Das mediale Bild von Beate Zschäpe zeigt, dass Rassismus und Neonazismus nicht als strukturelles Problem gesehen wird
„Der Teufel trägt Prada“, titelte [1] der Südkurier. Bild textete [2] „Der Teufel hat sich schick gemacht.“ Die Taz zitiert [3] Nachbarn von Beate Zschäpe, die sie als Diddl-Maus bezeichneten. Charlie Kaufhold [4] hat sich in einem kürzlich erschienenen Buch [5] ausführlich mit dem medialen Bild von Zschäpe befasst.
Für  ihre Untersuchung hat sie Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, der  Taz, Spiegel-Online und der Bildzeitung analysiert. Damit hat Kaufhold  nicht nur verschiedene Zeitungsformate, sondern auch Medien mit  unterschiedlicher politischer Ausrichtung von konservativ bis  linksliberal einbezogen. Es gibt natürlich in Nuancen in der  Berichterstattung. Doch die Autorin konnte feststellen, dass Zschäpe  entweder dämonisiert oder bagatellisiert wird.
Hauptsache, den Katzen geht es gut
Die  letztere Vorgehensweise ist ziemlich deutlich festzustellen, wenn sich  beispielsweise in Facebook darüber ausgetauscht wird, wie es Zschäpes  Katzen wohl jetzt geht. Als sie bei ihrer verlesenen Aussage auch  erklärte, sie habe zeitweise die Katzen vernachlässigt, was für sie  untypisch gewesen sei, waren manche enttäuscht.
Die Ermordung von  10 Menschen durch den NSU hat scheinbar bei manchen weniger Emotionen  ausgelöst. Schwieriger ist schon, die mediale Dämonisierung zu  bestimmen. Charlie Kaufhold betont dabei vor allem, es gehe darum, dass  die Menschen, die mit Zschäpe vor ihrer Verhaftung in engerem Kontakt  standen, sich von ihr abgrenzen konnten. Begriffe wie Teufel sollen  Zschäpe aus der Menschheit entfernen.
Doch wo von Teufeln geredet  wird, kann von Rassismus und rechten Strukturen umso mehr geschwiegen  werden. Das beste Beispiel ist das enge Umfeld des heute bekannten  NSU-Trios, das angibt, von Zschäpe getäuscht worden zu sein. Dass die  vielleicht vom NSU nichts wussten, aber ein rechtes Weltbild hatten,  bleibt dabei ausgeblendet.
Das ist auch generell der Effekt, den  Kaufhold an der Art der Berichterstattung über Zschäpe sieht. Sie hat  ihr Buch vor der verlesenen Erklärung von Zschäpe fertiggestellt. Sie  betont allerdings, dass ihr Erklärungsansatz davon nicht tangiert worden  sei. Im Gegenteil, man könnte sagen, dass das Buch dadurch als  Diskussionsansatz noch wichtiger wurde.
Denn Zschäpes Erklärung  machte deutlich, dass sie selber die mediale Zuschreibung übernimmt und  sich als Frau darstellt, die von den Morden des NSU immer erst hinterher  erfahren haben will, die die Taten so verabscheute, dass sie ihre  Katzen sogar vernachlässigte und doch nicht von den beiden Uwes loskam,  weil die dann mit Selbstmord drohten.
Nun könnte diese Erklärung  eine juristische Strategie sein, um sich als schwache Frau zu  stilisieren und somit ein vorherrschendes Frauenbild zu benutzen.  Wahrscheinlicher ist aber, dass das Frauenbild in rechten Kreisen und in  großen der bürgerlichen Medienöffentlichkeit so unterschiedlich gar  nicht ist. Denn es ist nicht nur Zschäpe, die sich als unwissende Frau  darstellt.
Keine Kastrationsangst durch Nazifrauen
Auch  in anderen Gerichtsverfahren haben angeklagte Frauen aus der rechten  Szene diese Rolle bedient. Sie argumentierten teilweise, dass sie aus  Sorge um die Kinder politisch aktiv seien. Frauen aus der rechten Szene,  die sich politisch äußerten und zu ihren Taten bekannten, sind hingegen  nicht bekannt.
Wie gut die bürgerliche Öffentlichkeit dabei  mitspielt, sieht man allein daran, dass wohl kaum jemand weiß, dass in  der BRD eine Neonazifrau wegen eines Mordes an zwei Vietnamesen verurteilt [6] wurde. Sybille Vorderbrüggen [7] war Mitglied der Neonaziorganisation „Deutsche Aktionsgruppen“, die vor  35 Jahren eine Art NSU-Vorläufer war, aber schnell vergessen war.
Lediglich  der Altnazi Manfred Röder ist manchen noch bekannt. Auch die Opfer der  Neonazis der frühen 1980er Jahre sind vergessen. Erst im Zuge der  Diskussion um den NSU hat man überhaupt wieder an diesen rechten Terror  erinnert. Im Prozess wurde Vorderbrüggen ebenso verharmlost wie heute  Zschäpe. So schrieb die Zeit unter der Überschrift „Das Mädchen, das zur Bombe kam“ [8]:
„Als  könnte sie niemandem auch nur ein Haar krümmen: So freundlich lächelt  sie manchmal, zu Beginn einer Prozeßpause, ihre beiden Anwälte an. So  bescheiden wirkt sie, wenn sie den Gerichtssaal betritt, in ihrer weißen  Strickjacke mit Zopfmuster, grünem Trachtenrock mit passenden grünen  Wollstrümpfen. So lieb schaut sie aus mit ihren schulterlangen, breit  gekämmten Haaren und dem blassen, immer noch mädchenhaften Gesicht.“
Hier  wie bei heute Zschäpe werden Geschlechterstereotype verwendet, die in  weiten Teilen der bürgerlichen Gesellschaft geteilt wurden. Auf der  Veranstaltung machte eine Besucherin darauf aufmerksam, wie sich die  mediale Berichterstattung über militante Rechte von der  Berichterstattung über Frauen in militanten linken Zusammenhängen  gravierend unterscheidet.
Die Frauen aus der RAF wurden nicht als  untergeordnet, sondern als Kämpferinnen dargestellt, die sogar den  Männern in der Gruppe überlegen gewesen seien. Hier wurde das Bild von  kämpfenden Frauen gezeichnet, vor der Männer Kastrationsangst haben. Ein  solches Bild gibt es weder bei Zschäpe, noch gab es das bei  Vorderbrügge.
Es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, ob  zumindest Teile der Medien und das Gericht künftig mit Zschäpes  Erklärung argumentieren, um ihre These von dem Trio zu untermauern. Denn  es ist auffallend, dass die Angeklagte mehrere der in der öffentlichen  Diskussion strittigen Punkte über den NSU aufgegriffen und die  offizielle Version bekräftigt hat.
Das ist schon deshalb  bemerkenswert, weil es mit dem Bild von der unwissenden Frau kollidiert,  die mit den Aktionen des NSU angeblich nichts zu tun haben wollte.  Warum sie dann genau weiß, warum die Polizistin Kieswetter sterben  musste und dass es den NSU eigentlich gar nicht richtig gegeben hat, ist  dann schon erstaunlich.
Denn eigentlich gilt doch in  konspirativen Gruppen, dass Personen, die nichts mit den Aktionen zu tun  haben, auch nicht viel darüber wissen. Sollte das Gericht zumindest in  Teilen Zschäpes Aussagen übernehmen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis  sie auch dazu dienen, das NSU-Kapitel als aufgeklärt abzuhaken und jede  weitere kritische Nachfrage als lästiges Störfeuer zu betrachten.
http://www.heise.de/tp/inhalt/home/975.html
Peter Nowak
Links:
[1]
http://www.suedkurier.de/nachrichten/politik/Beate-Zschaepe-Der-Teufel-traegt-Prada;art410924,6050279
[2]
https://www.youtube.com/watch?v=RXqmTDWlCow
[3]
http://www.taz.de/!5062475/
[4]
http://www.feministisches-institut.de/zschaepe/
[5]
http://www.edition-assemblage.de/in-guter-gesellschaft/
[6]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14335330.html
[7]
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14335330.html
[8]
http://www.zeit.de/1982/08/das-maedchen-das-zur-bombe-kam