Das Bündnis Sahra Wagenknecht wollte mit Sozialpolitik punkten. Bald könnte es mit der CDU koalieren. Muss das sein, um die AfD zu stoppen? Ein Kommentar.

Wagenknecht-Partei BSW: Mehr als ein Strohfeuer?

Ein innerparteilicher Diskurs kann so auch nicht gefördert werden, dann dazu gehören nun mal Diskussionen und Auseinandersetzungen. Es wäre doch interessant, wenn jemand versuchen würde, im BSW eine kommunistische Plattform zu gründen – wie es die Namensgeberin vor vielen Jahren in der PDS und späteren Linkspartei tat. Wäre das ein Grund, ihn gar nicht erst aufzunehmen oder wieder auszuschließen?

Nach der Europawahl und den Kommunalwahlen in Sachsen und Sachsen-Anhalt gilt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) neben der AfD als Gewinner. Die Erfolgsserie könnte weitergehen. Umfragen sehen das BSW bei der Landtagswahl in Thüringen als …

„Wagenknecht-Partei BSW: Mehr als ein Strohfeuer?“ weiterlesen

Wie viel Heimat verträgt die Politik?

Diskussionen nach den Wahlen: Die Grünen streiten über Heimat und die hippe Linke spielt Jung gegen Alt aus

Der Schock der etablierten Parteien über den Zuwachs der AfD ist vorbei. Nun sind sie dabei, ihren Diskurs entsprechend anzupassen, d.h. nach rechts zu verschieben. In der CDU und der CSU betonen alle, dass sie jetzt die konservative Seite wieder stärker akzentuieren wollen. Dabei hat ja CSU-Chef Seehofer vorgemacht, wie man mit einem rechten Diskurs die AfD stärkt. Ständig hat er die Obergrenze bei dem Flüchtlingszahlen gefordert, die mit dem Grundgesetz gar nicht vereinbar ist.

Nun dämmert Seehofer, dass seine Karriere beendet ist, weil er die Forderung so nicht umsetzen kann. Wenn er in der FAZ[1] mit dem Satz zitiert wird: „Ich kann ohne eine Lösung zur Obergrenze nicht zurück zu meiner Basis“, macht er noch deutlich, dass der Rechtsruck aus der Mitte der Gesellschaft kommt.

Da ist für die AfD auf jeden Fall noch Potential. Dass bei einer möglichen Koalition mit FDP und Grünen das Wort „Obergrenze“ nicht in den Vereinbarungen stehen wird, ist auch Seehofer klar. Doch die Mehrheit Grünen ist flexibel genug, unter einem anderen Begriff durchaus weitere Einschränkungen der Flüchtlingsgesetze zu akzeptieren. Allerdings dürfte es in der Partei da noch heftige Auseinandersetzungen darum geben.

Warum die Grüne Heimatpartei über den Begriff „Heimat“ streitet

Seit einigen Tagen streiten sich die Grünen darüber, ob sie sich positiv auf den Heimatbegriff[2] beziehen sollen. Ausgelöst hatte die Debatte die Spitzenpolitikerin Kathrin Göring Eckardt, die auf dem Parteitag ausrief[3]: „Wir lieben dieses Land, das ist unsere Heimat, und diese Heimat spaltet man nicht.“

Die Grüne Jugend kritisierte diese Rhetorik als ausgrenzend. In der Taz hat Göring Eckardt ihre Rede verteidigt[4] mit dem obligatorischen Hinweis, man dürfe die Heimat nicht den Rechten überlassen. Ihr hatte der Wissenschaftler Anatol Stefanowitsch[5] ebenfalls in der Taz widersprochen[6]. Seiner Meinung hat der Begriff Heimat in der Politik nichts zu suchen.

Wird Heimat zu einem politischen Begriff, wird es gefährlich, denn dann wird Heimat etwas, das durch die bedroht ist, die ein Zuhause suchen. Wenn der politische Heimatbegriff von einem konkreten Ort auf ein ganzes Land ausgedehnt wird, entsteht eine Nation, deren Mitgliedschaft durch Abstammung bestimmt ist. Die für niemanden ein Zuhause sein kann, für den sie nicht Heimat ist und die für niemanden Heimat werden kann, für den sie es nicht schon immer war.

Anatol Stefanowitsch

Nur ist die Diskussion etwas absurd. Denn die Grünen waren seit ihrer Gründung immer eine Heimatpartei. Ihre ökologische Orientierung war immer mit dem Kampf um eine lebenswerte Heimat verbunden. Auch die westdeutsche Anti-Pershing-Bewegung, in der die Grünen in ihrer Frühphase vertreten waren, hatte immer einen starken Heimat und sogar Nationalbezug. Es ist auch kein Zufall, dass die Filmreihe „Heimat“[7] von Edgar Reitz in der Umwelt und Anti-Raketenbewegung viele Anhänger hatte.

Viele aus der Alternativbewegung erklärten damals, sie hätten sich durch ihr Engagement dort mit dem Heimatbegriff versöhnt. Es ist schon erstaunlich, dass diese Zusammenhänge in der aktuellen innergrünen Heimatdiskussion ausgeblendet werden. Da wird suggeriert, erst der Kretschmann in Baden-Württemberg und Van Bellen in Österreich hätten den Heimatbegriff bei den Grünen populär gemacht. Nein, die Grünen waren seit ihrer Gründung damit verbunden.

Die Linke und die Migranten

Auch die Linke war in Gestalt der PDS eine Heimatpartei besonderen Typs, nämlich die Partei der ostdeutschen Kümmerer. Diese Rolle hat sie heute weitgehend verloren, teilweise auch an die AfD. Dafür findet die Linke Zustimmung bei einer linksbürgerlichen, urbanen Mittelschicht. Die legt Wert darauf, dass die Partei zumindest einige menschenrechtliche Grundlagen einhält und eben nicht auch anfängt, über Obergrenzen für Migranten zu diskutieren.

„Kurs halten“, appelliert[8] die innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, Ulla Jelpke Das ist eine Entgegnung auf Wortmeldungen des Duos Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine. Dabei spielt das bekannte schlechte Verhältnis des Duos mit den gegenwärtigen Vorsitzenden der Partei eine große Rolle.

Lafontaine hat zudem schon als SPD-Spitzenpolitiker mit für die Verschärfung des Asylrechts gesorgt und mit seiner „Fremdarbeiterrede“[9] schon vor mehr als 12 Jahren für Unmut gesorgt. Doch wenn er darauf verweist, dass die Migration auch eine Klassenfrage ist, und die Ärmsten der Armen eben nicht die Möglichkeiten haben, nach Europa zu kommen, hat er Recht.

Das ist nun aber kein Argument für die Einschränkung von Flüchtlingsrechten, sondern für den Kampf um einen sicheren Transfer, damit die Menschen nicht mehr gezwungen sind, die lebensgefährlichen Routen zu nehmen. Andererseits muss nicht nur das Recht zu fliehen, sondern auch da Recht zu bleiben und trotzdem menschenwürdig leben zu können, gestärkt werden.

In Teilen der linksliberalen und linken Szene wird tatsächlich zu wenig darüber diskutiert, welche Folgen die Migration studierter oder gut ausgebildeter junger Menschen für diejenigen hat, die keine Möglichkeiten der Flucht haben. Bei aller Kritik an vielen Positionen des Duos Lafontaine/Wagenknecht zur Migrationsfrage, sollte dieser Aspekt genauer diskutiert werden, darin ist der saarländischen Landesvorsitzenden der Linken Astrid Schramm[10] zuzustimmen.

Muss die Linke grüner werden?

Recht haben aber auch die Mitarbeiter der Rosa Luxemburg Stiftung, Michael Brie und Mario Candeias, die in ihrer Wahlanalyse[11] empfehlen, die Linke solle Teil eines solidarischen Blocks werden – auch in der Unterstützung von Migranten. Auch der Chefredakteur der Tageszeitung Neues Deutschland warnt vor einer Anpassung der Linken[12] an den gesellschaftlichen Mainstream in der Flüchtlingsfrage.

Wenn Strohschneider dann Stimmen aus der Linksjugend zitiert, die sich wünschen, dass sich die Linke dem „städtischen, progressives, akademisches Milieu“ öffnen soll und sogar postuliert, „grüner zu werden, ohne die Grünen zu kopieren“, sollte man aber hellhörig werden. Zielen solche Vorschläge nicht auf eine neue linksliberale Partei hin?

Wie Alte gegen Junge in der Linken ausgespielt wurden

Ein negatives Beispiel gab da in einem Taz-Artikel die Kandidatin der Linken in Neukölln Judith Benda[13]. „Linke wird hip und urban“[14], lautet die Überschrift des Artikels. Da wird schon ein Ressentiment gegen die nicht hippe, nicht so urbanen Menschen bedient, die eben vielleicht nicht in Neukölln, sondern in Marzahn oder Hellersdorf wohnen. Genau dieses Ressentiment bedient Benda, die in dem Taz-Bericht über Neukölln mit diesem Statement zitiert[15] wird:

Alter ist eigentlich keine politische Kategorie. Aber es gibt schon einen Unterschied zwischen einem 60jährigen Typen und einer jungen Frau, die für eine andere politische Praxis steht.

Judith Benda

Auffallend ist hier auch die Geschichtslosigkeit in einer Partei, die sich in die Tradition einer Bewegung stellt, in der die „roten Großeltern“ ihren Kindern und Enkel über ihre Kämpfe an der Werkbank, am Arbeitsamt oder wo auch immer erzählten, um sie der jüngeren Generation weiterzugeben. Natürlich war auch viel Mythos und Kitsch dabei. Aber sowohl in der kommunistischen als auch in der anarchosyndikalistischen Arbeiterbewegung standen die oder rotschwarzen Großeltern auch für ein bestimmtes Bild von Gesellschaft und Geschichte.

„Die Enkel fechten es besser aus“

Da war die Vorstellung von einer Gesellschaft, in der die Erfahrungen von Kämpfen, ihre Erfolge aber auch ihre Niederlagen weitergegeben wurden. Darin war auch die Hoffnung enthalten, dass es eben nicht nur einzige Individuen, sondern eine kollektive Erfahrung gibt, die weitergegeben werden kann.

Bendas Statement steht für eine Generation, die davon nichts mehr hören will. Für sie ist ein 60-jähriger Arbeiter ein Typ, der möglichst schnell verschwinden, und den jungen, hippen urbanen Linken Platz machen soll.

Eine Linke, die sich selber ernst nimmt, müsste Platz sowohl für den 60jährigen Mann und die junge Frau haben. Ansonsten lässt sie die Kernwählerschaft der klassischen Arbeiter rechts liegen.

https://www.heise.de/tp/features/Wie-viel-Heimat-vertraegt-die-Politik-3852221.html

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-3852221

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/csu-chef-horst-seehofer-beharrt-weiterhin-auf-obergrenze-15234106.html
[2] http://www.deutschlandfunk.de/ausgeloest-von-katrin-goering-eckardt-gruene-debattieren.1773.de.html?dram:article_id=397435
[3] http://www.deutschlandfunk.de/ausgeloest-von-katrin-goering-eckardt-gruene-debattieren.1773.de.html?dram:article_id=397435
[4] http://www.taz.de/!5451388/
[5] http://www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/we06/institut/mitarbeiterinnen_und_mitarbeiter/stefanowitsch/index.html
[6] http://www.taz.de/Kommentar-Gruener-Heimatbegriff/!5450730/
[7] http://www.heimat123.de/
[8] https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/319554.kurs-halten.html
[9] https://www.sozialismus.info/2005/07/11327/
[10] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1065842.lafontaine-hat-das-recht-auf-asyl-nicht-in-frage-gestellt.html
[11] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1065470.auswege-aus-der-zehn-prozent-nische.html
[12] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1065502.waere-das-linke-politik.html
[13] https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/judith-benda
[14] http://www.taz.de/Die-Linkspartei/!5448496/
[15] http://www.taz.de/Die-Linkspartei/!5448496/