Conrad Kunze:
Deutschland als Autobahn
Eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus
Transcript-Verlag, Bielefeld 2022
458 Seiten, 48 Euro
ISBN 978-3-8376-5943-6
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Ausstellung „A 100 – Operation Beton“
bis 24.9. im Museum Neukölln,
Gutshof Britz, Alt-Britz 81,
tgl. 10-18 Uhr, Eintritt frei
26./27.8. Festival der Entschleunigung
2.9., 10 Uhr Baustellenbegehung
Bundesverkehrsminister Volker Wissing macht immer wieder deutlich, dass er den Bau weiterer Autobahnen fortsetzen will. Dazu gehört auch die Stadtautobahn A100 in Berlin. Der FDP-Minister und Freund der Automobilindustrie beruft sich dabei auf Pläne aus den 1990ern und ignoriert die Klimadebatte der letzten Jahre. Der Bau neuer Autobahnen ist das ganz falsche Signal. Doch es gibt auch historische Gründe, die für einen Kampf gegen Autobahnen sprechen. Diese hat der Kulturwissenschaftler Conrad Kunze von der FU Berlin in seinem Buch …
Besprechung von: Meike Gerber, Emanuel Kapfinger, Julian Volz (Hg.), Für Hans-Jürgen Krahl, Beiträge zu seinem antiautoritären Marxismus, Mandelbaum Verlag, Reihe Kritik und Utopie, Wien 2022, 18 Euro
Die von Emanuel Kapfinger als neoleninistisch bezeichneten linksautonomen Gruppen haben am Beispiel der Gelbwestenbewegung in Frankreich analysiert, dass es ihr nicht gelungen ist, eine linke Struktur zu bilden und sich dem Zangengriff von staatlicher Repression und reformistischer Vereinnahmung zu entziehen. Damit formulieren sie Erfahrungen, die viele außerparlamentarische Linke in den letzten Jahrzehnten immer wieder gemacht haben. Dazu beigetragen hat sicher auch, dass es eben in großen Teilen der gesellschaftlichen Linken an einer Organisationsdebatte, die mit einer permanenten politischen Praxis verbunden ist, fehlt. Vielmehr stürzen sich Linke in verschiedene Kampagnen, bis sie sich meistens nach einigen Jahren aus der politischen Praxis zurückziehen und Zuflucht in der Theorie suchen. Damit müsste doch eigentlich Theorie und Praxis zusammen gedacht werden. Nur dann können sich theoretische Erkenntnisse in der Praxis einschreiben und Erfahren aus der politischen Praxis wieder in die theoretische Arbeit aufgenommen werden. Genau das hat Krahl in der kurzen Zeit seines politischen Wirkens praktiziert. Für ihn gab es diese Trennung in Theorie und Praxis nicht. Auch das ist Vermächtnis von Krahl.
Am 17. Januar 2023 wäre Hans-Jürgen Krahl 80 Jahre alt geworden. Ein Sammelband will den Anstoß geben, sich wieder den Schriften dieses wichtigen Theoretikers der Außerparlamentarischen Opposition (APO) zu widmen. Dabei muss man sich die Frage stellen, welchen Gebrauchswert sie heute noch haben. …
Wem die Themen quer durch den kontinentalen Anarchismus und Anarchosyndikalismus etwas beliebig vorkommt, liegt nicht falsch. Das Theoriefestival ist 2018 entstanden, weil sich einige junge Akademiker*innen überlegt hatten, man müsste sich im Marx-Jahr theoretisch mit dem Autor des Kapitals in einer Stadt auseinandersetzen, die immerhin mal für einige Jahrzehnte dessen Namen getragen hat. Diesem hatte man sich nach der Wende schnell entledigt. Aber am Marx-Jahr wollte die Chemnitzer Stadtverwaltung doch profitieren und kreierte das Marx-Bier . Schließlich wurde der Marx-Kopf in der Innenstadt mittlerweile zur Attraktion für Tourist*innen. Die jungen Intellektuellen steuerten dann noch die Kantine Marx bei, einen Mix aus Festival und Theorie.
Es passiert schon selten, dass am Schluss eines Theoriefestivals ein Referent die Anwesenden dazu aufruft, in die FAU einzutreten. Damit beendete ein Redakteur der Theoriezeitung Tsveyfl sein Referat, das mit dem Titel „Der Anarchismus ist tot, es lebe der Anarchosyndikalismus“ zusammengefasst werden kann. Gehalten wurde es am letzten Tag des linken Theoriefestivals Kantine Sabot in Chemnitz. Es stand in diesen Jahr unter dem Oberbegriff „Geschichte und Theorie des Anarchismus“. Vom 31. Juli bis zum 6. August wurden …
Das Chemnitzer Zentrum Sabotnik stellte vom 31. Juli bis 6. August den Anarchismus ins Zentrum. Insbesondere Wohnungskämpfe nehmen darauf Bezug.
In der DDR diente das Gebäude am Rande des Chemnitzer Innenstadt als Schulkantine. Seit vielen Jahren hat dort das soziokulturelle Zentrum Sabotnik sein Domizil. Und hier fand in der vergangenen Woche die »Kantine Sabot« statt, ein Bildungsfestival mit Workshops, Diskussionen, Lesungen und Filmen zur Geschichte des Anarchismus. »Es ist ein Festival, das so nur in Chemnitz stattfinden kann«, erzählt Julian, der von Anfang an dabei war.Entstanden ist es 2018, als …
Encore un effort 2023 an effort again“: Katharina Karrenberg und Olivier Guesselé-Garai, After the Butcher. Bis 13. August, nach Voranmeldung mailto@after-the-butcher.de. Finissage: 13. August, 15–18 Uhr, 17 Uhr Performance von Katharina Karrenberg
In ihrer Kunst prangert Kathrina Karrenberg Gewaltstrukturen an. Im Lichtenberger Ausstellungsraum After the Butcher sind Zeichnungen aus drei Jahrzehnten zu sehen
Die Porträts der neun migrantischen Opfer des rassistischen Amoklaufs in Hanau vom 19. Januar 2020 waren in den vergangenen Jahren auf vielen Hauswänden zu sehen. Solidarische Menschen wollten auf diese Weise an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov erinnern. Jetzt hängen sie im Lichtenberger Ausstellungsraum After the Butcher. Der Projektraum für engagierte Gegenwartskunst gibt einen Überblick über das vielseitige Werk der Berliner Künstlerin …
Das Kunstwerk steht auch deshalb genau an der richtigen Stelle, weuk die Odergrenze bis zum Eintritt Polens in die EU auch tödliche Grenze des Schengenraums war. Die Zahl der Menschen, die beim Versuch, den Fluss zu überwinden, in der Oder ertranken, ist bis heute unklar. Elke Schmitt kann sich noch gut erinnern, wie 1993 Angehörige von Migrant*innen aus Asien auf der Suche nach vermissten Verwandten antirassistisch engagierte Menschen in Berlin kontaktierten. Sie fanden schließlich heraus, dass sie beim versuchten Übertritt der Oder ertrunken waren.
Die Stadtbrücke, die Frankfurt (Oder) mit der polnischen Nachbarstadt Słubice verbindet,ist zu allen Tageszeiten sehr belebt. Menschen passieren die Brücke in beide Richtungen. Einige sind verwundert über die Mauerstücke, die seitlich an der Uferpromenade auf der deutschen Seite die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Vor allem die messerscharfen Scherben am oberen Rand der Mauerstücke vermitteln ein Gefühl der Bedrohung und Angst. Sie erinnern an ähnliche Anlagen an den EU-Außengrenzen, wo sich Migrant*innen schwer verletzten, wenn sie die Barrieren überwinden wollen. Dabei betont die polnische Künstlerin Joanna Rajkowska, dass ihre Installation ein freundliches Kunstwerk sei. Es trägt den Titel …
Manfred Liebel / Philip Meade 2023: Adultismus. Die Macht der Erwachsenen über die Kinder. Eine kritische Einführung. Bertz + Fischer, Berlin. ISBN: ISBN 978-3-86505-768-6. 440 Seiten. 19,00 Euro.
„In Deutschland hatte der kommunistische Pädagoge Edwin Hörnle in den 1920er Jahren ein Konzept entwickelt, das auf der politisch verstandenen Selbstorganisation proletarischer Kindergruppen aufbaut. Ähnliche Ideen, die vor allem auf den Pädagogen und sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten Kurt Löwenstein zurückgehen, wurden im Arbeiterverein ‚Die Kinderfreunde‘ unter dem Namen Rote Kinderrepubliken bis zur Machtergreifung der Nazis praktiziert.“ . Leider wurde auf diese Konzepte im Buch nicht weiter eingegangen. Auch das mittlerweile nur noch antiquarisch erhältliche Buch „Betrogene Kinder: Eine Sozialgeschichte der Kindheit“ fehlt im umfangreichen Literaturverzeichnis.
Der Spielfilm „Das Lehrerzimmer“ hat im Frühjahr 2023 gleich mehrere Filmpreise erhalten. Eher selten wird bei den Lobreden erwähnt, dass der Film zeigt, wie sich die Schüler*innen gegen die autoritäre Herrschaft und Gängelung an einer scheinbar liberalen Schule auflehnen und dabei von den Lehrkräften immer wieder ausgebremst werden. Dabei werden unterschiedliche Herrschaftsmethoden angewandt. Während ein konservativer Lehrer Law and Order auch mit Polizei und Staatsgewalt an der Schule durchsetzen will, hofft ein Teil seiner Kolleg*innen, die autoritäre Agenda mit permanentem Druck gegenüber den Schüler*innen auch ohne Hilfe der repressiven Staatsapparate durchsetzen zu können. Beide Fraktionen sind sich darin einig, dass gegen die Jugendlichen eine Zero-Tolerance-Politik durchgesetzt werden muss. So ist der Film ein gutes Dokument des in der Gesellschaft ganz selbstverständlich herrschenden Adultismus, ein Begriff, der …
In Berlin-Neukölln erinnerte der Autor Conrad Kunze unter anderem daran, dass der Bau der Rennpisten für den motorisierten Verkehr in der Nazizeit viele Opfer unter Zwangsarbeitern forderte.
Aber Hitler hat doch die Autobahn gebaut. Diesen Spruch, der das verbrecherische NS-Regime relativieren sollte, hörte man bis in die 1980er Jahre in der BRD sehr oft. Als die ehemalige TV-Moderation Eva Herman 2007 in einer ARD-Talkshow behauptete, wir führen heute alle auf von den Nazis gebauten Autobahnen, wurde sie der Sendung verwiesen. Dabei hatte Herman in der Sache recht, sagt der Kulturwissenschaftler Conrad Kunze. Er hat über die Geschichte der Schnellstraßen in Deutschland geforscht und seine Ergebnisse in dem Buch »Deutschland als Autobahn« (Transcript-Verlag) veröffentlicht. Am Donnerstagabend stellte er seine Thesen in Berlin zur Diskussion. Während der Veranstaltung, die zum Begleitprogramm der aktuellen Ausstellung »A 100 – Operation Beton« im Museum Neukölln gehört, erläuterte er, dass der Autobahnbau in den 1930er Jahren in großen Teilen der Bevölkerung …
Adbusting gegen Hitler? Viele Antifaschist*innen werden über diesen Titel irritiert sein. Es ist ei-
ne Kapitelüberschrift in einer vor einigen Monaten veröffentlichten Broschüre des Berlin Busters Social Club (BBSC), der die satirische Ver- fremdung von Plakaten – das soge- nannte Adbusting – unterstützt und verbreitet
Genau das haben auch die NS-Widerstandskämpfer*innen der Roten Kapelle getan, die hierzulande lange Zeit als sowjetische Spion*innen bezeichnet wurden. Dabei wird allerdings die NS-Propaganda auch in der Nachkriegszeit übernommen, meist verbreitet von dem Personal, das nach 1945 auch in der BRD schnell weitermachen konnte bei der Verfolgung von Linken. Mittlerweile gibt es einen differen zierteren Blick auf die Rote Kapelle, bei der es sich um ein sehr großes …
Jule Ehms: Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis. Die Betriebsarbeit der Freien Arbeiter-Union Deutschlands von 1918 bis 1933. Westfälisches Dampfboot, 372 S., br., 40 €.
Doch nicht nur Arbeitskämpfe fochten die Syndikalist*innen aus. Die FAUD wandte sich von Anfang gegen Militarismus und Nationalismus, weshalb sie 1923 massive Probleme erfuhr, als mit der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen eine nationalistische Welle durch Deutschland rollte, von der auch Teile der Arbeiter*innen erfasst wurden. Die FAUD und ihr Umfeld machten keine Konzessionen.
»Wild, politisch ziellos und gewalttätig« – mit diesen Adjektiven belegte die Historikerin Petra Weber den syndikalistischen Flügel der Arbeiter*innenbewegung in der Weimarer Republik. Sie stand damit nicht allein. Auch viele andere Historiker*innen heften den Syndikalist*innen Etikette an, die jene als unbedeutende linke Splittergruppen abstempeln, die nur Unruhe gestiftet und keine gesellschaftliche Relevanz gehabt hätten. Jule Ehms vermutet hinter dieser Abwertung eine politische Agenda. »Die Strömungen der Arbeiter*innenbewegung, die den Funktionswandel der Gewerkschaften von einer reinen Interessenvertretung hin zu einer stärker systemstützenden Organisation nicht vollziehen und stattdessen an einem revolutionären Programm festhalten, wurden und werden als politische Akteur*innen auszuschließen versucht«, schreibt die junge promovierte Historikerin, die an der Martin-Luther-Universität Halle, an der Wiener Alma Mater und der University of Notre Dame (USA) Geschichte studiert hat. Sie hat eine beachtenswerte Publikation über die Arbeit der syndikalistischen Freien Arbeiter-Union in Deutschland in Betrieben zur Zeit der Weimarer Republik verfasst, die das immer wieder kolportierte falsche Bild zerfetzt. Vielmehr hatten syndikalistische Gewerkschaften nach der Revolution von 1918 …
Das Gespräch setzte mit dem sachlichen Vortrag Maßstäbe für die Veranstaltungsreihe zu der Ausstellung. Am 28. Juni wird ab 19 Uhr der Film »Antisemitismus als Kulturtechnik« von Leon Kahane und Fabian Bechtle gezeigt.
Der Titel der Ausstellung »Who by fire« im Haus am Lützowpark ist eine Hommage an den Künstler Leonard Cohen. Die Zeilen »Wer durch Wasser und wer durch Feuer, wer durch Schwert und wer durch wildes Tier, wer durch Hunger und wer durch Durst, wer durch Erdbeben und wer durch Pest« schrieb er nach seinem Aufenthalt in Israel während des Jom-Kippur-Kriegs 1973. »On Israel«, so lautet der Untertitel. Cohens Verse zeigen die gängige Modalität des Sprechens über den Staat in einem Kriegs- und Krisenmodus. In Deutschland funktioniert Sprechen über Israel oft über eine Antisemitismus-Debatte, bei der deutsche Befindlichkeiten ausgetauscht werden, die eine wirkliche Diskussion gar nicht erlauben. Dass die Veranstaltung »Über Israel reden«, die im Rahmen der Ausstellung am vergangenen Mittwoch stattfand, anders wurde, lag …
So ist „Rebellisches Berlin“ erfreulicherweise kein Standardwerk der linken Berliner Geschichte geworden, sondern ebenso mit Mängeln und Widersprüchen behaftet wie die Bewegungen, die dort beschrieben werden. Das ist durchaus als Kompliment zu verstehen.
Rebellisches Berlin beschreibt die Berliner Stadtgeschichte von unten – von der Seite der Kämpfe, der versuchten kaum geglückten sozialen Revolution(en).“ (S. 13) So beschreiben die Herausgeber*innen ihr Buch, das im Covertext den Anspruch formuliert, „eine einzigartige Mischung aus Reiseführer und Geschichtsbuch“ und gleichzeitig ein „Standardwerk der linken widerständigen Geschichte Berlins“ zu sein. Die Autor*innen des mit über 800 Seiten voluminösen Werks müssen daran scheitern. Eine linksradikale Gegengeschichte braucht schließlich kein Standardwerk. Steht dieser Anspruch nicht auch im Widerspruch zum subjektivistischen Blick viele Autor*innen auf die Geschichte, wie sie vor allem in den ersten neun der 13 Kapitel deutlich wird? Das Buch beginnt mit einem Aufruf zur …
Im Rahmen des Festivals sind sie, mit fantasievollen Namen versehen, temporär geöffnet. Da gibt es in der Alten Seilerei das »Amt für persönliche Zugewandtheit«, in dem für das Wochenende der Stadtvorleser residiert. Im »Amt für Psychogeographie« direkt gegenüber dem Rathaus sind während des Festivals Zeichnungen und künstlerische Installationen zu sehen. Am Abend gibt es dort Konzerte. Verantwortlich ist dafür der Berliner Musiker Marc Weiser, einer der Organisator*innen der Rathausspiele. Weiser ist Produzent experimenteller Musik
Rote Stoffbahnen hängen aus den Fenstern des alten Rathauses in der Brandenburger Kleinstadt Oderberg im Landkreis Barnim. Auf dem Rathausplatz stehen Stühle und Bänke, die sich langsam mit Besucher*innen füllen. Plötzlich erschallt lautes Glockengeläute über dem Rathaus, eine Frau stimmt aus einem der oberen Fenster des alten Gebäudes einen Gesang an. Die Szene ist Teil der Rathausspiele, mit denen Künstler*innen aus …
Brym skizziert die Bedingungen einer antagonistischen Linken in einer Zeit, die heute als erste deutsche Demokratie heroisiert und verklärt wird. Bei der Zerschlagung der Räterepubliken spielten auch führende bayerische Sozialdemokrat*innen eine unrühmliche Rolle. »Es ist daher kein Wunder, dass die verhängnisvolle Sozialfaschismustheorie bei den bayerischen Kommunisten sogar weitgehend auf Zustimmung stieß«, bemerkt Brym und hebt sich damit wohltuend ab von vielen Historiker*innen, die in dieser lediglich ein Diktat Stalins sehen und dabei vergessen, dass viele Arbeiter*innen in den Jahren 1919 bis 1923 die Erfahrung machen mussten, von durch Sozialdemokraten befehligte Polizei und Freikorps gejagt und verhaftet zu werden.
Bayern ist als Ort der Reaktion schon in der Weimarer Republik bekannt. In München begann der Aufstieg der NSDAP. Nürnberg wurde zum Inbegriff der Reichsparteitage der Nazis. Viel weniger ist über den linken Widerstand in Bayern bekannt. Vielleicht ist einigen gerade noch die Münchner Räterepublik im Gedächtnis. Umso verdienstvoller, dass Max Brym eine kleine Geschichte des antifaschistischen Widerstands in Südbayern vorgelegt hat. Der 1957 in Altötting geborene Historiker ist im Freistaat seit Jahrzehnten in der linken Bewegung aktiv und hat zur Geschichte der Linken schon einige Bücher verfasst. In seiner neuen Publikation beginnt Brym ebenfalls mit den verschiedenen Räterepubliken in Bayern 1919. Denn nicht nur in München, sondern in vielen kleineren Städten …
Besonders, weil sich die Herausgeberin Marie Rotkopf kluge Gedanken über Durkheims Schrift gemacht hat, ist das Buch mit Gewinn zu lesen. Dabei geht sie auch auf den neuen deutschen Militarismus ein, der sich in der unkritischen Parteinahme für „unsere Ukraine“ ausdrückt. Vor 30 Jahren wäre der schmale Band bei deutschlandkritischen Linken ein Beststeller geworden. Viele von ihnen haben heute die Parole „Nie wieder Deutschland“ durch „Nie wieder Russland“ getauscht und so verspätet doch noch Anschluss an die deutsche Volksgemeinschaft gefunden.
„Bald wird es nicht mehr die Rote Armee sein, die Auschwitz befreit hat, sondern das Asow-Bataillon
Diesen klugen Satz hat die deutsch-französische Schriftstellerin Marie Rotkopf in der von ihr neu herausgegebenen und kommentierten Schrift „Deutschland über alles“ geschrieben. Verfasst hatte den Text der französische Soziologe …