50 Prozent Mietsteigerung durch Modernisierung

In der Fritz-Bräuning-Siedlung in Neu-Tempelhof soll energetisch saniert werden / Anwohner protestieren

Der 1. Februar war für die knapp 500 Mieter der Fritz-Bräuning-Siedlung in Neu-Tempelhof kein guter Tag. Denn vor knapp zwei Monaten erhielten sie einen Brief ihres Vermieters. Die BUWOG AG schrieb ihnen, dass die Mieten in der Siedlung nach einer energetischen Sanierung in diesem Jahr steigen sollen. Und zwar um fast 50 Prozent.

Für eine Wohnung von 65 Quadratmetern würde die Erhöhung monatlich 185 Euro betragen«, sagt Franziska Schulte von der Mieterinitiative Gontermannstraße. »Für die meisten Bewohner sind diese Mietsteigerungen nicht tragbar.«

Viele Menschen wohnen bereits seit mehreren Jahrzehnten in der Siedlung, die vor 90 Jahren errichtet wurde. Doch auch jüngere Mieter fürchten die Verdrängung. Hier wohnen beispielsweise auch alleinerziehende Mütter und Väter. Doch mit dem bescheidenen Glück für Menschen mit niedrigen Einkommen wäre es vorbei, wenn die BUWOG die angekündigten Mieterhöhungen nicht zurücknähme.

Deshalb gründeten Bewohner der Siedlung kurz nach dem 1. Februar die Mieterinitiative Gontermannstraße. »Wir haben sofort eine Mieterversammlung einberufen, uns mit der Berliner Mietergemeinschaft beraten und Politiker kontaktiert«, sagt Schulte. Zunächst hatte man noch gehofft, dass die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg die Eigentümer zu Kompromissen bewegen könne. Erst als diese Strategie scheiterte, ging die Initiative Mitte März an die Öffentlichkeit.

Die Beziehung zwischen den Mietern und der in Wien ansässigen BUWOG hat sich in den vergangenen Wochen verschlechtert. Einem Mieter, der ein Plakat mit der Aufschrift »Wir lassen uns nicht verdrängen« aus seinem Fenster hängte, habe der Anwalt des Unternehmens mit Abmahnung gedroht. Die Bewohner wiederum ärgerten sich über ein Interview mit BUWOG-Vorstandsmitglied Herwig Teufelsdorfer zu Renditeerwartungen in Städten mit Mietpreisbremse, das im aktuellen Geschäftsbericht erschienen war. »Durch Maßnahmen wie gezielte Modernisierungen … gelingt es, die Auswirkungen der Mietpreisbremse zu dämpfen«, sagte Teufelsdorfer.

Für kommenden Sonntag lädt die Mieterinitiative ab 15 Uhr zum Protest-Picknick in den Hof der Gontermannstraße 12 ein. Im Anschluss ist ein Kiezspaziergang durch das historische Alt-Tempelhof geplant. Angekündigt haben sich auch Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei. Jörn Oltmann (Grüne), Stadtrat für Stadtentwicklung und Bauen in Tempelhof-Schöneberg, will für den 20. April einen Runden Tisch mit Mietern und Vertretern des Unternehmens einberufen.

Barbara Lipka von der BUWOG-Marketingabteilung sagte dem »nd«, der Termin sei ihr bisher nicht bekannt gewesen. »An uns ist bislang nur der Wunsch nach einem Gespräch zwischen dem Bezirksstadtrat Herrn Oltmann und der Geschäftsführung der BUWOG herangetragen worden, wobei wir bislang lediglich wissen, dass es dabei um geplante Modernisierungsmaßnahmen in der Gontermannstraße gehen soll«, sagte sie. Weitere Auskünfte wollte sie nicht geben, »weil es sich dabei zum einen um ein relativ komplexes Thema handelt und wir zum anderen bevorstehenden Gesprächen mit anderen Beteiligten nicht vorgreifen wollen und können.«

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1046015.prozent-mietsteigerung-durch-modernisierung.html

Peter Nowak

Rendite machen in Neu-Tempelhof

uswi

VERDRÄNGUNG MieterInnen in der Gontermannstraße wehren sich gegen drastische Mieterhöhungen

„Vor 81 Jahren bin ich hier in meiner Wohnung zur Welt gekommen. Ich möchte auch hier sterben“, sagte Erika Seibert (Name
geändert). Doch jetzt fürchtet die Seniorin, ihre Wohnung nicht mehr bezahlen zu können. Seibert ist die älteste der ca. 500 MieterInnen in der Gontermannstraße in Neu-Tempelhof, die am 1. Februar ein Mieterhöhungsverlangen im Briefkasten fanden. Nach einer energetischen Sanierung soll sie für ihre 65-Quadratmeter- Wohnung monatlich 185 Euro mehr zahlen. „Für die meisten BewohnerInnen sind diese Mietsteigerungen nicht tragbar“, meint Franziska Schulte von der MieterInneninitiative
Gontermannstraße gegenüber der taz. Schon wenige Tage nach dieser Ankündigung gab es erste Treffen der BewohnerInnen. Sie informierten sich bei der Berliner MieterGemeinschaft und kontaktierten PolitikerInnen. Ein Mieter hängte ein selbst gemaltes
Plakat mit der Aufschrift „Wir lassen uns nicht verdrängen“ aus dem Fenster – nach einem Schreiben des Eigentümeranwalts
musste er es wieder entfernen, um einer Abmahnung zu entgehen. Das hat nicht gerade zur Entspannung zwischen den MieterInnen und der österreichischen Buwog AG beigetragen, der die Häuser gehören. In deren Geschäftsbericht 2015/2016
erklärt Buwog-Vorstandsmitglied Herwig Teufelsdorfer, wie das Unternehmen seine Rendite erhöhen will: „Durch Maßnahmen
wie gezielte Modernisierungen […] gelingt es, die Auswirkungen der Mietpreisbremse zu dämpfen.“ Mittlerweile haben sich PolitikerInnen von SPD, Grünen und Linken mit den MieterInnen solidarisiert. Für den 20. April hat Bezirksstadtrat Jörn Oltmann
(Grüne) einen Runden Tisch einberufen. Für Sonntag ab 15 Uhr lädt die MieterInneninitiative zum Protestpicknick in den Hof der Gontermannstraße 12. Die MieterInnen erhoffen sich auch einen Austausch mit Initiativen aus anderen Stadtteilen.
TAZ.AM WOCHENENDE, SONNABEND/SONNTAG, 25./26. MÄRZ 2017 52 das war‘s TAZ.

Peter Nowak

Wenn Linkssein ein Gefühl ist

Nicht nur Rechte, sondern auch ihre Gegner setzen auf Gefühle statt auf Argumente

„Warum die Linke eine neue Sprache braucht“, ist ein Beitrag des grünen Politikers Sven Giegold[1] in der Taz[2] überschrieben. Gleich in der Überschrift macht er deutlich, dass diese neue Sprache mit den bisherigen Rechtschreibregeln wenig zu tun hat. Schließlich will Giegold nicht orthographisch richtig von, sondern aus Holland lernen. Gemeint ist damit natürlich das Wahlergebnis von letzter Woche, das einen Rechtsruck darstelle.

Nur profitiert davon nicht die von vielen Medien enorm gehypte rechtspopulistische Freiheitspartei um Geert Wilders, sondern die Rechtsliberalen erzielten einen Erfolg. Damit schien für manche Kämpfer gegen rechts die Welt wieder in Ordnung, zumal auch noch eine ökoliberale Partei, Groenlinks[3], ebenfalls Stimmen dazu gewann.

Faires Miteinander statt Klassenkampf

Giegold erklärt diesen Wahlerfolg damit, dass der Spitzenkandidat der Linksliberalen mit Gefühlen statt mit Argumenten arbeitet:

Der grüne Frontmann Klaver hat im Wahlkampf etwas getan, womit man scheinbar in den letzten Jahren in Deutschland keinen Blumentopf außerhalb eines engen Milieus gewinnen konnte. Er hat klar und deutlich gesagt: Ich bin links. Dabei hat Klaver das „Links sein“ nicht neu definiert, aber anders und besser vermittelt. Im Mittelpunkt seiner Kampagne stand ein zentraler Wert: Mitgefühl.
Sven Giegold

Für Giegold ist die Mitteilung, dass der Spitzenkandidat von Groenlinks Mitgefühl ausstrahle, so wichtig, dass er sie gleich mehrmals wiederholt.

Mitgefühl empfinden wir alle, allen wurde es schon einmal zuteil, und jeder wünscht es sich. Diesen Begriff zeichnet eine starke emotionale Nachvollziehbarkeit und eine äußerst positive Konnotation aus.
Sven Giegold

Der grüne Spitzenpolitiker lässt keinen Zweifel daran, dass das Mitgefühl Forderungen nach einer grundlegenden Änderung der Machtverhältnisse ersetzen soll.

Der Wahlerfolg zeigt, dass das linke Wertefundament und linke Programmatik breite Unterstützung erfährt. Man muss es nur richtig kommunizieren. Begriffe wie Umverteilung, Vermögenssteuer, Millionärssteuer, und so weiter beschreiben einen staatlich organisierten Vorgang des „Wegnehmens“. Mitgefühl bezeichnet eine persönliche Gefühlslage, aus der Menschen heraus ohne Zähneknirschen etwas abgeben. Kritik an der Steuervermeidung kann man über die „bösen Konzerne“ drehen oder wie Klaver über den Wert der Fairness, der unter allen Bürgern und Firmen gelten sollte, die mittels Steuern unser Gemeinwesen finanzieren.
Sven Giegold

Damit auch jeder versteht, gegen welche Politik sich Giegold abgrenzt, hat er dann doch auch mal allem positiv Denken zum Trotz formuliert, was er unter linker Politik nicht versteht.

Die holländischen Grünen sagen, dass eine andere Vergütungskultur in Führungsetagen zu unternehmerischen Entscheidungen führt, die sich an langfristigen, gesellschaftlichen statt persönlichen, kurzfristigen Interessen orientieren. All das ist nicht die Rhetorik des Klassenkampfes, sondern die Sprache des fairen Miteinanders.
Sven Giegold

Nun ist es wirklich erstaunlich, welch‘ große Mühe Giegold aufwendet, um etwas zu propagieren, was in Deutschland parteiübergreifend längst Common Sense ist. Dass Lohnabhängige und die Vorstandsetagen der Konzerne, an die sie ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, im fairen Miteinander kooperieren sollen, wird in Deutschland kaum jemand bestreiten.

Diejenigen, die davon reden, dass es zwischen Kapital und Arbeit Interessenunterschiede gibt, die nicht durch Mitgefühl und Fairness, sondern durch eben den auch von Giegold abgelehnten Klassenkampf ausgetragen werden, sind in Deutschland in der Minderheit. In Deutschland überwog schließlich immer eine Zusammenarbeit zwischen Kapital und Arbeit unter wechselnden Begriffen.

Unter den Nazis wurde die deutsche Volksgemeinschaft repressiv hergestellt. Sonst überwog der stumme Zwang der kapitalistischen Verhältnisse, um die Sozialpartnerschaft herzustellen und zu stabilisieren. Giegold ist nur einer der Verkünder der angeblich so segensreichen Wirkung dieser Sozialpartnerschaft, die er mit einigen auch nicht mehr ganz so neuen Begriffen aus dem Attac-Umfeld anreichert, wo er sich politisch bewegte, bevor er in die Parteipolitik gegangen ist.

Noch mal Weitling gegen Marx

Dass Giegold mit seiner neuesten Intervention für einen fairen Umgang zwischen Kapital und Arbeit in Deutschland nur die deutschen Verhältnisse perpetuiert, scheint ihm gar nicht aufzufallen. Dass er damit alte Schlachten erneut schlägt, zeigt sich, wenn man sich den kürzlich in vielen Kinos angelaufenen Film Der junge Marx[4] ansieht.

Es ist eine Stärke des Films, dass er Marx und Engels als eine Art Hipster des 19. Jahrhunderts darstellt und dabei auch auf die Kontroversen der frühen vormarxistischen Arbeiterbewegung eingeht. Ein wichtiger Konflikt wird beim Kongress der Bund der Gerechten[5] zwischen Marx, Engels und seinen Anhängern und denen von Wilhelm Weitling ausgetragen.

Letzterer war ein bekannter Frühsozialist, der sich große Verdienste bei der Organisierung von Handwerkern und Facharbeitern erworben hat. Doch im Grunde war er ein Gefühlssozialist, der große Worte über Menschenverbrüderung machte, aber keinerlei Konzept für eine andere Gesellschaft hatte. Das war auch ein Grund, warum die Strömung um Marx und Engels beim Bund der Gerechten den Sieg davon trug.

Wenn nun im 21. Jahrhundert nicht nur Giegold Linkssein zur Frage des Gefühls macht, setzt er nur eine alte Tradition fort. Doch er ist damit nicht allein. Der gesamte Hype um den SPD-Kanzlerkandidaten Schulz beruft sich auch auf Gefühle und nicht auf rationale Argumente.

Sollte dieses Gefühl bis zur Bundestagswahl tragen, könnten die Gefühlslinken Schulz und Giegold die Rolle übernehmen, die Gerhard Schröder und Josef Fischer nach 1998 einnahmen. Das Ergebnis ist bekannt und mit dem Krieg gegen Jugoslawien und der Agenda 2010 sicher nicht vollständig, aber zureichend beschrieben.

https://www.heise.de/tp/features/Wenn-Linkssein-ein-Gefuehl-ist-3662135.html

Peter Nowak

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http://www.heise.de/-3662135

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.sven-giegold.de/
[2] http://www.taz.de/!5393185/
[3] https://groenlinks.nl/
[4] http://www.der-junge-karl-marx.de/
[5] http://universal_lexikon.deacademic.com/217963/Bund_der_Gerechten

Auf-Ruhrgebiet

Nach seinem Film »Mietrebellen« hat der Regisseur Matthias Coers nun einen Dokumentation über widerspenstige Projekte im Ruhrgebiet vorgestellt. Sie schaffen Utopien en miniature.

Die Senioren sind in Feierlaune. Mit ihrer Mieterinitiative Zinkhüttenplatz haben sie den Abriss einer historischen Arbeitersiedlung verhindert. Dabei hatten sie nicht einmal von der Mehrheit der Linkspartei Unterstützung.

Ihr inspirierender Kampf ist in der Dokumentation »Das Gegenteil von Grau« zu sehen, der in dieser Woche Premiere hat. Knapp 20 außerparlamentarische Initiativen werden im Film vorgestellt. Das Spektrum reicht von Graffiti-Sprüherinnen – es sind tatsächlich nur Frauen – über einen anarchistischen Infoladen, über Projekte mit Geflüchteten bis zum Leerstandskino in Dortmund-Nord.

»Alle Projekte leisten Pionierarbeit im Ruhrgebiet, einer Region mit starkem Strukturwandel aus der Industriegesellschaft in eine krisenhafte Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft«. So beschreibt der Regisseur Matthias Coers gegenüber »nd« das Verbindende der vorgestellten Initiativen. Besonders das Oberhausener Projekt Kunst im Turm (kitev) und die Initiative Refugees‘ Kitchen, eine mobile Küche, in der Geflüchtete und Künstler zusammenarbeiten, haben Coers beeindruckt. Der Regisseur war durch den Film »Mietrebellen«, der den Widerstand gegen Vertreibung und Mieterhöhungen in Berlin dokumentiert, auch über Deutschland hinaus bekannt geworden.

Zur Entstehungsgeschichte: Bei einer Filmveranstaltung im Ruhrgebiet hatte Coers Aktive der Initiative »Recht auf Stadt Ruhr« kennengelernt. »Gemeinsam haben wir überlegt, wie man für das Ruhrgebiet auch eine Art Bewegungsfilm für das Recht auf Stadt machen kann«, so Coers. Die Filmarbeiten haben sich dann zwei Jahre in die Länge gezogen, weil Coers den Film nicht über sondern mit den Initiativen gemeinsam drehte.

Es werden Menschen vorgestellt, die in den Nischen der Städte ihre Utopien umsetzen wollen. Das kann ein »Reparaturladen« oder ein besetztes Gewächshaus sein, in dem sich Senioren ganz selbstverständlich darüber unterhalten, wie sie ein Schloss geknackt haben. Die kurzen Filmgespräche dokumentieren die Unterschiedlichkeit der einzelnen Projekte: Während einige mit linken Politikern kooperieren, betonen andere die Autonomie von Staat und Parteien. Ein Mitarbeiter des Bochumer Straßenmagazins »bodo« erläutert, wie ein Arbeiterstadtteil vor Jahrzehnten zum Zufluchtsort von Migranten wurde und bis heute geblieben ist. Die von Berlin nach Oberhausen »migrierten« Künstler von kitev fragen sich, ob ihr Projekt nicht gegen ihren Willen zur Gentrifizierung beitragen könnte.

Die Dokumentation ist ein aktueller Bewegungsmelder für ein anderes Ruhrgebiet. So hätte der Film mit dem vagen Titel »Das Gegenteilgenteil von Grau« vielleicht passender »Auf-Ruhrgebiete« heißen können. Auf jeden Fall macht er neugierig auf mehr und Lust, die Entwicklung der vorgestellten Projekte weiter zu beobachten.

vDer Film hat seine Premieren an den folgenden Tagen
Do., 23.03., 19:00 Uhr | Roxy Kino, Münsterstraße 95, Dortmund
Fr., 24.03., 19:00 Uhr | Alibi, Gladbecker Straße 10, Essen
Sa., 25.03., 19:00 Uhr | kitev, Willy-Brandt-Platz 1, Oberhausen
So., 26.03., 19:00 Uhr | Lokal Harmonie, Harmoniestraße 41, Duisburg
Mo., 27.03., 19:00 Uhr | Endstation Kino, Wallbaumweg 108, Bochum

www.gegenteilgrau.de

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1045514.auf-ruhrgebiet.html

Peter Nowak

Lobbyismus, getarnt als Stadtteilinitiative

Betreiber von Ferienwohnungen versuchen trickreich, das Zweckentfremdungsverbot auszuhebeln

»Deine Stimme für den Erhalt von Ferienwohnungen« heißt eine Anfang März online gestellte Petition, die sich gegen das vor drei Jahren in Berlin verabschiedete Zweckentfremdungsverbot wendet, das die Vermietung von Ferienwohnungen stark einschränkt.

»Wir haben die Petition ›Pro Vacation Homes‹ ins Leben gerufen, um das große Interesse an dem Fortbestand von Ferienwohnungen zu zeigen und somit die Aufmerksamkeit des Senates zu bekommen«, sagt Stephan La Barré gegenüber »nd«. Er ist Vorsitzender des Vereins Apartment-Allianz Berlin (AAB).

Die 2013 von Vermietern von Ferienwohnungen gegründete AAB hat mittlerweile 60 Mitglieder. Dass die Petition zur Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin geschaltet wurde, ist kein Zufall. Die Initiatoren sehen durch das Zweckentfremdungsverbot die Reisefreiheit gefährdet. »Berlinbesucher können die Art der Unterkunft nicht frei wählen«, heißt es zur Begründung.

Stephan La Barré bestreitet, dass Ferienwohnungen das Wohnungsproblem verschärfen. »Die Existenz von Ferienwohnungen ist nicht die Ursache der Mangelsituation. Dafür ist die Anzahl zu klein, da Ferienwohnungen gerade einmal 0,2 Prozent am gesamten Wohnungsmarkt in Berlin ausmachen«, sagt er.

Auch juristisch gehen die Interessenverbände der Ferienwohnungsvermieter gegen die Einschränkungen vor. Bereits im September 2016 hat der Dachverband der Europäischen Ferienwohnungsbetreiber (EHHA) eine Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. »Wir wollen auf die rechtliche Überregulierung im Bereich der Ferienwohnungsvermietung aufmerksam machen«, erklärt La Barré, dessen AAB Mitglied im europäischen Dachverband ist. Er sieht durch die Zweckentfremdungsverbot eine Gefährdung sowohl des »langjährig etablierten Wirtschaftszweigs Ferienwohnungen« als auch des noch jungen Wirtschaftszweigs des »Homesharings«.

Am 11. Oktober 2016 hat sich in Berlin bereits der 100. Homesharing Club von Airbnb gegründet. Zur Zielgruppe gehören Anbieter von Ferienwohnungen aber auch von Einzelzimmern. Auf der Homepage homesharing.berlin heißt es: »Mit dem neuen Zweckentfremdungsgesetz kann niemand in Berlin seine Wohnung privat mehr als einmal im Jahr vermieten. Das finden wir unfair. Du auch?« Damit werden die Vermieter auf der Homepage direkt angesprochen. So wird der Eindruck erweckt, als sei die Homesharing-Bewegung eine Bürgerinitiative, die sich in der Stadtteilarbeit engagieren.

Doch diese angebliche Nachbarschaftsinitiative wird vom Konzern Airbnb massiv unterstützt. »Das Unternehmen kümmert sich um die Aktivisten und finanziert Gruppenaktivitäten. Sie bieten eigens eine Anleitung an«, heißt es in einen Recherchebericht der »taz«. Demnach bildet Airbnb sogenannte Community-Organizer aus, die bei der Gründung von Homesharing-Clubs mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Zu den Aktivitäten gehören auch Spaziergänge zu Orten, die als Geheimtipp für Touristen gehandelt werden. Anfang Februar 2017 beteiligte sich Wolfang Halbermann an einem solchen »Airbnb-Walk« in Neukölln. Halbermann, der sich in der Stadtteilinitiative Kiezversammlung Neukölln engagiert und die Lobbyarbeit der Homesharing-Bewegung kritisch beobachtet, berichtet: »Am frühen Nachtmittag trafen sich etwa 30 überwiegend junge Leute. Mit dabei waren zwei oder drei angestellte Organisatoren von Airbnb Berlin und ein von Airbnb bezahltes Marketing-Filmteam.«

Kürzlich hatten Homesharing-Lobbyisten aus Neukölln und Pankow einen Termin bei der Stadtentwicklungsverwaltung, wo sie ihre Kritik an der Zweckentfremdungsverordnung vortrugen. Die Neuköllner Mieteraktivisten reagierten mit einem Schreiben an Senatorin Katrin Lompscher (LINKE). Im Brief wenden sie sich gegen Lobbyarbeit hinter verschlossenen Türen und fordern die Senatorin auf, jeder Verwässerung der Zweckentfremdungsverordnung eine Absage zu erteilen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1045316.lobbyismus-getarnt-als-stadtteilinitiative.html

Peter Nowak

Traumatherapeutin erlebt Albtraum

In einem Münchner Terrorprozess ist auch die Ärztin Büyükavci angeklagt. Kollegen kämpfen für ihre Freilassung

Als die Nürnberger Ärztin Dilay Banu Büyükavci verhaftet wurde, galt sie nach landläufigen deutschen Vorstellungen als »gut integriert«. Nun sitzt sie als politische Gefangene in München-Stadelheim.

Freundlich lächelt Dilay Banu Büyükavci in die Kamera, sie trägt die lockigen Haare als modischen Kurzhaarschnitt, um den Hals hat sie einen dezent gemusterten Schal geschwungen. Es ist eines der wenigen Fotos, die die Öffentlichkeit von ihr kennt. So wie auf diesem Foto mag die Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychiatrie ihren Patienten am Nürnberger Klinikum in Erinnerung geblieben sein. In einem Café in der Nähe des Krankenhauses hatte sie sich 15. April 2015 nach der Arbeit mit Kollegen getroffen, als dort eine schwer bewaffneten Anti-Terror-Einheit einrückte und sie verhaftete.

Seitdem sitzt die 46-Jährige im Hochsicherheitstrakt München-Stadelheim in Untersuchungshaft. Sie wird beschuldigt, die 1972 gegründete Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch leninistisch (TKP/ML) unterstützt zu haben. Diese kämpft in der Türkei auch mit Waffengewalt gegen das türkische Militär.

»Was habe ich mit denen zu tun? Ich habe mich für Migranten und Frauen in Deutschland eingesetzt, in einer Organisation, die in Deutschland nicht verboten ist«, hatte Büyükavci einem Spiegeljournalisten im Sommer nach ihrer Verhaftung erklärt. Tatsächlich werden ihr von der deutschen Anklagebehörde auch keine illegalen oder gar militanten Aktionen vorgeworfen. Doch nach dem Paragrafen 129b kann schon das Spendensammeln sanktioniert werden. Büyükavci wirft die Anklagebehörde vor, die TKP/ML im Rahmen des in Deutschland legalen Arbeitervereins ATIF unterstützt zu haben.

Ihr Medizinstudium hat Büyükavci in der Türkei absolviert. Dort hatte sie sich in ihrer Studienzeit in linken Bewegungen politisiert. Laut dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« war sie 2005 nach Deutschland gekommen, weil sie sich auf Psychiatrie spezialisieren wollte und es den passenden Studiengang in der Türkei nicht gab. Sie lernte Deutsch, promovierte, arbeitete, beantragte 2012 die deutsche Staatsbürgerschaft, die sie bislang allerdings noch nicht erhalten hat. Auch in Nürnberg engagierte sich Büyükavci politisch. Aktiv war sie bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und in verschiedenen Initiativen zur Unterstützung migrantischer Frauen.

Dabei kümmerte sie sich insbesondere um traumatisierte Frauen. Sie war Mitglied des bayerischen Landesmigrationsausschuss und der Gesellschaft für türkisch sprachige Psychotherapie und psychosoziale Betreuung (GTP). In dieser Funktion organisierte sie Kongresse in der Türkei und in Deutschland. Eine wichtige Rolle spielte sie bei der Organisation eines Fachkongresses zum Thema »Psychologische Aspekte zur Integration von Kulturen«. Dilay Banu Büyükavci steckte gerade Mitten in den Vorbereitungen für einen Nachfolgekongress, als sie verhaftete wurde. Die Veranstaltung musste ausfallen.

Die Nürnbergerin Claudia Steiner findet anerkennende Worte über das Engagement der Frau, die sie wie viele ihrer Bekannten und Freunde Banu nennt. Sie selbst hatte Banu im Nürnberger »8.März-Bündnis« kennengelernt, in dem Frauen unterschiedlicher politischer Richtungen kooperieren. »Wir haben uns immer gewundert, wie sie neben ihrem anspruchsvollen Beruf noch die Kraft für die Arbeit mit den Flüchtlingsfrauen aufbringt«, sagt Schuler gegenüber »nd«.

Zu Beginn ihres Verfahrens in München verlas Banu Büyükavci einer Erklärung: »Ich war vier Monate in Isolationshaft. 23 Stunden allein in der Zelle, eine Stunde Hofgang, wobei ich niemandem begegnen durfte. Warum? Was habe ich getan?« Die Frage nach dem »warum?« stellte sich auch immer wieder die Ärztin Susanne Kaiser, seit sie von der Verhaftung der Büyükavcis erfahren hat. »Ich habe Banu als eine wunderbare Frau und sehr angenehme Kollegin kennengelernt«, erklärt sie gegenüber »nd«. Als sie plötzlich verschwunden war, sei sie verwundert gewesen. Dann bekam sie von einem Kollegen den Tipp, Banus Namen im Internet zu googeln. »Da habe ich dann gelesen, dass sie unter der Beschuldigung verhaftet wurde, Mitglied einer terroristischen Organisation zu sein. »Ich habe sofort gesagt, Banu und Terrorismus, das passt nicht zusammen«, so schildert Kaiser ihre erste Reaktion.

Mit einen kleinem Kreis weiterer Kolleginnen begann sie sich für die Freilassung Büyükavcis einzusetzen. Sie schrieben an verschiedene Landes- und Bundespolitiker, auch Angela Merkel erhielt einem Brief. Die meisten Adressaten reagierten jedoch nicht einmal. Lediglich der Bund der Steuerzahler antworte mit einem freundlichen Brief, erinnerte sich Erika Roth (Name geändert), die mit Susanne Kaiser die Solidaritätsarbeit organisiert und ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Den Bund der Steuerzahler hatten sie angeschrieben, um auf die Kosten des Münchner Mammutprozesses hinzuweisen.

Seit Juni 2016 wird gegen 10 Angeklagte verhandelt, die wie Banu beschuldigt werden, mit legaler Arbeit die TKP/ML unterstützt zu haben. Ein Ende des Verfahrens ist nach Angaben des Rechtsanwalt Yunis Ziyal nicht abzusehen. Mit Büyükavci wurde auch ihr Kollege und Lebensgefährte Sinan Aydin verhaftet. Beide hatten kurz zuvor ein Haus gekauft. Seit der Verhaftung der beiden zahlt ein Verwandter die monatlichen Hypotheken. Wie lange er die Belastung noch tragen kann, ist ungewiss.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1044784.traumatherapeutin-erlebt-albtraum.htm

Peter  Nowak

Mietergemeinschaft kritisiert Wohnungspolitik

Rot-Rot-Grün setze sich nur rhetorisch, nicht inhaltlich von den Vorgängerregierungen ab, so das Resümee

Die Berliner Mietergemeinschaft hat die Schonfrist für den rot-rot-grünen Senat mit der Veröffentlichung eines vierseitigen Papiers für beendet erklärt. «Positionierung zur Wohnungspolitik von »R2G« ist es überschrieben, verfasst wurde es von aktiven Mitgliedern mehrerer Bezirksgruppen der Mietergemeinschaft. »Gegen die Mietenpolitik des rot-rot-grünen Senats gibt es im Abgeordnetenhaus keine linke Opposition«, sagt Philipp Mattern, einer der Autoren des Positionspapiers.

Mattern engagiert sich in der Friedrichshainer Bezirksgruppe und ist Redaktionsmitglied der hauseigenen Publikation »Mieterecho«. Er findet, dass auch die außerparlamentarischen Initiativen bisher kaum fundierte Kritik an der Mietenpolitik des neuen Senats üben.

Das Papier soll die Diskussion über eine neue mietenpolitische Opposition anstoßen. Gleich zu Anfang steht die These, dass es unter Rot-Rot-Grün keinen Bruch mit der Wohnungspolitik der Vorgängerregierungen gibt. Die Koalitionsvereinbarungen setzten sich vor allem in der Rhetorik, nicht aber im Inhalt von Rot-Schwarz ab.

Die zentrale Kritik der mietenpolitischen Aktivisten lautet, dass die drängenden Probleme des Wohnungsmarkts nicht benannt werden. »Begriffe wie ›Wohnungsnot‹ und ›Wohnungsmangel‹ tauchen schlichtweg nicht auf«, monieren die Kritiker. »Das Wohnungsproblem wird vom Senat nicht als Mehrheitsproblem anerkannt, sondern wie ein Randgruppenphänomen behandelt«, kritisiert Mattern. Das Papier verweist darauf, dass rund 60 Prozent der Haushalte aufgrund ihrer Einkommenssituation einen Wohnberechtigungsschein beanspruchen können.

Vor allem beim Bau landeseigener Wohnungen enttäusche das Koalitionspapier maßlos, heißt es im Papier. Die geplanten 30 000 Wohnungen in fünf Jahren seien nicht geeignet, den bestehenden Wohnungsmangel zu beheben. Die Verfasser verweisen auf eine Studie von Andrej Holm, die der inzwischen geschasste Wohn-Staatssekretär im Mai 2016 für die LINKE verfasste: Demnach fehlen in Berlin 125 000 Wohnungen. »Auch diese selbst produzierten Erkenntnisse werden in der Koalitionsvereinbarung negiert«, so das Resümee der Mietergemeinschaft.

Auch auf dem Gebiet der energetischen Sanierung, die mittlerweile zum Instrument der Verdrängung geworden sei, seien die Aussagen des Koalitionsvertrages enttäuschend. »Die Modernisierungsmieterhöhung nach Paragraf 559 des Bürgerlichen Gesetzbuchs muss abgeschafft werden«, sagt Mattern. »Es fehlt ein Ansatz, der in diese Richtung geht.«

Die Kritiker schreiben weiter: »Der neue Senat setzt sich rhetorisch von seinem Vorgänger ab, tatsächlich bedient er alte Rezepte und zeigt kein wirklich neues Problembewusstsein.« Sie verweisen darauf, dass die angekündigte Aufstockung der Bestände der landeseigenen Wohnungsbauunternehmen auf 400 000 Wohnungen durch Zukauf und Neubau schon in der im April 2016 veröffentlichten Roadmap der SPD und CDU aufgeführt wurde – allerdings mit einem Fahrplan von zehn Jahren statt wie jetzt von fünf. Mattern resümiert: »Es ist ein Zeugnis erschreckende Hilflosigkeit, die den realen Problemen auf dem Berliner Wohnungsmarkt in keiner Weise gerecht wird.«

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1043970.mietergemeinschaft-kritisiert-wohnungspolitik.html

Peter Nowak

Viel Unterstützung für Kiezladen in der Friedelstraße

„Neue Eigentümer, Modernisierung, Mieterhöhung, Kündigung“, stand auf dem Transparent der Neuköllner Kiezversammlung. Es wurde von einer Gruppe von ca. 20 Personen getragen, die mit einer kleinen Demonstration zur Friedelstraße 54 ihre von Räumung bedrohten Nachbar/innen begrüßten. Dem  Kiezladen F54, der im Erdgeschoss des Hauses sein Domizil hat, droht im April die Räumung. Zunächst wehrten sich die Bewohner/innen gegen die Pläne der Wiener Immobilienfirma  CITEC Immo Invest, das Haus Friedelstraße 54  zur Kapitalanlage zu machen. Die Firma hatte bereits  im Winter 2016  ein Baugerüst vor dem Gebäude aufstellen lassen. Doch zu der angekündigter Modernisierung ist es nie gekommen. Nachdem  die Bewohner/innen des Hauses, Ladenbetreiber/innen und Unterstützer/innen im März 2016 die Citec in Wien besucht hatten, begannen Gespräche über den Kauf.  Doch die Citec führte nur Scheinverhandlungen und verkaufte das Haus an die Firma  Pinehill in Luxemburg.  In einer Klausel im  Kaufvertrag  verpflichten sich die neuen Eigentümer, die bereits von der Citec eingereichte Kündigung des Kiezladens weiter zu betreiben. Das macht den Unwillen der Citec deutlich, dass der F54 nicht nur die Mieter/innen in der Friedelstraße 54 zum Protest gegen die drohende Verdrängung ermutigte. Sie brachten auch Mieter/innen anderer Citec-Häuser in Berlin an einen Tisch. Bei diesen Treffen stellte sich heraus, dass es in all den Häusern  ähnlich negative Erfahrungen mit dem Investor gibt. Bei einer Verhandlung im Spätherbst letzten Jahres  regte das Gericht einen Räumungsaufschub bis Ende März 2017 an. Die Ladenbetreiber/innen hatten aber sofort deutlich gemacht, dass sie auch danach nicht freiwillig gehen werden. Seit mehreren Wochen hatten sie mit ihren Anwält/innen  gegenüber der Pinehill signalisiert,  dass sie einen neuen  Vertrag zu den alten Konditionen abschließen würden.  Nachdem die Grundstücksverwalter in einem kurzen Schreiben an den Verein  des Kiezladens Akazie e.V., klarstellte, dass es kein Vertragsangebot geben werde, begann die Mobilisierung gegen die drohende Räumung.

Kundgebungen  sollen zur Organisierung von Mieter/innen beitragen

Unter dem Motto  „Kiezladen 54 kämpft uns Überleben“ werden nun jeden Sonntag zwischen 14 und 16 Uhr vor dem Haus Kundgebungen mit Kaffee, Tee und Kuchen organisiert. Dabei soll nicht nur der Kiezladen im Mittelpunkt stehen. „Eingeladen sind Kiez- und MieterInneninitiativen aus ganz Berlin“, erklärte Matthias Sander“ vom Verein Akazie e.V. gegenüber MieterEcho-Online. Bei der ersten Kundgebung hat dieses Konzept gut funktioniert. Es haben sich Initiativen vorgestellt, die in Neukölln und Friedrichshain gegen Verdrängung aktiv sind. Ein Vertreter der Neuköllner Kiezversammlung, die vor einigen Monaten auf Initiative des F54 entstanden ist und sich seitdem zu einem Forum entwickelt hat,  in dem sich Bewohner/innen von Neukölln unabhängig von Parteien und politischen Lobbygruppen gegen  die unterschiedlichen Formen von Verdrängung einsetzen, wies auf einen Aspekt hin, den die Mieter/innen mehr Aufmerksamkeit widmen sollten.  Es geht um Versuche von Unternehmen wie von Airbnb Berlin, die in Berlin gütige Zweckentfremdungsverordnung abzumildern oder ganz auszuhebeln.  Dazu bedienen sie Methoden der Community Organizing, beteiligen sich an der Gründung vom Homesharing-Clubs, die am 12.2.2017 in Neukölln einen  Airbnb-Marsch  organisierten. Auch die Airbnb-Konkurrenz versucht mit der Apartmentallianz die Zweckentfremdungsverordnung auf juristischem Wege auszuhebeln.  Es ist zu hoffen, dass auch auf den nächsten Kundgebungen Sonntag zwischen 14 und 16 Uhr  vor der Friedelstraße über Strategien der Investoren informiert und die Vernetzung der Mieter/innen dagegen vorangetrieben wird.
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/friedelstr-54-unterstuetzung.html

MieterEcho online 06.03.2017

Peter Nowak

Linke Demonstrationen zu verschiedenen Themen

Am Wochenende gab es in Neukölln und Kreuzberg linke Proteste. So demonstrierten am Sonnabend mehrere hundert Menschen in Neukölln gegen die Bedrohung durch Neonazis. Wie »nd« berichtete, gab es seit vergangenem Herbst über 20 rechte Attacken, neben Schmierereien auch immer wieder Brandanschläge. Eine weitere linke Kundgebung in Kreuzberg richtete sich gegen die Verdrängung von Kleingewerbe aus dem Wrangelkiez.

Am 25. Februar soll es zudem um 14 Uhr auf dem Heinrichplatz um eine weitere Demonstration gegen die sogenannte Gentrifizierung, also die Verdrängung von Alteingesessenen geben.

Rund 250 Linksradikale beteiligten sich außerdem am Samstagnachmittag an einer Demonstration, die von Kreuzberg zum Potsdamer Platz zog. Unter dem Motto »Smart Resistance« wurde das Digitalisierungskonzept Smart City kritisiert. Auf Transparenten und Flugblättern wandten sich die Teilnehmer gegen ein Smart-Lab von Google, das Ende 2017 in einem Kreuzberger Umspannwerg erricht werden soll.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1042396.linke-demonstrationen-zu-verschiedenen-themen.html

Peter Nowak

Die andere Seite Neuköllns

GENTRIFIZIERUNG

Wie geht es armen Menschen in dem hippen Kiez? Das war Thema einer Diskussion

Neukölln ist für InvestorInnen schon längst ein lukrativer Bezirk. Wie sieht es aber mit den einkommensschwachen Menschen in dem Stadtteil aus? Dieser Frage widmete sich amDonnerstagabend eine Veranstaltung der Berliner Mietergemeinschaft. Der Titel „… und am Ende wohnungslos?“ machte schon deutlich, dass Zwangsräumungen durchaus zum Alltag vieler Menschen im Kiez gehören.Zu Beginn zeigte die an der Alice-Salomon-Hochschule lehrende Armutsforscherin Susanne Gerull an Beispielen aus Politik und Medien auf, wie eikommensarme Menschen abgewertet werden, weil sie der Gesellschaft angeblich nicht nützten. Die Bild-Zeitung wurde ebenso erwähnt wie der ehemalige Wirtschaftsminister und Hartz-IV-Architekt Wolfgang Clement (früher SPD). Der Neuköllner Stadtteilaktivist Thilo Broschell berichtete dann, wie diese Abwertung konkret auch im Stadtteil umgesetzt werde. So seien auf Veranlassung des Quartiersmanagements Schillerkiez Bänke und Tische abgebaut worden, sagte Broschell. Dort hätten sich einkommensschwache Menschen niedergelassen, die sich einen Restaurantbesuch nicht leisten könnten Die Sozialwissenschaftlerin Nora Freitag erzählte von ihrer Arbeit als Leiterin der mobilen Erwerbslosenberatung „Irren istamtlich“ des Berliner Arbeitslosenzentrums. Die Beratung wirdderzeit temporär vom Senat finanziert. Das Thema Wohnen sei das Hauptproblem der Menschen, die Rat suchten, betonte Freitag. Dabei gehe es häufig um die Übernahme von Wohnkosten. Anträge auf ein Darlehen, um bei Mietschulden einen Wohnungsverlust zu vermeiden, würden teilweise so spät bearbeitet, dass die Betroffenen ein Kündigung erhielten, berichtete Freitag. Dann lehne das Amt den Antrag mit dem Argument ab, dass jetzt die Wohnung nicht mehr gesichert sei. Betroffene bestätigten, dass sie sich im Jobcenter öfters diskriminiert fühlten. Andere BesucherInnen informierten über die Aktion „Niemand muss allein zum Amt“. Dabei nehmen Betroffene Personen ihres Vertrauens mit zu den Jobcenterterminen, um der Behörde nicht hilflos ausgeliefert zu sein. Der Stadtteilladen Lunte etwa bietet mit seinen Erwerbslosenfrühstücken diese Form der Unterstützung an.

Taz 18/19. FEBRUAR 2017

Peter Nowak

Holm hätte alle enttäuscht

Andrej Holms Rückkehr in die außerparlamentarische Bewegung ist zu begrüßen.

»Nuriye, Holm, Kalle – wir bleiben alle«, unter diesem Motto fand am 28. Januar eine Demonstration von Studierenden und stadtpolitischen Gruppen in Berlin statt. Es ging um Kalle und Nuriye, zwei Menschen, die sich gegen Zwangsräumungen gewehrt haben. Vor allem aber ging es den Demonstrierenden darum, Solidarität mit Andrej Holm zu zeigen, dem linken Stadtforscher, der nach fünf Wochen als Staatssekretär für Wohnen und Stadtentwicklung zurücktreten musste und anschließen auch noch seine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berliner Humboldt-Univer­sität verlor. Diese Entscheidung der Hochschule hat dazu geführt, dass zum ersten Mal seit Jahren wieder einmal ein Universitätsgebäude besetzt wurde. Die Studierenden knüpften Kontakte zu stadt- und mietenpolitischen Gruppen. Dieses neue Bündnis organisierte dann die erste größere Demonstration der außerparlamentarischen Linken nach dem Regierungsantritt der Berliner Koalition. Welche Perspektive hat dieser neue Aktivismus? Es ist unklar, ob die Institutsbesetzung in den Semesterferien aufrecht erhalten werden kann. Ob Holm seine Stelle zurückerhält, entscheiden die Arbeitsgerichte. Sein kurzes Gastspiel als Staatssekretär ist aber endgültig beendet.

Ist das eine Niederlage oder vielleicht sogar ein Erfolg für die außerparlamentarische Bewegung? Diese Debatte müssen die mieten- und stadtteilpo­litischen Gruppen jetzt führen. Denn nicht nur für die Linkspartei sind nach dem kurzen Gastspiel des bewegungsnahen Forschers Holm in der Stadtpolitik viele Fragen offen, worauf Alexander Nabert in seinem Disko-Beitrag (Jungle World 4/2017) hingewiesen hat. Auch die sehr heterogene außerparlamentarische Linke sollte sich fragen, ob in Berlin einen Monat lang »ihr« Staatssekretär mit am Regierungstisch saß. Die Ernennung Holms im vergangenen Dezember kam für die meisten außerparlamentarischen Initiativen überraschend. Eigentlich hätte es der basisdemokratische Anspruch nahe­gelegt, dass Holm nach seiner Ernennung schnell seine Pläne und Vorhaben als Staatssekretär vor den Aktivisten zur Diskussion stellt. Doch zu einer solchen Versammlung kam es erst ein Monat später, nach Holms Entlassung, im Stadtteil Wedding unter dem Titel »Zurück in die Bewegung« statt. Hier erhielt Holm noch einmal kräftigen Zuspruch von seinen Unterstützerinnen und Unterstützern. Zu einer inhaltlichen Diskussion über die Frage, ob ein Staatssekretär, der sozialen Bewegungen nahe steht, überhaupt etwas verändern kann und ob es nicht für die oppositionelle Bewegung ein Glücksfall ist, dass er den Beweis gar nicht erst antreten musste, kam es jedoch nicht. Schon nach einer Stunde war das Treffen zu Ende, weil manche der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Veranstaltung im Gorki-Theater, bei der der Freitag-Herausgeber Jakob Augstein den Regierenden Bürgermeister Michael Müller interviewte, in kritischer Absicht besuchen wollten. Der Veranstaltungsort war weiträumig abgesperrt. An dem kalten Winterabend skandierten etwa 300 Linke einen etwas modifizierten Demoklassiker: »Wer hat Holm verraten? Sozialdemokraten! Wer war dabei? Die Linkspartei!«

Da bleiben wohl einige Fragen offen. Wären die beiden kritisierten Parteien akzeptabel gewesen, wenn Holm hätte im Amt bleiben können? Und wann hätte Holm mit der Kritik einer Bewegung rechnen müssen, die er angesichts der hohen Erwartungen, die in ihm gesetzt wurden, zwangsläufig ­hätte enttäuschen müssen? Das liegt nicht daran, dass er seine Ideale ver­raten hätte, um etwa »auf die andere Seite« zu wechseln, wie eine beliebte, unterkomplexe linksradikale Politikerschelte suggeriert.

Holm hätte die Bewegung enttäuschen müssen, schlicht weil ein Staatssekretär die Zwänge der kapitalistischen Verwertung nicht hätte außer Kraft setzen können. Das war ihm bewusst, wie ein Interview zeigt, das Holm kurz nach seiner Ernennung der Zeit gegeben hat und mit dem er vermutlich auch der skeptischen liberalen Mittelschicht signalisieren wollte, dass er nicht vorhatte, sozialistische Experimente in Berlin zu betreiben. Als konkrete Pläne nannte Holm dort die Ausweitung des Milieuschutzge­bietes, der Zweckentfremdungsverbote und des Vorverkaufsrechts der Bezirke. »Das freilich hört sich ganz anders an als das, was seine Fans von ihm erwarten. Nicht revolutionär, sondern realpolitisch geerdet«, kommentiert der Taz-Redakteur Uwe Rada Holms Pläne. Doch wenn er daraus folgert, es habe keine Kampagne der konservativen Medien und der Immobilienindustrie gegeben – »warum soll man einen stürzen, der nur Milieuschutzgebiete ausweisen will?« –, übersieht Rada, dass heute schon eine moderate Reformpolitik von Seiten des Kapitals als linksradikal angegriffen wird.

Da kann Holm im Interview noch so sehr betonen, dass das Eigentum nicht infrage gestellt wird, wofür auch viele staatliche Instanzen sorgen. Wenn er dafür gesorgt hätte, dass sich die Immobilienwirtschaft an die eigenen Gesetze hält, wäre das mit Gewinnein­bußen verbunden gewesen. Daher wollte man niemanden auf diesem Posten, der im Zweifel den Interessen der ­Mieter und Erwerbslosen näher steht als denen der Immobilienwirtschaft.

Der Publizist Götz Aly hat das in ­seinen Kommentaren in der Berliner Zeitung deutlich zum Ausdruck gebracht. Holms kurze Stasi-Tätigkeit sieht er als lässliche Jugendsünde. Viel gravierender sei, dass auch der Wissenschaftler Holm nicht das Loblied auf den real existierenden Kapitalismus sang: »Als 36jähriger begeisterte sich der nunmehr auf die Berliner Verfassung vereidigte Staats­sekretär Holm für die Ablehnung der Strukturen der repräsentativen Demokratie – sei es in Form von Parlamenten oder Parteien«, schreibt Aly. Stattdessen habe er für eine rätedemokratische »parallele Machtausübung und -kontrolle im Sinne antizipativer und protagonistischer Demokratie« geworben. »›Protagonisten‹ sind für den Autor Hartz-IV-Empfänger, also Menschen, die an den Rändern der Gesellschaft leben, denen ›Entscheidungsmacht‹ und der ›Hebel in die Hand gegeben‹ werden sollen, um ihre Interessen mit den Techniken der außerparlamentarischen Doppelherrschaft gegen ›alte Bürokratien‹, überkommene Gesetze und Eigentumstitel durchzusetzen.« Ali malt das Bild einer revolutionären Herrschaft an die Wand. In anderen Kommentaren wirft Aly Holm vor, antifaschistische Aktionen und Hausbesetzer unterstützt zu haben.

Was der vom Mitglied der Roten Hilfe zum Marktradikalen gewandelte Götz Aly anprangert, wäre das Arbeitsprogramm einer außerparlamentarischen Linken. Ihr müsste es darum gehen, durch rätedemokratische Strukturen Erwerbslosen, prekär Beschäftigten, Geflüchteten den »Hebel in die Hand« zu geben, also Instrumente, um sich gegen die alltäglichen kapitalistischen Zumutungen zu wehren und ihre Lebenssituation zu verbessern.

Spätestens jetzt, da es nicht mehr gilt, einen Staatssekretär zu verteidigen, sollte diese Organisation von unten im Mittelpunkt der außerparlamentarischen Arbeit stehen. Dabei könnte Holm der Bewegung mit wissenschaftlichem Rat zur Seite stehen. Das könnte auch dazu führen, dass die unterschiedlichen Fraktionen der außerparlamentarischen Linken bei allen poli­tischen Differenzen, die auch an der Causa Holm deutlich geworden sind, kooperieren. Schließlich gibt es auch Stadtteilinitiativen wie »Karla Pappel« aus Treptow, die Holms Rückkehr in die außerparlamentarische Bewegung begrüßen und seinen kurzen Abstecher in die Realpolitik für einen großen Fehler gehalten haben. Und dann gibt es die erklärten Gegner des Staates aus dem Umfeld der Rigaer Straße 94, die die Causa Holm nicht einmal kommentieren. Doch ihr Konzept eines rebellisches Kiezes, der sich gegen Staat und Polizei wehren soll, lässt außer acht, dass der Stadtteil schon immer von kapitalistischer, patriarchaler und rassistischer Unterdrückung geprägt ist und dass ein Kampf um mehr Lohn in einem Spätkauf oder eine verhinderte Zwangsräumung mehr emanzipatorisches Potential haben kann als die ewigen Scharmützel mit der Polizei.

http://jungle-world.com/artikel/2017/06/55710.html

Peter Nowak

»Das Kündigungsverfahren ist nur unterbrochen«

Vergangene Woche entschied das Berliner Landgericht, dass die linke Kneipe »Kadterschmiede« in der Rigaer Straße 94 vorläufig nicht geräumt wird. Die Jungle World hat mit dem Berliner Rechtsanwalt Lukas Theune gesprochen. Er vertritt das Hausprojekt »Rigaer 94« gegen die Räumungsklagen.

Vergangene Woche lehnte das Berliner Landgericht die Räumungsklage gegen die »Kadterschmiede« ab. Was war der Grund?

Ich hatte zu Verhandlungsbeginn einen Antrag gestellt, die Klage für unzulässig zu erklären, weil der Anwalt der Eigentümer keine Vollmacht vorweisen konnte und gar nicht klar ist, wer überhaupt der Eigentümer ist. Hintergrund ist, dass die Briefkastenfirma Lafone Investments Limited, die als Eigentümerin der Rigaer Straße 94 fungiert, seit dem 8. Juli 2016 keinen Geschäftsführer hat. Damals war der alleinige Geschäftsführer John Richard Dewhurst zurückgetreten. Damit ist die Firma in Deutschland prozessunfähig.

Was ist an der Behauptung des Eigentümeranwaltes dran, ihm sei die Vollmacht abhanden gekommen, als ihm zu Silvester von Unbekannten die Akten zur Rigaer Straße 94 aus seiner Kanzlei entwendet worden sind?

Ich halte das für eine Ausrede. Selbst wenn die Vollmacht Teil der abhandengekommenen Akten war – was ich nicht weiß –, hätte der Anwalt sich innerhalb eines Monats eine neue Vollmacht besorgen können.

Wie geht es in dem Verfahren jetzt weiter?

Das Gericht hat ein Säumnisurteil gegenüber dem Eigentümer erlassen, gegen das der Anwalt Einspruch eingelegt hat. Wenn der Anwalt nachweisen kann, dass er den Eigentümer des Hauses vertritt, wird das Verfahren fortgesetzt und die Räumungsklage geht weiter. Das Kündigungsverfahren ist also nicht beendet, sondern vorerst unterbrochen.

Wäre das nicht eine gute Zeit für eine außergerichtliche Einigung, die ja vom Gericht angeregt wurde?

Dazu gibt es zurzeit auf beiden Seiten keine Bestrebungen. Der Anwalt der Eigentümer hat vor einigen Monaten einen Vorschlag gemacht, der aber nur als Provokation gemeint war und von den Hausbewohnern mit Recht abgelehnt wurden. Danach hat der Eigentümer ständigen Zugang zu dem Haus gefordert und wegen jeder Straftat aus dem Haus hätte der Vertrag gekündigt werden können. Solange gar nicht klar ist, wer der Eigentümer ist, gibt es für die Bewohner auch keinen Grund, sich über eine Einigung Gedanken zu machen.

Bereits im Sommer 2016 wurde die versuchte Räumung der »Kadterschmiede« vom Gericht als rechtswidrig unterbunden. Wird entschiedener Widerstand der Bewohner juristisch belohnt?

Das Gericht guckt schon genauer bei Fällen hin, die stark in den Medien vertreten sind. Im Sommer 2016 gab es ja auch in der Nachbarschaft in Friedrichshain starke Proteste gegen die Belagerung der Rigaer Straße 94 und die Räumungsversuche. Andererseits haben der Eigentümer und die Politik versucht, an dem Hausprojekt Rigaer Straße 94 ein Exempel jenseits des Rechtsstaates zu statuieren. So ist der vor allem vom damaligen Innensenator Frank Henkel (CDU) vorangetriebene Räumungsversuch im Sommer 2016 als Kampfansage an die linke Szene zu verstehen. Da wollte man gegen ein linkes Projekt vorgehen und hat es mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht so genau genommen.

Kann man sagen, dass der Rechtsstaat in diesem Fall gesiegt hat, obwohl viele der Bewohner der Rigaer Straße 94 davon sprechen, der entschlossene Widerstand im Stadtteil hätte die Räumung verhindert?

Es war die Kombination aus entschiedenem Widerstand – nicht nur der Bewohner, sondern auch der Nachbarschaft – und der Nutzung der juristischen Mittel, die die Räumung der »Kadterschmiede« bisher verhindert hat. Man könnte in diesem Sinne sagen, der Rechtsstaat hat gesiegt, weil es Protest und Widerstand gab und gibt.

http://jungle-world.com/artikel/2017/06/55714.html

Interview:  Peter Nowak

Anwohner/innen im Friedrichshainer Nordkiez machen deutlich, dass Luxusneubauten dort nicht erwünscht sind

Punkt elf begann das Scheppern. Ca. 15 AnwohnerInnen im Friedrichshainer Nordkiez schlugen am eisigen Wintervormittag vor dem Eingang der Rigaer Straße 71-73 kräftig auf Pfannen und Töpfe. Seit fast drei Wochen findet an diesem Ort täglich um 19 Uhr für 10 Minuten das von NachbarInnen organisierte Scheppern gegen die CG-Gruppe statt (MieterEcho berichtete). Am 10. Februar fand die Aktion ausnahmsweise vormittags im Rahmen einer Pressekonferenz statt,  auf der die Aktionsgruppe gegen die  CG-Gruppe, zu der sich die AnwohnerInnen zusammengeschlossen haben, in der Öffentlichkeit noch einmal die Gründe deutlich machte, warum sie gegen den Bau des sogenannten Carré Sama-Riga protestieren, das nach den Vorstellung des Investors CG-Gruppe dort errichtet werden soll. Gudrun Gut von der Aktionsgruppe zitierte dazu aus einer Publikation der CG-Gruppe, in der sie deutlich machte, dass ihr Ziel die Aufwertung ganzer Stadtteile ist. Die zahnlose Mietpreisbremse wird in der Broschüre als Eingriff in die Eigentümerrechte bezeichnet und abgelehnt. Gudrun Gut beschrieb auch die Folgen des CG-Projekts für die einkommensschwachen Menschen, die im Kiez wohnen. Die Mieten steigen auch in der Nachbarschaft. Schon häufen sich Kündigungen, bevor mit dem Bau überhaupt begonnen wird.

Wo einst der Lidl stand, sollen Eigentumswohnungen und ein Hotel errichtet werden

Welche Auswirkungen die Aufwertung des Stadtteils auf die Umgebung hat, konnten die PressevertreterInnen gut beobachten Auf dem Areal der Rigaer Straße 36-39 waren die Abrissarbeiten nicht zu überhören und zu übersehen. Dort stand bis zum 31. Dezember 2016 eine Lidl-Filiale. Jetzt sollen auf dem Areal Eigentumswohnungen und ein Hotel entstehen. Schon klagen kleine LadenbesitzerInnen über massive Einkommensrückgänge seit der Lidl-Schließung. Die AnwohnerInneninitiative betonte, dass es ihr nicht um die Verteidigung des Geschäftsmodells von Lidl gehe. Sie wolle aber darauf hinweisen, wie erst die soziale Infrastruktur für Menschen mit wenig Einkommen verschwindet und dann die MieterInnen selber verdrängt werden. Ein Mitglied der Friedrichshainer Bezirksgruppe der Berliner MieterInnengemeinschaft stellte die geplanten Nobelbauten in der Rigaer Straße in den Kontext einer Stadtpolitik, die  Wohnungen für Vermögende und nicht für die Mehrheit der  Bevölkerung baut. Doch im Friedrichshainer Nordkiez könnten die  Pläne der CG-Gruppe ins Stocken geraten. Noch hat die BVV-Friedrichshain-Kreuzberg die Baugenehmigung nicht erteilt. Der neue Baustadtrat des Bezirks Florian Schmidt hat in einem Tagesspiegel-Interview erstmals Zweifel geäußert, ob die Pläne überhaupt genehmigungsfähig seien und sich ausdrücklich auf die Proteste sowie die Einwendungen gegen  das Carré Sama Riga bezogen. Für die CG-Gruppe war das der Grund, erstmals zwei Mitarbeiter als Beobachter in die  BVV-Sitzung zu schicken. Die Position der Stadtteilinitiative hat Gudrun Gut auf der Pressekonferenz noch einmal deutlich gemacht. Sie fordert einen Stopp aller Bauarbeiten und den Beginn einer öffentlichen Diskussion mit den Anwohner/innen  über  die Perspektive des Grundstücks. Die Aktionsgruppe machte allerdings  auch deutlich, dass sie auf Protest vor Ort und nicht auf Politikberatung setzt. Auch davon konnten sich die PressevertreterInnen mit eigenen Augen überzeugen. „Wer hier kauft, kauft Ärger, „CG-Gruppe nicht erwünscht“ und „Versagen der Stadtpolitik“ lauteten die Parolen, die  sehr deutlich auf den Bauzäunen zu sehen sind.#
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/rigaer-str-71-73.html

MieterEcho online 10.02.2017

Peter Nowak

„Exemplarisch für andere informelle Siedlungen“

GENTRIFIZIERUNG:Der Historiker Niko Rollmannarbeitet zur Geschichte der Cuvry-Brache

Niko Rollmann, 45 Jahre, Historiker, hat das Buch „Der lange Kampf – die Cuvrysiedlung in Berlin“ veröffentlicht (80 Seiten; 18 Euro). Bestellt werden kann es unter cuvry-siedlung@gmx.de.

taz: Herr Rollmann, warum ein Buch über einen Kampf, der bereits seit zwei Jahren durch die Räumung beendet ist?

Niko Rollmann: Zum einen geht es für mich darum, die Geschichte und Umstände dieser Siedlung in einer möglichst objektiven Form zu schildern. Denn zeit ihrer Existenz wurde die „Cuvry“ von den Medien zumeist in einer hochgradig verzerrten Form dargestellt. Zum anderen ist das Schicksal des Lagers exemplarisch für viele andere informelle Siedlungen in Berlin. Darüber hinaus zeugte die Siedlung auch als kleiner Mikrokosmos von Armut, Wohnungsnot und Verdrängung innerhalb dieser Stadt.

Sie sprechen von „Cuvry-Siedlung“ und nicht von „Cuvry-Brache“. Hat die Wortwahl eine Bedeutung?

Die Wortwahl ergibt sich daraus, dass das Areal ja bereits seit 1999 eine Brache ist. Und man könnte über das wechselhafte Schicksal dieser Fläche noch mal ein eigenes Buch schreiben! Aber mir ging es primär um die dort von 2012 bis 2014 existierende Siedlung.

Sie sprechen auch die Probleme an, die es mit der Siedlung gab. Wollten Sie damit die Romantisierung des Lebens in der freien Natur kritisieren?

Genau! Schließlich sollte die Siedlung gerade in der letzten Phase ihrer Existenz ein „hartes Pflaster“ sein. Es gab zum Beispiel Probleme mit Kleinkriminalität, Rassismus, Homophobie und Vermüllung. Und auch in gut funktionierenden informellen Siedlungen kann das Leben gerade im Winter recht anstrengend sein.

Haben Sie noch Kontakt mit BewohnerInnen?

Viele der ehemaligen BewohnerInnen sind seit der Räumung 2014 leider „vom Radarschirm“ verschwunden. Aber ja, zu mehreren Personen habe ich glücklicherweise noch Kontakt.

Auf dem Areal soll jetzt ein Nobelbau errichtet werden. Wolen Sie die Diskussion über die Bebauung noch einmal neu aufnehmen?

Sagen wir es mal so: Ich freue mich, dass es in Kreuzberg aktive Bürgerinitiativen gibt, für die in Sachen Cuvry-Brache noch nicht das letzte Wort gesprochen ist! Und ich weiß auch, dass viele BürgerInnen vor Ort Angst vor den Gentrifizierungstendenzen haben, die das Bauprojekt mit großer Wahrscheinlichkeit verursachen wird. Insofern betrachte ich mein Buch als Teil dieser Diskussion.

Informelle Siedlungen gibt es in Berlin auch außerhalb Kreuzbergs weiter. Wie sollte die Politik damit umgehen?

Die Politik sollte zuerst einmal genau hinschauen: Es gibt auf der einen Seite mehrere recht erfolgreiche informelle Siedlungen, die in der Tradition eines selbstbestimmten, alternativen Lebens im innerstädtischen Raum stehen. Sie symbolisieren die „Stadt von unten“-Bewegung, organisieren kulturelle Veranstaltungen und stellen eine Bereicherung für die Nachbarschaft dar – Orte wie zum Beispiel das „Teepeeland“ oder die „Lohmühle“. Die Politik sollte diese Siedlungen schützen und unterstützen. Andererseits gibt es aber auch „wilde Camps“, die für die AnwohnerInnen eine immense Belastung darstellen können. Hier muss die Politik ihre Verantwortung wahrnehmen und in einer sozialverträglichen Art und Weise eingreifen.

Taz, Die Tageszeitung, DONNERSTAG, 9. FEBRUAR 2017

Interview Peter Nowak

Wie Sozialer Wohnungsbau zur Profitquelle wird.

– „Deutsche Wohnen“ will in der Otto-Suhr-Siedlung Bestandsmieter/innen verdrängen.

Die Otto-Suhr-Siedlung nordwestlich vom Moritzplatz wurde in den 1950er Jahren errichtet. Viele der Mieter/innen die dort seit Jahrzehnten wohnen sind heute Rentner/innen und Familien mit geringen Einkommen. Sie befürchten jetzt, vertrieben zu werden. Denn seit November 2016 erhalten sie Modernisierungsankündigungen der Deutschen Wohnen (DW), einer Gründung der Deutschen Bank, die in Berlin zum marktbeherrschenden Investor geworden ist. Sie  wurde zum größten Wohnungsbesitzer Berlins, nachdem sie  die Gehag, die GSW sowie weiteren Wohnungsbesitz aus öffentlicher Hand aufgekauft hatte.  Die Otto-Suhr-Siedlung gehört dazu. Für die DW-Ökonomen gehört sie wegen ihrer exponierten Lage zu einer „Siedlung mit Potenzial“. Für die Mieter/innen ist das eine Drohung. Sie befürchten Mieterhöhungen, die sie mit ihren Einkommen nicht bezahlen können. So soll Manuela Besteck für ihre 58 Quadratmeter-Wohnung statt bisher 306 Euro nach der Modernisierung künftig 486 Euro zahlen.

Energetische Sanierung treibt Mieten in die Höhe
Dabei klagen die Mieter/innen schon lange, dass die DW notwendige Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten nicht ausführt. Nun will sie mit den energetischen Modernisierungsmaßnahmen, die vom Gesetzgeber geschaffenen Schlupflöcher nutzen, damit die Wohnungen für sie auch dann noch profitabel bleiben, wenn die Siedlung, wie von der BVV Kreuzberg-Friedrichshain geplant, zum Milieuschutzgebiet erklärt wird. Denn in Sanierungsgebieten sind energetische Sanierungen und die damit verbundenen Mieterhöhungen zu genehmigen.  Aber das Drohszenario, dass die DW mit den Modernisierungsankündigungen aufbaute, hat dazu geführt, dass sich die Mieter/innen organisieren. Unterstützt von Mieteraktivist/innen, haben sie Forderungen entwickelt und sind in der Öffentlichkeit gegangen. Am 8. Februar haben sie einen von 800 Menschen unterzeichneten Offenen Brief an die Mitglieder der BVV Kreuzberg-Friedrichshain übergeben. Dort sind auch sehr konkrete Forderungen aufgelistet. Dazu gehört die Rekommunalisierung der Wohnungen, eine Forderung, die sich auch an den neuen Berliner Senat richtet. Weitere Forderungen sind die Erstellung eines unabhängigen Gutachtens, mit dem ermittelt werden soll, wo und ob die geplante energetische Sanierung  überhaupt zum Energiesparen beitragen kann,  die Bereitstellung eines Raumes in der Siedlung, in dem sich die Mieter/innen treffen und organisieren können.  Als konkreter Ort wird eine geschlossene Bibliothek genannt. Tatsächlich haben sich die Mieter/innen und ihre Unterstützer/innen in den letzten Wochen häufig getroffen. In den letzten Tagen haben sie gemeinsam Unterschriften für den Offenen Brief gesammelt, Transparente gemalt, eine Pressekonferenz und eine Kundgebung vor der BVV-Versammlung organisiert. Die Parole „Gemeinsam gegen hohe Mieten und Verdrängung“ ist auf dem Leittransparent auf deutsch und Türkisch zu lesen. Schließlich sind viele der Mieter/innen, die in der Siedlung leben, in der Türkei geboren. So machen die MieterInnen der Otto-Siedlung auch deutlich, dass sie Spaltungsversuche nach Sprache, Ethnie und Herkunft ablehnen. „Wir leben hier. Wir sind alle von den hohen Mieten betroffen. Wir kämpfen zusammen. Das ist doch selbstverständlich, sagt eine Mieterin.

MieterEcho online 09.02.2017

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/dw-in-der-otto-suhr-siedlung.html

Peter Nowak