Nicht nur die Arbeitgeber sind ein Problem…

Eine Konferenz in Hamburg widmete sich am 14. März Strategien gegen Union Busting

Die Initiative „Arbeitsunrecht“ hat einen neuen Protesttag kreiert. Immer, wenn der Freitag auf einen 13. des Monats fällt, soll vor Firmen protestiert werden, die sich als besonders gewerkschaftsfeindlich hervortun. Am 13. März hatte der „Schwarze Freitag“ Premiere, und in mehr als einem dutzend Städte gab es kleinere Protestaktionen gegen das Gebahren der Firma Neupack. Die Eigentümer der mittelständischen Verpackungsfirma weigern sich beharrlich, mit den Beschäftigten einen Tarifvertrag abzuschließen. Auch nach einem monatelangen Streik ist die Firma für engagierte GewerkschaftlerInnen noch immer eine Gefahrenzone. Neupack produziert vor allem Plastikbecher für Molkereiprodukte. Die Aktionen setzten bei Großabnehmern wie Milram und Lidl an. Auf einer von der Jour Fixe Gewerkschaftslinke, dem Projekt Revolutionäre Perspektive (PRP und der ver.di Jugend Hamburg im Veranstaltungshaus  Centro Sociale in Hamburg organisierten Tagung am darauffolgenden Tag berichtete der Neupack-Gewerkschafter Murat Günes über die vielfältigen Methoden des Union Busting gegen ihn. Vierzehn Mal wurde ihm bereits gekündigt, was vom Arbeitsgericht immer wieder kassiert wurde. Durch eine Detektei ließ das Unternehmen ihn und seinen Hausarzt bespitzeln, um Kündigungsgründe zu konstruieren. Günes war einer von zahlreichen ReferentInnen, die  in Hamburg vor ca. 60 TeilnehmerInnen über die modernisierte Form des antigewerkschaftlichen Kampfes berichteten.

Anwaltsfirmen wie Naujoks oder Schreiner + Partner sind mittlerweile darauf spezialisiert, engagierte KollegInnen auf juristischem Wege loszuwerden. Auf der Tagung wurde auch deutlich, dass das Union Busting mittlerweile in allen Branchen praktiziert wird. So berichtete Torben Ackermann über die Schikanen gegen GewerkschafterInnen bei Götz-Brot in Würzburg. Fritz Wilke konnte über ähnliche Methoden bei der Hannoveraner Filiale des Weltkonzern UPS berichten. Ramazan Bayran, der für die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ein Organizingprojekt bei UPS betreut, betonte, dass hinter den gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten nicht nur ein milliardenschwerer Weltkonzern, sondern auch der Staat steht, der mit der Agenda 2010 und anderen Maßnahmen dafür verantwortlich ist, dass sich viele Lohnabhängige gar nicht mehr trauen, im Betrieb für ihre Rechte zu kämpfen.

Wenn Solidarität ein Fremdwort wird

Der Berliner Arbeitsrechtler Daniel Weidmann betonte, dass das Arbeitsrecht eine Waffe für engagierte KollegInnen sein kann. Voraussetzung sei allerdings, dass sie einen Großteil der KollegInnen im Betrieb auf ihrer Seite haben, was längst nicht immer gegeben ist. Weidmann analysierte auf der Tagung, dass es in vielen Betrieben nicht nur einen großen apathischen Teil von Beschäftigten gibt, der sich aus den Konflikten vollständig raushält. Viel gravierender sei eine lautstarke Minderheit unter den KollegInnen, die engagierte GewerkschafterInnen mobben und als von außen gesteuerte Marionetten beschimpfen, die Unfrieden in den Betrieb brächten. Viele engagierte GewerkschafterInnen würden die Angriffe der Betriebsleitung eher wegstecken als solche Angriffe von KollegInnen. Diese Gewerkschaftsfeindschaft gepaart mit der Ideologie der Sozialpartnerschaft erinnerte Weidmann an die Pegida-Bewegung. In der Diskussion wurden seine Beobachtungen von anderen KollegInnen als Zeichen eines Rechtsrucks bezeichnet, der sich auch in der Arbeitswelt ausdrückt und gegen engagierte Kollegen richtet. Erleichtert werde eine solche Haltung dadurch, dass viele Menschen keine Erfahrungen eines gemeinsam und erfolgreich geführten Streiks mehr kennen und Solidarität als Fremdwort empfinden. Das ist der große Unterschied zur Situation vor mehr als dreißig Jahren, über die Rainer Knirsch auf der Tagung berichtete. Er war einer von drei Betriebsräten bei BMW Berlin, die 1984 gekündigt wurden, weil sie sich gegen eine vom Management manipulierte Betriebsratswahl juristisch zur Wehr setzten. Nach zahlreichen Kündigungen, Diffamierungen und Verleumdungen musste die Betriebsratswahl wiederholt werden. Nach drei Jahren mussten auch die drei gekündigten Gewerkschaftler wieder eingestellt werden. Vorausgegangen waren auch Angriffe von einigen KollegInnen, die sogar mit Arbeitsniederlegung drohten, wenn die Entlassenen wieder in den Betrieb kommen. „Wir waren zu dritt und so den Angriffen nicht allein ausgesetzt. Zudem unterstützte uns ein Solidaritätskomitee, dem es gelang, den Fall BMW Berlin bundesweit bekannt zu machen.“ [Abschließendes Anführungszeichen hier richtig?] Ja, hier ist das Zitat beendet. Am Ende musste BMW nachgeben und die Kettenkündigungen gegen die drei Gewerkschafter beenden.

Union Busting ächten

Jessica Reisner von der Initiative Arbeitsunrecht setzte in ihrem Abschlussbeitrag zur Konferenz optimistische Akzente. Sie erinnerte daran, dass Union Busting in den letzten Monaten einer größeren Öffentlichkeit ein Begriff geworden sei. Seminare, auf denen JuristInnen in Union Busting geschult werden, stehen zunehmend in der öffentlichen Kritik. Mit der Aktion „Schwarzer Freitag“ könnte sich das Repertoire der Proteste nun ausweiten. Es muss, so ein Fazit dieser informativen Konferenz, ein gesellschaftliches Klima geschaffen werden, in dem Union Busting zum Makel für die Firmen wird, die sich daran beteiligen. Kritisiert wurde lediglich die Fülle der behandelten Themen bei der vergleichsweise kurzen Veranstaltung. Es gibt offenbar viel zu tun. Der nächste „Schwarze Freitag“ ist am 13. November. Bis dahin will die Aktion Arbeitsunrecht auf ihrer Webseite drei Kandidaten zur Abstimmung stellen, um über Themen und Ziele des Aktionstages zu entscheiden.

Nähere Informationen: www.arbeitsunrecht.de

aus: express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 3-4 2015,

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

Solidarität in Logistik und Onlinehandel

Italienische Arbeiter zu Besuch beim Amazon-Streik

bekam am 30. März viel Applaus im Streikzelt der Amazon-Beschäftigten in Leipzig. Er hat im Rahmen einer Delegation der italienischen Basisgewerkschaft SI Cobas den Streikenden einen Solidaritätsbesuch abgestattet und Grüße überbracht. Bei einer Veranstaltung und einem Workshop in Berlin berichteten die SI-Cobas-Gewerkschafter, wie sie in den letzten Monaten im italienischen Logistikbereich erfolgreich Beschäftigte organisieren und Tarifverschläge abschließen konnten, die ihnen Lohnerhöhungen und weniger Arbeitshetze garantieren.

Die großen italienischen Gewerkschaftsverbände haben sich in einem Brief an die Logistikunternehmer beschwert, dass diese mit der kleinen Basisgewerkschaft bessere Tarifverträge als mit ihnen abschließen. »Die haben nicht begriffen, dass diese Verträge kein Geschenk der Unternehmen sondern ein Ergebnis der kämpferischen Gewerkschaftspolitik ist«, meint Luzzi. Dass sich die Amazon-Beschäftigten und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit ihren Arbeitskampf gegen ihre Einstufung als Logistiker wehren und für den einen Tarifvertrag nach den deutlich besseren Konditionen des Einzel- und Versandhandels kämpfen, verstehen die italienischen Kollegen. »Über die Feinheiten des deutschen Tarifrechts wissen die Amazon-Kollegen am besten Bescheid. Doch wichtig ist uns, die spezifischen Kampfbedingungen herauszuarbeiten, der in der Logistik und im Onlinehandel unabhängig von der tariflichen Einordnung gilt«, erklären sie auf dem Workshop.

So haben die Streikenden im italienischen Logistikbereich in den letzten Monaten die Tore der Unternehmen blockiert und sie damit an einem neuralgischen Punkt getroffen. Wenn es Verzögerungen bei der Warenauslieferung gibt, drohen hohe Verluste.

Amazon hatte seine Filiale im polnischen Poznan errichtet, um die Waren von dort auszuliefern, wenn in Deutschland gestreikt wird. Die Gewerkschafter betonten in Berlin, dass das Fehlen eines großen Maschinenparks in dieser Branche eine länderübergreifende Solidarität erleichtern könnte. Schließlich habe das Standortdenken bei Beschäftigten der fordistischen Schwerindustrie, das länderübergreifende Kämpfe erschwert, ihre Grundlage eben in dem Maschinenpark, der nicht so leicht zu ersetzen oder auszulagern ist. Doch wie sieht es mit der länderübergreifenden Solidarität bei Amazon aus? Ermutigende Beispiele wurden auf der Veranstaltung genannt. So streikten vor Weihnachten 2014 auch in Frankreich Amazon-Beschäftigte und bezogen sich auf den Arbeitskampf in Deutschland. Auch im Standort Poznan wächst die Unzufriedenheit. Ein Beschäftigter beschrieb die Stimmung im Werk Ende 2014 so: »Im Dezember drang die Unzufriedenheit der Leiharbeiter bei Amazon an die Öffentlichkeit: Sie fingen an, sich wegen nicht pünktlich gezahlter Löhne, Unregelmäßigkeiten bei der Berechnung der Löhne und überfüllter Kantinen an die lokalen Medien zu wenden.« Mittlerweile sind zahlreiche Beschäftige von Poznan in die kämpferische Basisgewerkschaft Workers Initiative eingetreten.

Peter Nowak

»Wie eine Festung«

Im Tarifkonflikt mit dem Online-Versandhändler Amazon versuchte die Gewerkschaft Verdi im Ostergeschäft den Druck zu erhöhen und rief an mehreren Standorten zum Streik auf. Die Jungle World sprach mit Roberto Luzzi. Er ist Aktivist der italienischen Basisgewerkschaft SI Cobas, die Arbeitskämpfe in der Logistikbranche organisiert. Mit einer SI-Cobas-Delegation besuchte er am 31. März die streikenden Amazon-Arbeiter in Leipzig.

Wie war Ihr Eindruck vom Arbeitskampf?

Es ist sehr positiv, dass in Deutschland die Organisierung der Amazon-Mitarbeiter gelungen ist und sie mehrmals in den Streik getreten sind. In Italien ist uns das bisher nicht gelungen.

Was sind dort die Probleme?

Die meisten Amazon-Beschäftigten in Italien haben extrem befristete Verträge, was eine Organisierung sehr schwer macht. Zudem ist das größte italienische Amazon-Werk in Piacenza wie eine Festung ausgebaut, so dass wir nicht mit den Beschäftigten sprechen können.

Haben Sie in Leipzig auch kritische Eindrücke gesammelt?

Mir ist negativ aufgefallen, dass bei der Streikversammlung nur Gewerkschaftsfunktionäre und nicht die Beschäftigten zu Wort kamen. Zudem gab es keine Versuche, die Beschäftigten, die sich nicht am Streik beteiligten, am Betreten des Werkes zu hindern. Auch LKW konnten während des Streiks ungehindert auf das Gelände fahren und es verlassen. Es gab weder Blockaden noch Versuche, mit Flugblättern für den Streik zu werben.

Konnten Sie Kontakte mit den Kollegen knüpfen?

Wir haben auf der Streikversammlung über die Basisgewerkschaft SI Cobas und die Arbeitskämpfe in der italienischen Logistikbranche informiert und eine mit viel Applaus bedachte Solidaritätserklärung verlesen.

Könnten sich die transnationalen Kontakte verstetigen?

Bei konkreten Streikaktionen ist es einfach, Solidarität auszudrücken und mit den Kollegen in Kontakt zu kommen. Viel schwieriger sind offizielle Verbindungen zwischen den Gewerkschaften. Das liegt daran, dass die DGB-Gewerkschaften nur Kontakte zu den großen offiziellen Gewerkschaftsbünden in Italien unterhalten. Mit ­denen ist eine Zusammenarbeit bei der Firma DHL möglich. Doch in der Regel bekämpfen sie die Basisgewerkschaft SI Cobas in der Logistikbranche und haben sich sogar in einem Brief an die Logistikunternehmen beschwert, dass sie mit uns einen besseren Tarifvertrag als mit ihnen abgeschlossen haben. Dabei ist dieser Erfolg das Ergebnis unserer kämpferischen Gewerkschaftspolitik

http://jungle-world.com/artikel/2015/15/51751.html

Peter Nowak

Amazonstreik – keine Chancen für die Gewerkschaften?

Bauarbeiter klagen Lohn ein

JUSTIZ Radikale Gewerkschaft unterstützt geprellte Bauarbeiter des Einkaufstempels Mall of Berlin

Der Arbeitskampf um die Fertigstellung des Einkaufszentrums Mall of Berlin wird nun die Gerichte beschäftigten. Insgesamt zehn Klagen hat der Anwalt der Basisgewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) in der vergangenen Woche beim Berliner Arbeitsgericht eingereicht. Sie richten sich gegen zwei Subunternehmen. Kläger sind Bauarbeiter aus Rumänien, die über die beiden Leiharbeitsfirmen auf der Baustelle der Mall of Berlin beschäftigt und nach eigenen Angaben um einen Großteil ihres Lohns geprellt worden waren.

Gemeinsam mit der FAU hatten die Bauarbeiter in den vergangenen Monaten zahlreiche Protestaktionen rund um das höherpreisige Einkaufszentrum organisiert (taz berichtete). Im Zentrum der Kritik stand dabei auch der mittlerweile insolvente Generalübernehmer und der Bauherr Harald Huth. Zudem hat die FAU einen offenen Brief an die Senatorin für Arbeit, Dilek Kolat (SPD), verfasst. Darin will sie von der Senatorin wissen, warum die Landesgesetze zulassen, dass in Berlin Unternehmen aktiv sind, die nicht gewährleisten könnten, „dass die von ihnen oder ihren Subkontraktoren beschäftigten ArbeiterInnen ordentlich behandelt und entlohnt werden“. Die FAU moniert zudem, dass die um ihre Löhne geprellten Bauarbeiter keinerlei Unterstützung vom Senat erhalten habe.

Monatelang mittellos

Die Gewerkschaft betont, dass auch der Rechtsweg für die Betroffenen oft keine Lösung ist. „Wer von ihnen kann es bewältigen, hier monatelang mittellos auszuharren, rechtliche Verfahren einzuleiten und möglicherweise durch verschiedene Instanzen zu gehen?“ Allein diese Hürde sorge dafür, dass die Bauunternehmer mit ihren „dubiosen Praktiken“ davonkommen könnten, heißt es in dem Brief. Ein Sprecher der Senatorin sagte der taz, bisher habe man das Schreiben nicht erhalten.

Auch die Sprecherin für Soziale Menschenrechte der Linksfraktion im Bundestag, Azize Tank, sieht die Berliner Politik in der Verantwortung. „Der Senat muss dafür sorgen, dass die Finanzkontrolle eingeschaltet wird, um auf die Missstände endlich zu reagieren“, sagte sie der taz.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2015%2F03%2F31%2Fa0142&cHash=749ad5fa222354dc7ec71e9bb0ddc110

Peter Nowak

Emmely ist tot

Barbara Emme starb an Herzversagen. Bekannt wurde sie durch ihren Kampf gegen eine unberechtigte Kündigung. Es ging um einen 1,30 Euro Pfandbon.

Am Dienstag ist Barbara Emme im Alter von 57 Jahren in Berlin an Herzversagen gestorben. Unter diesem Namen kennen die Frau wenige. Doch als aufmüpfige Kassiererin Emmely wurde sie bundesweit bekannt.

Grund war der lange Atem, mit dem sich die Frau gegen ihre Kündigung wehrte. Sie wollte nicht akzeptieren, dass im Februar 2008 die Supermarktkette Kaiser’s sie fristlos hinauswarf, weil sie angeblich zwei Leergutbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte, die in einer Filiale von KundInnen liegen gelassen wurden. Emme hatte diese Vorwürfe jedoch immer wieder bestritten.

Sie fand Unterstützung bei linken AktivistInnen, die 2008 als kritische KundInnen die VerkäuferInnen beim Arbeitskampf im Einzelhandel unterstützten. Der Aliasname wurde im Solidaritätskreis gemeinsam mit der Kassiererin kreiert und wurde bald bundesweit bekannt.

In den nächsten zwei Jahren gelang es der kleinen Gruppe nicht nur, die Kündigung bundesweit zu skandalisieren. In Talkshows diskutierten PolitikerInnen und JuristInnen über die Verdachtskündigungen als Instrument, missliebige ArbeitnehmerInnen loszuwerden. Nachdem Emmely in mehreren juristischen Instanzen verloren hatte, erklärte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt im Juni 2010 die Kündigung für unwirksam. Zwölf Tage später bekam sie wie gewünscht eine Stelle in einem Kaiser’s in ihrem Wohnviertel in Berlin-Hohenschönhausen.

Emme stammte aus einer Arbeiterfamilie aus Mecklenburg, wurde in der DDR groß, machte dort eine Ausbildung als „Fachverkäuferin für Waren des täglichen Bedarfs“. Auch nach ihren juristischen Sieg blieb Emmely politisch aktiv, beteiligte sich an einem Film und zwei Büchern über ihren Fall. Sie wurde auch zu politischen und sozialen Meetings nach Paris, Spanien und Venezuela eingeladen.

Sie sei in einer Zeit der Entsolidarisierung im Neoliberalismus zum Symbol dafür geworden, dass man sich auch heute noch wehren und sogar gewinnen kann, erklärten AktivistInnen ihres Solidaritätskomitees in einer Nachbetrachtung, warum die Kündigung der Berliner Kassiererin so viele Menschen bewegte und ihr Tod nun Menschen in aller Welt traurig macht.

http://www.taz.de/Gekuendigte-Supermarktkassiererin/!157087/

Peter Nowak

Hinweis auf den Artikel :

Spiegel: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/kaiser-s-kassiererin-emmely-ist-tot-a-1025602.html

Deutschlands wohl bekannteste Supermarkt-Kassiererin ist tot. Barbara Emme, bekannt unter dem Namen Emmely, starb am Dienstag an Herzversagen, wie „taz.de“ berichtet.

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BZ: http://www.bz-berlin.de/berlin/herzversagen-kassiererin-emmely-ist-tot

Am Dienstag ist Barbara E. nach Angaben der Zeitung “taz” im Alter von 57 Jahren in Berlin an Herzversagen gestorben.

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Leser_innenbriefe in der Taz zu dem Artikel:

Sie wollte ihren Job zurück

EMMELY Im März verstarb Barbara Emme, der wegen zweier liegen gebliebener Pfandbons über 1,30 Euro fristlos gekündigt wurde und die dagegen klagte. In der letzten Instanz bekam sie vom Bundesarbeitsgericht recht und wurde wieder eingestellt

LESERINNENBRIEFE

Mutige Frau

betr.: „Emmely ist tot“, taz.de vom 25. 3. 15

Eine mutige, fest an eine gerechte Rechtsprechung glaubende Frau! Die urteilenden Bundesarbeitsrichter haben dazu beigetragen und ihr Würde zurückgegeben.

Viel zu früh und zu jung verstorben. Schade. Ein noch langes Leben wäre ihr vergönnt gewesen. Schade.

Die Gewerkschaften, die Gewerkschaftsbewegung sollte dieser mutigen Frau und Kämpferin um Recht und Würde ein ehrenvolles Andenken geben und in Erinnerung behalten – schlicht als „Emmely“.

GERDA FÜRCH, taz.de

Ein Vorbild

betr.: „Emmely ist tot“, taz.de vom 25. 3. 15

Ein Vorbild im täglichen Kampf und Arbeitsleben für uns!

REINHOLD SCHRAMM, taz.de

Selbstbewusst

betr.: „Emmely ist tot“, taz.de vom 25. 3. 15

57, reichlich jung und das ist immer traurig. Ansonsten war das Lebensmotto dieser selbstbewussten Arbeitnehmerin „Wer sich nicht wehrt, der lebt verkehrt!“ – und das war gut so! WAAGE 69

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/printressortsheute/?year=2015&month=04&day=04&letters=1

Eine aufmüpfige Frau

Ihr Kampf machte Schlagzeilen. Jetzt ist die Kaiser’s-Kassiererin Emmely gestorben

Zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro machten Barbara Emme – alias Emmely – bekannt. Weil die Kassierin die Bons unerlaubt eingelöst haben soll, wurde ihr gekündigt. Dagegen wehrte sie sich.

Unter ihrem bürgerlichen Namen war Barbara Emme nur wenigen bekannt. Als Emmely wurde die aufmüpfige Kassiererin zwischen 2008 und 2010 zu einem Symbol für den Widerstand gegen Verdachtskündigungen und Willkür am Arbeitsplatz. Sie wurde nicht nur bundesweit von linken Gruppen und Gewerkschaftern zu Solidaritätsveranstaltungen eingeladen. Auch in Talkshows diskutierte sie selbstbewusst mit Politikern. Boulevardblätter erklärten sie daraufhin zu »Deutschlands aufmüpfigster Kassiererin«.

Dabei war sie im Februar 2008 ziemlich allein, als ihr die Supermarktkette Kaiser’s nach 31 Dienstjahren fristlos kündigte: Angeblich hatte sie zwei Leergutbons im Wert von 1,30 Euro eingelöst, die Kunden in der Filiale in Berlin-Hohenschönhausen vergessen hatten. Emmely hat diese Vorwürfe immer wieder bestritten.

Von den meisten Kolleginnen in der Kaiser’s-Filiale kam keine Unterstützung. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, bei der die Kassiererin Mitglied war, riet ihr zu einem Vergleich. Den lehnte sie jedoch ab. Unterstützung bekam sie dagegen von linken Aktivisten, die 2008 als kritische Kunden Arbeitskämpfe im Einzelhandel aktiv unterstützten. Dabei erfuhren sie von der Kündigung der aktiven Gewerkschafterin, die bei Streiks immer dabei war, und setzten sich mit der Betroffenen zusammen.

Bald darauf erregte ihr Arbeitskampf großes Aufsehen. »Wir konnten gar nicht allen Anfragen nach Plakaten und Flyern nachkommen«, erinnert sich einer der Aktivisten des »Solidaritätskomitees mit Emmely«. In vielen Städten gab es Informationsveranstaltungen zu Emmely und zum Thema Verdachtskündigungen. Auf Demonstrationen wurden Transparente mit der Parole »Solidarität mit den Emmelys dieser Welt« getragen. Als das Bundesarbeitsgericht in Erfurt im Juni 2010 die Kündigung für unwirksam erklärte, war der Jubel bei den vielen Unterstützern groß. Die Vorinstanzen hatten noch gegen sie entschieden.

Auch nachdem Emmely unter großem medialen Interesse wieder an einer Berliner Kaiser’s-Kasse Platz genommen hatte, blieb sie politisch aktiv. »Der Kampf hat die Frau verändert«, beschreiben Freunde ihre Aktivitäten. Sie beteiligte sich nicht nur an einem Film und zwei Büchern, die ihren erfolgreichen Kampf aufarbeiteten. Sie reiste auch um die Welt, um auf Veranstaltung für Solidarität mit anderen Menschen zu werben, die wegen ihrer politischen und gewerkschaftlichen Aktivitäten Repressalien ausgesetzt sind.
In einer Zeit der Entsolidarisierung wurde Emmely zu einem Symbol. »Sie zeigte, dass man sich wehren und siegen kann«, erklärten Mitglieder des Solidaritätskomitees das mediale Interesse und die Sympathiebekundungen, die sie erfuhr.

Am Montag dieser Woche ist Emmely überraschend im Alter von 57 Jahren in Berlin an Herzversagen gestorben, wie Aktivisten des Solidaritätskomitees mitteilten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/965980.eine-aufmuepfige-frau.html

Peter Nowak

Hinweise auf Artikel:

Focus:

http://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-ticker-beim-spielen-angeschossen-jetzt-spricht-der-junge_id_4570310.html

Die wegen zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro bekannt gewordene Kassiererin „Emmely“ ist tot. Das bestätigte ein Mitglied des ehemaligen Solidaritätskomitees für die Kassiererin der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch in Berlin. Zuerst hatte die Zeitung „Neues Deutschland“ darüber berichtet.

Bild: http://www.bild.de/regional/berlin/tod/kassiererin-emmely-ist-gestorben-40304874.bild.html

Nach „Emmelys“ Tod sagten Mitglieder des Solidaritätskomitees der Zeitung „Neues Deutschland“: „Sie zeigte, dass man sich wehren und siegen kann.“

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Welt:

http://www.welt.de/vermischtes/article138788898/Kassiererin-Emmely-mit-nur-57-Jahren-gestorben.html

Die unter dem Namen „Emmely“ bekannt gewordene Gewerkschaftsaktivistin Barbara Emme ist gestorben. Das bestätigte ein Mitglied des ehemaligen Solidaritätskomitees für die Kassiererin der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch in Berlin. Zuerst hatte die Zeitung „Neues Deutschland“ darüber berichtet, laut deren Informationen die 57-Jährige an einem Herzversagen gestorben war.

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NTV: http://www.n-tv.de/panorama/Kassiererin-stirbt-an-Herzversagen-article14781041.html

Ihren Tod bestätigte ein Mitglied des ehemaligen Solidaritätskomitees für die Kassiererin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zuerst hatte die Zeitung „Neues Deutschland“ darüber berichtet. Die 57-Jährige soll am Montag überraschend an Herzversagen gestorben sein.

Schwarzer Freitag

»Rote Karte für die Betriebsräte« lautet ein Werbespruch von Anwaltsfirmen, die solvente Unternehmen beraten, wie Gewerkschafter auf juristischem Wege bekämpft werden können. Mittlerweile ist der zugehörige Begriff »Union Busting« auch in Deutschland bekannt. Am Samstag berieten Betroffene mit Juristen und linken Initiativen auf einer Konferenz in Hamburg, wie man sich dagegen wehren kann. Jessica Reisner von der Initiative Arbeitsunrecht aus Köln, die in den vergangenen Monaten einen wesentlichen Beitrag zu den Protesten gegen Union Busting geleistet hat, zog ein optimistisches Fazit. Seminare, in denen der juristische Kampf gegen Gewerkschafter gelehrt wird, würden öffentlich zunehmend kritisiert.

Mit der Kampagne »Schwarzer Freitag« könnte sich das Repertoire der Proteste ausweiten. An jedem Freitag, der auf einen 13. fällt, sollen Firmen besucht werden, die sich beim Union Busting besonders hervorgetan haben. Am 13. März traf es die Firma Neupack, deren Betriebsratsvorsitzender Murat Günes immer noch gegen seine Kündigung kämpft. Der Arbeitsrechtler Daniel Weidman beklagte, dass viele Engagierte nicht nur von Bossen, sondern auch von Kollegen angefeindet würden. Eine lautstarke Minderheit beschimpfe Gewerkschafter und werfe ihnen vor, Unfrieden in den Betrieb zu bringen. In Hamburg kam mit Rainer Knirsch auch ein ehemaliger BMW-Betriebsrat zu Wort, der in den Achtzigern entlassen worden war. Auch damals gab es Claqueure des Managements. Doch engagierte Kolleginnen und Kollegen sowie ein Solidaritätskomitee sorgten damals für seine Wiedereinstellung. Erfreuliches hatte Oliver Rast aus der bisher gewerkschaftsfreien Zone Gefängnis zu vermelden. Die im vergangenen Jahr gegründete Gefangenen­ge­werk­schaft habe mittlerweile über 400 Mitglieder. Diese Meldung wurde mit Applaus begrüßt – obwohl Gefangene im Gewerkschaftsalltag häufig nicht mit offenen Armen empfangen werden.

http://jungle-world.com/artikel/2015/12/51653.html

Peter Nowak

Streikrecht ist ein Grundrecht

Der Streit um die gesetzliche Regelung der Tarifeinheit nimmt kein Ende / Im April soll demonstriert werden

»Wo ein Streik reglementiert oder gar verboten ist, handelt es sich um reine Diktaturen.« Diese drastische Einschätzung stammt von dem ehemaligen ÖTV-Vorsitzenden Heinz Kluncker aus den 70er Jahren. Daran erinnern »Linke Hauptamtliche in ver.di« in einer Erklärung nicht ohne Grund.

Aktuell will die Bundesregierung das Streikrecht reglementieren, und der DGB-Vorstand und ein großer Teil der Einzelgewerkschaften stimmen dem von der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am 5. März in den Bundestag eingebrachten Tarifeinheitsgesetz sogar zu.

Nach den Vorstellungen der Bundesregierung kann ein Tarifvertrag nur dann Anwendung im Betrieb finden, wenn die vertragsschließende Gewerkschaft die Mehrheit der Mitglieder hat. Spartengewerkschaften, die nur in ein bestimmtes Segment der Beschäftigten vertreten, wären dadurch im Nachteil. Denn, wenn sie nicht tarifvertragsfähig sind, sinkt auch ihre Verhandlungsmacht.

Unter dem Motto »Hände weg vom Streikrecht« ruft ein Bündnis linker GewerkschafterInnen für den 18. April zu einer bundesweiten Demonstration nach Frankfurt am Main auf. Die Initiative dazu hat eine Arbeitsgruppe ergriffen, die sich auf einer Aktionskonferenz am 24. Januar in Kassel gegründet hat. Zu den Unterstützern der Demonstration gehören neben der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU), die Lokführergewerkschaft GDL und verschiedene linksgewerkschaftliche Initiativen. Von den acht DGB-Mitgliedsgewerkschaften findet sich keine unter den UnterstützerInnen der Demonstration, die sich gegen das Tarifeinheitsgesetzt positioniert haben. »Wir haben über diese Demonstration keinerlei Informationen«, erklärte eine Mitarbeiterin der Pressestelle der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die sich von Anfang gegen das Tarifeinheitsgesetz stellte.

Die GEW unterstützt gemeinsam mit der NGG eine Unterschriftensammlung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gegen das Gesetz. Doch obwohl sich die Dienstleistungsgewerkschaft seit Jahren klar gegen die Tarifeinheit ausspricht, ist diese Frage organisationsintern nicht unumstritten, wie Erdogan Kaya von der linken Basisgruppe ver.di-aktiv auf der Berliner Mobilisierungsveranstaltung für die Demonstration in der letzten Woche erklärte. Er machte darauf aufmerksam, dass ver.di.-GewerkschafterInnen beispielsweise bei der Lufthansa das Tarifeinheitsgesetz unterstützen. Anders als bei ver.di sind in der IG Metall die Gegner der Initiative in der Minderheit.

Dazu gehört Günther Triebe vom Berliner IG Metall Ortsvorstand, der auf der Veranstaltung gesprochen hat. Der Basisgewerkschafter Willi Hajek erinnerte in seinen Abschlussbeitrag an eine Äußerung des damaligen DGB-Vorsitzenden Michael Sommer, der sich 2012 gegen den Generalstreik spanischer Gewerkschafter ausgesprochen und ihnen den Rat gegeben hat, dass in Krisensituationen Gewerkschafter und Arbeitgeber kooperieren sollen. Genau von diesem Geist der Sozialpartnerschaft sei auch das Tarifeinheitsgesetz geprägt. Hajek hat schon Pläne über die Demonstration hinaus. Wenn am 21. und 22. Mai das Tarifeinheitsgesetz in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beraten und verabschiedet wird, soll auf einer Alternativveranstaltung darüber diskutiert werden, wie das Grundrecht auf Streik durchgesetzt werden kann.

Peter Nowak

Wut gegen Austeritätspolitik erreicht Frankfurt

Es ging nicht nur um die EZB, sondern um die Politik der deutschen Regierung

„Danke an alle für den großartigen Vormittag! Jetzt ist Zeit zum Ausruhen. Wir sehen uns mit neuer Frische um 17 Uhr bei der Demo!“ Diese Nachricht auf dem Liveticker[1] des Blockupy-Bündnisses[2] erklärt, warum in den letzten Stunden in der Innenstadt von Frankfurt/Main  wieder Ruhe eingekehrt ist.

Seit dem frühen Morgen des 18. März[3] haben ca. 6000 Kapitalismuskritiker, darunter über 1.000 aus dem europäischen Ausland, Teile der Innenstadt von Frankfurt/Main blockiert. Es kam immer wieder zu Scharmützel mit der Polizei. An einigen Stellen wurden Schaufenster eingeschlagen.

Das Knattern der Polizeihubschrauber über der Stadt macht deutlich, dass in der Stadt Ausnahmezustand herrscht. Aus ganz Europa sind Menschen in der Mainmetropole gekommen, um anlässlich der symbolischen Eröffnung der Europäischen Zentralbank, die ihr neues Gebäude im Osten der Stadt längst bezogen hat, deutlich zu machen, was sie von der Austeritätspolitik der deutschen Regierung und der EU-Kommission halten.

Es geht nicht um humanitäre Philosophie, sondern um die finanziellen Folgen

Und da hat in den letzten Wochen einiges an Wut angesammelt. Die Haltung von Schäuble und Co., die gegen der neuen griechische Regierung wie Kolonialoffiziere auftraten, die den Einwohnern einer unbotmäßigen Provinz beibringen, wie sie sich zu benehmen haben. Erst vor wenigen Stunden wandte sich der griechische Ministerpräsident Tsipras gegen Versuche von EU-Gremien, die geplanten Hilfsmaßnahmen für die besonders verarmten Teile der Bevölkerung als Verletzung der Verträge auszulegen, die Griechenland mit den EU-Gremien geschlossen hat.

In einem Brief hatten Vertreter der EU-Kommission darauf gedrängt, diese Gesetze, die einigen zehntausend Menschen ein etwas besseres Leben ermöglichen sollen, nicht ins Parlament einzubringen. Wenn der EU-Kommissar Moscovici darauf nur entgegnen konnte, es gehe nicht um humanitäre Philosophie, sondern um die finanziellen Folgen, dann bringt er genau die Politik auf den Punkt, gegen den die Menschen in Frankfurt/Main revoltieren. Wie sie es nun seit heute Morgen taten, ist Gegenstand von zahlreichen Medienberichten und Erklärungen von Politikern aller Parteien.

Von einem Missbrauch des Demonstrationsrechts wird ebenso geredet wie von krimineller Energie der Demonstranten. Da zeigt sich einmal mehr, die unterschiedliche Wahrnehmung von Gewaltverhältnissen. Eingeschlagene Fensterscheiben und brennende Polizeifahrzeuge erregen große Empörung. Die stumme Gewalt ökonomischer Verhältnisse, die in Griechenland und auch in anderen Teilen der europäischen Peripherie verhindern, dass Menschen ihre Lebenschancen nutzten können, wird als Sachzwang akzeptiert. Auch in Deutschland sorgen diese Zwänge des Verwertungssystems für menschliches Elend. Trotzdem ist in Deutschland die Ignoranz der Folgen einer Politik, die hierzulande durch Wahlen mehrheitlich bestätigt wurde, besonders ausgeprägt.

Der Protesttag in Frankfurt/Main hat deutlich gemacht, dass die von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützte Politik von Deutschland, vor allem im europäischen Ausland auf Unverständnis stößt. Die Organisatoren der Blockupy-Proteste haben hingegen erkannt, dass die deutsche Politik auch Folgen hat. Auf einer Pressekonferenz des Blockupy-Bündnisses wurde erklärt, dass man die Wut der Menschen verstehen kann. Natürlich durfte der übliche Streit über die Frage, von wem die Gewalt ausgeht, nicht fehlen.

Während ein Polizeigewerkschafter davon spricht, dass die Blockupy-Aktivisten Kriminelle und keine Demonstranten seien, wirft das Protestbündnis umgekehrt der Polizei unverhältnismäßiges Vorgehen vor. Schließlich setzt der überwiegende Großteil der Protestierenden auf friedlichen Protest. Manche distanzieren sich von militantem Aktionen: „Diese Bilder haben wir nicht gewollt“, erklärte[4] Ulrich Wilken mit den Verweis auf brennende Polizeiauto. Wilken sitzt für die Linke im hessischen Landtag und ist Anmelder der Großdemonstration, die heute ab 17 Uhr in die Nähe des Frankfurter Bankenviertels ziehen soll. Es wird erwartet, dass es dann mit der Ruhe auf den Straßen von Frankfurt/Main wieder vorbei ist.

Alles Populisten außer der EZB?

Wie der Aktionstag auch ausgeht, einen Erfolg können sich die Protestierenden schon zugute schreiben. Bei der symbolischen EZB-Eröffnung spielten plötzlich auch die Opfer der Austeritätspolitik eine Rolle. Hätte es lediglich eine Kundgebung ohne Zwischenfälle gegeben, wäre das medial kurz abgehandelt worden und man wäre zur Tagesordnung übergegangen. Jetzt aber haben EZB-Verantwortliche und Politiker sich vorgenommen, den Menschen besser zuzuhören, damit sie nicht Populisten auf den Leim gehen. Als Populisten wurden nach dieser Lesart sowohl die Regierungspartei Syriza als auch die Demoorganisatoren bezeichnet.

Die Rituale rund um den Blockupy-Aktionstag kennt man von solchen großen Protest-Events. In dieser Hinsicht erinnern die Geschehnisse in Frankfurt/Main heute an die Rostocker Auftaktdemonstration gegen das G8-Treffen in Heiligendamm im Jahr 2007 (Demonstration gegen G8-Gipfel endete in Militanz[5]). Auch damals wurde in den Medien ein Bürgerkriegsszenario an die Wand gemalt, während die Protestorganisatoren vor allem darauf hinwiesen, dass die Polizei die große Mehrheit die gewaltfrei demonstrieren wollte, mit Wasserwerfern und CS-Gas eindeckte.

Anhang

Links

[1]

https://twitter.com/Blockupy_Ticker/status/578167158628343808

[1]

https://www.facebook.com/blockupy.europe

[2]

https://blockupy.org/

[3]

http://www.heise.de/tp/artikel/44/44433/2577734.html

[4]

http://www.ulrichwilken.de/site

[5]

http://www.heise.de/tp/artikel/25/25424/

http://www.heise.de/tp/artikel/44/44433/1.html

Peter Nowak

Blockupy-Aktion zur EZB-Eröffnung

Pflichtübung oder europaweiter Aktionstag der Proteste gegen die Austeritätspolitik?

Am 18. März soll es wieder Proteste in Frankfurt/Man geben. Ziel ist die symbolische Eröffnung der Europäischen Zentralbank [1] im Osten Frankfurt/Main. Das Gebäude ist schon längst bezogen worden, aber die EZB beraumte doch noch eine offizielle Eröffnung an.

Ob sie damit den Kritikern der EZB einen Gefallen tat oder sich eher an ihnen rächen wollte, muss offen bleiben. Die Kritiker mussten auf die Ankündigung reagieren. Hatten sie doch mehrere Jahre auf dieses Ereignis hingearbeitet und immer angekündigt, dass sie die Eröffnung der EZB zum Protesttag machen wollten. Bereits zweimal hat das Protestbündnis Blockupy [2] nach Frankfurt/Main aufgerufen. 2013 und 2014 reagierte die Polizei mit Verboten, Einkesselungen undFestnahmen. So wurde das Bündnis bekannt, aber es stand dann vor allem die Frage der Repression und der Einschränkung der Grundrechte im Mittelpunkt.

Das Ziel von Blockupy bestand eigentlich darin, auch in Deutschland, dem Hort der Austeritätspolitik, Krisenproteste zu organisieren. Dabei haben die Demonstranten zwei Probleme. Die staatlichen Instanzen werden alles tun, um die Proteste kleinzuhalten. Gravierender aber ist noch, dass auch die große Mehrheit der Lohnabhängigen, die seit Jahren Opfer für den Standort Deutschland bringt, in der Regel nicht für Proteste zu gewinnen ist. Eher wendeten sie sich gegen
Schwächere, seien es Geflüchtete, freche Erwerbslose und andere Menschen, die sich nicht freiwillig dem Standort Deutschland unterordnen wollen.

Erinnerung an die Occupy-Bewegung

Angesichts dieser Schwierigkeiten versuchten die Kritiker der Austeritätspolitik natürlich Bündnisse mit allen zu schließen, die sich irgendwie kritisch äußerten. Dazu gehörte auch die schon längst nur noch in Galerien bestaunte Occupy-Bewegung, die 2013 auch für einige Monate ihre Protestzelte im Schatten der Bankentürme von Frankfurt/Main aufgebaut hatte. Die diffuse Occupy-Bewegung hat sich längst entweder aufgelöst oder ist in den Montagsmahnwachen oder ähnlichen Projekten gemündet.

Doch im Namen Blockupy wird noch an diese Kooperation der Jahre 2012/13 erinnert, sowie an die Hoffnungen, die manche organisierte linke Gruppe damit verbunden haben. Irgendwann war der Name Blockupy eine Marke, und da man nun einmal angekündigt hatte, dass man sich auf die EZB-Eröffnung als Protesttag konzentrieren wollte, stand man im Wort. Nur war monatelang überhaupt nicht klar, ob es überhaupt noch eine offizielle Feier zur bereits vollzogenen EZB-Eröffnung geben wird. Das Gebäude füllte sich und der Termin wurde immer weiter nach hinten verlegt, bis der 18. März schließlich festgelegt wurde.

Frei nehmen statt streiken

Dann standen die Protestorganisatoren vor dem Problem, dass es ein Tag mitten in der Woche ist, wo ein Großteil der lohnabhängigen Bevölkerun verhindert ist. Daher musste zunächst mit der Kampagne „18 März – Ich nehm mir frei“ [3] dafür werben, dass sich die EZB-Kritiker an dem Tag individuell von den Zwängen der Lohnarbeit befreien.

Auch an diesenPunkt wird wieder einmal deutlich, wie groß die Probleme sind, Krisenproteste zumal in Deutschland zu organisieren. Es gab vor einigen Jahren einmal einen Aufruf für einen europaweiten Generalstreik [4], der ja an einen zentralen Protesttag wie den 18. März die Probe aufs Exempel hätte sein können. Dass es jetzt doch wieder ein Aufruf zum individuellen Freinehmen wurde, ist ein Ausdruck der neoliberalen Verhältnisse, denen auch die Protestaktiven ausgesetzt sind. Allerdings ist das Thema Arbeitskampf aus den Blockupy-Protesten nicht ganz verschwunden. So wollen sich Amazon-Arbeiter und Unterstützer an den Protesten beteiligen, und am 19. März ist ein europäisches Treffen zum sozialen Streik [5] geplant.

Die Anfahrt zu den Protesten sollte nicht vereinzelt geschehen. Die Organisatoren haben einen Sonderzug [6] gechartert, der sogar ausgebucht ist. Dafür wurde auch eine aufwendige Spendenkampagne [7]gestartet.

Griechische Wahlen waren Mobilisierungshilfe

Während bis vor einigen Wochen die Blockupy-Mobilsierung eher mau war, nahm sie Ende Januar doch noch an Fahrt auf. Es war der Wahlsieg von Syriza in Griechenland, der der Kampagne neuen Schwung gab. Für die Mitglieder der Vorbereitungsgruppe ist der Glücksfall eingetreten, dass eine gemäßigt linke Regierung im Euro-Raum den Beweis dafür antreten möchte, dass auch in der Euro-Zone eine andere Politik möglich ist, ohne gleich den Kapitalismus infrage zu stellen.

Dem Experiment einer linkskeynesianischen Politik stellt sich nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die EZB entgegen. Diese hat eine Sondergenehmigung für den Einsatz griechischer Staatsanleihen aufgehoben. Die Bonds werden seit dem 11. Februar nicht mehr als Sicherheiten für EZB-Kredite akzeptiert. Mit dieser Entscheidung erschwert die EZB den griechischen Banken
den Zugang zu frischem Geld. Der konservativen griechischen Vorgängerregierung wurde dieser Zugang noch ermöglicht, obwohl sie den versprochenen Kampf gegen die Korruption nie begonnen hat. Der Regierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras will die EZB hingegen schon von Anfang an die Möglichkeiten begrenzen.

Eine bessere Werbung konnte sich das „Blockupy“-Bündnis nicht wünschen. Auf der Homepage des Bündnisses wird das ganz offen erklärt. Dort wird zunächst eingeräumt, dass es große Zweifel gab, ob die Entscheidung für den Aktionstag am 18. März nicht ein Fehler gewesen sei. Mit dem Blick auf die Wahl in Griechenland heißt es dann: „Nun können wir sagen: Dieser Fehler war ein Glücksfall.“ Man verneige sich „vor dieser Entschlossenheit und Rebellion, vor dem langem Atem und der Hoffnung“, wird das griechische Wahlergebnis pathetisch kommentiert.

Allerdings wird die Begeisterung dann doch etwas abgeschwächt: „Eine andere, bessere Welt wird nicht per Kabinettsbeschluss eingeführt.“ Man stehe nicht an der Seite eines Regierungsprojektes, sondern an der „der kämpfenden Menschen in Griechenland und der solidarischen Linken“. Der Widerspruch, ein Wahlergebnis zu feiern, aber auf Distanz zur sich darauf stützenden Regierung zu gehen, erklärt sich aus der Zusammensetzung des „Blockupy“-Bündnisses, das von Attac [8] bis zum Bündnis „Ums Ganze“ [9] reicht.

Gerade den linken Vertretern des Bündnisses dürfte die Koalition von Syriza mit der rechtskonservativen Partei Anel besonders missfallen. „Die Chance der griechischen Wahl misst sich daher nicht nur am Umgang der Regierung mit den Auflagen der Troika, sondern gleichermaßen an ihrem Verhältnis zu den Fragen der linken Bewegungen. Sozial geht nicht national, nicht patriarchal, nicht homophob, nicht antisemitisch, nicht rassistisch.“ Das Ums-Ganze-Bündnis ist auch Teil eines europaweiten Zusammenschlusses von antiautoritären Linken [10], die auf
eine soziale Bewegung statt auf den Staat setzen.

Mittlerweile haben sich aus ganz Europa Menschen auf den Weg gemacht, um in Frankfurt/Main, den Hort des Austeritätspolitik, ihren Protest zu formulieren. Vielleicht bekommt durch diesen transnationalen Charakter der Protest noch ein größeres Ausmaß. Die Polizei hat sich natürlich die Gelegenheit nicht entgehen zu lassen, Busse zu durchsuchen [11], die nach Frankfurt starten wollten. So wird sich in den nächsten Stunden auch wieder zeigen, ob auch vom 18. März wieder vor allem die Polizeistrategie in Erinnerung bleiben wird.

http://www.heise.de/tp/news/Blockupy-Aktion-zur-EZB-Eroeffnung-2577734.html

Peter Nowak

Links:

[1]

https://www.ecb.europa.eu/ecb/html/index.de.html

[2]

https://blockupy.org/

[3]

https://www.facebook.com/Attac.Koeln/posts/854544571250765

[4]

http://strikem31.blogsport.eu/

[5]

http://blockupy.org/en/5753/towards-a-social-and-transnational-strike-invitation-to-a-working-meeting-on-19-3-2015-in-frankfurt/

[6]

http://berlin.blockupy-frankfurt.org/anfahrt/

[7]

http://100mal100.blockupy.org/

[8]

http://www.attac.de/kampagnen/eurokrise-blockupy/blockupy/maerz-2015/

[9]

http://umsganze.org/

[10]

http://beyondeurope.net/

[11]

http://www.fr-online.de/blockupy-frankfurt/blockupy-polizei-durchsucht-bus-von-aktivisten,15402798,30146832.html

Kampf den Knebelverträgen

Das Gesetzesvorhaben zur Tarifeinheit ist nicht der erste Versuch, hierzulande das Streikrecht einzuschränken. Doch angesichts der Veränderung der gewerkschaftlichen Kräfteverhältnisse unterscheidet sich die derzeitige Auseinandersetzung deutlich von denen in früheren Zeiten.

Eigentlich stehen der Deutsche Beamtenbund, der Marburger Bund, die Organisation Cockpit und der Deutsche Journalistenverband nicht im Ruf, kämpferische Gewerkschaften zu sein. Mögen sie als Interessenvertretungen bestimmter Berufsgruppen auch mal ordentlich poltern, so sind sie gesellschaftspolitisch doch eher konservativ. In der vergangenen Woche gaben sie sich jedoch besonders kämpferisch. Schließlich könnte der Gesetzentwurf, den das Bundesarbeitsministerium am 5. März ins Parlament einbrachte, ihre Streikfähigkeit erheblich einschränken.

Nach den Vorstellungen der Bundesregierung soll nur derjenige Tarifvertrag Anwendung im Betrieb finden, der von der Gewerkschaft mit der größten Zahl an Mitgliedern abgeschlossen wird. Spartengewerkschaften, die nur ein bestimmtes Segment der Beschäftigten vertreten, wären dadurch im Nachteil. Denn wenn sie nicht tarifvertragsfähig sind, sinkt auch ihre Verhandlungsmacht. »Das Gesetz würde uns zerschlagen«, sagte denn auch der Vorsitzende des Marburger Bundes, Klaus Henke, auf einer Pressekonferenz.

Deshalb wollen er und seine Kollegen das Tarif­einheitsgesetz auf juristischem Weg stoppen. Schließlich kam selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten zu dem Schluss, dass das Gesetz einen Eingriff in die Koalitionsfreiheit darstelle und daher verfassungswidrig sei. Den Anlass, ein Gesetz zur Tarif­einheit auszuarbeiten, lieferte ebenfalls eine juristische Entscheidung: 2010 urteilte das Bundesarbeitsgericht, dass die Verdrängung des Tarifvertrags einer Spartengewerkschaft »einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit der Tarif schließenden Gewerkschaft als auch die individuelle Koalitionsfreiheit der an den Tarifvertrag gebundenen Gewerkschaftsmitglieder« darstelle.

Wenige Monate nach dem Urteil einigten sich der DGB und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände auf eine Gesetzesinitiative zur Tarifeinheit. Doch wegen der starken Kritik wurde das Vorhaben unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung nicht vollendet. Es mussten erst wieder Sozialdemokraten Regierungsämter übernehmen, um die Gesetzesinitiative zur Tarifeinheit weiterzuführen. In diesem Fall zeigt sich einmal mehr, dass sich kapitalfreundliche Gesetze leichter durchsetzen lassen, wenn Sozialdemokraten an der Regierung beteiligt sind.

Versuche, das Streikrecht einzuschränken, gab es in der Geschichte der Bundesrepublik immer wieder, Proteste dagegen ebenfalls. Doch in der Regel waren es bisher die im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften, die sich gegen Versuche von Union und FDP gestellten Bundesregierungen wandten, das Streikrecht zu regulieren. Doch bei der derzeitigen Auseinandersetzung um das Tarifeinheitsgesetz handelt es sich nicht einfach um eine Wiederholung solcher Auseinandersetzungen. Während der DGB und Teile der ihn ihm vertretenen Einzelgewerkschaften diese Gesetzesinitiative gemeinsam mit den Unternehmerverbänden befürworten, protestieren neben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi vor allem die in den vergangenen Jahren erstarkten Spartengewerkschaften, was angesichts der möglichen Einschränkung ihrer Streikfähigkeit nicht verwunderlich ist.

Die Veränderungen in der Debatte machen aber auch deutlich, wie sich die gewerkschaftlichen Kräfteverhältnisse verschoben haben. Lange Zeit galt auch unter linken Gewerkschaftern in den Betrieben das Credo, die Einheitsgewerkschaft DGB unter allen Umständen zu verteidigen. Vor allem in der traditionalistischen Linken wurde darauf verwiesen, dass die Spaltung der Arbeiterbewegung in Deutschland den Aufstieg des Nationalsozialismus erleichtert habe – als Konsequenz hätten Gewerkschafter, die in der Weimarer Republik in unterschiedlichen Richtungsgewerkschaften organisiert waren, beschlossen, nach dem Ende des NS eine Einheitsgewerkschaft zu gründen. Vor allem die Generation der politisch engagierten Arbeiter, die in der Weimarer Zeit die oft erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den Richtungsgewerkschaften erlebt hatte, betonte den Wert der Einheitsgewerkschaft.

Auch der Marburger Politologe und Antifaschist Wolfgang Abendroth, der in den sechziger und siebziger Jahren großen Einfluss auf linke Gewerkschafter und die akademische Diskussion um eine gewerkschaftliche Orientierung ausübte, verteidigte vehement das Prinzip der Einheitsgewerkschaft. Selbst linke Kritiker der sozialpartnerschaftlichen DGB-Politik betonten in der Regel, nicht sie, sondern die DGB-Funktionäre stellten den Grundsatz der Einheitsgewerkschaft infrage. Lediglich manche maoistische Gruppen versuchten in den siebziger Jahren mit der Gründung gewerkschaftlicher Oppositionsgruppen an die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition in der Weimarer Republik anzuknüpfen. Aber auch sie betonten, dass die Spaltung nicht von ihnen, sondern von den DGB-Vorständen mit ihren Unvereinbarkeitsbeschlüssen und Ausschlüssen linker Mitglieder provoziert worden sei.

Mit der Ausdifferenzierung der Arbeitsstrukturen, die sich in unterschiedlichen Tarifverträgen im gleichen Betrieb zeigt, nahm die Zahl der Branchengewerkschaften jenseits des DGB zu. Sie konnten häufig von einer besonders sozialpartnerschaftlichen Politik vieler DGB-Gewerkschaften profitieren. Doch die Rhetorik der Branchengewerkschaften sollte nicht zu der Illusion führen, sie seien Vorboten einer neuen, kämpferischen Gewerkschaftsbewegung. Schließlich sind von viel Lärm begleitete Tarifkämpfe auch für konservative Verbände möglich, wenn es darum geht, die eigene Klientel zu bedienen.

Das größte Problem dieser Branchengewerkschaften besteht darin, dass sie in der Regel kein Interesse daran haben, über ihre Klientel hinaus auch Kollegen zu unterstützen, deren Verhandlungsmacht gering ist. Hier würde gewerkschaftliche Solidarität beginnen, die bei den DGB-Gewerkschaften häufig nur noch in Sonntagsreden erwähnt, im gewerkschaftlichen Alltag aber meist vergessen wird. Für die meisten Branchengewerkschaften ist diese Solidarität über ihre unmittelbare Klientel hinaus nicht einmal ein angestrebtes Ziel.

So ist die Fragmentierung der Gewerkschaftsbewegung auch ein Ausdruck der Atomisierung der Lohnabhängigen. Kämpferische Basisgewerkschaften wie die Freie Arbeiter Union und die Wobblies werden beim Kampf gegen die Tarifeinheit meist gar nicht erst erwähnt. Dabei würden diese Gewerkschaften durch das Tarifeinheitsgesetz tatsächlich an Kampfkraft verlieren. Denn für sie ist ein Streik nicht ein Szenario, mit dem man droht, sondern eine Aktionsform, die man anwendet.

http://jungle-world.com/artikel/2015/11/51583.html

Peter Nowak

„Solidarität hilft siegen“

ARBEITSKAMPF Die Auseinandersetzung mit BMW vor 30 Jahren sieht der damalige Betriebsrat Rainer Knirsch auch als Übung für heute

taz: Herr Knirsch, Mitte der achtziger Jahre standen Sie als BMW-Betriebsrat im Mittelpunkt heftiger Auseinandersetzungen, die jetzt in dem Buch „Macht und Recht im Betrieb“ dokumentiert sind. Warum wollte das BMW-Management Sie und Ihre beiden Betriebsratskollegen loswerden?

Rainer Knirsch: Weil wir unser Amt als Betriebsräte ernst nahmen: für höheres Urlaubsgeld, für Lohngruppenerhöhungen, gegen Krankheitskündigungen. Eine Rationalisierungsstudie haben wir abgelehnt und damit etwa 50 Arbeitsplätze gesichert. Wir waren Gewerkschafter, die auch als Betriebsräte ihr Recht auf Organisierung der Belegschaft und auf Teilnahme an Streiks ausübten.

Was hat Sie motiviert, den Kampf gegen die Entlassung über drei Jahre zu führen?

Unsere gewerkschaftliche Einstellung lautet: Wir wollen „Recht, Gerechtigkeit und Demokratie, die nicht am Werkstor endet!“ Die IG-Metall-Schulung für Betriebsräte haben wir umgesetzt, in der gewarnt wird vor Korrumpierbarkeit und Verrat an den abhängig Beschäftigten. Außerdem waren wir verbunden mit den Beschäftigten im Betrieb und unterstützt durch ein Solidaritätskomitee von zuletzt über 2.000 Menschen.

Welche Rolle spielte dieses Solidaritätskomitee bei Ihrem Erfolg, der Wiedereinstellung?

Es schuf Öffentlichkeit, verbreitete die Informationen an Medien, Einzelpersonen und die Leute im Werk. Es organisierte politische und finanzielle Solidarität außerhalb des Betriebes. Das war maßgeblich für unseren Erfolg.

Was ist nach 30 Jahren an Ihrem Fall noch interessant?

Das „Union Busting“ der achtziger Jahre war der Anfang: Die systematische Bekämpfung von uns aktiven Gewerkschaftern durch insgesamt 20 kettenartige Kündigungen; durch Inszenierung einer hetzerischen Betriebsversammlung zur Amtsenthebung, zuletzt durch Einsatz einer Detektei und Rufmord über Presse und Rundfunk. Ähnliche Methoden der Arbeitgeber erleben wir heute ständig, etwa gegen Betriebsräte bei Neupack oder Enercon.

Gibt es Parallelen zu dem Solidaritätskomitee, das die Entlassung der Kassiererin Emmely wegen angeblich nicht abgerechneter Kassenbons erfolgreich bekämpfte?

Auch diese Solidaritätsarbeit war beispielhaft, gerade für die Kollegin, die bestraft wurde, weil sie bis zuletzt an den Streiks ihrer Gewerkschaft teilgenommen hatte: Solidarität hilft siegen!

Rainer Knirsch

69, begann 1975 als Montagearbeiter im BMW-Motorradwerk und war seit 1978 Betriebsrat, von 1994 bis 2002 Betriebsratsvorsitzender. Heute ist er ehrenamtlicher Bildungsreferent der IG Metall.

Der „Fall BMW-Berlin“

Das Buch „Macht und Recht im Betrieb. Der Fall BMW-Berlin“ ist eine Dokumentation einer dreijährigen Auseinandersetzung um die Kündigung von drei unliebsamen IG-Metall-Betriebsräten des BMW-Motorradwerks in Spandau. Von 1984 bis 1987 kämpften die drei gegen ihre Entlassung – bis sie vor Gericht siegten und wieder eingestellt werden mussten.

Das im Verlag Die Buchmacherei erschienene Buch stellt den Fall auch als ein frühes Beispiel des „Union Busting“ vor, also der systematischen Bekämpfung, Unterdrückung und Sabotage von Arbeitnehmervertretungen. Heute am Montag präsentiert es Rainer Knirsch, einer der drei damaligen Betriebsräte, um 19 Uhr im Café Commune, Reichenbergerstr. 157.

INTERVIEW PETER NOWAK

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2015%2F03%2F16%2Fa0142&cHash=e0bc5fe5af503aba9b09251b3fcc0198

Anfeindungen von Gewerkschaften: „Pegida im Betrieb“

Teurer Kampf ums Urheberrecht

Das alternative Videokollektiv Filmpiratinnen und Filmpiraten e.V. aus Erfurt muss sich derzeit gegen eine Klage der FPÖ vor dem Handelsgericht in Wien wehren. Die rechte Partei verletzte das Urheberrecht der Erfurter Journalisten und überzieht sie nun im Gegenzug mit einem Prozess, dessen Kosten bereits das Aus für das Filmkollektiv bedeuten könnten.

Fast ein Jahrzehnt berichten die Videojournalisten über Antifademonstrationen, Flüchtlingsproteste oder Solidaritätsaktionen beispielsweise während des Einzelhandelsstreiks. Zunächst konzentrierte sich ihre Medienarbeit auf Thüringen. Mittlerweile sind die kritischen Journalisten europaweit mit der Kamera unterwegs. So berichteten sie auch über das Verfahren gegen den Jenaer Antifaschisten Josef S. in Wien. Die österreichische Justiz hatte den Studenten schweren Landfriedensbruch bei Protesten gegen den jährlichen Akademikerball in 2013 vorgeworfen. Dazu lädt die rechtspopulistische FPÖ alljährlich Ende Januar Politiker der rechten Szene Europas ein. Wegen der monatelangen Untersuchungshaft trotz unklarer Beweislage sprachen Menschenrechtsorganisationen von Kriminalisierung des Antifaschisten. Der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröder (SPD) verlieh S. im vergangenen Jahr einen Preis für Zivilcourage.
Die FPÖ stellte Ausschnitte eines Videoberichts der Filmpiraten über den Prozess gegen Josef S. und die Preisverleihung auf ihren Kanal FPÖ-TV. „Sie haben die Aufnahmen in einen neuen Kontext gesetzt und gleichzeitig gegen die Creative Commons-Lizenz verstoßen, die nicht-kommerzielle Nutzung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen voraussetzt“, erklärte der Videojournalist Jan Smendek. Daher hatte der Verein die FPÖ wegen der Urheberrechtsverletzung abgemahnt. Daraufhin verklagte die FPÖ die Filmpiraten beim Wiener Handelsgericht wegen Behinderung der Meinungsfreiheit und falscher Anschuldigungen. Gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) erklärte ein FPÖ-Sprecher: „Wir fordern in unserer Klage gegen die ‚Filmpiraten‘ weder Geld noch Sonstiges, sondern lediglich die gerichtliche Feststellung, dass die von den ‚Filmpiraten‘ behaupteten Ansprüche gegen die FPÖ nicht zu Recht bestehen“.
Mittlerweile wurde bekannt, dass die FPÖ auch in Österreich ihre Kritiker häufiger mit solchen Klagen überzieht. Betroffen davon sind die „Initiative Heimat ohne Hass“, die Zeitschrift „Linkswende“ und der österreichischen Kriminalbeamte und Datenforensiker Uwe Sailer, der sich gegen die FPÖ engagiert. Die aufgrund der österreichischen Parteienfinanzierung sehr solvente Partei versucht, ihre Kritiker mit den Klagen finanziell unter Druck zu setzen, kritisiert ein Autor der „Linkswende“. Für die Filmpiraten geht es dabei um ihre Existenz. Der Streitwert liegt bei 35000 Euro. „Bis jetzt sind schon über 5.000 Euro an Anwaltskosten entstanden, die wir im Vorfeld aufbringen mussten“, erklärt Smendek. Die Auseinandersetzung kann sich noch über Monate hinziehen und teuer werden. Ein vom Wiener Handelsgericht vorgeschlagener Vergleich, bei dem beide Seiten ihre Klagen zurückziehen, ist für Smendek nicht annehmbar. „Die FPÖ könnte dann weiter unser Urheberrecht verletzen und wir würden auf einen Teil der Gerichtskosten sitzen bleiben“, begründet der Journalist die Ablehnung. So wird es wohl in einigen Monaten zum Prozess kommen.

Unter dem Motto „Sei unser Held – FPÖ kostet Nerven und Geld“ wird auf der Homepage www.filmpiraten.org zu einer Spendenkampagne aufgerufen. SPENDENKONTO Filmpiratinnen e.V.
IBAN: DE56430609676027819400
BIC: GENODEM1GLS GLS Bank.

aus: «M» – MENSCHEN – MACHEN – MEDIEN

https://mmm.verdi.de/aktuell-notiert/2015/teurer-kampf-ums-urheberrecht

Peter Nowak