Fakten statt Ressentiments

Ein Büchlein geht der Flüchtlingskrise und den Argumenten, mit denen sie verwechselt wird, auf den Grund

Fakten statt emotional begründeter Vorbehalte: Ein kleines Buch ist verdienstvolle Handreichung zur aktuellen Debatte in der Flüchtlingspolitik.

»Und wenn Türken und Heiden kämen und wollen das Land peuplieren, so würden wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen«. Das Zitat wird dem Preußenkönig Friedrich II zugeschrieben, der den Zusatz »der Große« wegen vieler Kriege erwarb, für die er verantwortlich war. Des einen Ruhm, war der anderen Leid: verheerte Landschaften und dezimierte Bevölkerung waren die Folge. Durch eine großzügige Einwanderungspolitik wirkte Friedrich dem entgegen. Daran erinnert der Publizist Rainer Balcerowiak in seinen Buch »Faktencheck Flüchtlingskrise «, das in edition Berolina erschienen ist. Der kurze Exkurs in die Geschichte leitet über zum Kern des 120-seitigen Buches: die aktuelle Flüchtlingskrise. Balcerowiak benennt einige  Fluchtursachen und hier auch die Verantwortung deutscher Politik. So erinnert er an Deutschlands Rolle bei der Zerschlagung Jugoslawiens in den frühen 90er Jahren. Folge waren Tausende Flüchtlinge aus Bosnien und Kosovo. »Auch für wirtschaftliche Verwerfungen in Teilen Afrikas bis hin zu Hungersnöten trägt Deutschland ein gutes Stück Verantwortung «, schreibt Balcerowiak. Der Autor ist Journalist, unter anderem schreibt er für »neues deutschland « – entsprechend nähert er sich dem Thema. Fakten statt Emotionen findet der Leser rund um das komplizierte unterschiedliche Rechte auch von der

Zugehörigkeit zu verschiedenen Flüchtlingsgruppen abhängen. Häufig gestellte Fragen zur Migration werden prägnant und faktenreich beantwortet. Auffällig viele junge Männer fänden sich unter den Geflüchteten? Ja, denn sie haben die besten Voraussetzungen in ihren Familien für den gefährlichen Transit nach Europa. Zudem sind Frauen auf der Flucht besonderen Gefahren ausgesetzt, nicht zuletzt sexuell. Deutschland ist durch Völkerrecht und Grundgesetz zum Schutz von Flüchtlingen verpflichtet. Balcerowiak verweist auf den besonderen Schutzstatus minderjähriger Flüchtlinge. Ausführlich widmet er sich dem Prozedere des Asylverfahrens und legt dar, wie restriktiv das Asylrecht in Deutschland in der Regel ausgelegt wird. Erzählungen über ein angebliches Luxusleben von Flüchtlingen in Deutschland verweist er ins Reich der Mythen. Die Betroffenen erhalten (meist) ein kleines Taschengeld, sie haben nur eingeschränkten
Zugang zu medizinischer Versorgung. Der Autor stellt Ressentiments Fakten gegenüber, er ergreift zugleich Partei, wenn er für die Rechte Geflüchteter eintritt oder sich für ein Einwanderungsgesetz ausspricht. Aber er widerspricht auch der Forderung nach »offenen Grenzen für alle, immer und überall«, weil es objektive Grenzen der Zuwanderung gebe. Asylrecht und Genfer Flüchtlingskonvention seien allerdings keine Verhandlungsmasse, diese gelte es durchzusetzen. Balcerowiak warnt zugleich, alle wegen der Flüchtlingskrise besorgten Bürger zu Rassisten zu erklären. Wenn das Buch einige dieser besorgten Bürger davon abhielte, nach rechts abzudriften, wäre das sehr zu begrüßen.

Faktencheck Flüchtlingskrise: Was kommt auf Deutschland noch zu?«, 120 Seiten 9,99 Euro

https://www.neues-deutschland.de/artikel/995097.fakten-statt-ressentiments.html

Peter Nowak