Die SPD, die Sicherheit und die NSA-Debatte

Links

[1]

http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/

[2]

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16516

[3]

http://jungle-world.com/artikel/2013/28/48085.html

[4]

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2187981/

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154686

Arm durch hohe Mieten

Laut einer von der Bertelsmann  Stiftung  am 22. Juli vorgestellten Studie   geraten immer mehr einkommensschwache Menschen durch hohe Mieten unter das Hartz IV-Niveau.

Untersucht wurde ihre Einkommenssituation in 100 deutschen Großstädten.  In 60 der 100 größten Städte in Deutschland  haben Familien  nach Abzug der Miete im Schnitt weniger Geld zur Verfügung als den Hartz-IV-Regelsatz von 1169 Euro im Monat, schreibt die Bertelsmann Stiftung in einer Pressemitteilung, in der die Ergebnisse der Studie zusammengefasst sind.  Ausgangspunkt ist  eine vierköpfige Familie mit weniger als 60 Prozent des regionalen Durchschnittseinkommens, mit einem Kind im Alter von bis zu sieben Jahre sowie einen Kind zwischen sieben und 14 Jahren
In der Studie wird das nationale Gefälle bei der Mietpreisentwicklung deutlich.  So bleiben einer solchen Modellfamilie in  Jena laut Studie nach dem Abzug der der Miete rechnerisch 666 Euro im Monat. Damit liege ihr verfügbares Einkommen 43 Prozent unter dem Niveau der Grundsicherung. Eine Familie mit ähnlicher sozialer Zusammensetzung käme  hingegen in Heilbronn mit einem entspannteren Wohnungsmarkt und relativ hohen Durchschnittseinkommen auf 1941 Euro im Monat. Damit lägen sie  66 Prozent über dem Grundsicherungsniveau.  In Berlin  beträgt der Anteil der Miete am Gesamteinkommen einkommensarmer Familien 30 %.  Das verfügbare Restbudget dieser Familie  liegt demnach 3 % unter dem Hartz IV-Regelsatz.

Die für die Studie verantwortlichen Wissenschaftler  machen die für Mieter nicht überraschende Feststellung, dass  der Wohnraum „zum teuersten Kulturgut“ geworden ist. Der Zusammenhang zwischen der mangelnden Verfügbarkeit von preiswerten Wohnraum und der Mietbelastung für einkommensarme Familie wird gut herausgestellt. Je geringer diese Zahl in einer Region ist, desto mehr der Betroffenen rutschen in den Armutssektor ab.      „Durch die  hohen Mietkosten verfügt eine arme Familie in Frankfurt am Main über 37 Prozent weniger Mittel als Familien mit SGB-II-Bezug“, heißt es dort. Bei der Anteil der Wohnquartiere, in denen Wohnungen für einkommensschwache Familien angeboten werden, liegt Berlin im unteren Drittel. Auch bei der  Durchschnittsentfernung der Wohnungen mit geringen Mieten vom Stadtmittelpunkt liegt Berlin mit 8 km im Mittelfeld. Spitzenreiter ist in diesem Bereich München, wo diese Wohnungen bis zu 40 km von der City entfernt liegen.
Im Fazit betonen die Autoren der Studie, die Einflussmöglichkeiten der Kommunen um die Situation von einkommensschwachen Familien auf dem Wohnungsmarkt zu verbessern. Lösungsmöglichkeiten jenseits des Marktes und die Förderung des sozialen Wohnungsbaus sind von der Bertelsmann Stiftung nicht zu erwarten. Allerdings bieten die Ergebnisse der Studie durchaus Anknüpfungspunkte für diese  Forderungen. Die Studie macht deutlich, dass selbst wirtschaftsliberale Institute  die Konsequenzen einer Politik, bei der Privatisierung und Profit die Leitlinien sind, nicht mehr übersehen können.
Peter Nowak
Die Studie kann unter www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-8696679E-344F9B0F/bst/xcms_bst_dms_38453_38454_2.pdf abgerufen werden.

aus:  MieterEcho online 23.07.213

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/bertelsmann-studie.html

Ponyreiten gegen den Großkonzern

Gegner des Braunkohletagebaus in Brandenburg versuchen, um öffentliche Unterstützung für ihr Anliegen zu werben. Doch auch die Verantwortlichen von Vattenfall wissen, wie man die Bevölkerung für sich gewinnt.

»Kein Land mehr für Kohle« – unter diesem Motto trafen sich Interessierte am vergangenen Wochenende zum dritten »Energie- und Klimacamp« in der Lausitz in Brandenburg. Eine Woche lang soll gegen den Braunkohletagebau protestiert werden. Das erste Camp dieser Art fand 2011 in Jänschwalde, das zweite 2012 in Cottbus statt.

Die Veranstalter legen großen Wert darauf, die Bewohner der Region für ihre Ziele zu gewinnen. »Vorträge, Zuckerwatte und Ponyreiten gegen den Klimawandel« lautet der Titel einer Pressemitteilung des Lausitzer Camps, die über das familienfreundliche Programm informieren soll. Auch Gottesdienste werden angeboten. Schließlich spielt die Kirche eine große Rolle beim Widerstand gegen die Verdrängung weiterer Lausitzer Dörfer zum Zwecke der Kohleförderung.

Weil der Konzern Vattenfall in dem neuen ­Tagebaufeld Welzow Süd II Braunkohle abbauen will, sollen einem Entwurf des Förderungsplans zufolge über 800 Menschen aus Welzow und Umgebung ihre Häuser verlassen. Im jüngsten Beteiligungsverfahren für den Braunkohleförderplan gab es knapp 5 000 Einwendungen. Sie betreffen Verfahrensfehler ebenso wie die möglichen Folgen der Kohleförderung für das Klima. Auch die Umsiedlungen sind in den betroffenen Regionen eine Quelle des Unmuts.

Doch ein größerer Widerstand ist nicht zu erwarten. Die Bevölkerung in der Region ist seit Jahrzehnten mit den Folgen des Kohleabbaus und der Stromerzeugung aus Kohle konfrontiert. Nach Angaben der Veranstalter des Klimacamps mussten in den vergangenen 80 Jahren 136 Dörfer und Ortsteile dem Braunkohletagebau weichen, mehr als 30 000 Menschen wurden um­gesiedelt.

Manche Bewohner haben sich mit dem unfreiwilligen Umzug abgefunden. Denn Vattenfall hat ihnen mehr zu bieten als Zuckerwatte und Pony­reiten. Der schwedische Konzern gehört mittlerweile zu den größten Sponsoren in der Lausitz, einer Region, in der in den vergangenen beiden Jahrzehnten ein großer Teil der sozialen Infrastruktur der Sparpolitik zum Opfer gefallen ist. Dort, wo sich die Politik zurückgezogen hat, füllt Vattenfall mit seinem Sponsoring die Lücken und verschafft sich so Sympathien in der Region.

So hat die von Vattenfall im Jahr 2004 gegründete Stiftung Lausitzer Braunkohle, deren Vermögen sich nach eigenen Angaben auf 5,3 Millionen Euro beläuft, im September sieben Stipendien an Studenten aus Sachsen vergeben. »Jungen Menschen verbesserte Perspektiven und Entwicklungschancen zu eröffnen«, nennt die Stiftung als ihr Ziel. Unter dem Motto »Stark für die Lausitz« hat sie bereits zum vierten Mal einen Förderpreis für Projekte im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit in der brandenburgischen und sächsischen Lausitz ausgelobt. Die Fördersumme beträgt insgesamt 17 500 Euro und wird auf drei Preisträger aufgeteilt – angesichts der dürftigen staatlichen Zuschüsse eine erhebliche Unterstützung für die Gewinner. Auch mit dem Olympiastandort Brandenburg hat die Stiftung im Mai einen neuen Vertrag zur Sportförderung abgeschlossen. Besonders eng sind die Verbindungen von Vattenfall zur Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU). So stellte der Konzern der BTU nach Angaben der Taz allein im Jahr 2011 mehr als 800 000 Euro an Drittmitteln zur Verfügung.

Die große Spendebereitschaft zahlt sich offenbar aus. Der Verein »Pro Lausitzer Braunkohle« sammelt unter dem Motto »Meine Stimme fürs Revier« seit Wochen Unterschriften für den weiteren Abbau. »Braunkohle ist der wirtschaftliche und industrielle Motor der Region«, führt er unter anderem als Argument an. Sein Vereinslogo ziert mittlerweile zwei Waggons des Vattenfall-Eisenbahnbetriebs. Ob die Teilnehmer und Veranstalter des Camps bei der Bevölkerung mit umweltpolitischen Argumenten Gehör finden werden, ist daher fraglich.

http://jungle-world.com/artikel/2013/29/48100.html

Peter Nowak

Gegen den konventionellen Strom

Strassentheter und Demo

Am Mittwoch soll der Energieriese Vattenfall im Rahmen der „Reclaim Power Tour“ gestürzt werden. Die Performance, bei der eine den Konzern symbolisierende Figur zu Boden geht, soll auf einer Demonstration vom Oranienplatz zum Görlitzer Park stattfinden. Start der Demonstration ist um 17.30 Uhr. Im Görlitzer Park soll dann mit einer Party der „Aktionstag für ein ganz anderes Energiesystem“ ausklingen, der von UmweltaktivistInnen vorbereitet wird.

„Für uns ist es wichtig, dass die ökologische Frage mit sozialen Themen verbunden wird“, betont die Mitarbeiterin des Berliner Energietischs, Regina Aulenbach, gegenüber der taz. Strom zu bezahlbaren Preisen und die Entscheidungsgewalt über den Strommix aus erneuerbaren Energien statt aus Kohle und Atom sind die zentralen Forderungen der Initiative, die für die Rekommunalisierung des Berliner Stromnetzes eintritt. Sie ist ebenso an der Ausgestaltung des Aktionstages beteiligt wie die Gruppe Gegenstrom und die „Reclaim the Power“-AktivistInnen, die auf ihrer Fahrradtour vom gerade beendeten Anti-Kohle-Camps in der Lausitz zum nächsten Camp am Niederrhein am Mittwoch in Berlin haltmachen.

Bereits um 12 Uhr soll mit Straßentheater am Hermannplatz auf die unterschiedlichen Aspekte von Energiearmut aufmerksam gemacht werden. Viele Anwohner könnten direkt betroffen sein – wegen offener Rechnungen werden BerlinerInnen immer wieder Strom und Gas abgestellt. Um 17 Uhr soll dann im Flüchtlingscamp am Oranienplatz die internationale Dimension der Energiearmut angesprochen werden. Schließlich kommen viele der CampbewohnerInnen aus Ländern, wo ein Großteil der Bevölkerung nur stundenweise Strom beziehen kann.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F07%2F23%2Fa0134&cHash=db72991b226eabf4cac0475ba8193afc

Peter Nowak

Die Wohnung wird zum „teuren Kulturgut“

Links

[1]

http://www.bertelsmann-stiftung.de

[2]

http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-8696679E-344F9B0F/bst/xcms_bst_dms_38453_38454_2.pdf

[3]

http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-8696679E-344F9B0F/bst/hs.xsl/nachrichten_117419.htm

[4]

http://mietenstopp.blogsport.de/2013/03/09/sa-16-3-loehne-rauf-mieten-runter

[5]

http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/

[6]

http://mietenwahnsinn.rechtaufstadt.net/

[7]

http://zrvnrw.wordpress.com/

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154680

Peter Nowak

Wenn ein falscher Link ins Gefängnis führt

Links

[1]

http://www.wired.com/threatlevel/2012/09/barret-brown-raid/

[2]

http://www.youtube.com/watch?v=TOW7GOrXNZI

[3]

http://www.dmagazine.com/Home/D_Magazine/2011/April/How_Barrett_Brown_Helped_Overthrow_the_Government_of_Tunisia.aspx

[4]

https://twitter.com/LulzSec

[5]

http://barrettbrown.blogspot.ca

[6]

http://www.huffingtonpost.com/barrett-brown

[7]

http://www.vanityfair.com/contributors/barrett-brown

[8]

http://blogs.dallasobserver.com/unfairpark/2013/01/barrett_brown_found_competent.php

[9]

http://freebarrettbrown.org/

[10]

http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2013/mar/21/barrett-brown-persecution-anonymous

[11]

http://reformjudaismmag.org/Articles/index.cfm?id=1104

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154679

Peter Nowak

Keine Kohle für die Kohle

Peter Nowak über Proteste amerikanischer Studenten

Investiert nicht mehr in die Kohleförderung. Diese Forderungen werden von Studierenden an immer mehr Universitäten in den USA unterstützt. An mehr als 300 Hochschulen haben sich Initiativen gegründet, die die Kohleindustrie als ethisch fragwürdige Unternehmen ablehnen.

Die Kampagne hat nicht nur symbolische Bedeutung. Vor allem die großen Privatuniversitäten haben große Summen an Stiftungsgeldern in Aktien investiert. Mit den Gewinnen werden unter anderem Stipendien, aber auch Ausbau und Betrieb der Unis bezahlt. Diese Börsenorientierung der Hochschulen hat auch schon früh eine studentische Konsumentenkritik provoziert. Zuerst traf es zu Zeiten der Proteste gegen den Vietnamkrieg die Rüstungsunternehmen. Mit der wachsenden Bewegung gegen das Rauchen geriet auch die Tabakindustrie ins Visier der Studenten. Dass nun mehr und mehr Kohlekonzerne davon betroffen sind, ist auch Veröffentlichungen zu verdanken, die die Umweltschädlichkeit der Kohleförderung belegen.

Deshalb fordern viele Studierende von ihren Unis, sämtliche Aktien aus der Kohle-Branche abzustoßen und dort nicht mehr zu investitieren. Einige Universitätsleitungen haben auf die Proteste bereits positiv reagiert und unterstützen die Forderungen. Und die Kohlebranche ist aufgeschreckt. Mehr als finanzielle Einbußen befürchten sie einen Imageverlust, wenn große Hochschulen nichts mehr mit ihnen zu tun haben wollen. Einige studentische Initiativen wollen sich nicht mehr damit zufrieden geben, dass die Hochschulen nicht mehr in Kohle investieren. Sie wollen auch Druck auf jene Elek-trizitätswerke ausüben, die Kohle zur Energiegewinnung nutzen. Solche Aktionen könnten auch für die hiesige Anti-Kohle-Bewegung interessant werden, die in diesen Tagen mit Camps in der Lausitz und am Niederrhein und einer Fahrradtour auf ihre Anliegen aufmerksam macht. Schließlich gehört auch Vattenfall hier zu Lande zu den Förderern und Sponsoren von Hochschulen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/828011.keine-kohle-fuer-die-kohle.html

Peter Nowak

Exil am Rio de la Plata

Jüdische Naziverfolgte fanden in Uruguay Zuflucht und mussten in den 70er-Jahren wieder fliehen

Enrique Blum hieß früher Heinrich. Erst in Lateinamerika hispanisierte er seinen Namen. Der Medizinstudent aus Halle kam zusammen mit seinen Eltern am 24. Juli 1937 in Uruguay an. »Man hat ein Loch außerhalb Europas gesucht«, begründet Heinrich Blum die Wahl seines Exillandes. Auch für andere wurde das kleine Land am Rio de la Plata zwischen 1933 und 1945 zum Zufluchtsort vor dem NS-Terror. Und die große Mehrheit der Exilanten waren Juden.

Die Berliner Historikerin Sonja Wegner hat mit ihrem Buch die Geschichte dieser »Zuflucht in einem fremden Land« erforscht. Im ersten Teil des Buches beschreibt sie die Wege ins Exil, das oft eine Rettung in letzter Minute war. Fast alle Länder verschärften gerade in dem Augenblick ihre Einwanderungsgesetze, als das Naziregime den Druck auf die Juden immer weiter steigerte. In einem eigenen Kapitel schildert die Autorin die perfiden Methoden der Ausplünderung der Emigranten.

Innenpolitik Während in Deutschland die Situation für Juden und Nazigegner immer lebensgefährlicher wurde, entwickelte sich die innenpolitische Situation in Uruguay für die Emigranten günstig. Nachdem eine rechte Diktatur, die gute außenpolitische Kontakte zu Deutschland und Italien pflegte, 1938 abtreten musste, näherte sich das Land außenpolitisch den USA an.

Die liberalen Einreisebestimmungen in Uruguay ermöglichten es den Einwanderern zudem, innerhalb von drei Jahren eingebürgert zu werden. Die Prokuristin Hedwig Freudenheim erhielt das begehrte Dokument sogar bereits nach wenigen Monaten. Dass trotz der Einwanderungsmöglichkeit das Leben für die jüdischen Emigranten in Uruguay keineswegs einfach war, zeigt Wegner am Beispiel von Carl Sichel auf.

Der 50 Jahre alte Rechtsanwalt durfte in Uruguay seinen Beruf nicht ausüben und versuchte, als Geschäftsmann zu überleben. Wie Sichel ging es vielen Exilanten, die in Deutschland bürgerliche Berufe ausgeübt hatten und in dem Aufnahmeland mit Gelegenheitsarbeiten ihren Lebensunterhalt verdienen mussten.

Konflikte Hoch waren die Einwanderungshürden allerdings für politische Emigranten, die häufig bereits in Deutschland in linken Organisationen aktiv waren. In eigenen Kapiteln geht Wegner auf die politischen Aktivitäten der Emigranten und die Auseinandersetzung darum unter den jüdischen Emigranten ein.

Als sich das Ende des NS-Systems abzeichnete, verschärften sich die Diskussionen auch innerhalb der jüdischen Exilgemeinschaft. Während der unter den jüdischen Emigranten in Montevideo sehr einflussreiche Hermann P. Gebhardt mit anderen antifaschistischen Organisationen für ein »anderes Deutschland« eintrat, wandte sich Karl Berets von der deutsch-jüdischen Neuen Israelitischen Gemeinde in einem Offenen Brief gegen dieses Engagement und trat für einen Staat Israel ein.

In den 50er-Jahren verhinderten die in Uruguay ansässigen jüdischen Emigranten, dass ausgerechnet der Mitverfasser der Nürnberger Rassengesetze, Hans Globke, als Staatssekretär der Adenauer-Regierung Uruguay besuchen konnte. Einige der neuen uruguayischen Staatsbürger mussten allerdings in den 70er-Jahren, als in Uruguay eine rechte Militärjunta die Macht ergriff, erneut fliehen. Ernesto Kroch, ein linker Gewerkschafter, der als Jugendlicher vor den Nazis geflohen war, suchte in Deutschland Exil.

Sonja Wegner: »Zuflucht in einem fremden Land: Exil in Uruguay 1933–1945«, Assoziation A, Berlin 2013, 375 S., 22 €

aus Jüdische Allgemeine

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16506

Peter Nowak

Nie mehr Überwachung durch die USA

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück zieht die nationale Karte und beruft sich auf Schröder

Eben wurde im Magazin Focus die SPD als die große Niete in den Umfragen hingestellt [1]. Doch jetzt kommen für die Opposition erfreulichere Signale. Die Wahl sei noch lange nicht entschieden und der Vorsprung der Regierungskoalition schmelze [2]. Schon wird die Frage gestellt, ob der NSA-Abhörskandal die Wahlen entscheidet.

SPD-Kandidat Steinbrück, der sich schon immer politisch Gerhard Schröder sehr verbunden gefühlt, hat in den letzten Tagen gleich mehrfach den Ex-Kanzler als Vorbild genannt. Der habe gezeigt, dass man bei Wahlen aus einer aussichtslosen Position heraus aufholen kann. Er verweist dabei auf die Wahlen von 2005, die Schröder knapper als ursprünglich prognostiziert verloren hat. Schließlich wurde damals Schwarz-Gelb verhindert und die SPD trat in eine große Koalition ein. Eine solche Konstellation könnte sich auch bei den nächsten Bundestagswahlen wiederholen. Steinbrück hat allerdings bereits erklärt, dass er dann kein Ministeramt übernehmen würde.

Ein neuer deutscher Weg?

Doch Steinbrücks demonstrativer Bezug auf Schröder hat in diesen Tagen auch eine weitere Komponente. Wie der Ex-Kanzler im Konflikt mit dem Irak den deutschen Weg beschwor, spielt auch der Kanzlerkandidat in den letzten Tagen die nationale Karte:

„Frau Merkel hat als Kanzlerin den Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Jetzt kommt heraus, dass Grundrechte der deutschen Bürger massiv verletzt wurden. Also: Schaden vom Volke abzuwenden – das stelle ich mir anders vor. Jeden Monat wurden 500 Millionen persönliche Verbindungsdaten von uns abgesaugt.“

Auch die Grünen monieren, dass die Merkel die Totalüberwachung durch die USA ignoriere [3]. Solche Töne könnten in der Bevölkerung auf offene Ohren treffen. Schließlich wurde der NSA-Skandal überwiegend als Anmaßung der USA gegenüber Deutschland interpretiert.

Gefragt wird dann nur, ob auch deutsche Behörden den US-Diensten Hilfe geleistet hätten. Sie werden als mögliche Kollaborateure der USA gerügt. Hier schimmert wieder jenes Bild von Deutschland durch, das bereits in der Friedens- und Alternativbewegung der 1980er Jahre des letzten Jahrhunderts vorherrschend war. Auch dort kam (West)-Deutschland in der Regel als Kolonie der USA vor. Dass das Land eigene Interessen hatte, die es vor 1989 im Bündnis mit den USA umsetzten wollte, kam selten zu Sprache. In den letzten 20 Jahren hat Deutschland diese Interessen oft auch ohne und gegen die USA umzusetzen versucht. Daher ist es umso erstaunlicher, wenn nun die alte Platte wiederaufgelegt wird.

Die volle Souveränität ohne Vorbehalte

So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Rahmen der NSA-Debatte erneut eine Diskussion um Deutschlands Souveränität begonnen hat und man daran Anstoß nimmt, dass es noch einige alliierte Vorbehalte gibt. In der FAZ wird gefordert [4]:

„In jedem Fall ist es höchste Zeit, dass das seit zwanzig Jahren nach offiziellem alliiertem Willen souveräne Deutschland darauf dringt, solche skandalösen Vorbehalte zu beseitigen. Das soll jetzt offenbar auch nach dem Willen der Amerikaner geschehen. Dann sollte man aber mit der Charta der Vereinten Nationen beginnen, nach der Deutschland noch heute als Feindstaat gilt.“

So wird die aktuelle Debatte genutzt, um auch die letzten Erinnerungen an eine Zeit zu tilgen, wo Deutschlands Souveränität in der Tat und begründet eingeschränkt war. Der Grund wird allerdings kaum noch genannt. Es war das völkermörderische NS-System.

Wie Josef Foschepoth in seiner in diesen Tagen vielzitierten Forschungsarbeit Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik [5] detailliert nachweist, dienten die ersten Überwachungsmethoden der Unterbindung weiterer nationalsozialistischen Aktivitäten. Doch so häufig in diesen Tagen, die in dem Buch dokumentierten Bestimmungen der Alliierten zitiert werden, so konsequent wird meist darüber hinweggesehen, dass in dem Buch auch detailliert beschrieben wird, wie westdeutsche Behörden die Überwachung gegen die DDR und angeblichen Unterstützer in Westdeutschland flächendeckend durchführten.

Während so viel über deutsche Souveränität geredet wird, die manchen noch immer nicht vollständig genug ist, wird unterschlagen, dass deutsche Behörden bereits in den 1950er Jahren sehr souverän die politische Opposition überwachten. Mittlerweile hat Überwachung und Kontrolle in Deutschland eine soziale Komponente.

So können Hartz IV-Bezieher, wenn sie verdächtigt werden, falsche Angaben gemacht zu haben oder anonym denunziert wurden, mit dem Einsatz von Sozialdetektiven rechnen, die auch in der Nachbarschaft Erkundigungen einziehen können. Doch darüber wird zurzeit nicht gesprochen, so dass man den Verdacht nicht los wird, dass es weniger um die Kritik an der Überwachung geht, sondern daran, dass fremde Mächte wie die USA es wagen, deutsche Bürger zu überwachen. Dass diese Entscheidung nach den islamistischen Anschlägen vom 11.9.2001 aus der Sicht der US-Behörden eine gewisse Plausibilität hat, wird auch kaum erwähnt. Schließlich hielten sich einige der an den Anschlägen beteiligten in Hamburg auf.

Nie wieder Überwachung durch die USA

Auf welchen Niveau die Diskussion nicht nur im Boulevard geführt wird, zeigt eine Spiegel-Kolumne [6] von Jakob Augstein mit der Überschrift: “Wir Untertanen“:

„Die Deutschen wollen im Überwachungsskandal endlich klare Worte von Angela Merkel. Aber die Kanzlerin schweigt. Wenn wir uns das gefallen lassen, haben wir aus zwei Diktaturen nichts gelernt.“

So wird der Widerstand gegen die NSA-Überwachung sogar noch zur antifaschistischen Aktion umgebogen. Lautete der Schwur von Buchenwald „Nieder wieder Faschismus“, so soll jetzt eine Lehre aus dem NS sein „Nie mehr Überwachung durch die USA sein.“

Peter Nowak 18.07.2013

Links

[1]

http://www.focus.de/magazin/kurzfassungen/focus-29-2013-gruene-beunruhigt-wegen-schlechter-umfragewerte-der-spd_aid_1042567.html

[2]

http://www.focus.de/politik/deutschland/bundestagswahl-2013/entscheidet-der-nsa-abhoerskandal-die-wahl-rot-gruen-zieht-an-vorsprung-von-schwarz-gelb-schmilzt_aid_1045024.html

[3]

http://www.gruene.de/themen/moderne-gesellschaft/merkel-ignoriert-total-ueberwachung-durch-die-nsa.html

[4]

http://www.faz.net/aktuell/politik/geheimdienste-wertegemeinschaft-12283119.html

[5]

http://www.v-r.de/de/title-0-0/ueberwachtes_deutschland-1007436/

[6]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augsteins-kolumne-zu-merkels-schweigen-im-nsa-skandal-a-909930.html

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154656

Peter Nowak

No Place on Earth

Der Film erzählt die bisher unbekannte Geschichte des Überlebenskampfs ukrainischer Juden im Nationalsozialismus.

Die deutschen Verbrechen in der Nazizeit werden schon lange historisiert. Die Menschen, die sie noch selber erleiden mussten, sind fast alle tot. Daher verdienen Filme, in denen die heute Hochbetagten noch selber zu Wort kommen, besondere Aufmerksamkeit.

No Place on Earth, der vom deutschen Verleih mit der Übersetzung «Kein Platz zum Leben» untertitelt wurde, gehört zu diesen Filmen. Die Regisseurin Janet Tobias verfilmt die Geschichte des US-Höhlenforschers Christopher Nicole, der sich nach seiner Pensionierung auf eine Expedition in die unbekannten Unterwelten in der Ukraine aufmacht und dort Spuren menschlichen Lebens entdeckt, die keinesfalls aus prähistorischer Zeit stammen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, dem Rätsel auf die Spur zu kommen, wird er fündig. Die Spuren stammen von Juden, die vor den Nazis und ihren ukrainischen Helfern für mehrere Monate Zuflucht in der Höhle suchten. Schließlich findet er sogar einige Überlebende, die nach ihrer Befreiung in die USA ausgewandert sind.

Es wird ein  Kapitel von Verfolgung und Überlebenskampf geschildert, das die Zuschauer gefangen hält. Die Flucht in die Höhle bedeutete nicht dauerhafte Rettung. Die Menschen mussten Lebensmittel aus der Umgebung besorgen und kamen dabei mehrmals in gefährliche Situationen. Schließlich schütteten Dorfbewohner alle Eingänge der Höhle zu, und die Eingeschlossenen mussten sich mühselig einen neuen Weg an die Oberfläche graben.

Die Tragödie, die das Leben in der Höhle bedeutete, kann im Film nur angedeutet werden. Sie wird deutlich, wenn berichtet wird, wie einer der Jungen geschlagen wird, nachdem er erwischt wurde, wie er sich aus großem Hunger an den kargen Mehlvorräten zu schaffen machte. Schließlich stürmten die Nazis und ihre einheimischen Hilfstruppen die Höhle und verschleppten einen großen Teil der Bewohner in Vernichtungslager. Einige konnten sich im weit verzweigten Höhlensystem verstecken und überlebten.

Höhepunkt des Filmes ist ein Treffen der Überlebenden, die im hohen Alter erstmals wieder eine geführte Tour durch die Höhle machten und sich dabei erinnerten, an welchen Orten die wenigen Gegenstände des täglichen Bedarfs aufbewahrt worden waren. So spielte der Film für die Überlebenden eine wichtige Rolle bei ihrer Erinnerungsarbeit. Allein deswegen ist es begrüßenswert, dass er erschienen ist. In der deutschen Presse wurde er aber überwiegend negativ besprochen. Vor allem die vielen Reenactment-Darstellungen (die Neuinszenierung geschichtlicher Ereignisse in möglichst authentischer Weise) und die eingespielte Musik wurden als kitschig kritisiert. Diese scharfe Kritik könnte ihren Grund auch darin haben, dass es keinen deutschen Retter à la Oskar Schindler gibt, der zum deutschen Filmhelden wurde. Es war der Überlebenswille der Juden und die Rote Armee, die die Überlebenden aus der ukrainischen Höhle befreite und ihnen das Leben rettete. Dass mit dem Film diese bisher unbekannte Geschichte des jüdischen Überlebenskampfs einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, ist begrüßenswert und sollte zum Kinobesuch animieren.

USA 2012, Regie: Janet Tobias

aus SoZ/Sozialistische Zeitung, Juni 2013

No Place on Earth

Peter Nowak

Das Märchen von der segensreichen Wirkung der Privatisierung

Links

[1]

http://norbertwiersbin.de/on-tour-das-marchen-der-deutschen-ralph-t-niemeyer/

[2]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154446

[3]

http://www.ingehannemann.de/

[4]

http://www.nachdenkseiten.de/

[5]

http://www.nachdenkseiten.de/?author=2

[6]

http://www.nachdenkseiten.de/?p=3232

[7]

http://www.stephan-lessenich.de/

[8]

http://www.monde-diplomatique.de/pm/2013/06/14.mondeText.artikel,a0006.idx,1

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/6/print/154647

Als eine Welt zusammenbrach

Die TU Berlin stellt sich endlich ihrer NS-Vergangenheit

»Universitäten oder Hochschulen besinnen sich meist dann auf ihre Geschichte, wenn ihnen ein Jubiläum ins Haus steht«, konstatierte Carina Baganz. Im Lichthof der Technischen Universität Berlin stellte sie ihr Buch ihr Buch „ Diskriminierung, Ausgrenzung, Vertreibung“ – die Technische Hochschule Berlin während des Nationalsozialismus“ vor. Die am Zentrum für Antisemitismusforschung arbeitende Historikerin versteht ihre Publikation  als Beitrag, im „Dritten Reich“ begangenes Unrecht wiedergutzumachen und die Erinnerung an die Einst betroffenen wachzuhalten.

Warum erst sieben Jahrzehnte vergehen mussten, ehe  die Hochschule  sich ernsthaft  mit ihrer NS-Vergangenheit auseinandersetzt, wäre selbst der Nachforschung wert. Tatsächlich hatte Studierenden in den 50er und frühen 60er Jahren nicht selten mit Strafverfahren   zu rechnen, wenn sie die NS-Geschichte ihrer Hochschule erforschen wollten und dabei  die Namen mancher noch lehrender Professoren entdecktem.  Erst nachdem fast alle pensioniert waren, setzte die zaghafte Beschäftigung mit der braunen Geschichte ein. In der TU Berlin wurde  1979 eine Festschrift mit dem Titel Wissenschaft und Gesellschaft herausgegeben, das sich erstmals ausführlicher mit der Hochschule im Nationalsozialismus  befasste.  In drei Jahren steht mit dem 70ten Jahrestag der TU-Gründung ein neues Jubiläum an. Eine gute Zeit also für eine Publikation, die  den bisher umfassendsten Überblick über das Ausmaß der Vertreibungen, Diskriminierung und Ausgrenzung von Wissenschaftlern und Studierenden gibt.        Der Grundstein wurde bereits vor 1933 gelegt. Der Rektor der TH Berlin in der Zeit von 1938 bis 1942 Ernst Stein erklärte am Ende seiner Amtszeit stolz , dass die TH Berlin  schon vor 1933 „als eine Hochburg des Nationalsozialismus unter den deutschen Hochschulen“ galt. Sowohl unter den Studierenden als auch bei einem Teil der Wissenschaftler hatten sich völkisches Gedankengut und Antisemitismus schon längst etabliert. So war der Widerstand auch gering, als oft langjährige Wissenschaftler die Hochschule verlassen und oft auch ihre akademischen Titel zurückgeben mussten, weil sie Juden waren.  Einige der Betroffenen verwiesen auf ihre patriotische Gesinnung und ihrer Verdienste im ersten Weltkrieg, was ihnen allerdings nur kurzzeitig das Amt rettete. Andere wie der aus Ungarn stammende Bauingenieur Nikolaus Kelen  reagierten auf seine Beurlaubung mit der Erklärung, dass er sich nicht mehr als  Angehöriger der TU Berlin betrachte.  Für andere Wissenschaftler brach mit ihrer Relegierung eine Welt zusammen. Mehrere der Entlassenen verübten Selbstmord, andere emigrierten. Viele wurden später in den Konzentrations-  und Vernichtungslagern ermordet.

Ein bisher noch weitgehend unerforschtes Kapitel ist der Einsatz  von meist osteuropäischen Zwangsarbeitern an der TH-Berlin. Sie sollten in den letzten Kriegsjahren die Schäden beheben, die durch Bombenangriffe an Einrichtungen der Hochschule entstanden sind.  Ein weiteres Forschungsthema wäre der Umgang mit Opfern und Tätern an der Hochschule nach 1945. So wurde selbst der  Nationalsozialist   der ersten Stunde an der TH-Berlin  Willi Willing, der für die Maßnahmen gegen jüdische Hochschulangehörige an vorderster Front beteiligt war, als minderbelastet eingestuft.  Während viele ehemalige Nationalsozialisten nach 1945 ihre Karriere fortsetzen konnten, wurde vielen  Opfern  die kalte Schulter gezeigt. Dazu gehört Dmitri Stein, der 1943 an der TH als Jude seine Promotion im Fach Elektrotechnik verweigert wurde. Als er in den 50er Jahren seine Promotion an der TU Berlin zu Ende führen wollte, wurde ihm mitgeteilt, man habe jetzt ganz andere Sorgen. 2008 wurde Dimitri Stein nach 65 Jahren die Doktorprüfung überreicht. Viele andere hatten das Glück nicht. Das Buch        sorgt nun dafür, dass ihre Namen nicht vergessen werden und  kann für heutige Formen von Diskriminierung auch an der Hochschule sensibilisieren, worauf die Studierende der Geisteswissenschaften  Filiz Dagci in ihren Beitrag zur Buchvorstellung hinwies.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/827308.als-eine-welt-zusammenbrach.html
Peter Nowak
Carina Baganz, Diskriminierung, Ausgrenzung, Vertreibung. Die Technische Hochschule währed des Nationalsozialismus. Metropol Verlag, Berlin 2013, 414 Seiten,  24 Euro

Kein Sozialpartner im Familienbetrieb

Der Streik bei Neupack bereitete der Gewerkschaft Probleme.

Der Streik beim Verpackungshersteller Neupack war einer der längsten Arbeitskämpfe der jüngeren Vergangenheit, nach acht Monaten ging er Ende Juni zu Ende. Die Gewerkschaft IG Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) sprach von einem großen Sieg und titelte im Streikinfo: »Dieser Kampf hat sich gelohnt. Eine neue Zeit beginnt.« Eva Völpel kommt in ihrem Kommentar in der Taz hingegen zu einem völlig anderen Urteil: »Ein kleines Familienunternehmen, angeführt von einem ausgewiesenen Gewerkschaftshasser, zwang fast die große IG BCE komplett in die Knie.«

Die Eigentümer des Familienunternehmens Neupack Verpackungen GmbH & Co. gehören zu der größer werdenden Zahl von Firmenbesitzern, die Gewerkschaften und Tarife für überflüssig halten. Damit haben sie die IG BCE vor große Probleme gestellt. Diese ist eigentlich darauf eingestellt, auf offene Ohren zu stoßen, wenn sie Unternehmen vorrechnet, wie positiv sich doch ein Tarifvertrag auf die Situation im Betrieb und die Arbeitsergebnisse auswirke. Hinzu kam, dass die Belegschaft von Neupack nicht mit kämpferischer Rhetorik zufriedenzustellen war.

Seit 2003 hatten sich die Beschäftigten in der IG BCE organisiert, um einen Tarifvertrag mit gleichem Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen. Davon konnte bisher bei Neupack keine Rede sein. »Einige Kollegen erhalten für die gleiche Arbeit bis zu 50 Prozent weniger als andere. Sonderzahlungen werden unterschiedlich und teilweise willkürlich gehandhabt«, beschrieben Beschäftigte ihre Arbeitssituation. Am 1. November 2012 traten sie in den beiden Betrieben von Neupack in Hamburg und Rotenburg in einen unbefristeten Streik. Die Unternehmensführung von Neupack ignorierte alle Verhandlungsangebote der Gewerkschaft. Stattdessen versuchte sie im Januar, ein gerichtliches Streikverbot zu erwirken, was aber abgewiesen wurde.

Mit seiner Verweigerungsstrategie blieb das Unternehmen trotzdem nicht erfolglos. Am 23. Januar setzte die IG BCE den unbefristeten Streik mit der Begründung aus, sie wolle damit zur Deeskalation beitragen und die Verhandlungen erleichtern.

Stattdessen wurden punktuelle »Flexi-Streiks« abgehalten. Zu diesem Zeitpunkt habe ein Teil der kampfbereiten Belegschaft den Streik beendet, weil sie sich von der IG BCE über den Tisch gezogen fühlte und nicht mehr an den Erfolg des Ausstands geglaubt habe, beschrieb Dieter Wegner vom Neupack-Solikreis die Situation in den beiden Betrieben Ende Januar. In mehreren Städten hatten sich solche Solidaritätsgruppen gegründet, die die Forderungen der Streikenden unterstützten und vom Vorsitzenden der IG BCE, Michael Vassiliadis, als »linksradikale Störenfriede« bezeichnet wurden, die aus einem Arbeitskampf einen Klassenkampf machen wollten. Dabei war sich in der Ablehnung der »Flexi-Verarschung« ein Großteil der Belegschaft mit den Unterstützern einig. Auch nach dem offiziellen Ende des Streiks dürfte die Kritik an der Gewerkschaft nicht abreißen. Eine Urabstimmung der Belegschaft war nicht erforderlich, weil statt des geforderten kollektiven Tarifvertrags nur individuelle Arbeitsverträge abgeschlossen wurden. Während die IG BCE Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzung und verbindlichere Tätigkeitsbeschreibungen als Gewinn für die Belegschaft hervorhebt, moniert diese, dass die Weiterbeschäftigung des entlassenen Betriebsratsvorsitzenden von Neupack, Murat Günes, nicht garantiert sei. Darüber sollen nun die Gerichte entscheiden.

Günes wird beschuldigt, während des Streiks vor dem Betriebstor in eine Rangelei mit Streikbrechern und der Geschäftsführung involviert gewesen zu sein. Seine Verurteilung und Entlassung wären eine Abschreckung, auch über Neupack hinaus. Dass die Gewerkschaft die Forderung nach Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit dem Arbeitskampf nicht zur entscheidenden Bedingung machte, kann entweder mit mangelndem politischen Willen oder ihrer schwachen Position erklärt werden. Beides ist keine Auszeichnung für eine Gewerkschaft.

http://jungle-world.com/artikel/2013/28/48054.html

Peter Nowak

Hetztour gegen Flüchtlinge in Berlin

Rechte Kader mobilisieren mit einer Parole, die seit Jahren von antirassistischen Gruppen vertreten wurde, und erzielen Propagandaerfolge

Eigentlich taumelt die neonazistische NPD von Niederlage zu Niederlage. Wahlerfolge hatte sie schon lange keine mehr, dafür mehren sich die innerparteilichen Querelen. Mit der Neugründung der Partei „Die Rechte“ erwächst ihnen auch Konkurrenz in der eigenen Zielgruppe. Doch in der letzten Woche hatten die rechten Kader wieder einmal ein Erfolgserlebnis.

Auf einer Bürgerversammlung auf einen Schulhof in Berlin-Marzahn konnten sie sich als „Stimme des Volkes“ inszenieren. Das Bezirksamt hatte am vergangenen Dienstagabend zu einer Informationsversammlung über eine Flüchtlingsunterkunft eingeladen. Unter den ca. 800 Besuchern befanden sich zahlreiche bekannte Rechte, wie der Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke.

„Nein zum Heim“, „Volksverräter“ und „Lügen, Lügen“ lauteten die Sprechchöre, die sie anstimmten und viele unorganisierte Besucher stimmten ein. NPD-Kader meldeten sich auch mehrmals zu Wort, um gegen die Flüchtlingsunterkunft zu agieren und fanden dabei Unterstützung bei einem großen Teil des Publikums. In der Minderheit blieben die Nazigegner und die Initiative Hellersdorf hilft Asylbewerbern.

Ermutigt von diesem Propagandaerfolg riefen die Rechten am vergangenen Samstag in Berlin zu Demonstrationen vor mehreren Flüchtlingsunterkünften und einem Flüchtlingsprotestcamp auf. Der Widerstand von Seiten der Politik als auch der zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Bewegung war groß. Wegen Blockaden konnten die Rechten in Berlin-Kreuzberg ihre Kundgebung nicht durchführen. Aber auch in anderen Stadtteilen, darunter in Hellersdorf war ein kleines Grüppchen von Rechten mit einer großen Zahl von Gegendemonstranten konfrontiert. Damit war auch deutlich geworden, dass die NPD nicht unmittelbar von ihrem Propagandaerfolg bei der Bürgerversammlung profitieren kann. Ob sie sich in dem Bezirk organisatorisch verankern kann und unter Umständen auch Wählerstimmen gewinnt, bleibt eine offene Frage.

Rechte Wortergreifungsstrategie

Die Bürgerversammlung von Hellersdorf war schnell bundesweit bekannt geworden und die Behörden üben sich in Schadensbegrenzung. Dabei war das Auftreten der organisierten Rechten bei der Veranstaltung keine Überraschung. Im Vorfeld hatte eine Bürgerinitiative in Hellersdorf gegen die Flüchtlingsunterkunft mobilisiert und auf Twitter gab es Hetzbeitrage gegen Flüchtlinge und ihre Unterstützer.

„Touristen sind herzlich willkommen – kriminelle Ausländer und Asylbetrüger sind konsequent in ihre Heimat abzuschieben“, heißt es in einem Aufruf, der im Internet zirkuliert und Hellersdorf verteilt wurde Als Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes ist Thomas Crull aufgeführt, der 2011 erfolglos für die NPD in Marzahn-Hellersdorf kandidierte. Anwohner konnten Mitglieder der Neonaziorganisation „Nationaler Widerstand Berlin“ als Verteiler der Flugblätter identifizieren.

Trotzdem verzichteten die Hellersdorfer Behörden im Vorfeld der Veranstaltung auf Maßnahmen, um zu verhindern, dass eine solche Veranstaltung zu einer Propagandatour für die organisierte Rechte wird. So arbeitet die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin Leitlinien aus, mit denen bekannten Kadern der rechten Szene das Wort entzogen werden kann. Diese Ausarbeitungen sind eine zivilgesellschaftliche Antwort auf die von der NPD und ähnlichen Gruppierungen praktizierte Wortergreifungsstrategie, mit der sie sich auf Bürgerversammlungen als „Volkes Stimme“ geriert.

Die Leiterin der MBR Bianca Klose kritisierte, dass ihre Institution von den Behörden nicht angefragt wurde. Damit kann mitunter verhindert werden, dass organisierte Rechte den Alltagsrassismus und die in der Bevölkerung vorhandenen Ressentiments in ihre Bahnen lenken. Da sich in Hellersdorf wieder einmal zeigte, dass auch scheinbar unpolitische Bürger reden wie die rechten Kader kann damit Rassismus nicht aus den Veranstaltungen verbannt werden.

Erinnerungen an Lichtenhagen

Nicht wenige fühlten sich nach der Bürgerversammlung in Hellersdorf an Bilder von vor mehr als 20 Jahren erinnert, als Bürger und organisierte Rechte gegen Flüchtlinge nicht nur auf Veranstaltungen mobilisierten. Die pogromartigen Auseinandersetzungen von Hoyerswerda über Mannheim-Schönau bis Rostock-Lichtenhagen jährten sich im vorletzten und letzten Jahr. Die Bürgerversammlung macht auch wieder einmal deutlich, dass die Gedenk- und Erinnerungsveranstaltungen, die es dazu gab, an einem relevanten Teil der Bevölkerung völlig vorbei gehen.

Hinzu kommt noch, dass von einer Sensibilisierung durch das Bekanntwerden des NSU-Terrors bei der Bürgerversammlung in Hellersdorf wenig zu spüren war. Dabei wäre es aber falsch, nur auf den Osten Berlins zu blicken. So waren vor wenigen Wochen einige Windpockenfälle in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Reinickendorf Anlass für ein rassistisches Pamphlet, in dem die Bewohner als Gesundheitsgefahr für den Stadtteil hingestellt wurden. Eine Vertreterin der zuständigen Arbeiterwohlfahrt sprach von plumpem Rassismus und erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Wenige Tage später mussten sich die zuständigen Behörden gerichtlich bescheinigen lassen, dass die Quarantäne-Maßnahmen gegen die Unterkunft und ihre Bewohner nicht rechtens waren. Solche Maßnahmen aber zeigen, dass es leicht ist, sich von der NPD und anderen Rechten abzugrenzen, dass aber nicht selten auch behördliches und polizeiliches Handeln von Ressentiments geleitet ist. Auch bei einer mehrstündigen Razzia von Häusern im osthessischen Fulda, in denen in Osteuropa wohnende Menschen wohnen, stand dieser Vorwurf wieder im Raum.

Dieses Handeln ist so alltäglich, dass es oft auch dann nicht einmal in die Medien kommt, wenn sich die Kritiker darum bemühen. Auch die rechten Propagandaerfolge gegen die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften kommen dadurch zustande, dass die Stadt Berlin weiterhin an der von Flüchtlingsorganisationen und politischen Gruppen heftig kritisierte Heimunterbringung festhält. Die Parole „Nein zum Heim“, die in Hellersdorf von den Rechten gerufen worden, war lange eine antirassistische Parole. Das sollte auch nach Hellersdorf nicht vergessen werden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154634

»Richterlicher nationaler Widerstand«

Anwälte kritisieren Gebaren des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt

„Der Geheimdienst hat mich nachts abgeholt und beschuldigt für die Islamisten zu arbeiten. Sie wollten Geld von mir und haben mir gedroht, das nächste Mal verschwinde ich ohne jede Nachricht. Ich hatte Angst.“ Es ist eine Geschichte von Verfolgung und Angst, die der junge Tschetschene einem Journalisten der Sendung „Report Mainz“ erzählt, die am 2. Juli ausgestrahlt wurde. Ein Landsmann von ihm hat ebenfalls eine traurige Vita. „Mein Cousin wurde umgebracht. Mich haben sie auch nachts abgeholt und haben mir gesagt: Wenn wir dich das nächste Mal holen, dann kehrst du nicht mehr zurück“, berichtet er. Die beiden jungen Männer konnten aus Tschetschenien fliehen und so ihr Leben retten, aber frei sind sie nicht. Sie sind im Abschiebegefängnis inhaftiert und sollten nach Polen zurück geschickt werden. Doch zuvor müssen sie oft noch eine Haftstrafe wegen illegaler Einreise absitzen. Anwälte beklagten im Gespräch mit Report Mainz, dass am Amtsgericht Eisenhüttenstadt Schnellverfahren stattfinden, die oft nicht einmal 15 Minuten dauern. Die zu Geld- oder Haftstrafen verurteilten Menschen haben oft haben sie keinen Verteidiger an ihrer Seite und verstehen nicht, was vor sich geht.
Der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff, der seit Jahren Flüchtlinge juristisch vertritt, übt heftige Kritik an der Praxis der Justiz von Eisenhüttenstadt und besonders an der Prozessführung der dort tätigen Amtsrichterin Rosemarie P. Das Urteil stehe im Prinzip vorher schon fest, moniert der Jurist. Die Richterin hat gegen mehrere Flüchtlinge Freiheitsstrafen wegen illegaler Einreise unter Anderem damit begründet, dass der Zunahme des „Heeres der Illegalen“ in Deutschland begegnet werden müsse. Schließlich kämen die Flüchtlinge nach Deutschland, „um Straftaten zu begehen“, was dann dazu führe, dass in Deutschland Spannungen entstünden, die sich „durch weitere Straftaten entladen“ würden. Flüchtlingen seien auch schon als „Asyltouristen“ bezeichnet worden, so Gerloff.
In der Berufungsschrift gegen eine wegen illegalen Grenzübertritt verhängte Freiheitsstrafe fand Gerloff deutliche Worte. „Das angegriffene Urteil fühlt sich hier berufen, in einer Art ‚richterlichem nationalen Widerstand‘ den erkannten vermeintlichen Missständen auf dem Gebiet der Migrationspolitik ‚dringend‘ durch die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe“ begegnen zu müssen“, schrieb er. Daraufhin stellte der ehemalige Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) Dirk Ehlert gegen den Rechtsanwalt einen Strafantrag wegen Beleidigung. Es sei äußert selten, dass gegen Rechtsanwälte mit juristischen Mitteln gegen in den Prozessakten gemachten Aussagen vorgegangen wird, erklärte Gerloff gegenüber ND. In der Regel würde er das Wort rassistisch vermeiden, wenn es um Kritik an Urteilen geht. „Aber wenn nun mal mit rassistischen Argumenten vorgegangen wird, dann sollte man das aus meiner Sicht auch klar beim Namen nennen“, verteidigt Gerloff seine Äußerung gegenüber ND. Der Völkerrechtler Andreas Fischer Lescano gibt ihm recht und stufte die Äußerungen der Richterin als strafrechtlich relevant ein. Auch der Verein Demokratischer Juristen (VDDJ), der Republikanische Anwaltsverein (RAV) und die AG Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwälteverein (DAV) haben sich in einer gemeinsamen Presseerklärung hinter Gerloff gestellt. „In einem demokratischen Rechtsstaat müsse die Justiz Kritik ernst nehmen und Missstände in den eigenen Reihen aufarbeiten, anstatt gegen die Kritiker vorzugehen“, heißt es dort.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/827253.richterlicher-nationaler-widerstand.html

Peter Nowak