Baader oder Bachmann

Der Versuch, die RAF mit der Pegida-Bewegung oder dem heutigen Jihadismus zu vergleichen, muss zwangsläufig die globalen politischen Umstände ignorieren.

Oliver Tolmein hat recht, wenn er in seinem Disko-Beitrag in der vorigen Jungle World (8/2015) schreibt, es sei vorhersehbar gewesen, dass der jihadistische Terror der vergangenen Monate mit den Aktionen der Roten Armee Fraktion (RAF) und der Revolutionären Zellen (RZ) verglichen werden würde. Es gibt schließlich kaum ein politisches Ereignis, das nicht in irgendeiner Weise vor allem mit der RAF verglichen wird. Selbst ein schlauer Kopf wie Michael Brumlik stellte in einer Kolumne der Taz vom 3. Februar ernsthaft die Frage: »Was haben Pegida, die AfD und die RAF miteinander gemeinsam?« Auf die Antwort muss man erstmal kommen: »Wie bei der AfD zeigte sich auch bei der RAF die heimliche Liebe des deutschen Bürgertums zu politischen Desperados. Was Andreas Baader für Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin war, war für Gauland und Petry der nicht nur wegen Kokainbesitzes verurteilte Bachmann: Ausdruck der vor sich selbst verborgenen geheimen Lust zuzuschlagen«, erklärt Brumlik, nachdem sich AfD-Politiker vor einigen Wochen mit dem Pegida-Begründer getroffen hatten – bevor letzterer als Hitler-Imitator und Vulgärrassist geoutet wurde.

Warum fällt Michael Brumlik bei der Kooperation von AfD-Rechtsaußen mit dem Kopf einer völkischen Bewegung nicht die offene Sympathie ein, die Ende der sechziger Jahre rechte Unions- und FDP-Parlamentarier, nicht wenige noch mit NS-Vergangenheit, der »Aktion Widerstand« entgegenbrachten, einer offen nazistischen Bewegung gegen die Ostverträge, die mit Parolen wie »Brandt an die Wand« am einzigen NS-Widerstandskämpfer im Amt des Bundeskanzlers nachträglich noch die Todesstrafe vollstrecken wollte?

Er hätte auch eine rechts-rechte Kooperation jüngeren Datums zum Vergleich heranziehen können. Beispielsweise die Mobilisierung gegen die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht, die von NS-Veteranen über diverse Neonazigruppen bis zum Stahlhelmflügel der Union reichte. Doch ausgerechnet den deplatzierten Vergleich der AfD-Pegida-Kooperation mit der RAF wählt Brumlik. Dabei müsste der in der deutschen Geschichte bewanderte Publizist wissen, dass die Pegida-Aufmärsche eher Widergänger jener deutschen Zusammenrottungen sind, die in Berlin und anderen Städten mit Naziparolen gegen die Außerparlamentarische Opposition (Apo) auf die Straße gegangen sind.

Andreas Baader und Ulrike Meinhof waren Teil dieses gesellschaftlichen Aufbruchs, der nicht erst 1966 mit der Apo begonnen hatte, wie sich an den Biographien dieser zwei Protagonisten zeigen lässt. Ulrike Meinhof war seit den fünfziger Jahren Teil der Opposition gegen den Adenauer-Staat. Andreas Baader beteiligte sich an den Münchner Jugendunruhen im Juni 1962, die als Schwabinger Krawalle in die bundesdeutsche Protestgeschichte eingingen. Sie gehörten zu den Vorzeichen einer großen Bewegung gegen jene deutschen Verhältnisse, zu denen das Schweigen über die NS-Verbrechen und die Mittäterschaft der großen Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ebenso gehörte wie der Hass auf fast alle, die sich nicht willig in die deutsche Volksgemeinschaft einfügten. Auch die bewaffneten Formationen wie RZ und RAF waren Teil dieses gesellschaftlichen Aufbruchs gegen die deutschen Verhältnisse. Es waren Intellektuelle wie Klaus Wagenbach und Peter Brückner, die wie viele andere immer wieder darauf hingewiesen haben und deswegen im Deutschen Herbst 1977 von konservativen Medien und Politikern als Terrorsympathisanten diffamiert und an den Pranger gestellt wurden.

Die Medien des Springer-Verlags waren dabei Vorreiter. Wenn man den Artikel von Richard Herzinger in der Welt liest, hat man den Eindruck, der Autor würde am liebsten die alten Schlachten fortsetzen. Noch einmal gießt er Hohn und Spott aus über »Antje Vollmer und andere wohlmeinende Moralisten«, die für sich in Anspruch nehmen, »gegen Ende der Achtzigerjahre einen Dialog zwischen RAF-Häftlingen und Repräsentanten des Staates« eingeleitet zu haben. Die Konservativen wollen auch nach so langer Zeit noch einmal klarstellen, dass es der starke Staat mit Isolationshaft, Sympathisantenhetze und Killfahndung war, der den bewaffneten Kampf besiegte, und nicht grüne Zivilisationsbemühungen. Dass dieser Kampf Teil eines gesamtgesellschaftlichen Aufbruchs war, wagt heute selbst in der staatsfernen außerparlamentarischen Öffentlichkeit kaum jemand mehr zu denken. Dabei sollte spätestens, wenn im Jihadismus ein später Wiedergänger der RAF gesehen wird, daran erinnert werden, dass auch die RAF Teil des weltweiten Aufbruchs linker Bewegungen war, die sich theoretisch und praktisch gegen einen verbürokratisierten Nominalsozialismus richtete, wie er im sogenannten Ostblock zu besichtigen war.

Ausgehend von Kuba und dem amerikanischen Kontinent breiteten sich in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren Stadtguerillabewegungen weltweit aus. Sie verwarfen die Volksfrontstrategien und andere Hinterlassenschaften aus dem Plunder des Stalinismus. Eine kommunistische Weltgesellschaft war ihr Ziel. Das ist ein Unterschied ums Ganze zu den Vorstellungen sämtlicher jihadistischer Terrorgruppen. Oliver Tolmein ist daher zuzustimmen, wenn er feststellt, dass Che Guevara kein Vorläufer Ussama bin Ladens war. Man könnte sogar zuspitzen: Che Guevara war im historischen Weltmaßstab das Gegenteil des Jihadismus. Er stand für das Projekt einer klassenlosen Gesellschaft. Der Jihadismus hingegen teilt die Menschen in Gläubige und Nichtgläubige ein, erhebt die Ungleichheit zum Programm und steht für eine religiös begründete Terrorherrschaft.

Die Stadtguerillabewegung hatte den Anspruch, Kommunismus wieder zum Projekt der Befreiung zu machen, nachdem er von den Stalinisten und ihren Nachlassverwaltern zur Legitimation für neue autoritäre Herrschaft geworden war. Weil nach der Implosion des Nominalsozialismus auch alle oppositionellen sozialistischen und kommunistischen Bewegungen in eine Krise gerieten und oft von der Bildfläche verschwanden, sind vielen Menschen die Unterschiede heute gar nicht mehr bekannt. Diese Niederlage fast sämtlicher Bewegungen, die auf eine Alternative zum Kapitalismus hinarbeiteten und ihn nicht einfach nur reformieren wollten, bezeichnete der Schriftsteller Ronald M. Schernikau auf dem letzten DDR-Schriftstellerkongress 1990 als den Sieg der Konterrevolution. Es war ein Sieg im Weltmaßstab und der Jihadismus ist eine seiner Folgen. Leo Trotzki hat schon in den dreißiger Jahren sinngemäß formuliert, dass der Faschismus die Strafe dafür sei, dass die Revolution nicht zum Erfolg geführt wurde. Heute könnte man formulieren, dass in unserer Zeit die Erfolge des Jihadismus auch eine Konsequenz der Niederlage des neuen revolutionären Aufbruchs Ende der sechziger Jahre sind. Reaktionäre Bewegungen, die sich auf Religion und Tradition berufen, fanden daraufhin weltweit vermehrt Zustimmung. Dem Jihadismus ist die Ideologie der totalen Ungleichheit, die Frauenverachtung, der Antisemitismus und der Hass auf alles gesellschaftlich Abweichende sind ihm eingeschrieben und insofern kann er durchaus mit den faschistischen Bewegungen der zwanziger Jahre verglichen werden.

Alle Versuche, nun eine Verbindung zwischen der RAF und den Jihadisten herzustellen, sind hingegen nur die neueste Auflage der Extremismustheorie, die die bürgerliche Gesellschaft, die in der »Mitte« verortet wird, als den Hort der Vernunft und Freiheit hinstellen will. So soll die Erinnerung daran ausgelöscht werden, dass sich der gesellschaftliche Aufbruch der sechziger Jahre gegen die konkreten Ausformungen dieser bürgerlichen Gesellschaft richtete. Dazu gehörte der Vietnamkrieg ebenso wie die verschiedenen Militärinterventionen auf dem amerikanischen und dem afrikanischen Kontinent. Erst auf dieser Grundlage kann – und muss – über die grundlegenden politischen Fehleinschätzungen gesprochen werden, die auch bei den Gruppierungen anzutreffen waren, die für diesen gesellschaftlichen Aufbruch standen. Neben einer verkürzten Kapitalismuskritik gehörten unter anderem Personenkult und autoritäre Strukturen dazu. Und bei mehreren politischen Aktionen schlug der Antizionismus in blanken Antisemitismus um, wie bei der Flugzeugentführung in Entebbe.

Eine RZ-Gruppe schrieb 1992 in einer selbstkritischen Erklärung: »Der linke Antizionismus ist keineswegs so unschuldig, wie er sich gibt.« Auch einige damalige Gefangene aus dem »antiimperialistischen Widerstand«, so wurde das Umfeld von RAF und RZ bezeichnet, diskutierten Anfang der neunziger Jahre mit Ingrid Strobl über regressiven Antizionismus und Antisemitismus in der Zeitschrift Konkret. Doch bei dieser vollkommen berechtigten Kritik sollte nicht unterschlagen werden, dass sich die Stadtguerillagruppen mit ihrem Antizionismus nicht wesentlich von den meisten anderen politischen Bewegungen ihrer Zeit unterschieden. Eine Schnittmenge mit dem heutigen Jihadismus hatten sie nicht. Durch eine solche Aussage würde der eliminatorische Antisemitismus der heutigen Islamisten relativiert. Ihnen geht es wie den Nazis grundsätzlich um die Tötung von Juden, weil sie Juden sind. Den Linken fast aller Fraktionen hingegen ist vorzuwerfen, dass sie sich mit dem Antisemitismus kaum oder gar nicht auseinandersetzten.

http://jungle-world.com/artikel/2015/09/51518.html

Peter Nowak

Deutsche Waffen zurück an den Absender

Geld als Druckmittel

Wegen eines Rechtsstreits mit der FPÖ steht ein Erfurter Filmkollektiv vor dem Aus

Die Freiheitliche Partei Österreichs nutzt unrechtmäßig Videomaterial von Erfurter Aktivisten – und verklagt sie auch noch auf 35 000 Euro. Doch sie wollen nicht aufgeben.

Fast ein Jahrzehnt berichten die Videojournalisten der Erfurter »Filmpiraten« über Antifademonstrationen, Flüchtlingsproteste oder Einzelhandelsstreiks. Zunächst konzentrierte sich das Videokollektiv auf außerparlamentarische Aktivitäten in Thüringen. Mittlerweile sind die kritischen Journalisten europaweit mit der Kamera vor Ort, wenn Menschen auf die Straße gehen.

Auch die Proteste gegen den Wiener Akademikerball im Jahr 2013 und das Verfahren gegen den Antifaschisten Josef S. aus Jena hielten sie im Bild fest und veröffentlichten zwei Filme auf der Videoplattform Youtube. Dem deutschen Studenten wurde in Österreich schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Trotz unklarer Beweislage saß er monatelang in Untersuchungshaft, was von Menschenrechtsorganisationen als Kriminalisierung kritisiert wurde. Der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröder (SPD) verlieh S. im vergangenen Jahr einen Preis für Zivilcourage.

Die FPÖ, die alljährlich zu dem Akademikerball einlädt, stellte Ausschnitte der Videos über den Prozess und die Preisverleihung gegen Josef S. auf ihren Kanal FPÖ-TV – ohne die Filmpiraten zu fragen. »Sie haben die Aufnahmen in einen neuen Kontext gesetzt und gleichzeitig gegen die Creative Commons-Lizenz verstoßen, die nicht-kommerzielle Nutzung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen voraussetzt«, erklärt Jan Smendek von den »Filmpiraten« gegenüber »nd«. Sie haben der FPÖ daher durch ihre Anwältin eine Unterlassungsaufforderung mit Abmahnung geschickt.

Als Reaktion reichte die FPÖ ihrerseits beim Wiener Handelsgericht eine Klage gegen den Verein ein – wegen Behinderung der Meinungsfreiheit und falscher Anschuldigungen. Gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk erklärte ein Sprecher: »Wir fordern in unserer Klage weder Geld noch sonstiges, sondern lediglich die gerichtliche Feststellung, dass die von den Filmpiraten behaupteten Ansprüche gegen die FPÖ nicht zu Recht bestehen.«

Die rechte Partei überzieht auch andere Kritiker mit Klagen. In Österreich sind davon die »Initiative Heimat ohne Hass«, die Zeitschrift »Linkswende« und der Datenforensiker Uwe Sailer betroffen, der sich seit Jahren gegen die FPÖ engagiert. Die solvente Partei versucht damit, ihre Kritiker finanziell unter Druck zu setzen, kritisiert ein Autor der »Linkswende«.

Die Filmpiraten sind durch die Klage in ihrer Existenz bedroht, auch wenn sie wenig Aussicht auf Erfolg hat. Grund ist die Höhe des Streitwerts. Der wurde von der FPÖ auf 35 000 Euro festgelegt und das macht die Geschichte für die Filmpiraten so unangenehm. Denn anhand des Streitwerts werden die Anwaltskosten bemessen. »Bis jetzt sind schon über 5000 Euro an Anwaltskosten entstanden, die wir im Vorfeld aufbringen müssen«, erklärt Smendek. Zudem gehen ihre Anwälte davon aus, dass die FPÖ über mehrere Instanzen klagen könnte, so dass die Kosten schnell mehrere zehntausend Euro übersteigen würden. Zu viel für den kleinen Verein, der seine Projekte ehrenamtlich verwirklicht. Unter dem Motto »Sei unser Held – FPÖ kostet Nerven und Geld« rufen die Videoaktivisten nun zu Spenden auf.

Peter Nowak

Waffen für die Ukraine?

Rechte Sammlungsbewegung AfD

Ein jüngst erschienener Band beschreibt die Entwicklung der „Alternative für Deutschland“ und die „neokonservative Mobilmachung in Deutschland“.

Als Niederlage des rechten Parteiflügels wird der Parteitag der „Alternative  für Deutschland“ (AfD) am Wochenende in Bremen in vielen Medien kommentiert. Dieser These widerspricht der Publizist Sebastian Friedrich in seinem kürzlich im Verlag Bertz + Fischer veröffentlichten Buch.

„Rechte Sammlungsbewegung AfD“ weiterlesen

Brandstifter Tsipras, weil er nicht bei den Armen sparen will

Pegida am Ende?

Sind wir jetzt alle Pegida?

Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit

ARBEIT Die Freie Arbeiter Union (FAU) setzt sich für rumänische Bauarbeiter ein. Nun bekommt sie Ärger

Seit mehreren Wochen unterstützt die Basisgewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) 20 rumänische Bauarbeiter, die über eine Leiharbeitsfirma bei der Mall of Berlin beschäftigt waren und um einen Großteil ihres Lohns geprellt wurden. Bei Kundgebungen wurde von den ehemaligen Beschäftigten auch auf die Verantwortung des ehemaligen Generalunternehmens der Mall of Berlin, der Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, hingewiesen.

Jetzt hat deren Inhaber Andreas Fettchenhauer in einer der taz vorliegenden Einstweiligen Verfügung der FAU verboten zu behaupten, dass sie sich mit seiner Firma in einem Arbeitskampf befindet. Ebenfalls untersagt wurde ihr, den Eindruck zu erwecken, Fettchenhauer habe im Zusammenhang mit dem Arbeitskonflikt „eine große negative Öffentlichkeit erhalten“. Bei einer Zuwiderhandlung droht der Gewerkschaft ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro und den Verantwortlichen eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Die FAU Berlin musste Texte auf ihrer Homepage ändern.

„Einstweilige Verfügungen sind ein gängiges Mittel gegen Gewerkschaften“, erklärt die FAU-Sekretärin Nina Matzek und spricht von einem Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit. Sie kritisiert, dass ein Richter die Einstweilige Verfügung erlassen hat, ohne der Gewerkschaft Gelegenheit zu geben, sich zu äußern. Dann hätte sie auf das kritische Pressecho zur Mall of Berlin ebenso wie auf die aktuelle Rechtslage hinweisen können. „Die rechtliche Situation sieht vor, dass, wenn ein Subunternehmen nicht bezahlt, die Auftraggeber für die ausstehenden Löhne haften“, erklärt auch der Pressesekretär der FAU-Berlin, Stefan Kuhnt. Unterstützung bekommt die FAU von der Sprecherin für Soziale Menschenrechte der Bundestagsfraktion, Azize Tank (Linke): „Es ist kein Geheimnis, dass seit Wochen ein Arbeitskampf der rumänischen Bauarbeiter geführt wird. Nach meinem Kenntnisstand wurden sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt. Ich werde mich weiterhin um Aufklärung bemühen.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F01%2F19%2Fa0094&cHash=8127f4f6fbd56442433cb6e5dcf4cf25

Peter Nowak

Pegida ist Sarrazin in der Praxis

Asylgesetze sollen Betroffenen gerecht werden

Offener Brief des Bündnisses gegen Dublin-Verordnung: Plädoyer für Asylverfahren in Deutschland

Flüchtlinge werden in »Erstaufnahmeländer« abgeschoben, wo sie nicht selten Obdachlosigkeit erwartet. Ein Aktionsbündnis protestierte am Donnerstag vor dem Bundesinnenministerium.

Der kurdische Oppositionelle Mehmet A. flieht über Griechenland nach Deutschland und stellt dort einen Asylantrag. Obwohl er seine politische Verfolgung bei der Anhörung belegen kann, erklären sich die deutschen Behörden für nicht zuständig. Er wird nach Griechenland zurückgebracht, wo er in letzter Minute durch das Eingreifen von Pro Asyl vor einer Abschiebung in die Türkei bewahrt wird. Wie Mehmet A. geht es vielen Asylbewerbern, nicht alle haben so viel Glück wie er. Ihre Fluchtgründe werden nicht geprüft, gegen ihren Willen werden sie in ein anderes EU-Land abgeschoben. Die rechtliche Grundlage liefern die Dublin-Verordnungen. Danach ist derjenige Mitgliedsstaat für das Asylverfahren zuständig, den der Asylsuchende bei der irregulären Einreise in die Europäische Union zuerst betreten hat.

Gegen diese Praxis laufen Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen seit langem Sturm. Jetzt soll der Widerstand gebündelt wurden. Am Donnerstag ging das »Aktionsbündnis Dublin III-Verordnung stoppen« mit einem Brief an die Öffentlichkeit, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, den Geflüchteten die Möglichkeit zu geben, ihr Asylverfahren in Deutschland durchzuführen. »Uns geht es darum, die Asylgesetzgebung an den Interessen der Geflüchteten auszurichten«, betonte Sebastian Muy gegenüber nd. Der Sozialpädagoge ist Mitarbeiter des Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Flüchtlinge und Migrantinnen (BZZ), das im Bündnis gegen die Dublin-Verordnungen aktiv ist.

Bereits 2013 hatte ein Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden das »Memorandum Flüchtlingsaufnahme in der Europäischen Union: Für ein gerechtes und solidarisches System der Verantwortlichkeit« herausgegeben. Sie schlugen vor, das Kriterium der irregulären Einreise durch das Prinzip der freien Wahl des Mitgliedsstaates durch den Flüchtling zu ersetzen. Dieser Grundsatz spielt bei auch bei der aktuellen Imitative die zentrale Rolle.

Kritik übt Muy an Plänen der Bundesregierung, das Kriterium der illegalen Einreise durch eine Quotenregelung zu ersetzen. Danach sollen Kriterien definiert werden, anhand derer die Asylsuchenden auf die EU-Mitgliedsstaaten verteilt werden. »Dadurch könnte zwar dem «Verursacherprinzip» endlich ein Ende gesetzt werden. An der staatlichen Fremdbestimmung über die Wahl des Asylverfahrenslandes würde sich dadurch jedoch nichts ändern.« Diese Diskussionen machen für Muy deutlich, dass auch in der Politik mittlerweile erkannt werde, dass das Dublin-System gescheitert ist. Inzwischen gibt es mehrere gültige Gerichtsurteile, die die Ausweisung von Geflüchteten in EU-Länder wie Griechenland und Italien untersagen, weil dort wesentliche Grundrechte nicht gewährleistet sind. Das Bündnis gegen Dublin III unterstützt Aktionen etwa in Osnabrück, wo es mehrmals gelungen ist, durch Blockaden Abschiebungen von Flüchtlingen zu verhindern.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/958673.asylgesetze-sollen-betroffenen-gerecht-werden.html

Peter Nowak

Terror gegen Zeitung in Deutschland?

Machtkampf um Pegida hat begonnen

Wattestäbchen sind gefährlich

Das Bundeskriminalamt hat mehr als eine Million DNA-Profile in einer Datenbank gespeichert. Die meisten dieser Daten werden nicht bei Schwerverbrechen, sondern bei Diebstahldelikten oder Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gesammelt.

»Während Max Schrems mit dem Ruf ›Kämpf um deine Daten‹ Facebook und anderen Giganten zumindest Nadelstiche versetzt, sind die DNA-Datenbanken im letzten Jahrzehnt weltweit gewachsen.« Zu dem ernüchternden Fazit, dass die DNA-Sammelwut in der Debatte um Überwachung kaum eine Rolle spielt, gelangen Susanne Schultz und Uta Wagenmann vom »Gen-ethischen Netzwerk«. Vor kurzem haben sie das Buch »Identität auf Vorrat – Zur Kritik der DNA-Sammelwut« herausgegeben, das sich mit der polizeilichen DNA-Vorratsdatenspeicherung in Deutschland und anderen Ländern beschäftigt.

Die Publikation macht deutlich, dass es genügend Gründe für eine größere Aufmerksamkeit gäbe. Was als »Kopfgeburt« des damaligen deutschen Innenministers Otto Schily (SPD), der sich für die Ausweitung der DNA-Analysen einsetzte, begann, hat sich zu einem internationalen Netz von Datenbanken entwickelt. Mittlerweile seien EU-weit die DNA-Profile von knapp zehn Millionen Menschen gespeichert, berichtet der Politikwissenschaftler Eric Töpfer vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Hierzulande hat das Bundeskriminalamt über eine Million DNA-Profile in einer Datenbank gespeichert. Doch eine ähnliche Bewegung, wie sie gegen die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung entstand, ist gegen diese DNA-Datenbanken nicht in Sicht.

In den achtziger Jahren existierte noch eine gentechnikkritische Bewegung, die sich bereits über DNA-Tests Gedanken machte, bevor diese technisch ausgereift waren. Sie war vor allem in feministischen Kreisen beheimatet und bestand überwiegend aus Wissenschaftlerinnen und Medizinerinnen. Das »Gen-ethische Netzwerk« steht in dieser Tradition. Wenn man sich fragt, warum die DNA-Sammelwut mittlerweile kaum noch hinterfragt wird, muss man auf die Akzeptanz von Gentechnik zu sprechen kommen, die in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Immer häu-figer wird ihr zugetraut, dass sie gesellschaftliche Probleme lösen kann. Deshalb kann sich eine Propaganda Gehör verschaffen, die DNA-Tests als Waffe gegen Verbrechen wie Vergewaltigung und Mord anpreist. In den USA kooperiert die Firma »Gordon Thomas Honeywell Governmental Affairs« bei ihrer Lobbyarbeit für die DNA-Industrie mit Opfern von schweren Verbrechen. Zu den Sponsoren des Lobbyunternehmens gehört die Firma »Life Technologies«, die ein führender Anbieter ist. Erfolgreich kann Lobbyarbeit jedoch nur sein, wenn es in Teilen der Gesellschaft Denkmuster gibt, an die sie anknüpfen kann. Dazu zählt der Wunsch, Verhaltensweisen, die als gesellschaftlich störend empfunden werden, mit moderner Technologie zu bekämpfen oder einzuschränken. Diese Vorstellung, die der wissenschaftlichen und technischen Revolution vorausging, wurde populärer, als sich mit der Entwicklung der Gentechnologie die wissenschaftlichen Möglichkeiten boten, solche Dystopien Wirklichkeit werden zu lassen.

Wenn, wie das »Gen-ethische Netzwerk« beklagt, DNA-Analysen in der Bundesrepublik längst nicht nur bei Schwerverbrechen, sondern in hohem Maß auch bei Kleinkriminalität wie Diebstahlsdelikten angewendet werden, dürfte dieses Vorgehen bei dem Teil der Bevölkerung, der sich eine wissenschaftliche Bekämpfung gesellschaftlicher Probleme wünscht, wohl kaum auf Ablehnung stoßen. Eine kritischere Haltung zur DNA-Datensammelwut setzt eine Problematisierung solcher Vorstellungen voraus. Wenn Schultz und Wangenmann feststellen, dass die DNA von Unterprivilegierten und Angehörigen rassistisch diskriminierter Gruppen überdurchschnittlich häufig erfasst wird, korrespondiert das mit einer weitverbreiteten sozialchauvinistischen Haltung, die diese Gruppen schnell in die Nähe von Kriminalität rückt. Hier ist wahrscheinlich der Grund zu suchen, warum die DNA-Sammelwut auch bei Überwachungskritikern kaum Thema ist. Dabei resultiert daraus eine diskriminierende Strafverfolgungspraxis.

http://jungle-world.com/artikel/2015/01/51164.html

Peter Nowak

Peter Nowak

Ist Merkel mit verantwortlich für die Pegida-Bewegung?