Nordsee vor Deliveroo

Online-Abstimmung über schlimmsten Unionbuster

Derzeit laufen die Planungen für die nächste Protestaktion gegen ein Unternehmen, das Betriebsräte behindert. Eine Initiative fordert härteres Durchgreifen der Staatsanwaltschaften.

Am Freitag, den 13. April, wird es Ärger geben: An diesem Tag könnte der britische Essenskurier Deliveroo, der Flughafensicherheitsdienst I-Sec oder die Imbisskette Nordsee Besuch von kritischen Gewerkschaftern bekommen. Die drei Unternehmen sind von der Initiative aktion./.arbeitsunrecht nominiert worden, weil sie durch die Behinderung von Betriebsräten negativ aufgefallen sind. Bis 15. März können Interessierte im Internet noch darüber abstimmen, wer Ziel des Protests werden soll. Im Moment liegt Nordsee vorne, dicht gefolgt von Deliveroo.

Immer dann, wenn der 13. eines Monats auf einen Freitag fällt, organisiert die Initiative mit Sitz in Köln gemeinsam mit einem Netzwerk engagierter Gewerkschafter_innen eine Aktion gegen »Unionbusting«. Das Wort, das aus den USA stammt, hat sich für den organisierten Kampf gegen Betriebsräte mittlerweile auch in Deutschland eingebürgert. Der Fischrestaurantkette Nordsee, die zur Unternehmensgruppe Theo Müller gehört, wirft die Arbeitsrechtsinitiative vor, langjährige Betriebsratsmitglieder kurz vor den Betriebsratswahlen zu leitenden Angestellten befördert zu haben. Dadurch können sie sich nicht mehr zur Wahl stellen.

Das I-Sec-Management hat sich durch die Kündigung von drei Betriebsräten für einen Besuch qualifiziert. Mittlerweile seien mehrere Hausverbote gegen sie ausgesprochen worden, um den Kontakt zur Belegschaft zu unterbinden. Auch der Widerstand gegen die Entlassungen soll sanktioniert werden. Der auf Unionbusting spezialisierte Arbeitsrechtler Walter Naujocks verklagte den gekündigten Betriebsratsvorsitzenden und seinen Stellvertreter auf Schadenersatz in Millionenhöhe. Ihr Protest gegen die Kündigungen soll dem Unternehmen geschadet haben.

Dem Management von Deliveroo wiederum wird vorgeworfen, in Köln eine Betriebswahl gezielt sabotiert zu haben, indem die Zahl der Festangestellten reduziert und die Zahl der Selbstständigen erhöht wurde. Die Initiative moniert auch, dass die Deliveroo-App, mit der die Arbeit organisiert wird, so umgestellt wurde, dass die Beschäftigten nicht mehr untereinander, sondern nur noch mit ihrem Schichtkoordinator Kontakt aufnehmen konnten. In Berlin forderte die Freie Arbeiter Union bisher vergeblich einen Tarifvertrag.

Die nächste Freitagsaktion fällt mitten in die bundesweiten Betriebsratswahlen, die alle vier Jahre stattfinden. »Bei keiner Wahl in Deutschland werden demokratische Grundrechte so mit Füßen getreten wie bei Betriebsratswahlen«, sagt der Sprecher der aktion./.arbeitsunrecht, Elmar Wiegand. Dennoch werde nur selten darüber berichtet, kritisiert seine Mitstreiterin Jessica Reisner. Das vergleichsweise große Medieninteresse an dieser Abstimmung hat mit dem Versuch der AfD zu tun, eine rechte, unternehmerfreundliche Konkurrenz zum DGB aufzubauen. Die Initiative aktion./.arbeitsunrecht richtet dagegen den Fokus auf die alltägliche Behinderung von Betriebsratsarbeit und kritisiert »die skandalöse Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden«. In Hessen hat sie nun eine Unterschriftensammlung gestartet. Damit wird die Generalstaatsanwaltschaft aufgefordert, dafür zu sorgen, dass Betriebsratsbehinderung nicht länger straffrei bleibt. Anlass sind aktuelle Fälle am Frankfurter Flughafen.

aus Neues Deutschland: 9.3.2018

Peter Nowak

Schwarzer Freitag

»Rote Karte für die Betriebsräte« lautet ein Werbespruch von Anwaltsfirmen, die solvente Unternehmen beraten, wie Gewerkschafter auf juristischem Wege bekämpft werden können. Mittlerweile ist der zugehörige Begriff »Union Busting« auch in Deutschland bekannt. Am Samstag berieten Betroffene mit Juristen und linken Initiativen auf einer Konferenz in Hamburg, wie man sich dagegen wehren kann. Jessica Reisner von der Initiative Arbeitsunrecht aus Köln, die in den vergangenen Monaten einen wesentlichen Beitrag zu den Protesten gegen Union Busting geleistet hat, zog ein optimistisches Fazit. Seminare, in denen der juristische Kampf gegen Gewerkschafter gelehrt wird, würden öffentlich zunehmend kritisiert.

Mit der Kampagne »Schwarzer Freitag« könnte sich das Repertoire der Proteste ausweiten. An jedem Freitag, der auf einen 13. fällt, sollen Firmen besucht werden, die sich beim Union Busting besonders hervorgetan haben. Am 13. März traf es die Firma Neupack, deren Betriebsratsvorsitzender Murat Günes immer noch gegen seine Kündigung kämpft. Der Arbeitsrechtler Daniel Weidman beklagte, dass viele Engagierte nicht nur von Bossen, sondern auch von Kollegen angefeindet würden. Eine lautstarke Minderheit beschimpfe Gewerkschafter und werfe ihnen vor, Unfrieden in den Betrieb zu bringen. In Hamburg kam mit Rainer Knirsch auch ein ehemaliger BMW-Betriebsrat zu Wort, der in den Achtzigern entlassen worden war. Auch damals gab es Claqueure des Managements. Doch engagierte Kolleginnen und Kollegen sowie ein Solidaritätskomitee sorgten damals für seine Wiedereinstellung. Erfreuliches hatte Oliver Rast aus der bisher gewerkschaftsfreien Zone Gefängnis zu vermelden. Die im vergangenen Jahr gegründete Gefangenen­ge­werk­schaft habe mittlerweile über 400 Mitglieder. Diese Meldung wurde mit Applaus begrüßt – obwohl Gefangene im Gewerkschaftsalltag häufig nicht mit offenen Armen empfangen werden.

http://jungle-world.com/artikel/2015/12/51653.html

Peter Nowak