Kritik an Diskriminierung von Flüchtlingen und Migranten in Deutschland nimmt zu

Links

[1]

http://www.grundrechtekomitee.de/node/592

[2]

http://freiburger-nacht.de/tatort-fr-bissierstrase-eilmeldung-razzia-in-fluchtlingswohnheim-soeben-polizeiaktion-angelaufen

[3]

http://mietenwahnsinn.rechtaufstadt.net/aktuell/altona-altstadt-offene-erkl%C3%A4rung-der-anwohnerinnen

[4]

http://www.heise.de/tp/artikel/39/39558/1.html

[5]

http://www.taz.de/!120251/

[6]

http://www.fr-online.de/offenbach/offenbach-gewalt-verletzte-bei-polizeikontrolle,1472856,23764396.html

[7]

http://www.fr-online.de/offenbach/demo-gegen-polizeigewalt-in-offenbach–ungluecklich-ausgerutscht-,1472856,23779868.html

[8]

http://asylstrikeberlin.wordpress.com/

[9]

http://www.bz-berlin.de/bezirk/kreuzberg/vergewaltigung-im-fluechtlingscamp-article1711166.html

[10]

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/debatte–im-fluechtlingscamp-vergewaltigungsvorwurf-ein–phantomdelikt–,10809148,23856880.html

[11]

http://de.indymedia.org/

[12]

http://www.taz.de/!120646/

[13]

https://www.facebook.com/DieLetzteMeileLaufenWir

Drohne über BND-Neubau in Berlin

Links

[1]

http://www.stadtentwicklung.berlin.de/planen/staedtebau-projekte/bnd/

[2]

https://digitalegesellschaft.de/2013/07/1-groser-bnd-spaziergang-am-29-7-um-19-uhr

[3]

https://digitalegesellschaft.de/

[4]

http://www.hedonist-international.org/

[5]

http://www.die-partei.de/

Kampagne gegen Neuvermietung von zwangsgeräumten Wohnungen

Vor fünf Monaten  sorgten die Proteste gegen die Zwangsräumung der Familie Gülbol in Berlin-Kreuzberg  in der Lausitzer Straße 8  für großes  Aufsehen.    Eine monatelange Kampagne mit bundesweitem Presseecho  konnte die Räumung nicht verhindern. Sie konnte aber nur mit  mehr als  800 Polizisten und einen über dem Stadtteil kreisenden  Hubschrauber durchgesetzt werden. Die Proteste haben auch dazu geführt, dass in Berlin und mittlerweile auch in anderen Städten Proteste gegen Zwangsräumungen von Mietern zunehmen.
Jetzt steht die seit der Räumung leerstehende  Wohnung der Familie  Gülbol im Fokus einer neuen Initiative. Das Berliner Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ hat in einen offenen Brief an die Anwohner und solidarische Menschen aufgefordert, dafür zu sorgen, dass diese Wohnung nicht wieder vermietet werden kann. In dem Brief argumentieren die Aktivisten auf zwei Ebenen: In einem  stark moralisch bestimmten Abschnitt heißt es,  dass mit der Aktion dafür gesorgt werden soll, „dass  das geschehene Unrecht sich nicht manifestiert und Unwissende nun diese Wohnung anmieten“. Daher soll mit der Kampagne  jeden potentiellen Interessenten  deutlich werden, dass aus dieser Wohnung Mieter zwangsgeräumt wurden. Im zweiten Abschnitt werden die ökonomischen  Interessen der Eigentümer  angesprochen, die durch die  Kampagne tangiert werden. „ Wir wollen also am Beispiel Lausitzer Straße 8 erreichen, dass diejenigen, die in unseren Wohnungen nichts als ihre Profite sehen, zukünftig erhebliche Probleme haben werden“, heißt es in dem Brief.  Dieser Aspekt könnte durchaus für Eigentümer relevant werden, die zu den Mitteln der Zwangsräumungen greifen und sie gegen alle Proteste durchsetzen. Konnten sie bisher darauf hoffen, dass das Thema in der Öffentlichkeit einige Zeit nach einer vollzogenen Räumung an Bedeutung verliert, so müssen sie nun damit rechnen, dass die Proteste auch noch Monate anhalten und sie daher daran gehindert sind, mit den Wohnungen Profite zu machen. Voraussetzung dazu ist allerdings, dass die Kampagne Unterstützung bei den Anwohnern findet. Denn anders als beim Protest gegen die Räumung für den berlinweit mobilisiert werden konnte, weil der Termin vorher feststand, werden Wohnungsbesichtigungen von potentiellen Nachmietern in der Regel nicht öffentlich bekannt gegeben.    Daher werden die Anwohner in dem Brief der Kampagne auch gebeten,  Informationen, die auf Besichtigungstermine oder andere Aktivitäten zur Neuvermietung der Wohnung in der Lausitzer Straße 8 hinweisen, zu melden.  Zudem sollen die zwangsgeräumten Wohnungen mit Plakaten und im Internet bekannt gemacht werden. Dann könnten sich Mieter bei der Wohnungssuche nicht nur  über die höhe der Miete  und die Lage,  sondern  auch die Sozialkompetenz der Eigentümer informieren.

MieterEcho online 29.07.2013

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/zwangsraeumungen.html

Peter Nowak

Ein Jubiläum kommt bestimmt

Die Technische Universität Berlin hat sich der Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit gewidmet.

»Universitäten oder Hochschulen besinnen sich meist dann auf ihre Geschichte, wenn ihnen ein Jubiläum ins Haus steht«, sagte Carina Baganz Mitte Juli im Lichthof der Technischen Universität (TU) Berlin. Die am Zentrum für Antisemitismusforschung arbeitende Historikerin stellte dort das von ihr herausgegebene Buch »Diskriminierung, Ausgrenzung, Vertreibung – die Technische Hochschule Berlin während des Nationalsozialismus« vor – drei Jahre vor dem 70. Jubiläum der TU.

Wenig überraschend für Kenner der Materie sind Baganz’ Forschungsergebnisse zur Entwicklung der Hochschule vor 1933. »An der TH Berlin hatte die nationalsozialistische Ideologie bereits lange vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten Einzug gehalten. 1927 löste die sozialdemokratische preußische Landesregierung die Studentenschaften auf, weil die sich geweigert hatten, die Zusammenarbeit mit großdeutschen antisemitischen Studentenschaften zu beenden, die Juden und Marxisten die Mitgliedschaft verweigerten. Schon 1931 erlangen die NS-Studentenverbände bei Studierendenwahlen fast eine Zweidrittelmehrheit.«

Nicht nur die Studierenden, sondern auch des Lehrpersonals der TH Berlin musste nach 1933 nicht gleichgeschaltet werden, weil dort schon vor 1933 großdeutsche und völkische Ideologien weit verbreitet waren. So war der Widerstand gering, als jüdische Wissenschaftler die Hochschule verlassen und oft auch ihre akademischen ­Titel zurückgeben mussten. Einige der Betroffenen verwiesen auf ihre patriotische Gesinnung und ihre Verdienste im Ersten Weltkrieg, was ihnen allerdings nur kurzzeitig das Amt rettete. Für die meisten entlassenen Wissenschaftler brach eine Welt zusammen. Mehrere Entlassene verübten Selbstmord, anderen gelang die Flucht. Nicht wenige wurden später in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.

Ein bisher noch wenig erforschtes Kapitel ist der Einsatz von meist osteuropäischen Zwangsarbeitern an der TH Berlin wie auch an anderen deutschen Hochschulen. Im Dachgeschoss eines Gebäudes der TH Berlin in der Franklinstraße 29 war ein Zwangsarbeitslager mit mindestens 140 als »Ostarbeiter« bezeichneten Männern, Frauen und Kindern eingerichtet worden, die in den letzten Kriegsjahren die Schäden beheben mussten, die durch Bombenangriffe an Einrichtungen der Hochschule entstanden. Die Existenz dieser Zwangsarbeiter wurde erst bekannt, als Baganz in alten Akten Beschwerdebriefe von Hochschulmitarbeitern entdeckte, die die »Ostarbeiter« für die Belastung der Kanalisation verantwortlich machten. »Die meisten von ihnen kommen aus Dörfern und haben weder jemals ein Klosett mit Wasserspülung gesehen, noch eine Ahnung von der Müllbeseitigung in europäischen Städten«, schrieb ein Oberingenieur Traustel im September 1944 an den Rektor der TH Berlin.

Ein weiteres Forschungsthema wäre der Umgang mit Opfern und Tätern an der Hochschule nach 1945. So wurde selbst ein Nationalsozialist der ersten Stunde wie Willi Willing, der sich an der TH Berlin für die Maßnahmen gegen jüdische Hochschulangehörige mit Hingabe eingesetzt hatte, als minderbelastet eingestuft. Willing war seit 1925 NSDAP-Mitglied und befasste sich neben seiner Universitätskarriere mit dem Einsatz von wissenschaftlich ausgebildeten KZ-Häftlingen in der NS-Forschung. Auch der letzte Rektor der TH, Oskar Niemczyk, konnte seine Wissenschaftslaufbahn schon 1946 an der neugegründeten TU Berlin fortsetzen. Zu seinem 75. Geburtstag im Jahre 1961 gab es an der Universität sogar eine Feierstunde. Während die meisten ehemaligen NS-Wissenschaftler nach 1945 ihre Karriere fortsetzen konnten, erging es den Opfern nicht so gut. Als Dimitri Stein, dem als Jude 1943 an der TH seine Promotion im Fach Elektrotechnik verweigert worden war, in den fünfziger Jahren seine Promotion an der TU Berlin zu Ende führen wollte, wurde ihm mitgeteilt, man habe nun ganz andere Sorgen. Erst 2008 wurde Stein nach 65 Jahren der Doktortitel überreicht.

Schon in den fünfziger und sechziger Jahren gab es engagierte Studierende und eine kleine Minderheit von Wissenschaftlern, die der Geschichte nachgingen und die Verstrickung ihrer Institute in den Nationalsozialismus erforschten. Sie waren in der Regel mit großen Schwierigkeiten bis hin zu Klagedrohungen konfrontiert, wie Gottfried Oy und Christoph Schneider in ihrem kürzlich unter dem Titel »Die Schärfe der Konkretion« im Dampfboot-Verlag erschienenen Buch detailliert nachweisen. Dort beschreibt Reinhard Strecker, der als Student 1959 mit der von ihm konzipierten Wanderausstellung »Ungesühnte Nazijustiz« für große Aufregung sorgte, die Reaktion des Dekans der Wirtschaftswissenschaften an der Freien Universität Berlin: »Das, was ich täte, dafür hätte man in der Weimarer Zeit die Leute ins Zuchthaus gesteckt und da gehörte ich auch hin. Dokumente aus dem Ausland zu besorgen, um Deutsche ins Gefängnis zu bringen, das sei wirklich das Letzte an nationaler Verkommenheit.« Auch der damalige Chefredakteur der Tübinger Studentenzeitschrift Notizen, Hermann L. Gremliza, war 1964 massiven Anfeindungen ausgesetzt, als er unter dem Titel »Die braune Universität. Tübingens unbewältigte Vergangenheit« die NS-Karriere des Juristen Georg Eißer und des Germanisten Gustav Bebermeyer nachzeichnete.

Oy und Schneider beschreiben in ihrem Buch sehr genau, wie sich aus diesen Auseinandersetzungen an vielen Hochschulen eine deutschlandkritische Bewegung entwickelte, die sehr schnell nicht nur die Ära des NS erforschen, sondern auch die Realität im Nachkriegsdeutschland kritisieren wollte. Welch zentrale Stellung dabei die Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus einnahm, zeigen die Autoren am Beispiel eines von den Wissenschaftlern Margherita von Brentano und Peter Furth veranstalteten Seminars mit dem Titel »Antisemitismus und Gesellschaft«, das ein wichtiger Bezugspunkt für eine neue Linke jenseits von SPD und KPD war. Dabei weisen die Autoren überzeugend nach, dass gera­de nach 1968 die Beschäftigung mit dem NS umschlägt in einen allgemeinen Kampf gegen Faschismus und Imperialismus. Besonders Rudi Dutschke wird ein »verflachter, nahezu sinnentleerter Faschismusbegriff« bescheinigt. In dieser Entwicklung sehen Schneider und Oy auch einen wichtigen Grund dafür, dass die neue Linke innerhalb kurzer Zeit mehrheitlich eine pro­israelische gegen eine antizionistische Politik austauschte.

Wie falsch die These vieler Achtundsechziger war, dass die deutsche NS-Geschichte bewältigt worden und deshalb der Kampf gegen den Imperialismus weltweit zu führen sei, macht nicht nur die Veröffentlichung über die NS-Geschichte an der TU Berlin selbst deutlich. Bei der Vorstellung des Buchs von Baganz war die Zahl der anwesenden Studierenden überaus gering.

http://jungle-world.com/artikel/2013/30/48143.html

Peter Nowak

Vor dem Auslandseinsatz geht es künftig zur Probe in die Altmark

[1]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152711

[2]

http://www.deutschesheer.de/portal/a/ha/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9jNTUoviMRL2UzNS84pLiktScHL301LTU5IyS4tLUpCr9gmxHRQCo_8Cq/

[3]

http://www.warstartsherecamp.org/

[4]

https://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F07%2F24%2Fa0092&cHash=bf7c353b62fbb245896155d1468596b7

[5]

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710445.pdf

[6]

http://www.warstartsherecamp.org/sites/default/files/files/Antwort%20KA%20GUEZ%20Z.pdf

[7]

http://www.warstartsherecamp.org/de/presse-zum-camp

[8]

http://www.streitkraeftebasis.de/portal/a/streitkraeftebasis/!ut/p/c4/NYvLCsIwEEX_KJOgInVnqAu3brTdSNoOZTAvJqOC-PEmC–BszlcGKES3YtWJ5Si83CDYabD9FblMd0zfVRmLAVVIBEkD9f2WFDNKaI0C0ah6pWdJFY5sfhWnsy1KFpg0Ka3eqv_M9-uG-1ptzeb_mwvkEM4_gA7KNra/

[9]

http://warstartsherecamp.org/de/story/pressemitteilung-3-27-juli-2013

[10]

http://warstartsherecamp.org/de/story/pressemitteilung-2-27-juli-2013

[11]

http://perspektive.nostate.net/235

[12]

http://www.edition-nautilus.de/programm/biografien/buch-978-3-89401-460-5.html

[13]

http://arab.blogsport.de/2011/11/21/23-november-solidaritaet-mit-inge-und-thies/

[14]

http://www.amazon.de/dp/3423005661/ref=nosim?tag=telepolis0b-21

Retortenstädte für den Krieg

Protest gegen Gefechtsübungsfeld in der Colbitz-Letzlinger Heide

Anders als in der Kyritz-Ruppiner Heide ist das Truppenübungsgelände Kolbitz-Letzlinger Heide fest in der Hand der Bundeswehr. Während das Bombodrom bei Wittstock von der Zivilgesellschaft quasi zurückerobert wurde, trainiert das Militär bei Letzlingen den Auslandseinsatz. Hier sammelten sich in den letzten Tagen Antimilitaristen zum Protest.

Glühend heiß war es am Samstag in der Kleinstadt Letzlingen in der Altmark. Kaum ein Mensch war auf der Straße. Doch eine große Anzahl von Polizeiwagen und Fahrzeugen mit der Aufschrift »Feldjäger« brachte ungewohnte Aufregung in den beschaulichen Ort. Der Anlass befand sich am Ortsausgang. Dort waren Transparente gegen Krieg und Militarismus angebracht. Neben einer uniformierten Puppe mit bunter Perücke hatte jemand ein Plakat mit dem Satz »Was für ein erhebendes Gefühl, von einer Frau erschossen zu werden« aufgeklebt.

Auf einem großen Transparent war die Parole »War starts here« (Der Krieg beginnt hier) zu lesen. Das war auch das Motto des einwöchigen Camps, das rund 300 Antimilitaristen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern wenige Kilometer von Letzlingen entfernt organisiert hatten. Das Ziel ihres Protestes war wie im letzten Jahr das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) wenige Kilometer von dem Ort entfernt. Hier probt die Bundeswehr seit 2006 den Einsatz im Ausland. Mitten in der Heide finden sich afghanischen Städten nachempfundene Straßenzüge. »Wir haben eine Altstadt, eine Neustadt, eine Stadtautobahn, die Kanalisation ist 1,5 Kilometer lang und begehbar. Dazu kommen Müllhalde, Trümmerfeld, Elendsviertel und die Moschee, die mit wenigen Handgriffen zur Kirche umfunktioniert werden kann«, wird der für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Oberstleutnant Peter Makowski in der Presse zitiert. Die Bundeswehr hat viel vor – auch in der Altmark. Bis 2017 soll dort die Geisterstadt Schnöggersburg entstehen. Von einer »Mischung aus Kinshasa, Timbuktu und Bagdad« schrieb die »Tageszeitung«.

Die Antimilitaristen wollen das Trainieren von Auslandseinsätzen nicht hinnehmen. »Wir sind überzeugt, dass wir die Pläne der Bundeswehr auch in der Altmark beeinträchtigen können«, sagt eine Aktivistin. Sie lobt das Camp, Kontakte seien geknüpft und informative Veranstaltungen organisiert worden. Daneben haben sich immer wieder kleine Gruppen in die Heide aufgemacht, um die Orte der Kriegsübungen zu markieren. Am vergangenen Donnerstag wurde dabei ein verlassener Bundeswehrkontrollposten entdeckt, in dem neben Berichten über GÜZ-Übungen auch Hakenkreuze zu sehen waren. In einer Pressemitteilung verlangen die Aktivisten Aufklärung, ob dafür mit der rechten Szene verbundene Soldaten verantwortlich sind.

Der Aktionstag am Sonnabend war Höhepunkt der Protestwoche. Nur ein Teil der Antimilitaristen suchte am Stadtrand von Letzlingen unter den Sonnenschirmen Schutz vor der drückenden Hitze – darunter auch Mitglieder der Linkspartei aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg, die zur Unterstützung Kaffee und Kuchen mitgebracht hatten. Die übrigen Aktivisten versuchten derweil auf das Gefechtsübungsfeld zu gelangen. Die Polizei hatte das Gelände wenige Meter hinter der Kundgebung zur Sperrzone erklärt. Jeder, der die Straße passieren wollte, erhielt einen Platzverweis. Doch viele Antimilitaristen hatten sich schon am frühen Morgen auf verschlungenen Wegen aufgemacht.

Am Samstagmittag hatten auch die Freunde der Bundeswehr eine Kundgebung angemeldet, an der schließlich rund 30 Personen teilnahmen. Augenzeugen erkannten darunter Personen aus der rechten Szene. Die meisten Teilnehmer verwiesen auf die Arbeitsplätze, die durch die Bundeswehr in der strukturschwachen Region entstünden. »Davon profitieren doch nur die Beerdigungsinstitute und Sargträger«, entgegnete eine Frau.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/828691.retortenstaedte-fuer-den-krieg.html

Peter Nowak

Niedriglohnspitzenreiter Deutschland

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Der Anteil der Geringverdiener ist hierzulande größer als in anderen westlichen EU-Ländern

Wieder einmal ist eine Studie zu Ergebnissen gekommen, die niemanden überraschen kann, der die politische Entwicklung in dem Land verfolgt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung [1] hat Zahlen vorgelegt [2], die beweisen, dass Deutschland europaweit zu den Spitzenreitern auf dem Niedriglohnsektor gehört.

In Deutschland verdiente im Jahr 2010 knapp ein Viertel aller Beschäftigten weniger als 9,54 Euro brutto pro Stunde, so die Studie. Damit ist der Anteil der Geringverdiener hierzulande größer als in anderen westlichen EU-Ländern. Wenn man ausschließlich Vollzeitbeschäftigte berücksichtigt, ist der Anteil in Deutschland mit rund einem Fünftel etwas niedriger, aber im Vergleich immer noch relativ hoch.

Wie in international vergleichenden Analysen üblich wurde in der IAB-Studie die Niedriglohnschwelle bei zwei Drittel des nationalen Medianlohns angesetzt. Der Medianlohn ist der mittlere Lohn: Die eine Hälfte aller Beschäftigten verdient mehr, die andere Hälfte weniger als den Medianlohn. Dieser Definition folgend lag die deutsche Niedriglohnschwelle im Jahr 2010 bei einem Stundenlohn von 9,54 Euro brutto. Länderübergreifend sind Frauen, Jüngere, Geringqualifizierte, Ausländer, befristet Beschäftigte und Arbeitnehmer in Kleinbetrieben unter den Geringverdienern überrepräsentiert. Die Niedriglohnquoten von Frauen und Teilzeitbeschäftigten sind in Deutschland besonders hoch. Zu den Geringverdienern zählen nicht nur Geringqualifizierte: Mehr als 80 Prozent der Geringverdiener in Deutschland haben eine abgeschlossene Berufsausbildung.

Niedriglohn nicht gleich Armut?

Die Forscher weisen darauf hin, dass Niedriglohnbeschäftigung nicht unbedingt mit Einkommensarmut einhergehen muss:

„Die Armutsgefährdung hängt nicht nur vom individuellen Bruttolohn, sondern auch von anderen Einkünften, von der Wirkung des Steuer- und Transfersystems und vom Haushaltskontext ab.“

Dabei wird aber nicht erwähnt, dass diese Leistungen an viele Voraussetzungen verknüpft sind, die die Betroffenen auch als Zumutungen empfinden. So gehörten zu diesen zusätzlichen Transferzahlungen Leistungen nach Hartz IV. Die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten ist in Deutschland bereits seit den 1990er Jahren deutlich gestiegen, doch so richtig steil nach oben ging sie mit der Einführung von Hartz IV.

Wenn die Lohnarbeit nicht mehr zur eigenen Reproduktion reicht, müssen sich immer mehr ihnen dem Hartz-IV-Regime unterordnen. Die ehemalige Jobcentermitarbeiterin Inge Hannemann [3] von der anderen Seite des Schreibtisches hat noch einmal das Ausmaß des Zwanges und der Unterwerfung deutlich gemacht, der damit verbunden ist. Sozialstaats- Armutsforscher kommen in einem kürzlich im Dampfboot-Verlag veröffentlichten Sammelband mit dem  Titel Wechselverhältnisse im Wohlfahrtsstaat [4] ebenfalls mehrheitlich zu einem vernichtenden Urteil über das Hartz IV-System. Daher ist die Ersetzung von einem Lohn, von dem man leben kann, durch Transferleistungen kein reines Zahlenspiel, sondern mit Unterwerfung und Zwang verbunden.

„Helft Heinrich“

Eine solche Studie wird ebenso im Sommerloch verschwinden, wie ähnliche mit dem gleichen Tenor, wenn sie von den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften nicht zum Anlass genommen wird, für höhere Löhne zu kämpfen. Der aktuelle Streik im Einzelhandel wäre eine gute Gelegenheit. Allerdings gibt es viele Indizien dafür, dass die Arbeitgeber die Weichen noch mehr in die andere Richtung stellen wollen. Die Löhne sollen noch mehr abgesenkt, also der Niedriglohnsektor noch weiter ausgeweitet werden.

Am Beispiel der Fast-Food-Kette Burgerking wurde dieser Klassenkampf von oben kürzlich wieder einmal öffentlich [5]. Aber es ist gut möglich, dass auch die DGB-Gewerkschaften nicht mehr tarifmächtig sind, wie der juristische Terminus heißt, wenn eine Gewerkschaft nicht mehr in der Lage ist, für ihre Mitglieder vernünftige Löhne durchzusetzen. Daher wäre ein Vorschlag noch einmal ernsthaft zu erörtern, den belgische Gewerkschaften unter dem Motto „Helft Heinrich“ [6] schon vor drei Jahren in die Diskussion brachten.

Die Idee dahinter ist einfach. Weil der Niedriglohnsektor nicht nur die Beschäftigten in Deutschland betrifft, sondern zu einer Abwärtsspirale bei Löhnen und Arbeitsrechten im gesamten EU-Raum führt, ist eine Unterstützung der Kollegen in Deutschland bei ihren Kampf um höhere Löhne nicht nur eine Sache gewerkschaftlicher Solidarität, sondern auch im wohlverstandenen Interesse der Beschäftigten in den anderen EU-Ländern. Dass Deutschland im Niedriglohnvergleich vor Zypern liegt, merkten einige Medien nach der Veröffentlichung der IAB-Studie mit Erstaunen an. Dabei ist die Erklärung einfach. Auf der Mittelmeerinsel existierten sehr kampfstarke Gewerkschaften, die lange Jahre hohe Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen, bis die von Deutschland beeinflusste Troika auch dort deutsche Verhältnisse anordnete.

Links

[1]

http:://www.iab.de

[2]

http://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/kb1513.aspx

[3]

http://www.ingehannemann.de/

[4]

http://www.dampfboot-verlag.de/buecher/924-3.html

[5]

http://www.taz.de/!120508

[6]

Helft Heinrich

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154699

Peter Nowak

Widerstand gegen Zwangsräumungen von Mietern weitet sich aus

Seit Jahren werden in Deutschland tagtäglich Mieter zwangsweise geräumt, weil sie ihre Miete nicht zahlen können. Lange Zeit hat sich dafür kaum jemand interessiert. Dass hatte sich seit Herbst 2012 geändert, als  in Berlin eine Bewegung gegen solche Zwangsräumungen entstanden ist.  Die betroffenen Mieter gingen gemeinsam mit  Mieterinitiativen und solidarischen Nachbarn an die Öffentlichkeit.  Der Tag der Zwangsräumung wurde so zum  Tag des Protests gegen hohe Mieten und Vertreibung von einkommensschwachen Menschen. In den letzten  Wochen gab es erstmals seit Jahren auch in anderen Städten solche Proteste gegen Zwangsräumungen.

70jähriger in Hamburg  zwangsgeräumt
Am 11. Juli beteiligten sich etwa 50 Menschen aus der Nachbarschaft und aus Mieterinitiativen an Protesten gegen die Zwangsräumung des  70jährigen Hans Werner M. durch Polizei und Gerichtsvollzieher.  Die SAGA GWG und das städtische Unternehmen Fördern & Wohnen (f&w) bestanden  trotz der Proteste  auf  der Durchsetzung der Räumung, schoben aber die Verantwortung auf die jeweils andere Partei. Der zwangsgeräumte Mieter bedankte sich bei den Unterstützern für die Solidarität. Er  unterschrieb schließlich einen Mietvertrag für eine ihm unbekannte Wohnung, weil ihm sonst die Obdachlosigkeit und die Einlagerung seines Hausrats auf eigene Kosten gedroht hätten. Der Mieteranwalt Andreas Blechschmidt erklärte, dass  Hans-Werner M. ohne den Protest gegen die auf der Straße gelandet wäre. „Es gibt in Hamburg etwa 1000 Zwangsräumungen pro Jahr Die Hälfte der Betroffenen wird obdachlos, „ erklärte der Jurist.
Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ in NRW gegründet
Auch in Nordrhein-Westfalen hat sich vor einigen Wochen ein Bündnis unter dem Motto „Zwangsräumung verhindern, Menschenrechte schützen, Solidarität zeigen“ (http://zrvnrw.wordpress.com/) gegründet. In Krefeld wurde eine terminierte Zwangsräumung nach Ankündigungen  von Protesten verschoben. Auch in Düsseldorf und Köln haben sich von der Räumung bedrohte Mieter an die Öffentlichkeit gewandt und  bekommen  von dem Bündnis Unterstützung. Am 15. Juli gab es in Bottrop Proteste gegen die Zwangsräumung der Mieterin Ursula K.  Ihr war nach langem Streit mit den Eigentümern  gekündigt worden. Die Kündigung wurde in zwei Instanzen vom Gericht  bestätigt. Die Mieterin wandte sich an das Protestbündnis. Am 15. Juli waren ca.30 Personen vor Ort, die aber die Räumung nicht verhindern konnten. Mehrere  Teilnehmer der Proteste waren nach einem Blockadeversuch kurzzeitig festgenommen worden. Nach der Sommerpause lädt das Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ ein NRW-weites Treffen ein  auf dem   es um die bessere e Koordinierung und Effektivierung ihrer Arbeit gehen soll.

aus:   MieterEcho online 26.07.2013

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/zwangsraeumungen-in-anderen-staedten.html

Peter Nowak

Zivilgesellschaft in Deutschland solidarisiert sich mit Snowden

Links

[1]

http://www.vdw-ev.de/index.php/de-DE

[2]

http://www.ialana.de/

[3]

http://www.transparency.de

[4]

http://www.vdw-ev.de/index.php/de-DE/arbeitsfelder-der-vdw/informationen-zu-qwhistleblowernq/preisverleihung-fuer-whistleblower

[5]

http://dejure.org/gesetze/GG/10.html

[6]

http://www.gesetze-im-internet.de/g10_2001/BJNR125410001.html

[7]

http://www.humanistische-union.de

[8]

http://www.humanistische-union.de/veranstaltungen/buergerrechtspreise/fritz_bauer_preis/

[9]

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9205805.html

[10]

http://www.moviepilot.de/movies/fritz-bauer-tod-auf-raten

[11]

http://www.antiprism.de/

[12]

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/daniel-bangert-und-mitstreiter-spazieren-zum-dagger-complex-a-912226.html

[13]

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kanzlerin-merkel-deutschland-ist-kein-ueberwachungsstaat-12287560.html

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154696

Ein fast vergessenes Opfer

NEONAZIS Vor 20 Jahren wurde Hans Georg Jacobsen ermordet. Am Sonntag wird an ihn erinnert

Am späten Abend des 28. Juli 1993 sind die drei Strausberger Neonazis René B., Henry G und Thomas D. nach einem Trinkgelage auf dem Weg in ihr Lehrlingswohnheim. In der S-Bahn treffen sie auf den allein in einem Waggon sitzenden erwerbslosen Hans Georg Jacobsen. Das rechte Trio prügelt sofort auf ihn ein und durchsucht seine Taschen nach Geld. Als sie nichts finden, stoßen sie ihn bei Petershagen aus dem fahrenden Zug. Als Polizei und Krankenwagen eintreffen, kann Jacobsen noch Angaben zu den Tätern machen. Wenige Stunden später stirbt er. Am Sonntag um 14 Uhr soll Hans Georg Jacobsen am Bahnhof Strausberg (Vorstadt) gedacht werden.

Die Kundgebung zum zwanzigsten Todestag ist maßgeblich vom Strausberger sozialen Zentrum Horte organisiert worden. „Wir kannten Hans Georg Jacobsen nicht. Aber wir wollen an ihn als ein in der Öffentlichkeit weitgehend unbekanntes Naziopfer erinnern“, sagte eine Horte-Mitarbeiterin der taz. Tatsächlich kamen die rechten Hintergründe des Trios vor Gericht kaum zur Sprache: Die Tat wurde als Raub mit Todesfolge aufgefasst. Die Täter, die sich vor Gericht völlig empathielos zeigten, wurden zu Jugendstrafen zwischen sechs und acht Jahren verurteilt und teilweise vorzeitig freigelassen. Der als Haupttäter verurteilte Rene B. erhielt in der Haft Unterstützung von der Hilfsorganisation für nationale Gefangene und deren Angehörigen (HNG) und war nach seiner Freilassung in der mittlerweile verbotenen Kameradschaft ANSDAPO (Alternative Nationale Strausberger Dart-, Piercing- und Tattoo-Offensive) aktiv.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F07%2F26%2Fa0136&cHash=e21493771215065413abbd185371a7c3

Peter Nowak

Der Film »Das Märchen der Deutschen« ist nicht im TV zu sehen

Ein neuer Film deckt die Mythen von der segensreichen Wirkung der Privatisierung des Sozialsystems auf.

Wie unter dem Dogma der Privatisierung der Sozialstaat demontiert wird, zeichnet der Regisseur Rolf T. Niemeyer in seinem 70-minütigen Film »Das Märchen der Deutschen« faktenreich nach. Hier werden Themen angesprochen, über die in der Republik selbst im Vorwahlkampf kaum gestritten wird. Weil Grüne und SPD wesentliche Weichenstellungen für die Deregulierung und Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen mit betrieben haben, haben auch sie wenig Interesse daran. Die Rolle des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück als Minister der großen Koalition kommt im Film ebenso zur Sprache wie der Umbau des Sozialstaats unter Rot-Grün.

In den Gesprächen, die Niemeyer mit der kürzlich geschassten Hamburger Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann sowie mit Erwerbslosen geführt hat, wird eine soziale Realität deutlich, die im Märchen vom boomenden Wirtschaftswunderland Deutschland ausgespart wird. Die Interviews, die der Filmemacher mit dem Mitbegründer des globalisierungskritischen Internetportals »Nachdenkseiten«, Albrecht Müller und mit Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) geführt hat, gehören zu den Höhepunkten des Films. Beide äußern sich zur Zerschlagung eines weitgehend solidarischen Rentensystems zugunsten der privaten Versicherung. Müller geht auf die publizistische Vorarbeit nicht nur von Medien des Springer-Konzerns ein, in der das bisherige Rentensystem als überholt und unbezahlbar diskreditiert wurde. So konnte ohne große Opposition eine Politik umgesetzt werden, die Blüm als Anschlag auf die Rentenversicherung bezeichnet. Er legt dar, wie die einst als Zusatz beworbene private Altersvorsorge zur zentralen Säule des neuen Systems wurde. Die Folgen werden im Film nicht ausgespart. Während die privaten Rentenversicherer und ihre Förderer wie Ex-Minister Walter Riester von der Entwicklung profitieren, sind viele ältere Menschen von wachsender Altersarmut und der Heraufsetzung des Rentenalters betroffen. Blüm spricht den simplen Zusammenhang an, dass die Gelder, die in private Versicherungen fließen, einem solidarischen System verloren gehen.

Die wirtschaftsliberalen Mythen, die in den großen Parteien und großen Teilen der Bevölkerung weiterhin hegemonial sind, werden von kundigen Interviewpartnern demontiert. Ob der Film deshalb keine Nische im öffentlich-rechtlichen Fernsehen findet?

Kostenloser Download im Internet unter: »vimeo.com/ 69953698«. Eine DVD ist auf Spendenbasis (mindestens 3 Euro) erhältlich: per Mail unter oder postalisch unter Ralph Niemeyer, Kurze Straße 14, 26382 Wilhelmshaven.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/828454.umbau-des-sozialstaats.html

Peter Nowak

Häuserkampf in Holland?

nd: Auch in den Niederlanden nehmen Wohnungsnot und Räumungen zu. Gibt es Widerstand?
Verweij: Das Problem wird eher als individuelles gesehen. Eine Bewegung dagegen gibt es bisher nicht. Aber es existieren mehrere Mieterorganisationen, von denen die meisten jedoch auf Seiten der Wohnungsbaugesellschaften stehen. Dazu trägt auch die niederländische Tradition der Konsensgesellschaft bei. Soziale Konflikte werden in der Regel nicht konfrontativ ausgetragen. Wenn es Konflikte gibt, werden sie meist auf institutioneller Ebene gelöst.

Sie haben kürzlich bei einer Veranstaltung mit dem Titel »Sozialer Wohnungsbau ade« in Berlin über die Lage in den Niederlanden informiert. Wann ging es in Ihrem Land mit bezahlbarem Wohnraum zu Ende?
In den Niederlanden waren 2,3 Millionen der insgesamt drei Millionen Mietwohnungen Eigentum von Wohnungsbaugesellschaften. Sie machten keinen Gewinn und wurden vom Staat reguliert. Das änderte sich 1995, als sie privatisiert wurden und der Profit in den Fokus geraten ist. Die Regierung will die Wohnungsbaugesellschaften völlig dem freien Markt ausliefern. Damit ist das seit 1900 bestehende System des sozialen Wohnungsbaus beendet.

Die Niederlande sind als Ursprungsland der Kraakerbewegung bekannt. Sie hatte eine große Bedeutung für Hausbesetzungen in vielen Ländern. Welchen Einfluss hat sie heute auf die Mieterbewegung?
Das sind verschiedene Welten und Kulturen. In Gegenden, in denen Nachbarschaftsinitiativen gegen Gentrifizierung bestehen – wie in Amsterdam – gibt es aber Kontakte zur Kraakerbewegung.

In welchem Bereich engagieren sich solche Initiativen?
Ein gutes Beispiel ist Nieuw Crooswijk in Rotterdam-Ost, wo die Stadt 1800 von 2100 Sozialwohnungen abreißen wollte, um Eigentumswohnungen für Bewohner mit höheren Einkommen zu errichten. Es ist das erste Public-Private-Partnership-Projekt des Landes und zum Vorbild für andere Städte geworden. Aber dagegen gibt es mehrere Initiativen.

Zuletzt haben die Niederlande mit Antikraak-Projekten von sich reden gemacht. Was ist das?
Leerstehende Wohnungen sollen kurzfristig gegen eine Nutzungsgebühr an einkommensschwache Mieter vergeben werden, die sofort ausziehen müssen, wenn der Eigentümer es wünscht. Damit sollen Besetzungen verhindert werden. Die Nutzer verzichten dabei auf sämtliche Rechte.

Warum lassen sich Mieter darauf ein?
Das ist eine Folge der Wohnungsnot gerade bei Menschen mit geringem Einkommen. Zudem werden die Antikraak-Projekte in der Öffentlichkeit als modernes und flexibles Wohnen hochgelobt. Gegen diese Projekte gab es aber bereits im Parlament eine Gesetzesinitiative, um die Zahl der Antikraak-Firmen zu begrenzen. Für Druck sorgte auch ein Film. Zunächst schien es eine Mehrheit für die Regulierung zu geben. Doch die neoliberalen Parteien verwässerten das Gesetz. Jetzt sollen sich die Antikraak-Firmen ein freiwilliges soziales Siegel geben.

War die Debatte damit beendet?
Im Parlament schon. Aber die sozialen Bewegungen haben das Thema weiter im Blick.

Interview: Peter Nowak
http://www.neues-deutschland.de/artikel/828462.haeuserkampf-in-holland.html


Wenn Geiselnahme von Politikern und Barrikaden vor dem Parlament ein gutes Zeichen sind

Links

[1]

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2189296

[2]

http://www.gerb.bg/

[3]

http://www.n-tv.de/politik/dossier/Borissow-raeumt-auf-article482144.html

[4]

http://pbs-d.bg/home-2/

[5]

http://www.heise.de/tp/artikel/39/39040/1.html

[6]

http://www.heise.de/tp/artikel/39/39366/1.html

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154692

Peter Nowak

Von wegen Tempelhofer Freiheit

NS-GESCHICHTE In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand erinnert eine Schau an das KZ Columbiahaus

„Mit Fußtritten vom Auto heruntergehauen wurde das ,Kommunistenschwein‘ zum Wachhabenden gebracht.“ So beschreibt ein kommunistischer Nazigegner seine Einlieferung in das Gefangenenlager Columbiahaus im Sommer 1933. Der in der antifaschistischen Exilpresse veröffentlichte Bericht ist in einer eben eröffneten Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand zu lesen, die die Geschichte des Konzentrationslagers am Tempelhofer Feld nachzeichnet.

Das Columbiahaus wurde im Juli 1933 als Haftlager der Gestapo in einer ehemaligen Militärstrafanstalt errichtet. Wegen der ständigen Misshandlungen und Demütigungen der Wachmannschaften war es von NS-GegnerInnen als Marterhölle in Berlin gefürchtet. Auf 31 Tafeln werden exemplarisch Biografien von Nazigegnern, die das Columbiahaus durchlitten hatten, vorgestellt. Zu den dort Inhaftierten zählten die Schriftsteller Kurt Hiller, Armin T. Wegener und Berthold Jacob. Der Pazifist und Mitarbeiter der Weltbühne Jacob verfasste schließlich in der Schweiz einen Bericht über seine Erlebnisse im Columbiahaus unter dem Titel, der auch der Ausstellung den Namen gab: „Warum schweigt die Welt?!“

Auch auf die gewerkschaftlichen und kommunistischen Gefangenen wird in der Ausstellung eingegangen. Auf drei Tafeln gibt es Informationen zu den im Konzentrationslager Columbiahaus inhaftierten und ermordeten Homosexuellen.

Auf der letzten Tafel wird aufgezeigt, dass fast alle Verantwortlichen für diese Verbrechen im KZ Columbiahaus nie bestraft wurden. Im Nachkriegsberlin war das Columbiahaus bald ebenso vergessen wie das Zwangsarbeiterlager, das später auf dem Tempelhofer Feld errichtet wurde. Dass heute auf Berlins grüner Lunge einige Stelen daran erinnern, ist engagierten BürgerInnen zu verdanken, die seit Langem einen Gedenkort an dem Platz einfordern, der immer noch Tempelhofer Freiheit genannt wird. Was nach dem Ausstellungsbesuch nur noch als Zynismus bezeichnet werden kann.

„Warum schweigt die Welt?!“: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstr. 13/14, bis 11. Oktober

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F07%2F25%2Fa0132&cHash=22de0f66e1aa24714a70a3cdce1a2158

Peter Nowak

Flüchtlinge als Kofferträger

Für 1,05 Euro beschäftigte Schwäbisch Gmünd Asylsuchende

Der Bahnhof in Schwäbisch Gmünd wird umgebaut, und die Wege für Reisende sind beschwerlich. Um sie zu entlasten hat die Stadt Asylsuchende zum Niedriglohn als Gepäckträger eingesetzt. Nach bundesweiter Kritik wurde das Projekt jedoch am Mittwoch wieder eingestellt.

Für den Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd Richard Arnold (CDU) sollte es ein Projekt mit bundesweiter Ausstrahlung sein. Stattdessen hagelte es dermaßen Kritik, dass es am Mittwoch wieder eingestellt wurde. Am 4. Juli stellte Arnold gemeinsam mit Stadtrat Klaus Pavel eine Gruppe von Flüchtlingen vor, die am Bahnhof der baden-württembergischen Stadt Koffer und anderes Gepäck von Touristen transportieren sollten. Weil der Bahnhof gerade umgebaut und restauriert wird, müssen Reisende oft lange Wege zu ihren Bussen und Taxen zurücklegen. Vom Bahnsteig muss man außerdem über eine steile Treppe steigen, was insbesondere mit Gepäck mühsam ist. Die Kofferträger bekommen von der Stadt einen Stundenlohn von 1,05 Euro – was diese damit begründet, dass ein höherer Lohn laut Asylbewerberleistungsgesetz nicht erlaubt sei. Zudem erhalten sie ein Ticket zum Bahnhof und ein rotes T-Shirt, auf dem groß das Wort »Service« gedruckt ist. Als Schutz gegen die Sonne werden auch Hüte zur Verfügung gestellt.

»Wir brauchen solche Projekte. Es ist toll, dass Flüchtlinge eingebunden sind. So kann sich gegenseitig geholfen werden und es können Sympathien entstehen,« erklärte Arnold dem Lokalblatt »Gmünder Tagespost«. Das Projekt könne als Vorbild dienen für andere Städte, waren sich Oberbürgermeister und Stadtrat sicher. »Wir haben in Gmünd viele Flüchtlinge, und es werden stetig mehr. Da setzen sich die Bürger natürlich mit dem Thema auseinander. Es ist toll, wenn das durch eine witzige und tolle Aktion geschieht, die beiden Seiten was bringt«, übte sich Arnold im Selbstlob. Das Projekt geht über das Koffertragen hinaus: andere Flüchtlinge helfen im Blindenheim oder bei der Lebenshilfe aus.

Die Kritik vor Ort war lediglich verhalten. Die Schwäbisch Gmünder Linke monierte vor allem die geringe Entlohnung der Kofferträger. »Man wird das Gefühl nicht los, dass die Stadtverwaltung die prekäre Situation dieser Menschen ausnutzt«, so die Sprecherin der Linken Cynthia Schneider. »Es kann nicht sein, dass die Situation der Menschen dafür genutzt wird, Engpässe bei der Stadtverwaltung mit Ein-Euro-Jobs aufzustocken und dann noch von Integration zu sprechen«, moniert der Schwäbisch Gmünder Bundestagskandidat der Linken Jörg Drechsel. In einer Resolution an den Oberbürgermeister wurde ein Mindestlohn für die Kofferträger gefordert. »Das, was zurecht für hier dauerhaft lebende Menschen gefordert wird, muss ja wohl für alle Menschen gelten, sonst entsteht der Eindruck, dass dies Menschen zweiter Klasse sind. Das kann ja wohl niemand wollen«, so das Vorstandsmitglied der Linken in Schwäbisch Gmünd Kai Jünger.

Eine grundsätzlichere Kritik an dem Kofferträger-Projekt kommt vom Berliner Bündnis »Rechtspopulismus stoppen«. Vom »Sklavenmarkt in Schwäbisch Gmünd« spricht Sprecher Dirk Stegemann. Die Flüchtlinge würden als billige Kofferträger für die »weißen« Herren genutzt. Die »Billigarbeiter« seien weiter ohne Rechtsanspruch und Arbeitserlaubnis. Von einer »Freiwilligkeit« auszugehen, sei mit Blick auf ihre prekäre rechtliche, finanzielle und unmenschliche Lebenssituation zynisch und menschenverachtend.

Die Idee von Ein-Euro-Kofferträgern ist nicht ganz neu: Schon 2008 sorgte der Einsatz von Erwerbslosen für bundesweites Aufsehen und Kritik, die für nur einen Euro Stundenlohn am Bahnhof im nordrhein-westfälischen Soest Gepäck schleppen sollten. Auch dieses Projekt wurde bald abgebrochen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/828336.fluechtlinge-als-koffertraeger.html

Peter Nowak