Die Enttäuschung war Ovidiu Mindrila am Mittwochmittag anzusehen. Gerade hatte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt seine Klage gegen den Investor der Mall of Berlinabgewiesen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Bogdan Droma klagte er darauf, dass der Bauherr als letztes Glied in der Kette haften muss, wenn die von ihm beauftragten Subunternehmen zahlungsunfähig sind. Die nämlich hatten….
„Bauarbeiter bekommen nichts“ weiterlesenSchlagwort: Ovidiu Mindrila FAU
Generalenthaftung
Niederlage bei der »Mall of Shame« verweist auch auf Schwächen der außerparlamentarischen Linken
»Ich hatte große Hoffnungen in die deutsche Justiz. Doch mittlerweile bin ich sehr enttäuscht«, erklärt Ovidiu Mindrila. Gerade hat er erfahren, dass seine Klage gegen die HGHI Leipziger Platz GmbH & Co abgewiesen wurde. Mindrila war am 3. Mai von Rumänien nach Berlin gekommen, weil seine Klage an diesem Tag vorm dortigen Arbeitsgericht verhandelt wurde. Er gehört zu einer Gruppe rumänischer Bauarbeiter, die auf der Baustelle der Mall of Berlin geschuftet haben und um große Teile ihres Lohns betrogen wurden. Im Herbst 2014 sorgte ihr Fall bundesweit für Schlagzeilen, nachdem sie sich an die Basisgewerkschaft FAU
gewandt hatten. Auf zahlreichen Kundgebungen rund um die Mall of Berlin wurde offensiv der ausstehende Lohn gefordert. Gleichzeitig wurden vor dem Arbeitsgericht Klagen zunächst gegen die Subunternehmen eingeleitet, bei denen die Arbeiter beschäftigt gewesen waren. Obwohl sie mehrere Prozesse gewonnen haben, hat keiner der Beschäftigten bisher sein Geld bekommen. Die Subunternehmen meldeten Konkurs an und waren damit zahlungsunfähig – keine Seltenheit im Subunternehmerwesen der Bauwirtschaft. Daraufhin verklagte Mindrila, unterstützt von der FAU, das Generalunternehmen, das zum Firmengeflecht des Bauherrn und Investors der Mall of Berlin, Harald Huth gehört. »Das Generalunternehmen wählt die Subunternehmen aus und ist deswegen auch dafür verantwortlich, wenn diese die Löhne nicht zahlen«, lautete die Argumentation des Fachanwalts für Arbeitsrecht Sebastian Kunz, der Mindrila vor Gericht vertrat. Die AnwältInnen der beklagten Firma hatten hingegen argumentiert, die Subunternehmen und nicht der Generalunternehmer bestimmten, was auf der Baustelle geschieht. Dieser sei daher auch nicht verantwort-
lich, wenn kein Lohn gezahlt wird. Dieser Rechtsauffassung schloss sich das Arbeitsgericht an und lehnte Mindrilas Klage ab. Ob er weiter den Rechtsweg bestreitet, ist noch nicht entschieden. Das Problem ist, dass weitere Klagen mit Kosten verbunden sind, die an den KlägerInnen hängen bleiben, wenn sie am Ende keinen Erfolg haben.
Die Grenzen des Arbeitsrechts
Die Niederlage von Mindrila ist besonders tragisch, weil der Kampf der rumänischen Bauarbeiter um ihren Lohn ein hoffnungsvolles Zeichen von neuem Selbstbewusstsein migrantischer Beschäftigter war. Dass sie um ihren Lohn betrogen werden, ist nicht selten. Selten ist, dass die Betroffenen sich wehren, an die Öffentlichkeit und vor Gericht gehen. Mit der FAU fanden sie eine Gewerkschaft, die sie dabei unterstützte. Anfangs schien es so, als könnte sich eine außerparlamentarische Bewegung etablieren, die den antirassistischen Kampf mit dem Kampf am Arbeitsplatz verbindet: Im Jahr 2015 gab es regelmäßig größere Kundgebungen rund um die Mall of Berlin. Viele Medien berichteten über den Fall und skandalisierten die
Praktiken nicht nur der Subunternehmen, sondern auch der HGHI Leipziger Platz GmbH & Co. Doch bald ließ das außerparlamentarische Engagement nach, und auch die Medien wandten sich neuen Themen zu. Insofern ist die Niederlage der rumänischen Arbeiter auch und vor allem ein Zeichen für die Schwächen solcher UnterstützerInnen-Netzwerke, sich über eine längere Zeit mit Betroffenen zu solidarisieren. Die Hauptarbeit auch der Solidarität lag bei der FAU Berlin. Es ist klar, dass eine kleine Basisgewerkschaft, die viele Kämpfe vor allem im prekären Bereich führt, diese Aufgabe alleine nicht stemmen kann. Am 1. März 2016 ergriff ein außerparlamentarisches Bündnis in Berlin nochmals die Initiative und ließ einen Marsch durch das ›prekäre Berlin‹ anlässlich des Internationalen Aktionstags gegen Abschottung und Prekarisierung vor der Mall of Berlin beginnen. Hätte es mehr solcher Aktionen gegeben, hätten die Bauarbeiter ihren Lohn vielleicht sogar ohne die Justiz erhalten können. Schließlich hätte die HGHI Leipziger Platz GmbH & Co die Beträge, die
den Arbeitern zustehen, aus der Portokasse zahlen können. Und dass Harald Huth durchaus auf veröffentliche Texte reagiert, zeigt die Unterlassungserklärung, die er über seine AnwältInnen an die FAU richtete. Die hatte etwas ungenau behauptet, sie Klage gegen ihn – statt gegen das Firmengeflecht, in dem er maßgeblichen Einfluss hat. Dass in vielen Medien diese Firma mit Lohnraub und Ausbeutung von migrantischer Arbeitskraft in Verbindung gebracht wird, scheint Huth hingegen nicht zu stören. Dafür war der außerparlamentarische Druck am Ende nicht stark genug.
aus:
express Zeitung für sozialistische Betriebs, – und Gewerkschaftsarbeit 05/2017
Peter Nowak
Ausbeutung bleibt legal
MALL OF SHAME
Die Klage eines um seinen Lohn betrogenen Bauarbeiters wird vom Arbeitsgericht abgewiesen
„Ich hatte große Hoffnungen in die deutsche Justiz. Doch mittlerweile bin ich sehr enttäuscht“, sagt Ovidiu Mindrila. Gerade hat der rumänische Bauarbeiter erfahren, dass seine Klage auf eine Lohnnachzahlung von 4.134 Euro abgewiesen wurde. Mindrila war extra aus Rumänien zum Prozess am Berliner Arbeitsgericht angereist. Er gehört zu jener Gruppe umänischer Bauarbeiter, die auf der Baustelle des Einkaufszentrums Mall of Berlin gearbeitet haben und um große Teile ihres Lohns geprellt wurden. Das ausstehende Geld wollte sich Mindrila nun von der Bauherrin HGHI Leipziger Platz GmbH & Co. KG holen. Mandrila hatte von August bis Oktober 2014 vertragslos fast 500 Stunden für ein Subunternehmen auf der Baustelle gearbeitet. Statt der versprochenen 6 Euro pro Stunde erhielt er am Ende nur etwa 200 Euro. Daraufhin wandte er sich mit einigen anderen Geprellten an die Basisgewerkschaft FAU (Freie ArbeiterInnenunion). Die Arbeiter protestierten edienwirksam und reichten Klagen gegen die Subunternehmen ein, bei denen sie beschäftigt waren. Obwohl sie in mehreren Prozessen gewannen, hat keiner der Betroffenen bisher seinen Lohn erhalten, weil die Subunternehmen Konkurs
anmeldeten. Doch Mandrila und die FAU wollten sich damit nicht abfinden. Also verklagten sie mit der HGHI die Bauherrin, die das Zentrum betreibt. Die Firma gehört zum Firmengeflecht des Investors Harald Huth. „Wer die Subunternehmen auswählt, ist auch dafür verantwortlich, wenn die Löhne nicht gezahlt werden“, so die Argumentation von Mindrilas Anwalt Sebastian Kunz.
Der Anwalt der beklagten Firma hatte hingegen argumentiert, dass einzig die Subunternehmen bestimmen, was auf
der Baustelle geschieht. Das Geschäft der Holding sei es einzig, Einkaufszentren zu betreiben. Für den Bau seien die beauftragten Unternehmen zuständig. Dieser Rechtsauffassung schloss sich das Arbeitsgericht an und lehnte indrilas Klage ab. Trotz dieser Niederlage will er den juristischen Kampf fortsetzen. „Es geht um mein Recht“, betonte er gegenüber der taz. Enttäuscht zeigte sich auch Hendrik Lackus von der FAU Berlin. Anfangs habe er noch die Hoffnung gehabt, dass die Arbeiter ihre Löhne bekommen. Doch je länger sich die Auseinandersetzung hinzog, umso pessimistischer wurde er. Über die Stimmung der Betroffenen sagte er: „Mittlerweile sind viele der Arbeiter wieder in Rumänien. Trotz des großen Interesses an ihrem Fall in Deutschland glauben sie nicht mehr, dass sie ihren Lohn bekommen.“
TAZ DONNERSTAG, 4. MAI 2017
Peter Nowak