Schön bunt, aber …

Gewerkschaftsfeind: Polnische Beschäftigte lehnen sich gegen ihren chinesischen Arbeitgeber auf
Weil ihr Arbeitgeber gewerkschaftliche Organisation verhindern will und Leute feuert, sind polnische Beschäftigte in Europa auf Tour, um für Solidarität zu werben.

„Solidarität ist gefragt“, lautet der Titel eines Aufrufs, mit dem die anarchosyndikalistische Freie Arbeiterunion (FAU) zur Unterstützung von 25 polnischen Beschäftigten mobilisiert. Es handelt sich dabei hauptsächlich um Frauen, die in der polnischen Sonderwirtschaftszone Tarnobrzeg für den chinesischen Technologiekonzern Chung Hong Fernsehgeräte zusammenschraubten. Dafür sollten sie monatlich nur umgerechnet 350 Euro monatlich verdienen und das in einem Land, in dem sich die Lebenshaltungskosten dem westeuropäischen Niveau annähern. Zudem klagten die Beschäftigten über lange Anfahrtswege von mehr als einer Stunde. Die insgesamt 14 polnischen Sonderwirtschaftszonen werden in Gegend mit hoher Arbeitslosigkeit eingerichtet. Doch ein Teil der Beschäftigten von Chung Hong wollte die schlechten Arbeitsbedingungen nicht hinnehmen und organisierte sich in der libertären Gewerkschaft Arbeiterinitiative (Inicjatywa Pracownicza). Der Konzern reagierte mit Repression. Zunächst wurde ein Gewerkschaftsaktivist entlassen. Als sie sich dagegen mit einen Streik wehrten, wurden am 10. Juli 2012 weitere vierundzwanzig Beschäftigte fristlos gekündigt. Sie versuchen auf juristischen Wege gegen die Entlassungen vorzugehen. Doch noch ist kein Gerichtstermin angesetzt. Die Betroffenen seien durch die Kündigung in einer schwierigen sozialen Situation, weil sich das zuständige Arbeitsamt auf dem Standpunkt stellt, die Beschäftigten hätten durch ihre gewerkschaftliche Tätigkeit ihre Entlassung selber verschuldet und ihnen die finanziellen Leistungen gekürzt, begründet der Berliner FAU-Sekreätr Andreas Förster den Solidaritätsaufruf gegenüber nd. Trotzdem haben sich die Gekündigten bisher allen Spaltungsversuchen widersetzt. Chung Hong wollte einige der Entlassenen wieder einstellen, doch die beharren auf ihrer Forderung, dass sämtliche Kündigungen zurück genommen werden müssen.

In den letzten Wochen gab es in verschiedenen europäischen Ländern Solidaritätsaktionen mit den Entlassenen, unter anderem in Großbritannien, Norwegen und Deutschland. Ende August protestierten ca. 20 Unterstützer vor der IFA-Elektronikmesse in Berlin. Der Ort wurde ausgewählt, weil Chung Hong ein wichtiger Zuliefererbetrieb für den weltweit bekannten südkoreanischen Elektronikkonzern LG (Lifes Good) ist, der zentral auf der IFA vertreten ist“, erklärt Förster.
Die Aktionen sind auch Suchprozesse. Denn die Frage, wie kann eine effektive Solidarität mit gemaßregelten Beschäftigten in einer hochgradig globalisierten Ökonomie aussehen kann, ist nach wie vor offen. In dem konkreten Fall hindert ein chinesischer Konzern polnische Beschäftigte, die begehrte Konsumartikel wie Fernsehgeräte und Smartphons auch für den Markt in Deutschland produzieren, an gewerkschaftlicher Organisierung. Förster hat auch das Bild des kritischen Konsumenten vor Augen, wenn er betont, dass es wichtig sei, bei den Käufern in Deutschland an dem konkreten Beispiel die Arbeitsbedingungen verdeutlichen, unter denen die so begehrten elektronischen Geräte produziert werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/237827.schoen-bunt-aber.html

Peter Nowak

Von den Schwierigkeiten, einen Flughafen zu eröffnen

Nun wird auch klar, warum Wowereit die Große Koalition vorgezogen hatte

Eigentlich sollte erst am kommenden Freitag bekannt gegeben werden, dass die Eröffnung des Hauptstadtflughafens bei Berlin abermals verschoben wird. Jetzt wird ein Zeitraum zwischen dem 20. und 27. Oktober 2013 genannt, wenn die Winterflugpläne in Kraft treten. Diese erneute Verschiebung ist nicht mehr so überraschend wie es das Canceln der mit vielen Plakaten schon wochenlang zuvor angekündigten Einweihung des Willy-Brand-Flughafens am 3. Juli dieses Jahres war. Allerdings wird das Projekt durch die terminliche Streckung noch um einige Millionen teurer. Vor allem viele Unternehmer, die langfristige Verträge auf dem neuen Areal geschlossen haben, sind sauer. Auch manche Tegeler Bewohner, die froh waren, endlich auch mal ein Open-Air-Konzert organisieren zu können, waren düpiert. Aber die Berliner, die schließlich im Nahverkehr tagtäglich Geduld zeigen müssen, reagieren eher mit Schulterzucken auf die erneute Vertagung. Manche bieten auch schon Wetten auf den Zeitpunkt an, an dem die erneute Verschiebung bekannt gegeben wird.

Wowereit hat mit großer Koalition vorgesorgt

Anders reagiert die politische Klasse in Berlin. Die erneute Verschiebung der Eröffnung wird die seit Wochen stetig sinkenden Sympathiewerte für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit sicher nicht erhöhen. Doch der hat vorgesorgt. Manche haben sich gewundert, warum er nach den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus nicht das von seiner Parteibasis und vielen seiner Wählern favorisierte Regierungsbündnis mit den Grünen eingegangen ist, sondern die große Koalition mit der Union vorgezogenen hat.

Seit einigen Wochen ist klar, warum Wowereit gegen heftige Widerstände diese Kooperation suchte. Denn als Bürgermeister einer rotgrünen Koalition, die nur eine Stimme Mehrheit vorweisen konnte, hätte er sich nach dem Debakel um den Hauptstadtflughafen, über das er als Aufsichtsvorsitzender sicher weniger überrascht als die meisten Zeitungsleser war, Sorgen um den Bestand seiner Regierung machen müssen. Bei der großen Koalition können in beiden Parteien einige Parlamentäre querschießen und die Mehrheit für Wowereit steht noch immer. Zudem muss die Union jetzt offiziell Wowereit den Rücken freihalten und Kritik und Rücktrittsforderungen ihren Brandenburger Parteifreunden, die dort in der Opposition sind, überlassen.

Dafür konnten die Berliner Grünen ihre Oppositionsrolle umso lautstarker wahrnehmen und zumindest den Rücktritt Wowereits vom Posten des Aufsichtsrates des Flughafens fordern. Zudem können sie sich etwas in Interessenvertretung der Bürger üben, indem sie die Bewohner der Region um den Flughafen unterstützen, die nach einer Flugroutenänderung vergeblich ein neues Planfeststellungsverfahren forderten und nun die Verzögerung der Flughafeneröffnung nutzen, um auf eine Nachrüstung beim Lärmschutz zu drängen.

Wäre ihre Wunschkoalition in Erfüllung gegangen, hätte man die grünen Parlamentäre genauso verdruckst den Bürgermeister unterstützen hören wie jetzt die Union. Soweit bleibt alles im parlamentarischen Bereich und das Gezerre der Flughafeneröffnung gibt unfreiwillig einen guten Einblick in die Konstruktion der Rollen von Regierung und Opposition in der bürgerlichen Demokratie.

Zahlen die Beschäftigten die Zeche?

Wer in den Verzögerungen einen Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland sieht, vergisst, dass es im Ausland sicher wichtigere Probleme als das Eröffnungsprozedere eines Airports gibt, der international anders als Köln und Rhein/Main nicht besonders von Interesse ist.

Die größten Opfer für die Verzögerungen konnten wieder einmal die Beschäftigten auf den Flughafen zahlen. Von Anfang an war klar, dass ein Großteil zu prekären Bedingungen arbeiten wird. Jetzt nehmen die Unternehmen die durch die Eröffnungsverzögerungen entstandenen Kosten zum Anlass, um die Arbeitsbedingungen noch weiter zu drücken.

„Dieser Flughafen entwickelt sich zu einem Versuchslabor für immer prekärere Arbeitsverhältnisse in der Region“, sagte Ver.di-Sekretär Max Bitzer auf einer Konferenz vor einer Woche. Da stand die erneute Verzögerung der Eröffnung noch gar nicht fest.
Peter NowakNun wird auch klar, warum Wowereit die Große Koalition vorgezogen hatte

Eigentlich sollte erst am kommenden Freitag bekannt gegeben werden, dass die Eröffnung des Hauptstadtflughafens bei Berlin abermals verschoben wird. Jetzt wird ein Zeitraum zwischen dem 20. und 27. Oktober 2013 genannt, wenn die Winterflugpläne in Kraft treten. Diese erneute Verschiebung ist nicht mehr so überraschend wie es das Canceln der mit vielen Plakaten schon wochenlang zuvor angekündigten Einweihung des Willy-Brand-Flughafens am 3. Juli dieses Jahres war. Allerdings wird das Projekt durch die terminliche Streckung noch um einige Millionen teurer. Vor allem viele Unternehmer, die langfristige Verträge auf dem neuen Areal geschlossen haben, sind sauer. Auch manche Tegeler Bewohner, die froh waren, endlich auch mal ein Open-Air-Konzert organisieren zu können, waren düpiert. Aber die Berliner, die schließlich im Nahverkehr tagtäglich Geduld zeigen müssen, reagieren eher mit Schulterzucken auf die erneute Vertagung. Manche bieten auch schon Wetten auf den Zeitpunkt an, an dem die erneute Verschiebung bekannt gegeben wird.

Wowereit hat mit großer Koalition vorgesorgt

Anders reagiert die politische Klasse in Berlin. Die erneute Verschiebung der Eröffnung wird die seit Wochen stetig sinkenden Sympathiewerte für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit sicher nicht erhöhen. Doch der hat vorgesorgt. Manche haben sich gewundert, warum er nach den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus nicht das von seiner Parteibasis und vielen seiner Wählern favorisierte Regierungsbündnis mit den Grünen eingegangen ist, sondern die große Koalition mit der Union vorgezogenen hat.

Seit einigen Wochen ist klar, warum Wowereit gegen heftige Widerstände diese Kooperation suchte. Denn als Bürgermeister einer rotgrünen Koalition, die nur eine Stimme Mehrheit vorweisen konnte, hätte er sich nach dem Debakel um den Hauptstadtflughafen, über das er als Aufsichtsvorsitzender sicher weniger überrascht als die meisten Zeitungsleser war, Sorgen um den Bestand seiner Regierung machen müssen. Bei der großen Koalition können in beiden Parteien einige Parlamentäre querschießen und die Mehrheit für Wowereit steht noch immer. Zudem muss die Union jetzt offiziell Wowereit den Rücken freihalten und Kritik und Rücktrittsforderungen ihren Brandenburger Parteifreunden, die dort in der Opposition sind, überlassen.

Dafür konnten die Berliner Grünen ihre Oppositionsrolle umso lautstarker wahrnehmen und zumindest den Rücktritt Wowereits vom Posten des Aufsichtsrates des Flughafens fordern. Zudem können sie sich etwas in Interessenvertretung der Bürger üben, indem sie die Bewohner der Region um den Flughafen unterstützen, die nach einer Flugroutenänderung vergeblich ein neues Planfeststellungsverfahren forderten und nun die Verzögerung der Flughafeneröffnung nutzen, um auf eine Nachrüstung beim Lärmschutz zu drängen.

Wäre ihre Wunschkoalition in Erfüllung gegangen, hätte man die grünen Parlamentäre genauso verdruckst den Bürgermeister unterstützen hören wie jetzt die Union. Soweit bleibt alles im parlamentarischen Bereich und das Gezerre der Flughafeneröffnung gibt unfreiwillig einen guten Einblick in die Konstruktion der Rollen von Regierung und Opposition in der bürgerlichen Demokratie.

Zahlen die Beschäftigten die Zeche?

Wer in den Verzögerungen einen Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland sieht, vergisst, dass es im Ausland sicher wichtigere Probleme als das Eröffnungsprozedere eines Airports gibt, der international anders als Köln und Rhein/Main nicht besonders von Interesse ist.

Die größten Opfer für die Verzögerungen konnten wieder einmal die Beschäftigten auf den Flughafen zahlen. Von Anfang an war klar, dass ein Großteil zu prekären Bedingungen arbeiten wird. Jetzt nehmen die Unternehmen die durch die Eröffnungsverzögerungen entstandenen Kosten zum Anlass, um die Arbeitsbedingungen noch weiter zu drücken.

„Dieser Flughafen entwickelt sich zu einem Versuchslabor für immer prekärere Arbeitsverhältnisse in der Region“, sagte Ver.di-Sekretär Max Bitzer auf einer Konferenz vor einer Woche. Da stand die erneute Verzögerung der Eröffnung noch gar nicht fest.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152720
Peter Nowak

Massenarmut im Alter

Die jetzt medial produzierte Aufregung um drohende Niedrigrenten sind bekannte Ergebnisse der Politik, Gegenkonzepte sind bisher rar

Bild am Sonntag schlägt Alarm. Millionen Rentnern in Deutschland droht im Alter die Armut und den Gang zum Sozialamt. Grundlage des Berichts ist ein Schreiben des Bundesarbeitsministeriums an die Junge Gruppe in der Unionsfraktion, in dem vorgerechnet wird, dass Menschen, die heute 2.500 Euro oder weniger monatlich verdienen, mit dem Tag des Renteneintritts 2030 den Gang zum Sozialamt antreten müssten, weil sie dann nach 35 Arbeitsjahren auf eine monatliche Rente von 688 Euro kämen. Nur ist diese Erkenntnis wahrlich nicht neu. Die Literatur zum Thema Altersarmut füllt mittlerweile Bibliotheken

Doch dass die Kommunikation zwischen einer aufstrebenden Unionspolitikerin und dem Parteinachrückern gleich zu Alarmmeldungen in den Medien führte, war sicher kein Zufall. Schließlich kann sich von der Leyen wieder einmal als Frau mit sozialer Ader in der Öffentlichkeit profilieren. War sie doch mit ihrem Projekt einer Zuschussrente bisher in der eigenen Partei und noch mehr beim Koalitionspartner FDP auf Widerstand gestoßen. Die nun öffentliche Kommunikation mit dem gar nicht mehr so jungen parlamentarischen Unionsnachwuchs soll dazu dienen, zumindest in der eigenen Partei eine Unterstützung für die Pläne von der Leyens zu organisieren.

Dass eine Zustimmung bei der FDP gelingt, ist wenig wahrscheinlich. Bei einer Partei, die auf ein Klientel zielt, das, zugespitzt gesagt, ein Gehalt von 2500 Euro im Monat für das Hauspersonal aus der Portokasse bezahlt und für das Solidarität ein Negativbegriff ist, kann diese Ablehnung nicht verwunderlich. Die Union aber, die zumindest eine Wurzel in der katholischen Arbeiterbewegung hatte, ist durchaus auf die Stimmen der Niedrigrentner von heute und morgen angewiesen. Da kann etwas sozialer Touch nicht schaden. Zumal das Thema in den nächsten Wahlkämpfen eine große Rolle spielen wird.

Zusammenhang von Altersarmut und Niedriglohn

Das Konzept der Zuschussrente aus dem Arbeitsministerium würde allerdings auch keineswegs Armutsrenten für alle verhindern. Schließlich sind die Zuschüsse daran gekoppelt, dass die Antragssteller jahrzehntelang in Rentenkassen eingezahlt und eine private Zusatzversicherung abgeschlossen haben. In ihrem Schreiben an die Unionsjunioren macht von der Leyen diese Grundsätze noch einmal deutlich und warnt davor, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet und nie staatliche Unterstützung in Anspruch genommen haben, dann von Armutsrenten betroffen sind.

Hier wird eine neue Spaltungslinie aufgebaut. Denn allein an diesen Kriterien wird verdeutlicht, dass der einfache Grundsatz, niemand soll sich Sorgen machen müssen, im Alter in Armut zu leben, offensichtlich auch bei der Ministerin keine Bedeutung hat. Nur so ist zu erklären, dass daran Bedingungen geknüpft sind, die viele der Betroffenen gar nicht erfüllen können. Wer sich mit Niedriglöhnen über Wasser hält, hat schlicht und einfach kein Geld für eine private Versicherung. Zudem wird ausgeblendet, dass die Altersarmut eine logische Folge der Politik ist, die die großen Parteien in den letzten Jahren praktiziert haben.

Wer jahrelang im Niedriglohnsektor beschäftigt war, kann als Rentner nur in der Armutsfalle landen. Ein zentraler Grund für das steigende Altersarmutsrisiko ist die Absenkung des Rentenniveaus bis 2030 von derzeit 51 Prozent auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns durch die Politik. Dem Bild-Artikel dürften viele Presseberichte über die Armutsfalle im Alter folgen. Die Folgen sind schon absehbar. Noch mehr Menschen, die es sich eigentlich nicht leisten können, werden sich um eine private Altersversorgung kümmern. Andere werden sich schon beizeiten nach einen Job im Rentenalter umschauen. Schließlich gibt es schon heute viele Menschen, die noch im siebten Lebensjahrzehnt Zeitungen austragen, Regale in Supermärkten füllen oder andere meist schlecht bezahlte Arbeiten verrichten. Wenn in den nächsten Jahren aus demographischen Gründen dringend Arbeitskräfte gesucht werden, dürfte der Druck noch viel stärker steigen, auch im Alter erwerbstätig zu sein. Schon heute werden Szenarien vom Arbeiten bis 80 an die Wand gemalt. Dabei geht es nicht darum, Menschen, die das wollen, eine Lohnarbeit auch im Alter zu ermöglichen, Realität wird vielmehr sein, dass Menschen gezwungen sein werden, im Alter zu arbeiten, um sich zur Armutsrente etwas dazu zu verdienen. Die Löhne für die erwerbstätigen Rentner dürften dabei in der Regel im Niedrigbereich liegen, was wiederum das Lohnniveau insgesamt senkt. Denn dann werden von den Unternehmen Rentner auch als Lohndrücker eingesetzt, sollte eine Belegschaft tatsächlich eine bessere Bezahlung fordern.

Solidarische Rentenversicherung statt Altersarmut

Die Alternative zu einem solchen Szenario wäre die Entwicklung eines Rentenkonzepts, das von dem Grundsatz ausgeht, dass ein Auskommen im Alter ohne Angst vor Verarmung ein Grundrecht ist, das unabhängig davon gilt, ob jemand sich privat versichert hat und ob und wie lange er in die Rentenkasse eingezahlt hat. Es wäre die Aufgabe sozialer Initiativen, Gewerkschaften und linker Parteien, solche durchaus im Internet veröffentlichten Konzepte bekannt zu machen und zur Diskussion zu stellen. Ansonsten werden die Weichen für eine weitere Entsolidarisierung der Gesellschaft gestellt, mit einer wachsenden Konkurrenz zwischen jung und alt, weiteren Niedriglöhnen nicht nur im Alter und einer sozial gespaltenen anwachsenden Rentnerpopulation.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152703
Peter Nowak

Solidarität: Neue Technik-alte Ausbeutung

Gegen miese Arbeitsbedingungen bei IT-Konzernen demonstriert die anarchosyndikalistische Gewerkschaft FAU vor der IFA

„Arbeiter sind keine Maschinen“ und „Wiedereinstellung bei Chung Hong“, hieß es auf Flyern, die 20 AktivistInnen der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) am vergangenen Samstag am Eingang der IFA-Elektronikmesse verteilten. Sie informierten die BesucherInnen über gewerkschaftsfeindliche Praktiken des chinesischen Konzerns Chung Hong in der polnischen Sonderwirtschaftszone Tarnobrzeg.

Dort wurden vor einigen Wochen 25 ArbeiterInnen entlassen, die sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen zur Wehr gesetzt und eine Gewerkschaftsgruppe gegründet hatten. Die Messe sei Ort der Aktion, weil Chung Hong ein wichtiger Zuliefererbetrieb für den weltweit bekannten Konzern LT-Electronis sei, „der zentral auf der IFA vertreten ist“, so FAU-Sekretär Andreas Förster.
Die kleine Gewerkschaft hat einen Solidaritätsaufruf zur Unterstützung der Entlassenen initiiert, nachdem sie kürzlich gemeinsam mit dem „AK Geschichte sozialer Bewegungen“ einige der Gekündigten ins Berliner Haus der Demokratie eingeladen hatte. Dort gaben sie einen Einblick in die Arbeitsbedingungen der mittlerweile 14 polnischen Sonderwirtschaftszonen. So zahlte Chung Hong 350 Euro Monatslohn in einem Land, in dem sich die Lebenshaltungskosten westeuropäischem Standard annähern. Auch berichteten die Beschäftigten über Anfahrtswege von oft mehr als einer Stunde. Als die Überstundenzuschläge abgeschafft wurden, organisierte ein Teil der Beschäftigten sich in der libertären Gewerkschaft „Arbeiterinitiative“ (Inicjatywa Pracownicza). Nach der Entlassung eines Aktivisten organisierten sie einen Solidaritätsstreik, Chung Hong reagierte mit der Massenkündigung.

Mit der IFA-Aktion habe man „den BesucherInnen an einem aktuellen Beispiel die Arbeitsbedingungen vor Augen geführt, unter denen die so begehrten Smartphones und andere elektronische Geräte produziert werden“, so Förster. Zudem geht es um die konkrete Unterstützung der polnischen KollegInnen, die nach ihrer Kündigung auch Probleme mit dem Arbeitsamt bekommen haben. Das kürzte ihnen mit der Begründung, sie hätten ihre Erwerbslosigkeit selber verschuldet, das Arbeitslosengeld. Trotz ihrer prekären Situation halten sie an der Forderung nach einer gemeinsamen Wiedereinstellung fest. Angebote von Chung Hong, einzelne KollegInnen wieder einzustellen, lehnten sie ab.
Kontodaten: Kontoinhaber: Allgemeines Syndikat Berlin
Kontonummer: 3703001711, Bankleitzahl: 16050000 (Mittelbrandenburgische Sparkasse)

http://www.taz.de/Solidaritaet/!100853/

Peter Nowak

Bloß niemand weh tun

Der Aktionstag des Bündnisses Umfairteilen fordert das Richtige, kommt aber so zahm daher, dass sich Gruppen der außerparlamentarischen Linken nicht recht angesprochen fühlen.

Ein Wohnungsloser, der im Schatten hoher Bürotürme auf einer Bank nächtigen muss. Mit diesem sehr vereinfachenden Motiv mobilisiert die Kampagne Umfairteilen für einen bundesweiten Aktionstag am 29. September. Dann soll in zahlreichen deutschen Städten mit unterschiedlichen Aktionen dafür geworben werden, dass die Vermögenden in Deutschland stärker besteuert werden. Neben der Einführung einer Vermögenssteuer und einer einmaligen Vermögensabgabe gehört der Kampf gegen Steuerflucht und Steueroasen zum knappen Forderungskatalog.

Zum Bündnis gehören neben Attac und dem Kampagnennetzwerk Campact verschiedene Einzelgewerkschaften, Wohlfahrtsverbände, die Volkssolidarität und die Katholische Arbeitnehmerbewegung. Die Forderung nach einer stärkeren Besteuerung der Reichen wird in Zeiten leerer Kassen sicher von einem Großteil der Bevölkerung geteilt. Selbst unter den Millionären gibt es eine Initiative, die für eine stärkere Besteuerung eintritt. Ob der Aktionstag allerdings eine große Resonanz erhält, muss sich noch zeigen. Denn bisher fehlen unter den Unterstützern Sozialdemokraten und Grüne ebenso wie die IG Metall. Das ist bei der inhaltlichen Ausrichtung der Kampagne schwer verständlich. So wird in dem Forderungskatalog kein Wort über die von SPD und Grünen mit eingeführte Schuldenbremse verloren, die immer wieder für Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich herhalten muss. In verschiedenen Bundesländern hatten in den letzten Monaten soziale Initiativen und Gewerkschaften vergeblich gegen die Einführung mobilisiert. Auch bei der Höhe der Besteuerung hält sich das Bündnis bedeckt. »In der Diskussion über Vermögensbesteuerung kursieren unterschiedliche Modelle«, heißt es auf der Homepage, wo auf eine Tabelle mit Beispielrechnungen verwiesen wird.

Auch hier gilt also die Devise, bloß niemand verschrecken. Schließlich wurden unter der rot-grünen Regierung die Steuern für Vermögende massiv gesenkt, so dass linke Ökonomen forderten, zum Steuersatz der Zeit von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zurückzukehren. Doch selbst zu einer wahrlich nicht besonders radikalen Aussage kann man bei Umfairteilen nichts finden. Im Bemühen, bloß niemand zu verschrecken, haben die Initiatoren nicht berücksichtigt, dass man auch mit zu allgemeinen Aussagen Menschen und Organisationen von der Teilnahme an Kampagnen abhalten kann. So ist auffällig, dass aus dem Spektrum der außerparlamentarischen Linken, die in den letzten Jahren die Krisenprotestaktionen mitorganisiert hat, nur die Naturfreude, Attac und die Nichtregierungsorganisation Medico International im Bündnis vertreten sind, Gruppen aus dem Spektrum der Interventionistischen Linken aber fehlen komplett.

In der letzten Woche forderten bereits Initiativen – darunter Campact und Attac – in einem offenen Brief an die Ministerpräsidenten der Bundesländer, das »Steuer-Amnestie-Abkommen« genannte Vertragswerk mit der Schweiz im Bundesrat zu Fall zu bringen. »Angesichts der aktuellen Diskussion um den Kauf von Steuer-CDs fordert das Bündnis ›Kein Freibrief für Steuerbetrüger‹ Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble auf, das Steuerabkommen mit der Schweiz endlich als gescheitert zu erklären«, heißt es dort. Der Schulterschluss mit Rot-Grün und der Verzicht auf jeden kritischen Hinweis auf die populistischen Töne in der Diskussion um die Steueroase Schweiz dürfte die außerparlamentarische Linke eher abschrecken.

Infos: www.umfairteilen.de
http://www.neues-deutschland.de/artikel/236888.bloss-niemand-weh-tun.html
Peter Nowak

Bekommt die griechische Bevölkerung mehr Zeit zum Atmen beim Opfern?

Merkel will weitere Opfer von der griechischen Bevölkerung. Wie die reagiert, dürfte eine wichtige Frage sein, die in den hiesigen Medien kaum diskutiert wird

Soll Griechenland in der Eurozone bleiben oder nicht? Diese Frage geht auch nach dem Besuch des griechischen Ministerpräsidenten Samaras in Berlin weiter. Auch wenn Merkel in der gemeinsamen Pressekonferenz betonte, dass sie Griechenlands Verbleib in der Eurozone wünsche, setzte sie sogleich hinzu, dass die griechische Regierung den Worten Tagen folgen müsse. Dass heißt konkret, die griechische Regierung muss noch weitere Sparprogramme in einem Land durchsetzen, in dem große Teile der Bevölkerung schon weit jenseits der Armutsgrenze leben.

In der letzten Zeit gab es etwa verschiedene Berichte über die Situation des griechischen Gesundheitswesens, wo es oft nur noch Medikamente gegen Bargeld gibt. Dass Merkel diese Zustände nicht unbekannt sind, kleidete sie in die Worte, dass die Regierung von der Bevölkerung bereits große Opfer verlangt habe. Auf diesen Weg soll sie weitermachen und dabei habe Samaras die Unterstützung der deutschen Regierung. Dass aber weitere Opfer bei einer Bevölkerung, die in wenigen Monaten eine im Euroraum beispiellose Senkung ihres Lebensstandards erfahren hat, die Frage aufwerfen, von was sollen die Leute überhaupt noch leben, wird dabei völlig ausgeblendet.

Denn auch der griechische Ministerpräsident wollte vor allem als gelehriger Schüler gelten, der beteuerte, wie gut seine Regierung die von der EU diktierten Vorgaben umsetzen will. Er erklärte es zur Frage der nationalen Ehre, dass seine Regierung die Schulden zurückzahle, und wollte selber dafür bürgen. Hierin offenbarte sich ein seltsames Demokratieverständnis, das eher an den feudalistischen Spruch: „Der Staat bin ich“ erinnert und nicht für die Situation in einer bürgerlichen Demokratie angemessen scheint, in der Politiker bekanntlich nur für kurze Zeit im Amt sein sollen. Zudem hat Samaras noch als Oppositionspolitiker heftig gegen die EU-Diktate mobil gemacht.

Wie lange hält die griechische Regierung?

Wie will Samaras seine Bürgschaft einhalten, wenn seine Koalition scheitern sollte und nach abermaligen Neuwahlen doch noch eine Koalition mit der Linksopposition Syriza an die Regierung kommt. Die hatte bekanntlich die Schuldenstreichung oder zumindest die Neuverhandlung über das Rettungspaket zur zentralen Forderung erhoben. Wenn der konservative Gegenspieler die Frage der Schuldenbegleichung zur nationalen Ehre erklärt, liefert er ein direktes Kontrastprogramm zur Linksopposition und gibt damit auch jegliche Druckmittel aus der Hand, um mehr Zeit für die Durchsetzung der Opfer unter der Bevölkerung zu erreichen. Die Dramatik der Situation drückte er in den Worten aus, er wolle mehr Zeit zum Atmen haben.

Für viele Menschen in Griechenland sind das nicht bloß Worte. Während sich verschiedene Politiker von Union und FDP nun weiter darüber streiten, ob Griechenland etwas mehr Zeit gewährt werden soll oder nicht, und die SPD und die Grünen durchaus mit Verweis auf deutsche Interessen eher dafür plädieren, sind sich diese Parteien aber darin einig, dass die griechische Bevölkerung noch weitere Opfer bringen muss. Es geht dann zwischen SPD und Grünen auf der einen und den Parteien der Regierungskoalition auf der anderen Seite nur darum, wie lange die griechische Regierung Zeit gewährt werden soll. Völlig ausblendet wird dabei, dass ein Großteil der griechischen Bevölkerung für Parteien gestimmt hat, die für eine Schuldenstreichung eingetreten sind und dass in den gesamten letzten Monaten Zigtausende Menschen für diese Forderungen auf die Straße gegangen sind. Die griechische Bewegung für einen Schuldenmemorandum bekam für ihre Forderungen über alle Parteien hinweg Unterstützung.

Wie die parlamentarische und mehr noch die außerparlamentarische Opposition in Griechenland darauf reagieren wird, dass der konservative Ministerpräsident weiter Opfer auf ihre Kosten ankündigt, ist völlig offen. Sollte der Druck auf der Straße wieder wachsen, werden die Risse in der heterogenen Koalition in Athen stärker werden. Nur Bernd Riexinger von der Linken und Teile der außerparlamentarischen Bewegung erinnern daran, dass eigentlich nicht die griechische Bevölkerung, sondern die Banken von der Troika „gerettet“ werden. Schließlich ist auch in der kleinen außerparlamentarischen Bewegung hierzulande das Interesse an den Ereignissen in Griechenland schnell wieder geschwunden, nachdem der Wahlsieg der Konservativen feststand. Wurden noch Mitte Mai im Berliner IG-Metall-Haus Delegierte der streikenden Stahlarbeiter aus Griechenland von Hunderten bejubelt, so gab es kaum Reaktionen, als die Stahlarbeiter nach massiven Druck von Polizei und Unternehmen den Ausstand vor einigen Wochen erfolglos beenden mussten.

Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland interessiert sich sowieso nur für die Frage, ob es dem Standort Deutschland mehr nützt, wenn Griechenland in der Eurozone gehalten wird oder nicht, und will, so der aktuelle Politbarometer, der griechischen Bevölkerung nicht mehr Zeit zum Durchatmen zwischen den Opfergängen gönnen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152656
Peter Nowak

Piraten verlieren Freunde und Anonymous goes Bild

Während die Piratenpartei erstmals seit Monaten in Wählerumfragen hinter der Linken liegt, geht der Streit um den Geschäftsführer auf Spendenbasis weiter

Lange Zeit konnte sich die Piratenpartei fast ungeteilter Sympathie der Medien, aber auch steigender Sympathie bei Wählerumfragen sicher sein. Doch plötzlich tauchen im Zusammenhang mit den Piraten Begriffe wie Flaute oder Sinkflut auf. Das ist übertrieben und zeigt nur, dass die Partei bisher immer auf medialen Erfolgskurs lag. Nun fällt sie in Umfragen des Stern um zwei Punkte auf 7 % und liegt seit Monaten um einen Punkt hinter der Linken, die sich um einen Punkt verbesserte. Der jüngste Streit um den Piratengeschäftsführer auf Spendenbasis ist bei den Umfragen noch nicht berücksichtigt.

Spießer mit Ressentiment und Maske

Doch der Streit geht bei den Piraten und ihrem Umfeld weiter. Nicht nur manche Wähler kehren den Piraten den Rücken. Auch eine Anonymous-Gruppe kündigte ihr via Facebook die Freundschaft auf. Als Grund nennen sie den Spendenaufruf, mit dem die Partei für die Einkünfte ihres Geschäftsführers Johannes Ponader Geld sammeln will, nachdem er eher unfreiwillig auf seine Hartz IV- Leistungen verzichtete.

Nun haben die Piraten wegen ihres Geschäftsführers auf Spendenbasis Kritik auch von Gewerkschaftern und Erwerbslosengruppen einstecken müssen. Sie befürchten, dass das Modell des Crowdfunding eine neue Facette im deutschen Niedriglohnbereich etablieren könnte. Doch solche Kritik äußert die Anonymous-Gruppe nicht. Ihr Statement hört sich eher an wie die ressentimentgeladenen Auslassungen an, die Christian Baron und Britta Steinwachs in ihrer Analyse der virtuellen Angriffe gegen „Deutschlands frechsten Arbeitslosen“ Arno Dübel materialreich am Beispiel von bild.de aufgedeckt haben.

So schrieb die Anonymous-Gruppe zum Crowdfunding:

„Mit diesem Spendenaufruf habt ihr euch endgültig selbst ins politische Abseits geschossen. Wie kann man jemanden, der erfolgreich das Studium der Pädagogik und der Theaterwissenschaften abgeschlossen hat, aber aus purer Bequemlichkeit nicht gewillt ist, arbeiten zu gehen, als politischen Geschäftsführer (…) mit einer derart lächerlichen Aktion auch noch im Amt halten? (…) Es macht uns traurig mit ansehen zu müssen, wie Ponader durch sein Verhalten die jahrelange Arbeit vieler engagierter Piraten in nur wenigen Wochen zunichte macht. So leid es uns tut, aber solange Ponader noch im Amt ist und weiterhin Narrenfreiheit genießt, werden wir unseren Support für die Piratenpartei in Deutschland einstellen.“ Der Topos vom studierten Faulenzer, der zu bequem zum Arbeiten ist, gehört schon lange zum Repertoire all jener, die den Erwerbslosen, die ihre Arbeitskraft nicht zu jedem Preis verkaufen wollen, entgegenschallt. Damit hat sich zumindest dieser Teil von Anonymous-Gruppe politisch kenntlich gemacht. Sie passen gut zwischen Bild, BZ und Glotze.

Einige Piraten wiesen in ihrer Antwort nicht etwa den Aufstand der anonymen Spießer gegen ihren Geschäftsführer zurück, sondern mahnten Fairness für ihre Partei an und beschworen das gemeinsame Boot, in dem man sitze und auch untergehen könne. In dem anbiedernden Schreiben heißt es.

„Liebes Anonymous-Kollektiv: Über die Aktion von Johannes Ponader kann man sich trefflich streiten, aber wie wäre es mit Beteiligung statt Bashing? Failed die Piratenpartei mit ihren Grundsätzen, fallen höchstwahrscheinlich auch eure Masken!“

Dass die Gemeinsamkeiten mancher Piraten mit den maskierten Bloggern weiter gehen, zeigt sich in dem offenen Brief des Vorsitzenden und des Stellvertretenden Vorsitzenden der Jungen Piraten, in dem sie Ponader vorwerfen, sein Verhalten sei untragbar. Er habe seine Position genutzt, um „persönliche Vorteile“ zu erlangen. Wenn er der Meinung sei, dass er für Arbeit eine Aufwandsentschädigung braucht, solle er sich um entsprechende Beschlüsse bei den Piraten bemühen.

Die Briefschreiber scheinen noch nicht davon gehört zu haben, dass Lohnarbeit bezahlt werden muss. Mit diesen Auslassungen dürften sich Anonymous und manche Piraten Freunde bei aktiven Erwerbslosen verloren haben. Manche Bild-Blogger aber dürften Gefallen an den für sie bisher als subversiv geltenden Mitbloggern mit und ohne Maske finden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152648
Peter Nowak

Piratengeschäftsführer auf Spendenbasis?

Martin Behrsing, der Sprecher des Erwerbslosenforums, spricht von einem „absurden neoliberalen Theater“

„Ich gehe“, erklärte der politische Geschäftsführer der Piraten Johannes Ponader. Allerdings meint er damit nicht einen Rückzug von seinen Ämtern in der Piratenpartei. Ponader will nichts mehr mit dem Jobcenter zu tun haben, von dem der Theaterpädagoge bisher Hartz IV-Leistungen bezogen hat. Jetzt wollen die Piraten Geld für ihren Geschäftsführer Spenden sammeln. Sein politisches Amt sei nicht mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe vereinbar, begründet Ponader seinen Rückzug von Hartz IV. Der war aber nicht so ganz freiwillig.

Nachdem Ponaders Hartz IV-Bezug während einer Fernsehdebatte bekannt geworden war, entspann sich in Internetforen eine heftige Debatte darüber, wie es sein kann, dass der politische Geschäftsführer einer Partei von Hartz IV-Leistungen leben muss. Zudem schaltete sich das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit Heinrich Alt mit einem Anruf beim Piratenvorsitzenden Bernd Schlömer in die Debatte ein und fragte an, warum die Partei ihren Geschäftsführer nicht bezahlen könne.

Nun ist eine solche Diskussion nicht frei von Sozialneid und Sozialchauvinismus. Schließlich müsste man sich fragen, wie es sein kann, dass immer mehr Menschen von ihrer Lohnarbeit nicht mehr leben können und ihren Niedriglohn mit Hartz IV aufstocken müssen. Grundsätzlicher könnte man auch fragen, wie es sein kann, dass immer mehr Menschen, ob mit oder ohne Erwerbsarbeit, auf Hartz IV-Niveau und noch tiefer gedrückt werden. Da ist es eher ein Ablenkungsmanöver, wenn Ponader den Begriff Hartz IV ablehnt, weil er nichts davon hält, „die Empfänger der Bezüge zusammen mit dem verurteilten Peter Hartz in einen Topf zu werfen“. Ponader begibt sich selber auf populistisches Terrain, wenn er eine gerichtliche Verurteilung in den Mittelpunkt stellt und nicht die Agenda-2010-Politik, für die Peter Hartz natürlich nicht vor Gericht stand. Zudem haben auch die größten Befürworter der Agenda 2010 nach der Verurteilung des Namensgebers viel dafür getan, dass diese Politik nicht mehr so sehr mit Hartz in Verbindung gebracht wird.

Hartz ist kein bedingungsloses Grundeinkommen

Scharfe Kritik an der Debatte kommt jetzt vom Erwerbslosenforum Deutschland. Dessen Sprecher Martin Behrsing spricht von einem „absurden neoliberalen Theater“. „Hartz IV ist kein bedingungsloses Grundeinkommen, das zur politischen Selbstverwirklichung dient, und ein politisches Amt als Bundesgeschäftsführer ist keine ehrenamtliche Betätigung, sondern knochenharte Arbeit, die ordentlich bezahlt gehört“, sagte Martin Behrsing. Er machte darauf aufmerksam, dass sich hier die Piraten eine negative Pilotfunktion erfüllen könnten. Schließlich würden viele Vereine und Organisationen ihre Mitarbeiter gerne auf Spendenbasis, die die Beschäftigen womöglich noch selber eintreiben müssen, einstellen wollen.

Behrsing macht darauf aufmerksam, dass die Piraten Mitgliederbeiträge erheben und daher Einnahmen haben müssten, von denen sie auch den Posten bezahlen können. Eigentlich wären auch die Gewerkschaften gefragt, bei den Piraten für Löhne zu sorgen, von denen die Mitarbeiter leben könnten, also ohne Abhängigkeit von Spenden oder Hartz IV. Der Umgang der Piraten mit ihren Mitarbeitern ist aber konsequent, wenn man bedenkt, dass Schlömer von einer liberalen Partei spricht und die Publizistin Katja Kullmann die Piraten als Partei einer aufstrebenden IT-Elite bezeichnet. Da liegt es vielleicht nahe, dass man mal eine Spendensammlung gesetzlich verankerten und erkämpften Sozialstandards vorzieht.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152639
Peter Nowak

Murks? Nein, danke!

Wer hat sich nicht schon geärgert, wenn ein Gerät kurz nach dem Ende der Garantie kaputt gegangen ist? In der Regel ist dann die Reparatur so teuer, dass eine Neuanschaffung fällig ist. Mittlerweile gibt es dafür sogar ein Fachwort: geplante Obsoleszenz. Das bedeutet, Produkte werden so konstruiert, dass sie nur eine bestimmte Zeit halten (bis kurz nach Ende der Garantie) und schwer zu reparieren sind. Dass der Begriff in der letzten Zeit durch die Medien ging, ist auch dem in Berlin-Weißensee lebenden Betriebswirt Stefan Schridde und seinem Blog www.murks-nein-danke.de zu verdanken. Damit hat er ein Thema, das immer wieder Grund für privaten Ärger bietet, zu einem öffentlichen Problem gemacht. Allerdings ist die Homepage bisher vor allem eine Art virtuelle Beschwerdestelle, auf der Kunden Produkte melden können, die vorzeitig kaputt gegangen sind.
Vermögenssteuer

Schridde hat in einem Interview gesagt, er wünsche sich, dass die Hersteller »mit ihren Kunden in ein kreatives Gespräch über die Verbesserung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Produktentwicklung« kommen. Er spricht von einem »modernen Kundenbeschwerdemanagement«, das ihm vorschwebt. Immer wieder betont Schridde auch die ökologische Komponente seiner Kampagne. Im Zeitalter der Ressourcenverknappung wären langlebige Produkte eine sinnvolle Sache.

Da ist nur ein Problem: Es entspricht der kapitalistischen Logik, Produkte nicht allzu haltbar zu machen. Denn ohne Neuanschaffungen kein Wachstum, kein Profit. Dieser Aspekt kommt bei der »Murks? Nein, danke!«-Kampagne zu kurz. Trotzdem kann sie mit dazu beitragen, dass kritische Kunden nicht mehr nur über zu hohe Preise meckern, sondern sich auch für die Haltbarkeit und Qualität der Produkte interessieren. Demnächst soll eine Murks-Ausstellung eröffnen und im Netz kann man zwei Petitionen unterzeichnen, in denen verlangt wird, die Hersteller gesetzlich auf die Kennzeichnung lebensdauerverkürzender Eigenschaften und die Austauschbarkeit von Akkus zu verpflichten.

ttp://www.neues-deutschland.de/artikel/235955.murks-nein-danke.html
Peter Nowak

Nur noch eine Mahlzeit am Tag

Interview Enteignung von Supermarkt-Lebensmitteln, Landbesetzung: Der Koordinator der andalusischen SAT in Sevilla erklärt, wie die Gewerkschaft gegen die Folgen der Krise kämpft

Der Freitag: Ihre Gewerkschaft SAT hat in den vergangenen Wochen mit Landbesetzungen und Enteignungsaktionen in Supermärkten auf sich aufmerksam gemacht. Warum greift die SAT zu solchen Mitteln?

Miguel Sanz Alcántara: Dazu muss man mehr über die Geschichte der SAT wissen. Sie wurde 2007 gegründet und hat sich aus der andalusischen Landarbeitergewerkschaft SOC entwickelt. Dort waren seit 1977 neben vielen unabhängigen Kollegen eine maoistische Strömung sowie Sektoren der christlichen Linken vertreten. Schwerpunkt der SOC war die Organisierung der andalusischen Landarbeiter. Landbesetzungen gehörten seit unserer Gründung zu den wichtigen Kampfmitteln.

Sind die Lebensmittelenteignungen, eine neue Aktionsform?

Wir haben die Lebensmittel aus den Supermärkten enteignet und unter den Erwerbslosen verteilt. Es ist natürlich nicht möglich, mit Lebensmittelenteignungen die Folgen der Wirtschaftskrise zu lindern. Aber wir wollten deutlich machen, dass durch die Krise Menschen Not leiden und sich keine qualitativ wertvolle Nahrung leisten können, während den Banken Millionen geschenkt werden. Immer mehr Menschen müssen entscheiden, ob sie ihr Geld für das Begleichen der Stromrechung oder für Lebensmittel ausgeben. Es gibt zudem immer mehr Kinder, die nur noch einmal am Tag eine Mahlzeit zu sich nehmen. Mit unserer Aktion wollen wir Druck auf die Regierung ausüben, damit den Erwerbslosen genügend Geld für Nahrungsmittel zur Verfügung gestellt wird.

Nach der Aktion gab es auch in Spanien eine heftige Debatte darüber, ob sie legitim war. Befürchten Sie Repressionen gegen Ihre Gewerkschaft?

Die rechtskonservative Regierung zieht die Repressionsschraube gegen Gewerkschaften an. Davon ist nicht nur die SAT betroffen. Seit dem erfolgreichen Generalstreik vom 29. März 2012 waren Gewerkschafter der Arbeiterkommissionen CCOO aber auch der anarchosyndikalistischen Gewerkschaften mit Razzien und sogar Festnahmen konfrontiert. Die SAT wird von der Regierung seit langem ökonomisch stranguliert. Wegen verschiedener Besetzungsaktionen musste unsere Gewerkschaft insgesamt 400.000 Euro Strafe zahlen. Weitere Repressalien machen die SAT nur populärer und die Solidarität wächst. Diese Erfahrungen haben wir in den letzten Monaten gemacht.

Spanien war einer der Zentren der Bewegung der Empörten im letzten Jahr. Wie sieht es zur Zeit mit den Krisenprotesten aus?

Tatsächlich ist die Bewegung der Empörten schwächer geworden. Aber es hat auch inhaltliche Fortschritte gegeben. Während im letzten Jahr von dem Großteil der Empörten noch alle Organisationen, auch die SAT abgelehnt wurde, wird jetzt unterschieden zwischen Organisationen, die für die Krise verantwortlich sind und andere, die dagegen kämpfen. Für den 15. September sind Großaktionen in Spanien geplant, an denen auch Kollegen aus anderen, vor allem südeuropäischen Ländern teilnehmen sollen. Für Mitte Oktober ist ein gemeinsamer Streik von Beschäftigten in Spanien, Italien und Griechenland in der Diskussion. Ob es gelingt, wird von der Rolle der großen Gewerkschaften abhängen.
http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/nur-noch-eine-mahlzeit-am-tag
Interview. Peter Nowak

Kampf um die Steuer

Vermögensabgabe, Steuer-CD oder doch lieber Reichtumspflege? Darüber streiten sich Politiker und soziale Initiativen

Der Politik fällt angesichts leerer Kassen immer nur ein Mittel ein: Kürzen und Streichen. Ein immer breiter werdendes Bündnis zeigt auf, dass es auch noch andere Möglichkeiten gibt, um damit umzugehen. Man könnte die Vermögensmillionäre stärker besteuern. „Geld ist genug da“, schrieb der Bereichsleiter der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Dierk Herschel in einem Beitrag für die taz. „Die Staatsverschuldung ist nicht Ergebnis laxer Haushaltspolitik, sondern Folge einer schamlosen Reichtumspflege“, so der Gewerkschafter Diese These vertritt auch das Bündnis Umfairteilen, dem auch ver.di angehört.

Am vergangenen Freitag hat die Gewerkschaft in Berlin eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung vorgestellt, die einer Vermögensabgabe die Verfassungsmäßigkeit unter besonderen Bedingungen bescheinigt. Gleich am Anfang wird betont, dass die Vermögensabgabe keine verdeckte Vermögenssteuer sein dürfe, die nur den Ländern zustehe. Grundsätzlich könnten allerdings beide Abgaben nebeneinander erhoben werden.

Historisches Vorbild Zweiter Weltkrieg

Notwendig für die Vermögensabgabe ist ein „außerordentlicher Finanzbedarf“. Dieser könne aus der Notwendigkeit ergeben, schreibt dort Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Joachim Wieland, der Autor der Studie. „die erforderlichen Finanzmittel zur Bewältigung einer Finanzkrise zu beschaffen. Dabei kann es sich um Geld handeln, das zur Vermeidung der Erhöhung der Staatsschulden als Folge der Finanzierung der Rettung von Banken oder anderer Staaten oder zur Rückführung aus diesem Grund bereits aufgenommener Kredite benötigt wird. Der Ertrag einer einmaligen Vermögensabgabe kann auch zur Absicherung der Risiken aus vom Bund übernommenen Garantien und Gewährleistungen für fremde Schulden benötigt werden.“

Als historisches Vorbild nennt den sogenannten Lastenausgleich nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Vergleich mutet seltsam an. Kann eine noch so tiefe Wirtschaftskrise mit den Folgen des von Deutschland ausgelösten 2. Weltkrieg verglichen werden? Da Wieland betont, es sei das Ziel des Gutachtens, „rechtssichere Wege zu einer angemessenen Beteiligung von Vermögenden an der Bewältigung der Finanzkrise“ aufzuzeigen, wird hier auch deutlich, wie mittlerweile die Verfassung von den Politikern so umgestaltet wurde, dass schon ein Notstand konstruiert werden muss, um solche Abgaben zu ermöglichen. Das ist Folge der „Reichtumspflege“, die Herschel in seinem Beitrag angesprochen hat.

Streit um die Schweizer Konten

Es gibt allerdings noch andere Versuche, die klammen Kassen aufzubessern. Die Bundesregierung favorisiert ein Abkommen mit der Schweiz, das aber im Bundesrat, wo es noch ratifiziert werden muss, keine Mehrheit hat. Vor allem die SPD und die Grünen wollen sich für den Bundestagswahl als strenge Sheriffs profilieren, die keine Gnade mit Steuerflüchtlingen kennen. Dass in der letzten Zeit SPD-Politiker schon mal Töne gegenüber der Schweiz angeschlagen haben, die man von einigen Mitgliedern der Bundesregierung sonst vor allem gegen Griechenland hört, ist Teil dieser Profilierungsbemühungen. Schließlich müssen die Oppositionspolitiker vergessen machen, dass gerade unter Rot-Grün die Steuern für Reiche erheblich gesenkt wurden. Vor diesen Hintergrund ist es nicht leicht verständlich, warum sich Initiativen wie Compact und attac mit Offenen Briefen zu Wort melden, die fast wortgleich identisch mit den Erklärungen von Politikern der Grünen und der SPD sind. So werden in dem Offenen Brief an die Ministerpräsidenten der Bundesländer aufgefordert, dass dort „Steuer-Amnestie-Abkommen“ genannte Vertragswerk im Bundesrat zu Fall zu bringen.

Die Nähe zu SPD und Grünen wird noch durch den Begleittext deutlich, den attac zu ihrer Pressemeldung verschickt hat. Dort heißt es: „Angesichts der aktuellen Diskussion um den Kauf von Steuer-CDs fordert das Bündnis „Kein Freibrief für Steuerbetrüger“ Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble auf, das Steuerabkommen mit der Schweiz endlich als gescheitert zu erklären.“ Der Zusammenhang suggeriert, dass für diese Initiativen der Kauf von weiteren Steuer-CDs der bessere Weg wäre.

Datenschutz für Steuerflüchtlinge?

Zumindest bei dem Juristen Nico Kern und dem Polizeibeamten Dirk Schatz, zwei Abgeordneten der Piratenpartei in NRW werden sich die Initiativen keine Freunde machen. Sie haben den NRW-Finanzminister Walter Borjans wegen des Kaufs der Steuer-CDs angezeigt. Sie vermissen eine rechtliche Grundlage dafür und sehen auch den Datenschutz verletzt. In Zeiten, in denen das Konto jedes Hartz-IV-Antragsstellers durchleuchtet wird, mutet die Forderung nach Datenschutz für Schweizer Konten aber seltsam an und macht deutlich, dass die Piraten eben eine liberale Partei sind, wie es der Vorsitzende Bernd Schlömer kürzlich auch betonte.

Die beiden klagenden Abgeordneten haben in der NRW-Piratenfraktion allerdings für Streit gesorgt. Allerdings werden in der Distanzierungserklärung aber eher Formalien kritisiert, weil die Partei noch nicht einig ist, ob sie der FDP in Reichtumspflege Konkurrenz machen soll und wie dann die von der Partei propagierten Reformprojekte wie ein bedingungsloses Grundeinkommen und ein ticketfreier Nahverkehr finanziert werden sollen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152609
Peter Nowak

Stolz auf die Reform der Bertelsmann-Stiftung

Zum 10. Jubiläum der Präsentation der Hartz IV-Reform wird kaum diskutiert, dass damit auch die Grundlagen der Krise der Eurozone begann

Länger hat man von dem SPD-Politiker Franz Müntefering nichts mehr gehört. Aber rechtzeitig zum 10. Jubiläum der Hartz IV-Reformen meldete er sich zurück. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau bekannte er kurz und bündig:

„Ich zumindest bin stolz darauf.“ Wie zahlreiche andere Politiker von FDP, Union, und SPD sang er das hohe Lied auf die Hartz IV-Reformen, die angeblich die Arbeitslosigkeit beseitigt haben.

„2002 war der Arbeitsmarkt in einem schlechten Zustand. Die Arbeitslosigkeit war viel höher, als die offiziellen Statistiken sagten. Arbeitsämter waren – anders als heute – Behörden, die Arbeitslose verwalteten. Von dort gab es keine Impulse. Deswegen haben wir genau zugehört, als die Ideen von Hartz kamen. Wir haben sie praktikabel gemacht und in vier Reformschritten umgesetzt“, so Müntefering.

Ideen von der Bertelsmannstiftung

Nun kam die Journalistin nicht auf die Idee, genauer nachzufragen, wer denn die Ideen ausgearbeitet hat, die angeblich von Peter Hartz kamen. Hätte sie selber etwas recherchiert, wäre sie schnell auf die von den von der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Bertelsmann Stiftung initiierten Arbeitskreis Sozialhilfe/Arbeitslosenhilfe als die eigentliche Ideengeberin der Hartz IV-Reformen gestoßen.

Unter der Überschrift „Reformmodelle in Deutschland“ listet die Bertelsmann Stiftung neben der Gemeindefinanzierung in Deutschland die Hartz IV-Reform auf. Im Bericht der Stiftung heißt es in nüchterner Technokratensprache:

„Die Arbeitsgruppe Arbeitslosenhilfe/Sozialhilfe richtete ihren Fokus auf die effizientere Gestaltung der steuerfinanzierten Transfersysteme für Erwerbstätige. Vorrangiges Ziel war es, die öffentlichen Haushalte durch eine schnellere und passgenauere Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu entlasten… Die Bundesregierung folgte in ihrem Gesetzesvorhaben dem Vorschlag der Arbeitsgruppe.“

Der Bericht hat den Vorteil, dass er ohne allzu viele rhetorische Schnörkel auf den Punkt brachte, welchen Zweck die Hartz IV-Reform hatte und wie sie konzipiert wurde. Es ging um die Kostensenkungen sowohl bei den kommunalen Haushalten als auch um die Senkung der Kosten der Ware Arbeitskraft insgesamt. Es bleibt dann Politikern wie dem Ex-Kanzler Gerhard Schröder vorbehalten, daraus dann die Aussage zu formulieren: „Hartz IV ist ein Gewinn für die Gesellschaft.“

Natürlich wird dann sowohl von Müntefering als auch von Schröder eingeräumt, dass es dabei auch einige Schattenseiten gebe, die aber könnten an dem insgesamt positiven Eindruck der Hartz IV-Reformen nicht trüben. Von den Erwerbslosengruppen gab es wenige Reaktionen auf das Hartz IV-Jubiläum. Schließlich stehen sie in den alltäglichen Auseinandersetzungen gegen die verschiedenen Formen der Sanktionierung, gegen das Prinzip, Erwerbsarbeit um jeden Preis annehmen zu müssen und sei es auch ein unbezahltes Praktikum, dass sie solche Jubiläum nicht unbedingt zu Mobilisierungszwecken benötigen.

Von den politischen Parteien hat lediglich die Linke die Hartz IV-Reform ein Verarmungsprogramm genannt und eine Totalreform gefordert. Nur fehlen zur Zeit die sozialen Bewegungen, die eine solche Forderung durchsetzen können. Ein Grund besteht darin, dass ein Teil der Lohnabhängigen in Krisenzeiten eher auf den heimischen Standort als auf transnationale Solidarität setzt. Dabei hat die Hartz IV-Reform eine internationale Dimension auch zum Jubiläum kaum angesprochen.

Man könnte auch davon sprechen, dass vor 10 Jahren die Grundlage für die Krise der Eurozone gelegt wurde. Durch die Hartz IV-Reform wurde der Lohn der Ware Arbeitskraft so verbilligt, dass die deutsche Wirtschaft gegen die Ökonomien anderer Länder leichter konkurrieren kann. Das wesentlich von Deutschland gestützte Sparprogramm für die Eurozone soll im Grunde das Prinzip hinter Hartz IV auf die gesamte Eurozone übertragen werden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152600
Peter Nowak

Ertasten verboten

Sehbehinderte sind Leidtragende im internationalen Urheberrechtsstreit. EU-Kommission bremst Verhandlungen über Sonderregelungen

Die Verhandlungen über Sonderregelungen im Urheber- und Verwertungsrecht zugunsten von sehbehinderten Menschen schienen auf einem guten Weg. Eine international ausgehandelte Vereinbarung sollte es ermöglichen, urheberrechtlich geschützte Werke schneller in Blindenschrift oder in maschinenlesbare beziehungsweise hörbare Formate umzuwandeln. Während sich das EU-Parlament für die Ausnahmeregelungen einsetzt, hat sich die Leiterin der Abteilung Urheberrecht beim EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier dagegen ausgesprochen. Die Interessenverbände der Sehbehinderten kritisieren die Verzögerungspolitik der EU-Behörden

Als eine Beleidigung für die 285 Millionen Sehbehinderung, die ihr Verband vertrete, bezeichnete Maryanne Diamond von Weltblindenorganisation eine Verzögerungspolitik bei der sich neben der Regierung der USA auch die EU-Kommission besonders hervorgetan hat. Es geht um die Beschränkung des Urheber- und Verwertungsrechtes zugunsten von Blinden und Sehbehinderten. Diese Ausnahmeregelungen würden es ermöglichen, urheberrechtlich geschützte Werke schneller in Blindenschrift oder in maschinenlesbare beziehungsweise hörbare Formate umwandeln zu können Dieses Anliegen würde dem allgemein anerkannten Anliegen, der Diskriminierung von Sehbehinderten und Blinden entgegenzutreten, sehr entgegenkommen. Für die Ausnahmeregelungen hatte sich auch das EU-Parlament eingesetzt. Die Verhandlungen schienen auf einen guten Weg und für das nächste Jahr war eine Internationale Vertragskonferenz zu dem Thema geplant. Umso überraschter waren Interessenverbände der Sehbehinderten über die Haltung von Maria Martin-Prat, der Leiterin der Abteilung Urheberrecht bem EU-Innenkommisaar Michel Barnier Sie hat sich vehement gegen die Sonderregelungen eingesetzt und damit Hoffnungen der Sehbehinderten zunichte gemacht. Sie sehen in dieser Haltung eine erfolgreiche Lobbyarbeit der Rechteinhaber. Dieser Kritik schließen sich auch Nichtregierungsorganisationen an. So meinte der Direktor der NGO Knocklodge Ecology International (KEI), die sich stark für die Sonderregelung einsetzt, die Vertreter der USA und der EU agierten bei den Verhandlungen „wie von den großen Verlagen gesteuert“. An dieser Frage lasse sich auch ein großes Demokratiedefizit feststellen. Während das gewählte EU-Parlament eine verbindliche Schrankenregelung. zugunsten der Sehbehinderten unterstützte, würden sich Fachleute wie Prat, darüber hinwegsetzen. .
EU-Innenkommissar Barnier sieht die Verantwortung für den Stillstand bei den i den EU-Mitgliedsländern. Der Sprecher von Barnier Stefaan De Rynck erklärte gegenüber heise.online, der Innenkommissar sei „entschlossen, die ungerechtfertigte Diskriminierung von sehbehinderten Menschen zu bekämpfen, aber die Kommission kann das nicht effektiv tun, solange sie von den Mitgliedsstaaten nicht mit einem Verhandlungsmandat ausgestattet ist“.
Auch die Bundesregierung gehört nach Informationen von heise.online zu den Gegnern einer Sonderregelung für die Sehbehinderten. Justizministerin Leutheusser-Scharrenberger sieht auch weiterhin keinen Handlungsbedarf. „“Wir warten mal ab. Wir haben bei dem Thema noch nie zu den Vorreitern gehört,“ sagte sie vor einigen Tagen. Das ist nicht verwunderlich. Schließlich macht die FDP auch in der deutschen Innenpolitik immer wieder deutlich, dass ihr die Anlegen der Industrie sehr am Herzen liegen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/234389.sehbehinderte
-sind-leidtragende-im-internationalen-urheberrechtsstreit.html

Peter Nowak

Verfassungswidrige Wohnregelung?

Ein Urteil des Sozialgerichts Mainz könnte das Ende der schwammigen Hartz-IV-Bemessung bringen
Richter halten den Begriff der »angemessenen Miete« für zu pauschal und ungeeignet.

Für viele Erwerbslose ist die Hartz-IV-Wohnregelung ein Grund für Ärger und Furcht. Es geht um Paragraf 22 Absatz 1 SGB, der die Kosten der Unterkunft für Erwerbslose regelt. Die Kommunen übernehmen nicht die Miete komplett, sondern den Teil, den sie für »angemessen« halten.

Dieser schwammige Passus könnte dazu führen, dass die Hartz-IV-Wohnregelung verfassungswidrig ist. Dieser Meinung zumindest ist das Mainzer Sozialgericht. In einem erst jetzt bekannt gewordenen Urteil (Az.: S 17 AS 1452/09) vom 8. Juni monierte das Gericht, dass die Regelung »nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar« sei. Dabei beriefen sich die drei Mainzer Richter auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010, in dem der damalige Hartz-IV-Regelsatz verworfen wurde.

Erst vor wenigen Wochen wurde mit Verweis auf dieses Urteil die Hartz-IV-Regelung für Flüchtlinge für grundgesetzwidrig erklärt, weil die bisherigen Sätze keine menschenwürdige Existenz ermöglichen. Nun könnte über die Wohnrechtregelung das gleiche Urteil gefällt werden, sollte sich auch das Bundesverfassungsgericht der Lesart des Mainzer Sozialgerichts anschließen.

Es hatte über die Klage eines Ehepaars zu entscheiden, das die Einkünfte ihrer Lohnarbeit mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken musste. Für die 62 Quadratmeter große und 358,13 Euro teure Wohnung der beiden hielt das Wormser Jobcenter lediglich einen Betrag von 292,20 Euro Miete für angemessen. Die Mieter sollten sich eine günstigere Wohnung suchen oder die Mietdifferenz selber tragen. Die Richter verurteilten das Jobcenter dazu, die vollständige Miete zu übernehmen.

In der Begründung verwarfen die Richter den Begriff der »angemessene Miete« als zu pauschal. Er sei »auf Grund seiner Entstehungsgeschichte und seiner Unbestimmtheit (…) angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben« für die Bestimmung des Existenzminimums nicht geeignet, heißt es in der Urteilsbegründung.

Der Begriff könne nur dann verfassungskonform ausgelegt werden, wenn das Jobcenter prüft, ob Mieten »deutlich über den üblichen Unterkunftskosten für der Größe und Struktur nach vergleichbare Haushalte im geografischen Vergleichsraum liegen«. Könne die Behörde das nicht nachweisen, dann müsste sie »die Aufwendungen in voller Höhe weiter (…) übernehmen«. Mit dieser Einschätzung greifen die Richter einen Punkt auf, der bei Erwerbslosen seit der Einführung moniert wird. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass auf den örtlichen Märkten kaum Wohnungen in der Miethöhe zu finden sind, »die von den Jobcentern als angemessen bezeichnet werden«.

Besonders die Innenstadtbezirke würden so zu Zonen, in denen Erwerbslose und Menschen mit niedrigen Einkommen nicht mehr leben können, kritisieren Erwerbslosenaktivisten. Dass sie neben der Unsicherheit der Arbeitsverhältnisse auch um ihre Unterkunft fürchten müssen, ist für viele Betroffene eine besondere Belastung.
ttp://www.neues-deutschland.de/artikel/234748.
verfassungswidrige-wohnregelung.html
Peter Nowak

Wider das piratische Wutbürgertum

Habe erst kürzlich Eure Vorbemerkung zum Artikel von Marcus Rediker gelesen, der doch meinen Widerspruch herausfordert, wo es um die Piratenpartei geht.

Heißt es doch dort: „Seit der Partei „Die Piraten“ plötzlich ein
großer Stimmenanteil bei den nächsten Wahlen vorausgesagt wird, scheint es auch eine Operation „Atlanta“ in den deutschen Medien zu geben. TV und Zeitungen blasen zum Kampf….“.
Genau das Gegenteil ist richtig. Die Medien, vor allem die
konservativen, haben die Piraten erst hochgeschrieben und so wesentlich zu ihrem Erfolg beigetragen. Es wurde so oft über die angeblich so neuen, kreativen Piraten geschrieben, die im Gegensatz zu den Linken und den linken Bewegungen so gar nichts mit Traditionen und alten Denken zu tun haben, dass selbst bei der express-Redaktion scheinbar manche beeindruckt sind.
Tatsächlich loben die Bürgermedien die Piraten sehr mit recht.
Sollten sie sich halten, hat sich eine neue liberale Partei etabliert. Wem die FDP; die klassischen Handwerkerpartei zu kulturkonservativ und die
Grüne Bionadebourgeoisie noch zu politisch korrekt ist, der kann jetzt
die Piraten wählen, die ihre materielle Basis im Bereich der IT-Branche
haben.
Wie bei den beiden anderen liberalen Parteien sucht man bei ihnen
Gerechtigkeitsvorstellungen vergeblich. Obwohl es zu allen möglichen
Themen bei den Piraten Arbeitsgruppen gibt, hat man von einer AG
Kommunismus nichts gehört. Dabei gibt es vor allem im
englischsprachigen Ausland einige Bücher über den Computersozialismus oder kommunismus.befassen. Wer die Debatte um die Möglichkeiten eines guten Lebens für Alle, das beim heutigen Stand der Produktivkräfte möglich wäre konsequent weiterführt. käme schnell auf solche Fragen. Aber es sind eben nicht die der Piraten, die immer betont haben, dass sie hinter der Schuldenbremse und der Marktwirtschaft stehen, mit Gewerkschaften nichts am Hut haben und dass eigentlich die FDP ihre größten Konkurrenten sind. Sie wollen marktwirtschaftlicher als die FDP sein und das könnte ihnen gelingen.
Die Autorin Katja Kullmann, die eine der treffendsten Analysen zur
Piratenpartei geschrieben hat, bezeichnet diese als „Speerspitze der
„kreativen Klasse“. Sie beschreibt das „piratische wutbürgertum“ sehr treffend so: Es findet seinen Resonanzraum in einem nicht unbedeutenden Teil der neuen Mitte – einer Masse, die sich als Zufallshorde funkelnder VollinduvialistInnen begreift und die man in ihrer Massenhaftigkeit nicht unterschätzen sollte“.
Kullmann erkennt auch richtig, dass es zunächst gilt, die Piraten
zu entzaubern. Wie notwendig dass ist, zeigt sich schon daran, dass manche Menschen, die aus antistaatlichen Gründen mit Wahlen nichts zu tun haben wollten, auf einmal der Piratenpartei ihre Stimme geben. Und selbst in den Zeilen des express scheint etwas von der Sympathie für diese neue Kraft durch. Dagegen gilt es mit Kullmann festzuhalten, dass diese neue Partei die Interessenvertretung der neuen Eliten der sogenannten„Kreativen“ sein wird. „Ganz wie es einst das Handelsbürgertum im 15. bis 17. Jahrhundert getan hat, eine zu Beginn der Renaissance noch unterschätzte, gesellschaftliche Gruppe und Kraft, so formuliert das neue digitale Bürgertum jetzt erst einmal noch etwas ungewiss und stotternd die Bedingungen, die es zum Aufstieg braucht“. Eines ist schon sicher, sie werden öllig entgegengesetzt zu einer Gesellschaft sein, für die linke GewerkschafterInnen kämpfen. Kullmann macht das schon am Grundsatzprogramm fest, in dem 44 Mal das Wort Freiheit, 8 Mal der Begriff Individualität vorkommt. Das Wort Solidarität taucht hingegen nur ein einziges Mal auf. Ja, wir sollten über die Piratenpartei und das piratische Wutbürgertum diskutieren, weil es bald zur Modernisierung der kapitalistischen Verhältnisse beitragen könnte.

http://www.labournet.de/express/2012/07/index.html
Peter Nowak
express Nr. 06-07/2012