Die treibende Kraft bei Pegida ist ein gut verdienender Mittelstand, der sich von den Prekären und Deklassierten abgrenzt
Kaum gibt es eine neue politische Bewegung, muss sie schon politisch erforscht werden. Das gilt natürlich für ein politisch so umstrittenes Phänomen wie die Pegida-Bewegung besonders. Vor einigen Tagen veröffentlichte die TU-Dresden und das Zentrum für Verfassungs- und Demokratieforschung eine erste Studie [1] über diese Bewegung.
„Der ‚typische‘ PEGIDA-Demonstrant entstammt der Mittelschicht, ist gut ausgebildet, berufstätig, verfügt über ein für sächsische Verhältnisse leicht überdurchschnittliches
Nettoeinkommen, ist 48 Jahre alt, männlich, gehört keiner Konfession an, weist keine Parteiverbundenheit aus und stammt aus Dresden oder Sachsen“, heißt es dort.
Nun ergibt sich die letzte Feststellung aus der Tatsache, dass die Pegida-Demonstration in Dresden beobachtet wurde.
Wie repräsentativ ist die Studie?
Sofort nach Veröffentlichung wurde die Repräsentativität der Studie angezweifelt [2]. Tatsächlich war die Datenbasis sehr schmal. In drei Terminen im Dezember und Januar hatten je 15 Mitarbeiter und Studenten der TU Dresden unter Leitung von Professor Hans Vorländer Pegida-Teilnehmer befragt. Von rund 1.200 Angesprochenen hatten dabei nur 400 geantwortet. Es sei auch nicht ausgeschlossen, dass ein Pegida-Teilnehmer mehrmals geantwortet hat.
Zu diesen Problemen kommen noch andere hinzu. Da es in der Bewegung großes Misstrauen nicht nur gegen die Presse, sondern auch gegen Forschungsinstitute gibt, war die Bereitschaft zur Teilnahme nicht besonders hoch. Zudem ist evident, dass Menschen aus dem Mittelstand eher bereit sind, sich an einer solchen Umfrage zu beteiligen, als solche aus den unteren Schichten. Auch in zivilgesellschaftlichen Gruppenaller Art sind die Angehörigen der Mittelklassen in der Vorderhand. Zudem ist es wahrscheinlich, dass einige der in rechten Gruppen aktiven Pegida-Organisatoren über ihre politischen Präferenzen wenig sagen.
Klassismus in den Medien
Doch selbst unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen kann man zusammenfassen: Die treibende Kraft bei Pegida ist ein gut verdienender Mittelstand, der sich von den Prekären und Deklassierten abgrenzt. Weniger überraschend als dieses Ergebnis sind die Kommentare in manchen Medien und auch die Töne aus dem Forscherteam selbst.
So erklärten diese, dass es sich bei den Pegida-Anhängern um keine Ansammlung von Rentnern und Arbeitslosen handeln. Nur wird nicht klar, wer auf welchen Grundlagen etwas anderes behauptet hat. Eigentlich macht die überflüssige Klarstellung nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass man von Erwerbslosen und Rentnern eher eine Beteiligung erwartet als von gutverdienenden Mittelständlern.Das macht sich auch im Kommentar [3] von Spiegel-Online bemerkbar:
„Die Wissenschaftler betonen, ihre Ergebnisse stünden zum Teil bisherigen öffentlichen Annahmen über Anliegen und sozialen Hintergrund von Pegida-Anhängern entgegen. Vertreter der Parteien hatten den Demonstranten wiederholt Ausländer- und Islamfeindlichkeit vorgeworfen.“ Auch diese Differenzierung macht nur Sinn, wenn man schon von der Grundannahme ausgeht, dass der Mittelstand im Gegensatz zu den Proleten nicht ausländer- und islamfeindlich sein kann.
Aus den Ergebnissen der Studie zumindest lassen sich solche Schlüsse nicht ableiten. Wenn die Befragten erklären, dass die Motivation, an den Demonstrationen teilzunehmen, nicht primär Angst vor dem Islam ist, und auch die Ausländerfrage nicht den zentralen Stellenwert einnimmt, dafür eine allgemeine Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik die Triebfeder der Aktivitäten ist, spricht das für einrechtspopulistisches Weltbild.
Zu den Kernelementen gehört eine Nützlichkeitsideologie, danach werden Erwerbslose genauso gemessen wie Migranten. Es wird eine Trennungslinie gezogen zwischen Menschen, die für Deutschland Opfer bringen, und solchen, die es nicht wollen oder nicht in der Lage dazu sind. Diese werden abgewertet, sanktioniert oder abgeschoben, sind jedenfalls das Feindbild der gutverdienenden Mittelschicht. Ob es sich um Erwerbslose handeln, die sich nicht alle Zumutungen des Hartz IV-Regimes gefallen lassen wollen, oder um Geflüchtete, die sich nicht als Opfer verstehen, ist dabei nebensächlich.
Sarrazin stand am Anfang von Pegida
Eine solche Einstellung wurde vor einigen Jahren als Sozialchauvinismus bezeichnet. Die Diskussion begann nicht zufällig, als der Ex-Politiker und Ex-Bankdirektor Thilo Sarrazin seine Karriere als Buchautor begann. Es ist auffällig, dass bisher auch bei Pegida-Kritikern der Zusammenhang zu diesen Demonstrationen und dem Erfolgskurs von Sarrazin selten gezogen wird. Dabei sind die Parallelen in mehrerer Hinsicht deutlich.
„Gut ausgebildet, berufstätig, überdurchschnittliches Nettoeinkommen, männlich, gehört keiner Konfession an, weist keine Parteiverbundenheit auf“: Diese Merkmale treffen auch auf die Menschen zu,die in den letzten Jahren die oft ausverkauften Lesungen von Thilo Sarrazin besuchten. Auch die Themen, die er in seinen Büchern anspricht, finden sich nun in noch zugespitzterer Form auf den Pegida-Demonstrationen. Die Abwehr alles Fremden, die Angst, dass sich Deutschland abschafft, der nostalgische Blick auf die DM, das Gefühl, in einen Land zu wohnen, in dem nicht mehr überall deutsch gesprochen wird. Das sind nur einige der Kernelemente, die die Sarrazin-Leser und die Pegida-Gänger eint.
Die Gründung mehrerer kurzlebiger Parteiformationen, die sich explizit auf Sarrazin beriefen und ihn sogar im Namen führten, in verschiedenen Bundesländern zeigt, dass seine überzeugten Leser mit dem Amalgam aus seinen Büchern politisch aktiv werden wollten. Auf parteipolitischer Ebene ist darauf die AfD auf der außerparlamentarischen Ebene Pegida geworden.
Auffällig ist, dass genau so wie bei der Diskussion über die Sarrazin-Thesen auch die Kritik an der Pegida-Ideologie vor allem vor dem Narrativ des Rassismus geführt wird. Das ist sicher bei beiden ein wichtiges Kernelement. Doch ebenso ist es die scharfe Frontstellung gegen Erwerbslose und überhaupt gegen Menschen mit und ohne Lohnarbeit, die sich für ihre eigenen Rechte einsetzen. Wenn dann manchen Pegida-Kritikern die Enttäuschung anzuhören ist, dass dort nicht mehrheitlich perspektivlose Erwerbslose teilnehmen,spricht auch daraus ein Ressentiment gegen diese Menschen. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sie genau diesen Aspekt in ihrer Kritik an Sarrazin oder der Pegida kaum ansprechen.
http://www.heise.de/tp/news/Pegida-ist-Sarrazin-in-der-Praxis-2519485.html
Peter Nowak
Links:
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