Asylgesetze sollen Betroffenen gerecht werden

Offener Brief des Bündnisses gegen Dublin-Verordnung: Plädoyer für Asylverfahren in Deutschland

Flüchtlinge werden in »Erstaufnahmeländer« abgeschoben, wo sie nicht selten Obdachlosigkeit erwartet. Ein Aktionsbündnis protestierte am Donnerstag vor dem Bundesinnenministerium.

Der kurdische Oppositionelle Mehmet A. flieht über Griechenland nach Deutschland und stellt dort einen Asylantrag. Obwohl er seine politische Verfolgung bei der Anhörung belegen kann, erklären sich die deutschen Behörden für nicht zuständig. Er wird nach Griechenland zurückgebracht, wo er in letzter Minute durch das Eingreifen von Pro Asyl vor einer Abschiebung in die Türkei bewahrt wird. Wie Mehmet A. geht es vielen Asylbewerbern, nicht alle haben so viel Glück wie er. Ihre Fluchtgründe werden nicht geprüft, gegen ihren Willen werden sie in ein anderes EU-Land abgeschoben. Die rechtliche Grundlage liefern die Dublin-Verordnungen. Danach ist derjenige Mitgliedsstaat für das Asylverfahren zuständig, den der Asylsuchende bei der irregulären Einreise in die Europäische Union zuerst betreten hat.

Gegen diese Praxis laufen Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen seit langem Sturm. Jetzt soll der Widerstand gebündelt wurden. Am Donnerstag ging das »Aktionsbündnis Dublin III-Verordnung stoppen« mit einem Brief an die Öffentlichkeit, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, den Geflüchteten die Möglichkeit zu geben, ihr Asylverfahren in Deutschland durchzuführen. »Uns geht es darum, die Asylgesetzgebung an den Interessen der Geflüchteten auszurichten«, betonte Sebastian Muy gegenüber nd. Der Sozialpädagoge ist Mitarbeiter des Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrantinnen (BZZ), das im Bündnis gegen die Dublin-Verordnungen aktiv ist.

Bereits 2013 hatte ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden das »Memorandum Flüchtlingsaufnahme in der Europäischen Union: Für ein gerechtes und solidarisches System der Verantwortlichkeit« herausgegeben. Sie schlugen vor, das Kriterium der irregulären Einreise durch das Prinzip der freien Wahl des Mitgliedsstaates durch den Flüchtling zu ersetzen. Dieser Grundsatz spielt bei auch bei der aktuellen Imitative die zentrale Rolle.

Kritik übt Muy an Plänen der Bundesregierung, das Kriterium der illegalen Einreise durch eine Quotenregelung zu ersetzen. Danach sollen Kriterien definiert werden, anhand derer die Asylsuchenden auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. »Dadurch könnte zwar dem «Verursacherprinzip» endlich ein Ende gesetzt werden. An der staatlichen Fremdbestimmung über die Wahl des Asylverfahrenslandes würde sich dadurch jedoch nichts ändern.« Diese Diskussionen machen für Muy deutlich, dass auch in der Politik mittlerweile erkannt werde, dass das Dublin-System gescheitert ist. Inzwischen gibt es mehrere gültige Gerichtsurteile, die die Ausweisung von Geflüchteten in EU-Länder wie Griechenland und Italien untersagen, weil dort wesentliche Grundrechte nicht gewährleistet sind. Das Bündnis gegen Dublin III unterstützt Aktionen etwa in Osnabrück, wo es mehrmals gelungen ist, durch Blockaden Abschiebungen von Flüchtlingen zu verhindern.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/958673.asylgesetze-sollen-betroffenen-gerecht-werden.html

Peter Nowak

Terror gegen Zeitung in Deutschland?

Machtkampf um Pegida hat begonnen

Wattestäbchen sind gefährlich

Das Bundeskriminalamt hat mehr als eine Million DNA-Profile in einer Datenbank gespeichert. Die meisten dieser Daten werden nicht bei Schwerverbrechen, sondern bei Diebstahldelikten oder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gesammelt.

»Während Max Schrems mit dem Ruf ›Kämpf um deine Daten‹ Facebook und anderen Giganten zumindest Nadelstiche versetzt, sind die DNA-Datenbanken im letzten Jahrzehnt weltweit gewachsen.« Zu dem ernüchternden Fazit, dass die DNA-Sammelwut in der Debatte um Überwachung kaum eine Rolle spielt, gelangen Susanne Schultz und Uta Wagenmann vom »Gen-ethischen Netzwerk«. Vor kurzem haben sie das Buch »Identität auf Vorrat – Zur Kritik der DNA-Sammelwut« herausgegeben, das sich mit der polizeilichen DNA-Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und anderen Ländern beschäftigt.

Die Publikation macht deutlich, dass es genügend Gründe für eine größere Aufmerksamkeit gäbe. Was als »Kopfgeburt« des damaligen deutschen Innenministers Otto Schily (SPD), der sich für die Ausweitung der DNA-Analysen einsetzte, begann, hat sich zu einem internationalen Netz von Datenbanken entwickelt. Mittlerweile seien EU-weit die DNA-Profile von knapp zehn Millionen Menschen gespeichert, berichtet der Politikwissenschaftler Eric Töpfer vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Hierzulande hat das Bundeskriminalamt über eine Million DNA-Profile in einer Datenbank gespeichert. Doch eine ähnliche Bewegung, wie sie gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung entstand, ist gegen diese DNA-Datenbanken nicht in Sicht.

In den achtziger Jahren existierte noch eine gentechnikkritische Bewegung, die sich bereits über DNA-Tests Gedanken machte, bevor diese technisch ausgereift waren. Sie war vor allem in feministischen Kreisen beheimatet und bestand überwiegend aus Wissenschaftlerinnen und Medizinerinnen. Das »Gen-ethische Netzwerk« steht in dieser Tradition. Wenn man sich fragt, warum die DNA-Sammelwut mittlerweile kaum noch hinterfragt wird, muss man auf die Akzeptanz von Gentechnik zu sprechen kommen, die in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Immer häu-figer wird ihr zugetraut, dass sie gesellschaftliche Probleme lösen kann. Deshalb kann sich eine Propaganda Gehör verschaffen, die DNA-Tests als Waffe gegen Verbrechen wie Vergewaltigung und Mord anpreist. In den USA kooperiert die Firma »Gordon Thomas Honeywell Governmental Affairs« bei ihrer Lobbyarbeit für die DNA-Industrie mit Opfern von schweren Verbrechen. Zu den Sponsoren des Lobbyunternehmens gehört die Firma »Life Technologies«, die ein führender Anbieter ist. Erfolgreich kann Lobbyarbeit jedoch nur sein, wenn es in Teilen der Gesellschaft Denkmuster gibt, an die sie anknüpfen kann. Dazu zählt der Wunsch, Verhaltensweisen, die als gesellschaftlich störend empfunden werden, mit moderner Technologie zu bekämpfen oder einzuschränken. Diese Vorstellung, die der wissenschaftlichen und technischen Revolution vorausging, wurde populärer, als sich mit der Entwicklung der Gentechnologie die wissenschaftlichen Möglichkeiten boten, solche Dystopien Wirklichkeit werden zu lassen.

Wenn, wie das »Gen-ethische Netzwerk« beklagt, DNA-Analysen in der Bundesrepublik längst nicht nur bei Schwerverbrechen, sondern in hohem Maß auch bei Kleinkriminalität wie Diebstahlsdelikten angewendet werden, dürfte dieses Vorgehen bei dem Teil der Bevölkerung, der sich eine wissenschaftliche Bekämpfung gesellschaftlicher Probleme wünscht, wohl kaum auf Ablehnung stoßen. Eine kritischere Haltung zur DNA-Datensammelwut setzt eine Problematisierung solcher Vorstellungen voraus. Wenn Schultz und Wangenmann feststellen, dass die DNA von Unterprivilegierten und Angehörigen rassistisch diskriminierter Gruppen überdurchschnittlich häufig erfasst wird, korrespondiert das mit einer weitverbreiteten sozialchauvinistischen Haltung, die diese Gruppen schnell in die Nähe von Kriminalität rückt. Hier ist wahrscheinlich der Grund zu suchen, warum die DNA-Sammelwut auch bei Überwachungskritikern kaum Thema ist. Dabei resultiert daraus eine diskriminierende Strafverfolgungspraxis.

http://jungle-world.com/artikel/2015/01/51164.html

Peter Nowak

Peter Nowak

Ist Merkel mit verantwortlich für die Pegida-Bewegung?

Viel Verständnis für Pegida

Die mediale Aufmerksamkeit für die sich medienkritisch gebende Bewegung hat ihr erst einmal weiteren Zulauf gebracht

Die Organisatoren der Dresdner Pegida-Demonstrationen[1] geben sich kämpferisch. Mit 15.000 Teilnehmern auf der Dresdner Demonstration am gestrigen Montag sind sie gegenüber dem vorigen Montag noch einmal um ein Drittel gewachsen. Die Gegendemonstration[2] von zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Gruppen, aber auch von politischen Parteien ist mit knapp 6.000 Teilnehmern gegenüber der Vorwoche geschrumpft.

Die Parolen und Transparentparolen haben sich auf beiden Seiten in den letzten Wochen nicht verändert. Während die Gegendemonstrationen Flüchtlinge willkommen hießen und für ein weltoffenes Dresden eintraten, wurde auf der Pegida-Demonstration wieder vor einer vermeintlichen Überfremdung und Islamisierung gewarnt. Rufe gegen die „Lügenpresse“ waren auch wieder zu hören. Dabei hat die mediale Aufmerksamkeit, die Pegida in den letzten Tagen bekommen hat, der Bewegung doch erst einmal weiter Zulauf gebracht.

Schande oder Spiegelbild Deutschlands?

Dabei stimmt es keineswegs, dass ein Großteil der Medien die Demonstranten ablehnt. Vielmehr wurde von Bild bis FAZ zunächst einmal betont, dass man die Demonstranten ernst nehmen müsse und nicht vorschnell in die rechte Ecke stellen dürfe.

Solche Töne kamen auch von den Politikern. So griff[3] CSU-Generalsekretär Scheuer den sozialdemokratischen Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Maas, scharf an, weil er Pegida als „Schande für Deutschland“ bezeichnet hat. Das ist tatsächlich eine kritikwürdige Formulierung, weil hier ein anständiges Deutschland imaginiert wird. Dabei gehören die Pegida-Demonstrationen zu Deutschland und bringen nur auf die Straße, was seit Jahren in rechtspopulistischen Internetforen zu lesen ist. Insoweit ist Pegida ein Spiegelbild Deutschlands und wer sich im Kampf dagegen als besserer Patriot ausgibt, hat schon verloren.

Wie Pegida den innenpolitischen Diskurs nach rechts verschiebt, zeigte sich am Montag in der Sendung des Deutschlandfunks Kontrovers. Schon die Fragestellung „Wie viel Islam verträgt Deutschland?“[4] ist so formuliert, dass sich die Demonstranten bestätigt fühlen können. Sie hätte ja genauso gut: „Wie viel Pegida verträgt Deutschland?“ oder kontrovers „Wie viel Pegida und Islam verträgt Deutschland?“ lauten können.

Das große Verständnis für das Anliegen der sich als besorgt gerierenden Bürger schlug sich bei der Auswahl der Studiogäste nieder. Alexander Gauland von der AfD übte sich in kritischer Solidarität mit Pegida, kündigte an, dass er in Dresden mit Parteifreunden einen Kennenlernbesuch absolvieren werde. Mit Norbert Geis war ein konservativer Christsozialer als weiterer Studiogast aus München zugeschaltet, der natürlich ebenfalls für die Sorgen und Nöte der Pegida-Demonstranten viel Verständnis hatte, sich aber von deren rechten Rand distanzierte.

Mit Antje Hermenau war eine Grüne ebenfalls im Studio vertreten. Bis auf einige ungeschickte Angriffe gegen die AfD, der sie vorwarf, die Krawallmacher der Pegida gewinnen zu wollen, was natürlich Gauland gut parieren konnte, weil er natürlich die Mehrheit der Pegidateilnehmer erreichen will, blieb auch Hermenau schwach. Eine wirkliche fundamentale Kritik an der Pegida-Demonstration fand bei ihr nicht statt. So fehlte bei der Sendung eine wirkliche Gegenposition zur Pegida-Position, ein Flüchtling oder ein Mitglied einer zivilgesellschaftlichen Organisation wäre wohl zu kontrovers gewesen.

Viel Verständnis für Pegida – wenig Empathie mit Opfern des Rassismus

So wurde auch kein einziges Mal erwähnt, dass in Dresden, der Heimat der Pegida-Bewegung, von Opfern des Islamismus nichts bekannt ist. Dafür wurde in Dresden Marwa al Schirbini[5] von dem Mann im Gerichtssaal erstochen, den sie angeklagt hatte, weil er sie wegen ihres Kopftuches als rassistisch beschimpfte (Der Hass auf Muslims hat sich in Deutschland wie eine Epidemie breitgemacht[6]). Ein Gedenkzeichen für die Getötete war schon nach kurzer Zeit von Unbekannten zerstört[7] worden.

Der Antrag, eine Straße nach der Ermordeten zu benennen führte zu einem peinlichen Gezerre[8]. Würde man bei einer Pegida-Demonstration eine Umfrage zu dieser Frage machen, dürfte die Ablehnung einer solchen Forderung groß sein.

Die Frage, ob die Demonstrationen auch zu einem politischen Klima führen, in dem einige sich berufen fühlen, Flüchtlingsheime wie im Nürnberger Land (Ermutigen die Pegida-Aufmärsche auch militante Rechte?[9]) oder Zelte eines Flüchtlingscamps wie in Hannover[10] anzuzünden, wurde während der Sendung nicht gestellt. Damit war sie auch ein Spiegelbild der aktuellen Diskurse in den Medien und Politik (Kollateralschaden in der Gesellschaft[11]).

Mögen einige Organisatoren auch kritisiert werden, so wird doch viel über die Sorgen der an den Demonstrationen teilnehmenden Bürger geredet. Die Frage, ob es dabei nicht oft einfach Rassismus ist, wird kaum gestellt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass von den Opfern rassistischer Gewalt in Deutschland auch keine Rede ist. Nur wenige[12] fragen sich, wie die Angehörigen von Marwa al Schirbini, wenn sie noch in Dresden wohnen, diese Demonstrationen empfinden und warum drei Jahre nach Selbstaufdeckung des NSU der Eindruck erweck wird, als hätte eine islamistische Zelle über ein Jahrzehnt deutsche Patrioten ermordet.

Mit dieser Diskursverschiebung hat Pegida tatsächlich einen großen Erfolg erzielt und deutlich gemacht, dass sie eben auch ein Spiegelbild Deutschlands ist. Es denken viel mehr Menschen auch in den etablierten Parteien ähnlich, deshalb haben sie so viel Empathie mit den besorgten Bürgern. Sie befürchten nur, dass die sich von Rechten instrumentalisieren lassen, nicht dass sie mehrheitlich selber rechts sind.

Dabei spielen die Rechten nur die Rolle, als Lautsprecher, Organisatoren und Verstärker dieses rechten Bürgerwillens aufzutreten. Besonders deutlich wird das in NRW, wo es am vergangenen Montag auch eine Bogida-Demonstration gab, eine Pegida-Ausgabe für Bonn. Dort standen ca. 300 Teilnehmern mehr als 1.000 Gegendemonstranten gegenüber, die dafür sorgten[13], dass es bei einer Kundgebung blieb und der angekündigte Spaziergang nicht stattfinden konnte.

Angemeldet wurde die Bogida-Demonstration von der langjährig in rechten Kreisen aktiven Journalistin Melanie Dittmer[14], die mittlerweile bei der rechtspopulistischen Pro Deutschland-Bewegung, die auch für die Demo in Bonn warb[15] aktiv ist. Da könnte es bald zu innerrechten Reibereien kommen.

Schon wird von echten und unechten Pegida-Aktivitäten sowie von Trittbrettfahrern[16] gesprochen. Mit dem allgemein formulierten Pegida-Positionspapier[17] soll wohl ein Minimalkonsens erzielt und innerrechter Zwist minimiert werden. Viele der Forderungen sind so auslegbar, dass sie eben im gesamten Spektrum rechts von der Union akzeptiert und unterschiedlich interpretiert werden können.

Montagsdemos von Rechts

Die Situation von Pegida erinnert an den Spätsommer 2004, als es ebenfalls von Ostdeutschland ausgehend in vielen Städten Montagsdemonstrationen gegen die Einführung von Hartz IV gab. Sie entwickelten in den ersten Wochen eine große Dynamik. Bald gab es in Westdeutschland Versuche, ebenfalls solche Demonstrationen zu initiieren, die aber nie an die Teilnehmerzahl im Osten herankamen. Die Organisatoren in Westdeutschland kamen allerdings aus dem gewerkschaftlichen und linksreformerischen Spektrum. Die Versuche von rechten Gruppen, die Anti-Hartz-Proteste in nationalistische Bahnen zu lenken, scheiterten damals.

Es ist wahrscheinlich, dass wie alle spontanen Bewegungen auch die Pegida-Demonstrationen an Dynamik verlieren werden. Bei den Montagsdemonstrationen gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Marzahn war die Teilnehmerzahl gestern gegenüber den vorigen Wochen wesentlich geringer[18]. Das dürfte auch in Dresden passieren. Doch die gesellschaftliche Stimmung, die Pegida und ähnliche Demonstrationen hervorgebracht haben, ist damit nicht verschwunden. Parteien wie die AfD und andere Gruppierungen wollen sich hier schon mal ihre Wähler sichern.

Anhang

Links

[1]

http://pegida.de

[2]

http://www.dresden-nazifrei.com/

[3]

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-12/pegida-csu-kritik-heiko-maas

[4]

http://www.deutschlandfunk.de/pegida-wieviel-islam-vertraegt-deutschland.1784.de.html?dram:article_id=306030

[5]

http://de-de.facebook.com/LAKAntifaAntira/posts/377942252307655

[6]

http://www.heise.de/tp/artikel/31/31419/

[7]

https://de-de.facebook.com/LAKAntifaAntira/posts/377942252307655

[8]

http://www.dnn-online.de/dresden/web/regional/politik/detail/-/specific/Eklat-im-Stadtrat-um-Strassenumbenennung-im-Gedenken-an-Marwa-El-Sherbini-544584681

[9]

http://www.heise.de/tp/news/Ermutigen-die-Pegida-Aufmaersche-auch-militante-Rechte-2489217.html

[10]

http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2014/12/12/brand-im-fluechtlingscamp-in-hannover_17995

[11]

http://www.heise.de/tp/artikel/30/30722/

[12]

http://www.dresden-nazifrei.com/index.php/home/58-news/aktuelle-nachrichten/666-zur-frage-des-dialogs-mit-pegida

[13]

http://www1.wdr.de/themen/politik/pegida-bonn100.html

[14]

http://nrwrex.wordpress.com/2014/12/11/lesetipp-melanie-dittmer-eine-extrem-rechte-aktivistin-unter-der-lupe/

[15]

http://pro-nrw.net/pro/auf-nach-bonn/

[16]

http://pegida.de/category/nrw/

[17]

http://pegida.de/2014/12/positionspapier-der-pegida/

[18]

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/proteste-fuer-und-gegen-fluechtlingsunterkunft-in-berlin-1500-menschen-blockieren-demo-in-marzahn,10809148,29341814.html

http://www.heise.de/tp/artikel/43/43647/1.html

Peter Nowak

Viktor Agartz

Kalenderblatt

Nach seinem Tod war er recht bald vergessen. Erst in den letzten Jahren setzten sich gewerkschaftliche Initiativen für seine Rehabilitierung ein. Von einer Rückkehr des Viktor Agartz, wie der Titel einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung lautete, kann allerdings nicht geredet werden. Am 9. Dezember jährte sich zum 50. Mal sein Todestag.

Der 1887 in Remscheid geborene marxistische Nationalökonom war während der NS-Zeit in die innere Immigration abgetaucht; er arbeitete als Wirtschaftsprüfer bei der Rheinisch Westfälischen Treuhand AG. Seine große Stunde schlug 1945. Er wurde SPD-Mitglied und im Mai 1946 Generalsekretär des Wirtschaftsrates der britischen Zone. Bereits im Frühjahr 1947 gab er das Amt aus angeblich gesundheitlichen Gründen wieder ab. Sein Nachfolger Ludwig Erhardt nutzte den Posten für seinen Einstieg in die Politik. Die beiden Männer wurden auf wirtschafts- und gesellschaftspolitischem Gebiet erbitterte Kontrahenten. Während Erhardt den Kapitalismus unter dem Label soziale Marktwirtschaft restaurieren wollte, wurde Agartz zu einem wichtigen Theoretiker des linken Gewerkschaftsflügels. Als Leiter des vom DGB gegründeten Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts (WWI) avancierte er zum Exponenten einer sozialistischen Wirtschaftsdemokratie. Mitbestimmungskonzepte wie sie der rechte Flügel von DGB und SPD favorisierte, lehnte Agartz als Mitverwaltung des Kapitalismus ab.

Auf dem DGB-Kongress im Oktober 1954 wurde sein Grundsatzreferat, in dem er sich scharf gegen restaurative Tendenzen in der Bundesrepublik wandte, mit stürmischem Applaus bedacht. Seine klare linke Position war jedoch bei der SPD-Führung, die sich bereits auf den Weg nach Godesberg machte, nicht mehr gefragt, ebenso wenig beim DGB-Vorstand. Agartz verlor sein Amt, auch weil er im tiefsten Kalten Krieg nicht bereit war, die Kontakte zum ostdeutschen FDGB abzubrechen. Trotz starker Kritik an der autoritären DDR sah er FDGB und SED als Teil der deutschen Arbeiterbewegung an, mit der eine Kooperation möglich und notwendig sei. Im März 1957 wurde er wegen landesverräterischer Kontakte zur DDR angeklagt. Obwohl aus Mangel an Beweisen freigesprochen, blieb er für die bundesdeutsche Öffentlichkeit stigmatisiert. Agartz engagierte sich hernach in der kleinen linkssozialistischen Opposition der Bundesrepublik, zog sich aber dann, als jegliche Erfolge ausblieben, enttäuscht aus der Politik zurück.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/955345.viktor-agartz.html

Peter Nowak

Ermutigen die Pegida-Aufmärsche auch militante Rechte?

Nach den Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Nürnberger Land verschärft sich die Debatte

Seit Wochen warnen zivilgesellschaftliche Gruppen, dass die in der Bevölkerung durch Pegida und andere Aufmärsche artikulierte Ablehnung von Flüchtlingen auch militante Neonazis ermutigen könnte, zur Tat zu schreiten. Das wurde oft als Panikmache abqualifiziert. Nun wurden in dem kleinen Ort Vorra im Landkreis Nürnberger Land mehrere Unterkünfte für Geflüchtete, die im kommenden Februar bezogen werden sollten, in Brand gesetzt [1].

An den Mauern hatten die unbekannten Täter Hakenkreuze hinterlassen. Zum Tatgeschehen gibt es im Presseportal [2] der Polizei von Mittelfranken folgende Informationen:

Am 11. Dezember 2014 gegen 22:45 Uhr wurde der Einsatzzentrale des Polizeipräsidiums Mittelfranken durch einen Anwohner ein Feuer im Dachbereich des Anwesens 91247 Vorra, Hirschbacher Straße 1 mitgeteilt. Bei dem Anwesen handelt es sich um ein ehemaliges Gasthaus, das zukünftig als Asylbewerberunterkunft genutzt werden sollte. Das Feuer wurde nach ersten Erkenntnissen mittels Brandbeschleuniger in einem Zimmer im 1. Obergeschoß gelegt. Dieses brannte völlig aus. Personen kamen nicht zu Schaden. Kurz danach wurde ein zweiter Brand in der Hauptstraße 40 gemeldet. Das zweite Anwesen befindet sich ca. einhundert Meter vom ersten Anwesen entfernt. Hierbei handelt es sich um ein ehemaliges Wohnhaus, das ebenfalls als Asylbewerberunterkunft dienen sollte. Das Feuer brach im Treppenhaus aus und konnte schnell gelöscht werden. Es entstand Sachschaden. Während der Löscharbeiten stellten Feuerwehrleute noch einen Schwelbrand im Nebengebäude der Hirschbacher Straße 1 fest, der ebenfalls rasch gelöscht wurde. Der Gesamtschaden an den Gebäuden wird auf ca. 700.000 € geschätzt.“

Kein Boden für die extreme Rechte in Bayern?

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann geht [3] daher auch von einem Anschlag der extremen Rechten aus. Auf dem CSU-Parteitag, der gestern in Nürnberg begann, betonte [4] der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer, dass es in Bayern „für Rechtsradikalismus keinen Boden“ gebe. Die Aussage ist schon verwunderlich. Denn es gibt ja offensichtlich extreme Rechte in Bayern.

Zudem gilt in der CSU seit den Zeiten von F.J. Strauß die Devise, dass die CSU so weit nach rechts ausgreifen muss, dass daneben kein Platz mehr ist. Dass heißt, die Partei soll die Fragen aufgreifen, die angeblich besorgte Bürger in die Arme der extremen Rechten treibt. Genau diese Argumentationsmuster kommen bereits seit Tagen aus den Reihen der Union, wenn es um die Pegida-Demonstrationen geht, mit denen selbsternannte Patrioten gegen angebliche Islamisierung und Überfremdung auf die Straße gehen.

Selbst der Bundesinnenminister äußert [5] trotz aller von ihm erkannten problematischen Entwicklungen Verständnis für die Demonstranten.

„Unter denjenigen, die da teilnehmen, gibt es doch ganz schön viele, die bringen ihre Sorgen zum Ausdruck vor den Herausforderungen unserer Zeit“, zeigte Thomas de Maiziere Verständnis für die besorgten Bürger. Man müsse es ernst nehmen, wenn sich Bürger „fremd im eigenen Land“ fühlen. Damit benutzte de Maiziere gar einen Duktus, der schon länger verstärkt von Rechtspopulisten verwendet wird.

Angesichts solch verständnisvoller Töne für die rechte Bürgerbewegung sieht die Taz [6] CDU und AfD im Wettstreit um die Pegida-Anhänger. Der AfD-Vorsitzende Lucke weist bereits länger darauf hin, dass die Forderungen seiner Partei mit den Zielen von Pegida in vielen Punkten übereinstimmen. Damit vollzieht auch Lucke, der als Exponent des neoliberalen Flügels der AfD gilt, einen Rechtsruck mit. Noch vor und kurz nach den Bundestagswahlen wollte er gegen heftige Kritik des erstarkenden rechten Flügels die AfD nicht in erster Linie mit dem Widerstand gegen Islamisierung und Einwanderung verbunden wissen.

Welche Konsequenzen hat der Anschlag für die Pegida-Bewegung?

Nun wäre es sicher falsch, allen Pegida-Demonstranten zu unterstellen, sie würden Flüchtlingsunterkünfte in Brand setzen wollen. Es wird aber ein politisches Klima geschaffen, in dem sich auch die extreme Rechte als Vollstrecker eines „Volkswillens“ gerieren kann und zur Tat schreitet.

So war es bereits 1980, als zwei vietnamesische Arbeiter in Hamburg von einer Neonazigruppe ermordet [7] wurden. Die ersten offiziell anerkannten rechtsradikalen Morde seit 1945 [8] geschahen zu einer Zeit, als eine massive Kampagne gegen die Zuwanderung von Migranten in der BRD begann. Rechte Professoren unterzeichneten 1981 ein Heidelberger Manifest [9] zur Ausländerbegrenzung. In den frühen 1990er Jahren brannten Flüchtlingsheime, als eine massive öffentliche Kampagne zur Unterminierung des Asylrechts angestoßen wurde, die bis weit in die bürgerliche Mitte hinein reichte.

Auch damals bekamen besorgte Bürger, die applaudierten, als die Fenster von Flüchtlingsunterkünften eingeschlagen wurden, viel Verständnis von Politikern der Union. Auch damals war viel von den Sorgen der Bürger die Rede, die man Ernst nehmen müsse. Und 2014?

Als hätte es diese jahrzehntelange Kampagne nicht gegeben, fabuliert [10] Bild, es fehle eine „konkrete Einwanderungs- und Integrationspolitik“. Da steht zu erwarten, dass bald neue Vorschläge für die Einschränkung von Zuwanderung auftauchen werden, die sich auf die besorgten Bürger beruft. Selbst die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte wurden Anfang der 90er Jahre als Argument für eine schnelle Verschärfung des Asylrechts benutzt.

Dass die rechten Stichwortgeber von Pegida durch die Anschläge in Nürnberg nachdenklich werden, ist nicht zu erwarten. Auf PI-News werden bereits Verschwörungstheorien verbreitet. Danach dient der Anschlag in Nürnberg ebenso der „Manipulierung der Massen“ wie die NSU.

http://www.heise.de/tp/news/Ermutigen-die-Pegida-Aufmaersche-auch-militante-Rechte-2489217.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.br.de/nachrichten/mittelfranken/inhalt/vorra-brand-fluechtlingsunterkunft-100.html

[2]

http://www.polizei.bayern.de/mittelfranken/news/presse/aktuell/index.html/212405

[3]

http://www.joachimherrmann.de/index.php?ka=1&ska=1&idn=2266

[4]

http://www.br.de/nachrichten/csu-parteitag-nuernberg-106.html

[5]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/pegida-proteste-thomas-de-maiziere-zeigt-verstaendnis-a-1008028.html

[6]

https://www.taz.de/CDU-und-AfD/!151182/

[7]

http://www.korientation.de/2014/08/25/die-ersten-offiziell-anerkannten-rassistischen-morde-seit-1945-gedenken-an-ngoc-chau-nguyen-und-anh-lan-do

[8]

http://www.zeit.de/2012/09/Anschlag-1980/komplettansicht

[9]

http://www.apabiz.de/archiv/material/Profile/Heidelberger%20Kreis.htm

[10] http://www.bild.de/regional/dresden/migrationspolitik/dresden-und-die-

Holt sie rein

Linke Gewerkschafter wollen erreichen, dass sich der DGB stärker für Flüchtlinge einsetzt

In Berlin ließ der DGB Flüchtlinge von der Polizei räumen, in Hamburg bot ver.di Flüchtlingen die Mitgliedschaft an. Eine Initiative setzt sich dafür ein, dass das Beispiel Hamburg Schule macht.

»Wir kämpfen um unsere Würde. Unterstützen Sie uns dabei«, mahnt Bogan Droma eindringlich. Der Mann aus Rumänien arbeitete mit zehn Kollegen auf der Baustelle des jüngst eröffneten Nobel-Einkaufszentrums Mall of Berlin und wurde um den Lohn geprellt. Jeden Tag stehen sie vor der Mall und fordern ihr Geld ein. Dromas Rede bildete den Auftakt einer Veranstaltung im Berliner IG-Metall-Haus am Mittwochabend unter dem Motto: »Auch Geflüchtete sind Kolleginnen und Kollegen: Holt sie in die Gewerkschaft rein«. Bogdan Droma unterstützt diese Forderung. »Viele Menschen aus Rumänien und anderen Ländern werden um ihre Löhne betrogen und brauchen Solidarität.«

Bereits Mitglied in einer deutschen Gewerkschaft ist Asuquo Udo. In Nigeria geboren verdiente er jahrelang in Libyen den Lebensunterhalt für seine Familie. »Der NATO-Krieg hat mich zur Flucht gezwungen«, erklärt Udo bei der Veranstaltung. Über Italien kam er nach Hamburg, wo er in der Flüchtlingsorganisation »Lampedusa Hamburg« aktiv war. »Wir haben deutlich gemacht, dass wir Teil der Gesellschaft sind.« Daher waren er und seine Mitstreiter erfreut, dass der ver.di-Gewerkschaftssekretär Peter Bremme den Lampedusa-Flüchtlingen eine Mitgliedschaft anbot. Auf einer Webseite ist neben einem Foto ihr früherer Beruf vermerkt. Handwerker, Arbeiter und Intellektuelle sind darunter. Für Udo war dieses Bild sehr wichtig. »Es zeigte uns nicht als hilfsbedürftige Flüchtlinge, sondern als Kollegen«, sagt er. Er verschweigt aber auch nicht, dass es in der ver.di-Zentrale Widerstand gegen die Aufnahme der 300 Flüchtlinge gab. Sie verstoße gegen die Satzung, hieß die Begründung.

Für Anna Basten ist diese Erklärung unverständlich. Sie arbeitet ehrenamtlich beim Arbeitskreis »Undokumentiertes Arbeiten«, der beim DGB angedockt ist. Dieser unterstützt Menschen ohne Papiere beim Kampf um ihre Arbeitsrechte. »Der ver.di-Vorsitzende Bsirske hat uns dazu ermutigt, den Menschen, die wir beraten, auch die Gewerkschaftsmitgliedschaft anzubieten«, berichtet Basten in Berlin. Mehr als 50 Neumitglieder hätten sie dadurch gewonnen. Wenn sich Teile der Gewerkschaft gegen die Aufnahme der Geflüchteten aussprechen, sei das ein Rückschritt.

Auch der Sprecher des Landesmigrationsausschusses von ver.di Berlin, Erdogan Kaya, beklagt, dass sich die Gewerkschaften vor einigen Jahrzehnten noch vernehmlicher für die Rechte von Migranten eingesetzt haben. »Als die Geflüchteten in Berlin und anderen Städten in den letzten Monaten für ihre Rechte eintraten, gab es im DGB ein großes Schweigen«, beklagt Kaya.

Um diesen Zustand zu ändern, hat sich ein neues Bündnis »Gewerkschaftsrechte auch für Flüchtlinge« in Berlin gegründet. Die Initiative ging von der Basisgruppe »ver.di aktiv« aus. »Anfangs war unser Kreis überschaubar«, sagt Gewerkschafter Rolf Linder gegenüber »nd«. Doch am 2. Oktober ließ der Berliner DGB-Vorstand ihre von Flüchtlingen besetzte Zentrale durch die Polizei räumen. »Statt solidarischer Unterstützung gab es Anzeigen und Ausgrenzung. Das hat viele Gewerkschaftsmitglieder empört«, berichtet Linder. Kurz nach der Räumung habe sich die Zahl der Teilnehmer bei dem Treffen des gewerkschaftlichen Bündnisses erhöht. Schnell sei man sich darüber einig gewesen, dass es nicht reicht, die Räumung durch den DGB-Vorstand zu verurteilen. »Wir wollten zeigen, wie es auch anders geht«, so Linder. Die Veranstaltung im IG-Metall-Haus mit rund 80 Teilnehmern sieht er als Auftakt für eine innergewerkschaftliche Diskussion über Gewerkschaftsrechte für Geflüchtete. Enttäuscht hat ihn jedoch, dass kein einziger Vorstandsvertreter einer Gewerkschaft vorbeigeschaut hat.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/954609.holt-sie-rein.html

Peter Nowak

Ist ein „antirassistischer Adventsbesuch“ Terror?

Dein Streik, mein Streik

Weihnachtszeit, Streikzeit. Doch für einen erfolgreichen Arbeitskampf bedürfen die Beschäftigten der Unterstützung. Wie diese aussehen könnte, wird in der Linken diskutiert.

Der Textildiscounter Kik wird seit Jahren kritisiert, weil er seine Kleidung unter verheerenden Arbeitsbedingungen in Ländern wie Bangladesh und Indien produzieren lässt. Mitte November wurde bekannt, dass es auch mit den Arbeitsbedingungen in den hiesigen Filialen des Unternehmens keineswegs zum Besten steht. Das derzeitige Geschäftsmodell von Kik basiere auf »Lohndumping und niedrigen Sozialstandards«, kritisierte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie hatte Mitte November zum ersten Streik vor einer Niederlassung des Textildiscounters in Deutschland aufgerufen. Etwa 500 Beschäftigte des Zentrallagers im nordrhein-westfälischen Bönen legten am 17. November von vier bis 24 Uhr die Arbeit nieder. Da von dem Lager alle Kik-Filialen in Deutschland beliefert werden, waren die Folgen schnell spürbar.

Die Gewerkschaft will mit dem Streik die Anerkennung aller Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen für die Beschäftigten in der Logistik von Kik durchsetzen. Nach Angaben von Verdi bekommt ein Lagerarbeiter nach dem nordrhein-westfälischen Einzelhandelstarifvertrag 2 106 Euro brutto Monatslohn. Bei Kik erhält er jedoch nur 1 650 Euro brutto. Sollte die Geschäftsführung weiterhin nicht nachgeben, könnten die Beschäftigten in den nächsten Wochen erneut in den Streik treten. Schließlich ist die Vorweihnachtszeit, in der mehr gekauft wird, besonders gut dafür geeignet, einen Arbeitskampf zu führen, der der anderen Seite wirklich wehtut.

Auch die Beschäftigten einiger Standorte des Versandhandels Amazon könnten bald wieder ihre Streikwesten anziehen. Der Konzern bereite sich schon auf neue Arbeitskämpfe vor, berichteten Beschäftigte in den vergangenen Wochen. Auch in diesen Auseinandersetzungen geht es um die Frage, ob die Beschäftigten nach dem Tarifvertrag des Versand- oder des Einzelhandels bezahlt werden. Letzteres fordern Verdi und viele Beschäftigte. Der Vorstand von Amazon will es hingegen bei der bisherigen Regelung belassen, nach der die Beschäftigten nach dem Tarifvertrag der Logistikbranche bezahlt werden – und dadurch einen niedrigeren Lohn erhalten.

Sollten sich die Beschäftigten in der Vorweihnachtszeit für den Arbeitskampf entscheiden, können sie an mehreren Standorten mit der Unterstützung linker Gruppen rechnen. Bereits im vergangenen Jahr hat sich in Leipzig das Bündnis »Streiksoli« gegründet, das vor allem von Studierenden getragen wird. »Wir sind alle Amazon« lautete das Motto des Bündnisses, das ein Vorbild auch für andere Städte war. Nach einem ersten bundesweiten Treffen im Frühsommer in Leipzig erörterten Mitte November in Frankfurt am Main etwa 30 Personen, wie eine bestmögliche Unterstützung von Arbeitskämpfen aussehen könnte. Es nahmen auch Beschäftigte von Amazon aus der Filiale im osthessischen Bad Hersfeld teil, die in der jüngsten Zeit zu einem Zentrum des Arbeitskampfs geworden ist. Über die Bedeutung der Streiksolidarität für eine weitere Zusammenarbeit von Studierenden und Beschäftigten schrieben Jana Werner und John Lütten in einem in der Reihe »Standpunkte« der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebenen Text: »Die Perspektive eines gemeinsamen Kampfes gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen bleibt unvermindert relevant.«

Darin waren sich alle Teilnehmer des Treffens in Frankfurt am Main einig. Im Detail gab es aber durchaus Differenzen. Soll lediglich ein bundesweites Netzwerk der Streiksolidarität aufgebaut werden, wie es vor allem das Bündnis »Streiksoli« favorisiert? Oder soll sich das Bündnis auch ein kurzes Selbstverständnis geben? Hinter den Kontroversen in organisatorischen Fragen stehen auch politische Differenzen. Wie eng sollen Gruppen in der Streiksolidarität mit den DGB-Gewerkschaften kooperieren? Wie sollen sie reagieren, wenn die Gewerkschaftsvorstände, wie so oft in der Vergangenheit, einen Arbeitskampf gegen den Willen einer Mehrheit der Beschäftigten zu beenden versuchen und dabei Zugeständnisse an die Arbeitgeber machen, die von vielen Beschäftigten abgelehnt werden? Solche Konflikte zwischen einer durch den Arbeitskampf politisierten Belegschaft und den Verhandlungsführern der Gewerkschaft sind vor allem nach längeren Arbeitskämpfen häufig zu verzeichnen. Der Frage des Umgangs damit zieht sich durch die Geschichte der jüngeren außerbetrieblichen Streiksolidarität, die sich kaum auf Vorbilder in der Vergangenheit beziehen kann. An die wenigen erinnerte Jan Ole Arps in seinem 2011 im Verlag Assoziation A erschienenen Buch »Frühschicht«.

In den siebziger Jahren waren vor allem die verschiedenen kommunistischen Parteien und linke operaistische Gruppen für die Streiksolidarität verantwortlich. Sie waren allerdings in der Regel darum bemüht, eigene Betriebszellen zu gründen. Das Verhältnis zu den verschiedenen DGB-Führungen war überwiegend sehr angespannt. Gewerkschaftsvorstände verabschiedeten Unvereinbarkeitsbeschlüsse, kämpferische Kollegen waren schnell mit Gewerkschaftsausschlüssen konfrontiert. Vor einigen Wochen dokumentierte der Verlag »Die Buchmacherei« unter dem Titel »Macht und Recht im Betrieb« die exemplarische Auseinandersetzung bei BMW in Berlin zwischen 1984 und 1987. Auch damals fürchteten die Gewerkschaftsvorstände, dass politische Gruppen in den Streik eingreifen und die betrieblichen Auseinandersetzungen politisieren könnten.

Mit dem Niedergang der kommunistischen Parteien und der operaistischen Streiksolidarität schien zeitweilig auch die Politisierung von Streiks der Vergangenheit anzugehören. Doch auch die Gewerkschaften selbst gerieten in den vergangenen Jahrzehnten in die Krise. In vielen Branchen gelang es ihnen kaum noch, Tarifverträge durchzusetzen, weil der Organisationsgrad der Belegschaften zu gering war. Gewerkschaftstheoretiker erkannten, dass ohne gesellschaftliche Unterstützung in vielen Branchen Arbeitskämpfe kaum noch zu gewinnen waren, und suchten nach Bündnispartnern. Dabei trafen sie nicht auf kommunistische Kader, sondern auf außerparlamentarische Linke, die sich wieder verstärkt mit Kämpfen in der Arbeitswelt beschäftigten.

Bereits 2008 wurde der damalige Einzelhandelsstreik in Berlin von eigenständigen Solidaritätsbekundungen linker Gruppen begleitet. Die Initiative ging vom Bündnis »Euro-Mayday« aus, das mehrere Jahre lang am 1. Mai Demonstrationen von Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen veranstaltete. Höhepunkt der damaligen Solidaritätsarbeit war die Aktion »Dichtmachen«, bei der im Juni 2008 eine Berliner Supermarktfiliale für mehrere Stunden blockiert wurde. Im Film »Ende der Vertretung« wurde die durchaus nicht konfliktfreie Kooperation der außerparlamentarischen Unterstützer mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi thematisiert. In Nordrhein-Westfalen unterstützten linke Gruppen bereits 2007 monatelang den Streik von Beschäftigten der Catering-Firma Gate Gourmet, der von der DGB-Gewerkschaft NGG und auch Basisgewerkschaften wie den Wobblies geführt wurde. Vielleicht ergibt sich in der Vorweihnachtszeit Gelegenheit zu ähnlichen Solidaritätsbekundungen.

http://jungle-world.com/artikel/2014/48/51003.html

Peter Nowak

Straffreiheit für V-Leute

Rechtsruck in der deutschen Friedensbewegung?

»Erschreckende Parallelen«

In Halle, Stadtteil Silberhöhe, wurde kürzlich ein kleines Mädchen auf einem Spielplatz rassistisch beleidigt und attackiert. Die Jungle World hat mit Marie Müller gesprochen, die Mitglied der antirassistischen Gruppe »No Lager Halle« ist.

Sie haben in einer Pressemeldung einen rassistischen Angriff auf einem Spielplatz öffentlich gemacht. Was war geschehen?

Am Mittwoch, dem 29. Oktober, wurde ein zehnjähriges Mädchen auf einem Spielplatz in Halle-Silberhöhe von sieben bis acht Kindern rassistisch beleidigt, geschlagen und getreten. Es musste anschließend im Krankenhaus behandelt werden. Wir fragen uns, was Kinder dazu bringt, anderen Kindern rassistische Gewalt anzutun.

Haben Sie darauf eine Antwort?

Der Angriff der Kinder weist erschreckende Parallelen zu den rassistischen Feindseligkeiten der Erwachsenen auf.

Wie ging die Regionalpresse mit dem rassistischen Angriff auf dem Spielplatz um?

Die meisten regionalen Medien schrieben von einem »Streit«, der eskaliert sei, von einer »Rangelei«. Der von den Kindern ausgeübte rassistische Angriff wird dadurch bagatellisiert. Er erscheint als ein unter Kindern eben vorkommender Streit. Es wird zudem suggeriert, dass beide Seiten in den Streit verwickelt gewesen seien. In mehreren Medien wurden der »Migrationshintergrund« und das »ausländische Aussehen« des angegriffenen Mädchens erwähnt. Im Mitteldeutschen Rundfunk hieß es, das angegriffene Kind sei »dunkelhäutig« und habe »afrikanische Wurzeln«. So findet zwar eine sprachliche Markierung des »Fremden« statt, aber dass es sich um eine rassistische Tat handelte, wird nicht klar benannt.

Der Stadtteil Silberhöhe in Halle scheint sich zu einem rassistischen Brennpunkt zu entwickeln. Gibt es antifaschistische Gegenstrategien?

Die Diskussion über antifaschistische und antirassistische Gegenstrategien steht eher noch am Anfang. Es gab bisher neben einer Kundgebung des Bündnisses gegen Rechts eine antifaschistische Demonstration dort, die aber für manche zu provokativ gewesen ist.

Welche Rolle spielen organisierte Nazis in dem Stadtteil?

Die mischen dort mit. Die Nazi-Homepage »hallemax.de« versucht, die Leute angesichts der Situation zu polarisieren und aufzuwiegeln. Sollte es rechte Aufmärsche geben, ist aber auch ein breiterer Widerstand dagegen zu erwarten. Gegen Naziaufmärsche ist die Mobilisierung einfach. Gegen den Alltagsrassismus vorzugehen, ist da schon schwerer.

http://jungle-world.com/artikel/2014/48/50987.html

Peter Nowak

»Von den Sozialbehörden zu den Ausländerbehörden«

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Deutschland arbeitslosen Zuwanderern aus anderen EU-Ländern Hartz IV verweigern darf. Die Jungle World hat mit Lutz Achenbach gesprochen. Er ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Sozialrecht in Berlin und vertritt EU-Bürger, denen Hartz-IV-Leistungen verweigert werden.

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Deutschland einer Rumänin Hartz-IV-Leistungen verweigern kann. Sind Sie enttäuscht?

Es hätte natürlich auch gute Argumente dafür gegeben, der Frau aus Rumänien Leistungen nach Hartz IV zuzusprechen, beispielsweise das Diskriminierungsverbot innerhalb der EU. Viele hätten sich auch gewünscht, dass das Gericht grundsätzlicher über die Frage entscheidet, welche Verbindung ein EU-Bürger zum deutschen Arbeitsmarkt in Deutschland haben muss, wenn er Leistungen nach Hartz IV bekommt. Das hat der EuGH nicht gemacht.

Wird durch das Urteil die Situation für EU-Bürger erschwert, Leistungen nach Hartz IV zu beantragen?

Zunächst einmal wurde ein Einzelfall entschieden, der mit der Frage, mit der wir uns seit langem befassen, nicht direkt etwas zu tun hat.

Warum?

In dem konkreten Fall, über den der EuGH am Dienstag entschieden hat, ging es um eine Rumänin, die mit ihren Kind bei ihrer Schwester in Leipzig lebt und dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht. Hier hat das Gericht entschieden, dass keine Hartz-Leistungen gezahlt werden müssen. Wir kennen aber viele Fälle von EU-Bürgern, die dem Arbeitsmarkt in Deutschland zur Verfügung stehen und teilweise auch schon hier gearbeitet haben, denen Hartz-IV-Leistungen verweigert werden. Darüber hat das Gericht nicht entschieden und das Urteil ist damit nicht unmittelbar auf sie anwendbar.

Welche Verschärfungen plant die Politik, um EU-Bürger von den Leistungen auszuschließen?

Gerade wurde eine Änderung des Freizügigkeitsgesetzes auf den Weg gebracht, die das Recht zur Arbeitssuche auf sechs Monate begrenzt. Wer länger bleiben will, muss gegenüber der Ausländerbehörde nachweisen, begründete Aussicht zu haben, eingestellt zu werden. Damit wird das Problem weg von den Sozialbehörden hin zu den Ausländerbehörden geschoben, wo sich die Bundesregierung eine restriktivere Auslegung erhofft.

http://jungle-world.com/artikel/2014/47/50960.html

Interview: Peter Nowak