Pegida ist Sarrazin in der Praxis

Protest kontra Schäuble im Berliner Ensemble

Am Theatervorplatz des Berliner Ensembles (BE) haben am Sonntag einige Dutzend Menschen gegen einen Auftritt von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Theater protestiert, der dort mit dem Dirigenten Daniel Barenboim diskutierte. Die linken Protestierenden kritisierten, dass nur wenige Wochen nach einem Auftritt von Thilo Sarrazin im BE jetzt Schäuble eine Bühne geboten werde. In einem Beitrag wurde betont, dass nicht die Person Schäuble, sondern die Politik der Bundesregierung kritisiert werde. BE-Direktor Claus Peymann diskutierte angeregt mit den Demonstranten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/931275.protest-kontra-schaeuble-im-berliner-ensemble.html

Peter Nowak

Hätte Sarrazin wegen Rassismus angeklagt werden müssen?


Der Antirassismus-Ausschluss der Vereinten Nationen rügt die deutsche Justiz

Um Thilo Sarrazin ist es in der letzten Zeit ruhig geworden. Sein im letzten Jahr veröffentlichtes Buch „Deutschland braucht den Euro nicht“ hat längst nicht soviel Aufmerksamkeit erregt wie sein Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ von 2010. Seine dort aufgeführten Thesen hatte Sarrazin bereits im Herbst 2009 in einem Interview mit dem Magazin Lettre International vorgestellt. Mit dem Inhalt hat sich nun der Antirassismus-Ausschluss der Vereinten Nationen befasst und die deutsche Justiz gerügt.

Den Ausschuss hatte der Türkische Bund Berlin/Brandenburg eingeschaltet, nachdem er vergeblich von der deutschen Justiz gefordert hatte, die Äußerungen von Sarrazin auf Rassismusverdacht hin zu überprüfen. Mit Verweis auf die Meinungsfreiheit hatte die Staatsanwaltschaft es abgelehnt, die Anzeige des Türkischen Bundes gegen Sarrazin wegen Beleidigung und Volksverhetzung weiterzuverfolgen.

Rassismus nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt?

Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der rassistischen Diskriminierung (Committee on the Elimination of Racial Discrimination) gab dem TBB nun recht. Die Bundesrepublik habe zu wenig unternommen, um Teile ihrer Bevölkerung vor rassistischen Anfeindungen zu schützen. In den Ermittlungen gegen Sarrazin sei die deutsche Justiz nicht ausreichend der Frage nachgegangen, ob Sarrazins Äußerungen rassistisches Gedankengut beinhalteten, heißt es zur Begründung. Doch der Ausschuss hat die deutsche Justiz nicht nur formal gerügt, sondern sich auch mit Sarrazins Äußerungen befasst:

„Der Ausschuss urteilt, dass Herrn Sarrazins Äußerungen eine Verbreitung von Auffassungen darstellen, die auf einem Gefühl rassischer Überlegenheit oder Rassenhass beruhen, und Elemente der Aufstachelung zur Rassendiskriminierung (..) enthalten.“

Da der Ausschuss Sarrazins Äußerungen als rassistisch einstuft, seien sie auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Bundesrepublik Deutschland soll nun innerhalb von 90 Tagen gegenüber dem Ausschuss konkrete Maßnahmen zum besseren Schutz vor Rassismus vorlegen. Allerdings gibt es keine Sanktionsmöglichkeiten, falls Deutschland – was nicht unwahrscheinlich ist – das Votum einfach ignoriert. Schließlich haben die Erklärungen des Ausschusses generell nur empfehlenden Charakter.

Daher ist die Entscheidung in erster Linie ein moralischer Erfolg für den Türkischen Bund, der in einer Stellungnahme gleich von einer historischen Entscheidung gesprochen hat. Auch die Sprecherin des Instituts für Menschenrechte begrüßte die Entscheidung und betonte:

„Der Ausschuss hat unter Hinweis auf seine bestehende Spruchpraxis hervorgehoben, dass die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung Grenzen hat. Zu diesen Grenzen gehört insbesondere die Verbreitung rassistischen Gedankenguts.“

Allerdings dürfte selbst bei Personen, die in der Vergangenheit Sarrazin kritisiert haben und daher die Einschätzung, dass er rassistisch argumentiert, teilen, strittig sein, ob dagegen mit den Mitteln des Strafrechts sinnvoll vorgegangen werden kann. Schließlich ist das Problem ja nicht nur Sarrazin, sondern seine in die Millionen gehenden zustimmenden Leser und Anhänger. Die werden natürlich noch mehr zu Sarrazin halten, wenn er sich als Märtyrer der Meinungsfreiheit inszenieren kann. Dazu besteht aber nach der Entscheidung kaum Gelegenheit. Sarrazin muss keine Wiederaufnahme abgeschlossener Verfahren befürchten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154132
Peter Nowak

Angriff der Eliten

Vor mehr als 15 Monaten sorgte der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin mit seinem Buch Deutschland schafft sich ab für ein großes Medienecho mit weitreichenden gesellschaftlichen Folgen.

Viele Bücher sind darüber in politisch guter Absicht, aber oft geringer theoretischer Fundierung verfasst wurden. Als Beispiele seien hier das als Anti-Sarrazin-Buch hochgelobte Integrations-unwillige Muslime von Ahmet Toprak oder Anti-Sarrazin von Sascha Stanicic genannt.
Die drei hier vorgestellten Bücher befassen sich mit den Vorläufern Sarrazins und den Auswirkungen der von seinem Buch ausgelösten Debatte auf einem hohen theoretischen Niveau und bleiben auch nach dem Ende des Hypes um Sarrazin lesenswert.

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Kreuzberg jetzt Sarrazin-freie Zone?

Der Ex-Senator und Ex-Bankier polarisiert dank medialer Hilfe wieder

In den letzten Wochen war es um den Bestsellerautor Thilo Sarrazin ruhig geworden. Seit die SPD beschlossen hat, sich nicht von ihrem umstrittenen Mitglied zu trennen, ließ seine Medienpräsenz nach. Das hat sich in den letzten Tagen geändert. Mitte Juli war Sarrazin mit der ZDF-Autorin Güner Balci und Kameraleuten auf Kreuzbergs Straßen. Das ZDF-Kulturmagazin Aspekte hatte Sarrazin „unter die Türken“ geschickt. Das Ergebnis des Besuchs ] kann man heute ab 23.15 Uhr im ZDF sehen.

„Zunächst verliefen der Besuch und auch die Gespräche ungestört. Erst gegen Ende, vor einem Restaurant, wurden die Arbeiten von einzelnen Passanten lautstark kritisiert. Nach einem kurzen Gespräch schlug der Besitzer des Restaurants vor, es sei besser, den Besuch abzubrechen – um eine Eskalation zu vermeiden“, berichtete Güner Balci. Ähnliche Erinnerungen Schreibt  ein Augenzeuge in den deutsch-türkischen Nachrichten.

Auf den Internetseiten der Sarrazinfans liest sich der Besuch ihres Idols wesentlich dramatischer. Da werden wahlweise Muslime ] oder Türken  beschuldigt, Sarrazin aus Kreuzberg vertrieben zu haben. Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky spricht von Psychoterror eines Pöbels gegen Sarrazin. Dieses Statement ist bei ihm nicht verwunderlich, gilt doch Buschkowsky als eine Soft-Version von Sarrazin in der SPD und hat sich trotz der Kritik an manchen seiner Formulierungen stets hinter ihn gestellt.

Einladung zum Publik-Buhing in Kreuzberg

Der kritisierte in einer Pressemitteilung die Inszenierung bei aspekte. „Es ist wirklich mehr als peinlich, wenn Aspekte, ein renommiertes Kulturmagazin, es offensichtlich nötig hat, einen solch vorhersehbaren Eklat zu inszenieren. Wer Thilo Sarrazin unter sichtbarer filmischer Beobachtung durch Berlin-Kreuzberg und Neukölln schickt, kalkuliert mit wütenden Reaktionen“, meint der Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann.

Das rief wiederum und unvermeidlich Henryk M. Broder auf den Plan, der für Sarrazin in die Bresche sprang und dafür antisemitischen Anwürfen  ausgesetzt ist. Broder insistiert vor allem darauf, dass Kreuzberg keine No-Go-Area für Sarrazin sein darf. Aber ist nicht allein die Befürchtung bei einem Mann grundlos, der via Bild und TV in jedes Wohnzimmer Eingang findet? Broder gab wegen der für ihn „antiaufklärerischen, paternalistischen und reaktionären“ Kritik des Kulturrats den Journalistenpreis zurück, den er im Frühjahr von diesem erhalten hatte

Die Linksparteipolitikerin Evrim Baba Sommer wies in einem Interview  darauf hin, dass Sarrazin Kritiker seines Besuches fragte, ob sie überhaupt deutsche Staatsbürger seien und damit die Meinungsfreiheit an den deutschen Pass knüpfte. Ein Bündnis linker Gruppen lädt anlässlich der Ausstrahlung der aspekte-Sendung zu einem Public-Buhing  in Kreuzberg ein. Die Organisatoren wollen damit deutlich machen, dass die Haltung zu Sarrazin nichts mit Ethnien und Religion, sondern mit einer politischen Positionierung zu tun hat.

http://www.heise.de/tp/blogs/6/150190

Peter Nowak

Halber Erfolg für Sarrazin

Der Auftritt von Buschkowsky soll die SPD-Basis mit dem Ausschluss von Sarrazin versöhnen

Eine Personalie sorgte auf dem SPD-Parteitag (siehe Links „angetäuscht“) für Aufsehen: Der Bürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, gehörte neben dem ehemaligen Bundespräsidentschaftskandidaten Joachim Gauck zu den Gastrednern. Der Neuköllner Lokakpolitiker erfüllte dort ganz die Erwartungen. Er redete über die Integrationspolitik und nahm dabei kein Blatt vor den Mund:

„Wer dauerhaft zu uns kommt, hat auch die Pflicht, einen eigenen Beitrag zur Integration in die Gesellschaft zu leisten, zum Beispiel durch Teilnahme an Integrationskursen. Dazu brauchen wir eine konsequente und schnellere Anwendung der bestehenden Gesetze und keine weiteren Gesetzesverschärfungen!“

In Zukunft solle der Abbruch von Integrationskursen ebenso wenig akzeptiert werden wie das Schulschwänzen, betonte Buschkowsky

Beruhigung der SPD-Basis

Genau deshalb wurde er eingeladen. Diese Thesen hat Buschkowsky schon seit mehreren Jahren vertreten und sich dabei im SPD-Mittelbau nicht unbedingt Freunde gemacht. Als Mann für das Grobe hat er sich seit Jahren immer wieder zum Thema Integration zu Wort gemeldet.

Von seinen Kritikern wurde Buschkowsky öfter mit Sarrazin verglichen. Dem hat er auch sein überraschendes Comeback auf dem SPD-Parteitag zu verdanken. Damit soll der Basis signalisiert werden, dass die Kritik am Multikulturalismus kein Ausschlussgrund aus der SPD ist. Das aber behaupteten viele Sarrazinfans in und außerhalb der SPD.

Von Buschkowsky abgeschrieben

Buschkowsky lehnt einen Ausschluss von Sarrazin ab und hat sich zu seinem umstrittenen Buch sehr unterschiedlich geäußert. So bescheinigt er im gleichen Interview Sarrazin, dass er die Sachprobleme zutreffend beschrieben, aber auch, dass er Formulierungen gebraucht habe, die am Rande des Rassismus angesiedelt seien.

Zudem grenzt sich Buschkowsky von Sarrazins Ausflügen in die Eugenik ab, weist aber nicht uneitel darauf hin, dass die in seinen Augen brauchbaren Teile des Buches von ihm abgeschrieben sein sollen. Tatsächlich beruft sich Sarrazin in seinem Buch auf intensive Gespräche mit Buschkowsky.

Dessen Auftritt auf dem SPD-Parteitag ist so auch ein halber Sieg Sarrazins. Während man sich von den Ausflügen in die Genetik distanziert, werden seine Thesen zur Integrations- und Unterschichtenproblematik, die vor einigen Jahren noch auf große Kritik auch in liberalen Kreisen gestoßen wären, heute weitgehend unterstützt. So wird ein Buschkowsky, der mit seiner Kritik an der multikulturellen Gesellschaft in der SPD lange Zeit im Rechtsaußen angesiedelt war, zum Gastredner des Parteitages.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/148457

Peter Nowak

Neue Rechtspartei in Berlin?

Für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im nächsten Jahr gibt es rechte Parteiplanungen, gehofft wird auf Zulauf von den etablierten Parteien

René Stadtkewitz wurde aus der CDU-Fraktion des Berliner Abgeordnetenhauses ausgeschlossen. Eigentlich wäre es eine Nachricht ohne große politische Bedeutung. Denn der Rechtsaußenpolitiker Stadtkewitz, der schon vor einigen Monaten nach großen Druck aus der CDU ausgetreten ist (Vor einem neuen Kulturkampf?), hatte bundespolitisch wenig Bedeutung. Auch in Berlin blieb er der Hinterbänkler, der immer wieder rechte Duftmarken setzte. So war er der führende Kopf einer Bürgerinitiative gegen den Bau einer Moschee im Stadtteil Heinersdorf (Kulturkampf in Berlin-Pankow).
   

Die Moschee ist längst eröffnet. Doch Stadtkewitz blieb seinem Thema treu und lud zur Unterstützung und Vernetzung des Kampfes gegen den Islam den holländischen Populisten Geert Wilders nach Berlin ein (Keine Tea-Party-Bewegung in Deutschland). Weil er an diesem Vorhaben festhielt, musste er nun die CDU-Fraktion verlassen. Damit bekamen die Personalie Stadtkewitz und seine Ankündigung, eine eigene Partei gründen zu wollen, doch eine größere Bedeutung (Kommt die Rechtspartei?).

Europaweite Anti-Islambewegung

Denn anders als Henry Nitzsche oder Martin Hohmann, weitere Rechtsaußenpolitiker, die die CDU in den letzten Jahren verlassen mussten und in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwanden, ist Stadtkewitz nicht isoliert. Schließlich ist die Anti-Islambewegung mittlerweile ein Faktor nicht nur am rechten Rand und nicht nur in Deutschland.

Das kann an der Personalie Wilders gezeigt werden. Denn fast wäre er als Unterstützer der nächsten holländischen Regierung nach Berlin gekommen. Die Verhandlung zwischen seiner rechtspopulistischen Bewegung und den holländischen Konservativen und Christdemokraten waren weit fortgeschritten. Wilders hat die Verhandlungen abgebrochen, weil einige christdemokratische Abgeordnete Probleme hatten, diese Positionen hoffähig zu machen. Jetzt kann sich Wilders als Rebell gegen das politische Establishment feiern lassen und auf weitere Zustimmung hoffen.

Doch nicht nur in Holland existiert mittlerweile eine rechte Bewegung, die den Kampf gegen den Islam als politisches Vehikel entdeckt hat. Spätestens seit der erfolgreichen Volksabstimmung über das Verbot von Minaretten in der Schweiz (Kein Muezzin-Ruf aus der Toblerone) ist kein Land davon ausgenommen. In den meisten Ländern wollen die klassischen Rechtsparteien mit dem Moslembashing Aufmerksamkeit gewinnen. Dabei legen sie es bewusst auf einen Skandal an, um sich dann als Opfer eines linken oder liberalen Meinungsterrors zu gerieren.

So haben die ultrarechten Schwedendemokraten einen Wahlkampfspot kreiert, wo verschleierte Frauen zu sehen sind, die beim Run auf schwedische Sozialleistungen eine Rentnerin überholen. Im schwedischen Fernsehen wurde das Video nicht ausgestrahlt, die Zugriffe im Netz sind hoch. Die österreichische Rechtspartei FPÖ bzw. ihre Filiale in der Steiermark hatte ein Anti-Islam-Spiel ins Netz gestellt, in dem man Symbole, die für einen Imam oder eine Moschee stehen, wegklicken konnte. Kritiker wollten darin ein Abschießen erkennen. Die Aufregung war groß – und das ist ganz nach dem Geschmack der FPÖ. Das macht deutlich, dass die Rechten nicht ins Abseits geraten, wenn sie am Themenfeld Islam mit Provokationen und Skandalen arbeiten.

Suche nach einer Integrationsfigur

Auch in Deutschland hat das gesamte politische Lager rechts von der Union den Kampf gegen den Islamismus auf ihre Fahnen geschrieben. Die rechte Szene ist in Deutschland allerdings besonders zerstritten und der Streit um die Abgrenzung nach Rechtsaußen begleitet seit Jahren jede dieser Gruppierungen. So gab es lange Jahre Streit zwischen der Deutschen Volksunion und den Republikanern, beide Gruppierungen sind heute marginal.

Aktuell wird der innerrechte Machtkampf zwischen der Pro-Deutschland-Bewegung und der NPD ausgetragen. Die Pro-Deutschlandbewegung grenzt sich offiziell von dem neonazistischen Flügel der Rechten ab. Aber einige ihrer Spitzenpolitiker sind im innerparteilichen Flügelkampf der NPD unterlegen, bevor sie sich ein neues politisches Betätigungsfeld suchten. Deshalb steht für viele rechtskonservative Kräfte auch die Pro-Deutschlandbewegung zu stark im alten rechten Lager verankert.

Hier können Politiker wie Stadtkewitz mit ihrer Herkunft aus einer etablierten Partei eine größere Rolle für eine neue Rechtspartei spielen. Da dessen Zugkraft begrenzt ist, hoffen viele im rechten Lager auf einen Zulauf aus der SPD. Der ehemalige Berliner Finanzsenator Sarrazin wird seit Erscheinen seines Buches „Deutschlands schafft sich ab“ aus dem rechten Lager geradezu genötigt, eine eigene Partei zu gründen (NPD und pro Deutschland werben um Thilo Sarrazin).

Umfragen, die ihr ein zweistelliges Ergebnis prognostizieren, sollen den Entscheidungsprozess beschleunigen (18-Prozent-Potenzial für Sarrazin-Partei). Schließlich gibt es ein konkretes Datum: den 4. September 2011. Dann wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Die Rechten sehen hier gute Chancen für die erfolgreiche Kandidatur einer neuen Partei jenseits der Union. Die alten rechten Parteien sind in Berlin marginal, die NPD ist beispielsweise intern zerstritten, die Republikaner spielen kaum mehr eine Rolle. Diese Partei war in Westberlin Ende der 80er Jahre mit über 7 % ins Abgeordnetenhaus gewählt worden, was ein Indiz für die Existenz eines rechtes Potentials in der Stadt ist, das aktiviert werden kann. Zudem war die Westberliner Frontstadt-CDU immer ein Sammelbecken für rechte Strömungen, die sich in einer Hauptstadt-CDU, die die Modernisierung auf ihre Fahnen geschrieben hat und auch für die Grünen koalitionsfähig sein will, nicht mehr wohl fühlen. Zudem kann gerade in Berlin mit einer Anti-Islam-Kampagne das Bürgertum gegen Kreuzberger oder Neuköllner Verhältnisse mobilisiert werden.

Lafontaine von rechts?

Die Karten für eine rechte Kandidatur in Berlin werden in den nächsten Monaten gemischt. Die Pro-Bewegung hat sich als erste angemeldet, ein Büro in Berlin bezogen und hoffte auf finanzielle Unterstützung durch den rechten Multifunktionär Patrik Brinkmann (Libertäre als Tea-Party-Großsponsoren). Doch das ist mittlerweile fraglich. Denn Brinkmann will die Kreise um Stadtkewitz mit in die Parteigründungspläne einbeziehen, für die die Pro-Bewegung als notdürftig modernisierte alte Rechte bisher kein Bündnispartner ist.

Nun droht für die Rechte der Supergau, eine Kandidatur gleich mehrerer Parteien, die sich rechts von der Union profilieren wollen und unter der Fünfprozenthürde bleiben. In dieser Situation könnte eine Kandidatur von Sarrazin die Einigung beschleunigen. Was Lafontaine 2005 mit seiner Kandidatur bei den vorher zerstrittenen linkssozialdemokratischen Gruppen gelungen ist, könnte Sarrazin in Berlin von Rechts wiederholen, so das Kalkül der Rechten. Der hat sich bisher aber noch nicht zu solchen Plänen geäußert, weil sie eine Steilvorlage für das laufende SPD-Ausschlussverfahren wären. Da er aber auch solche Pläne nicht kategorisch ausschloss, hoffen die Rechten weiter.

Partei des aggressiven Bürgertums

Dass solche Parteibildungsspiele keine Kopfgeburten sind, zeigt ein Gastkommentar des Medienwissenschaftlers Norbert Bolz im Tagesspiegel, wo er für eine neue rechte Partei auf bürgerlich-konservativer Linie eintritt. Dafür wäre Sarrazin der ideale Kandidat. Schließlich hat er als Senator in seiner Frontstellung gegen Hartz IV-Bezieher beispielsweise Politik für ein Bürgertum gemacht, das die sogenannten Unterklassen in die Schranken weisen will.

Sollte ein solches Parteiprojekt in Berlin erfolgreich sein, dürfte es auch Nachahmer aus anderen Bundesländern geben. Dann könnten vielleicht auch abgehalfterte Politiker wie Friedrich Merz noch einmal in den Ring steigen. Allerdings würde auch ein Überraschungserfolg in Berlin wenig über die Beständigkeit einer solchen Bewegung aussagen. Schließlich hatte die Schill-Partei in Hamburg mit einen ähnlichen Politikkonzept einen rasanten Aufstieg und einen ebenso fulminanten Absturz hingelegt.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33286/1.html

Peter Nowak