaliist und Historikers Sebastian Haffner l sah in der brutalen Gewalt gegen die  Arbeiter, die im Januar 1919 ihre Revolution – auch wieder die  SPD-Führung – retten und fortführen wollten,   den Auftakt  ür die vielen Morde n in den folgenden Jahren sowie ein Menetel für den Staatsterror in der NS-Zeit.  Dies läßt sich gut am Schicksal on Mathilde Jakob  ablesen. Mehrfach bereits in der Weimarer Republik verhaftet, wurde sie von den Nazis als Jüdin nach Theresienstadt deportiert, wo sie mit 70 Jahren starb.    Mittlerweile trägt ihren Namen ein Platz in Moabit, wo sie  lange wohnte-  An die  ermordeten  Vorwärts-Parlamentäre erinnert bis nur  eine Tafel  am  Eingang des  auf dem Dragonergelände befindlichen Finanzamt Friedrichshain-Kreuzberg.  Das soll sich ändern. „Dragopolis“ will sich dafür einsetzen, dass bis  zum 100ten  Jahrestag des feigen Mordes vom 11. Januar Wege auf dem weiträumigen Dragoner-Gelände nach den Opfern benannt werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/999043.mutige-sieben.html

Peter Nowak