Bezirk will Kunger-Kiez schützen

Mieter wehren sich gegen Modernisierungsmaßen im Milieuschutzgebiet

«Die Gentrifizierung ist nun auch im Karl-Kunger-Kiez angekommen. Viele meiner Nachbarn sind schon weggezogen. Doch ich lebe hier über 30 Jahre und will hier bleiben», sagt Rainer Abel. Von den rund 50 Alt-Treptower Mietern, die sich am Samstagabend in der Galerie KungerKiez trafen, erhielt er viel Zustimmung. Denn auch sie befürchten, sich ihre Wohnungen bald nicht mehr leisten zu können.

Dass es bei der Zusammenkunft nicht nur um einen Austausch von Ängsten ging, wurde schnell klar. «Wir müssen Nägel mit Köpfen machen und uns auf Aktionen einigen, sagte Moderator Wolfgang, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen wollte. Er trug ein T-Shirt mit dem Slogan »Wir sind das Milieu« – ein lokales Produkt, beschriftet von der Mietergemeinschaft aus der Karl-Kunger-Straße 19/20 und der Bouchéstraße 22 und 23. Die Bewohner haben von den Hauseigentümern, der Citec Immo Berlin GmbH mit Sitz in Wien, die Ankündigung einer energetischen Sanierung bekommen. Bis zum 30. September sollen die 46 Wohnungs- und drei Gewerbemieter dieser Maßnahme und der damit verbundenen Mieterhöhung zustimmen. »Doch die Mietergemeinschaft ist sich einig, dass sie die Unterschrift verweigert«, sagt Mieterin Clara Bernhard dem »nd«.

Beim stillen Protest ist es nicht geblieben: An der Hausfassade hängen Transparente mit den Parolen »Gegen Mietexplosion im Kungerkiez!« und »Kiez statt Kohle«. Ein Transparent im Innenhof soll von Unbekannten entfernt worden sein, sagt Bernhard. Doch die Mieter lassen sich nicht einschüchtern. Knapp 50 Bewohner haben einen Offenen Brief an Politiker des Bezirks Treptow-Köpenick, des Senats sowie an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gerichtet. Darin fordern die Mieter die Politiker auf, den Antrag der Citec nicht einfach abzunicken.

»Wir fordern den Bezirksstadtrat Rainer Hölmer (SPD) und seine Mitarbeiter auf, diese Maßnahme bei Eingang des Antrags auf Baugenehmigung strengstens zu prüfen und gegebenenfalls zu untersagen«, heißt es in dem Brief. Die Absender erinnern die Politiker an den Ermessensspielraum des Bezirksamts, das Modernisierungsmaßnahmen ablehnen kann, wenn dadurch preiswerter Wohnraum zerstört wird. Zudem erinnern die Bewohner der Citec-Häuser daran, dass die durch die energetische Sanierung verursachten Mieterhöhungen in keinem Verhältnis zu den tatsächlich eingesparten Energiekosten stünden.

»Was ist der Milieuschutz wert, wenn er seine Ziele verfehlt?« Mit dieser Frage endet das Schreiben. Damit erinnern sie an die vom Bezirksamt Treptow-Köpenick beschlossene Milieuschutzverordnung, die im Juli 2016 in Kraft getreten ist.

Ihre Sorgen brachten die Mieter auch auf der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung am Dienstag ein. Linksfraktionsmitglied Ernst Welters sagte am Mittwoch dem »nd«: »Wir werden das weitere Geschehen intensiv beobachten. Wir wollen, dass es nicht zu Problemen für die Mieter kommt – sonst hätten wir uns den ganzen Milieuschutz gleich sparen können.« Letztlich könnten Baumaßnahmen untersagt werden.

Die Mieter wollen sich auch berlinweit vernetzen. Auch in anderen Citec-Häusern gab es bereits Anwaltsschreiben mit der Ankündung von Modernisierungen, verbunden mit beträchtlichen Mieterhöhungen. Es soll auch schon mal ein Gerüst vor einem Haus aufgebaut worden sein, obwohl es noch gar keine Baugenehmigung gab. Die Mieter im Karl-Kunger-Kiez wollen sich davon nicht abschrecken lassen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1065160.bezirk-will-kunger-kiez-schuetzen.html

Peter Nowak

Treptower Milieu gegen Citec-Pläne

„Wir sind das Milieu! Gegen Mietexplosion im Kungerkiez!“ Transparente mit diesen Parolen hängen seit kurzen an der Fassade der Häuser Karl-Kunger-Straße 19 und Bouchestraße 22 und 23 in Alt-Treptow. Angebracht wurden sie von den Mieter/innen, die sich gegen ihre Verdrängung wehren. Bis zum 30.9.2017 sollen sie einer energetischen Modernisierung mit anschließender Mieterhöhung zustimmen. Die Schreiben wurden von einem Anwalt im Auftrag der Wiener Immobilienfirma Citec Immo GmbH verschickt. Sie war bis zum letzten Jahr auch Eigentümerin der Friedelstraße 54. Auch dort hatten sich die Mieter/innen gegen eine energetische Sanierung gewehrt und wollten das Haus selber erwerben. Stattdessen verkaufte die Citec das Gebäude an eine Luxemburger Briefkastenfirma. Die führte die Räumungsklage gegen den Stadtteilladen F54 weiter, der Ende Juni geräumt wurde (MieterEcho berichtete). An einer berlinweiten Vernetzung von Mieter/innen aus Citec-Häusern beteiligen sich auch Bewohner/innen aus dem Kungerkiez. Die 46 im Eckhaus Kunger/Bouchestraße wohnenden Mieter/innen und die vier Gewerbeeinheiten haben die Initiative „Wir sind das Milieu“ gegründet. Am 23. September haben sie zum Mieter/innenforum eingeladen. Die über 50 Anwohner/innen beklagten nicht nur die drohende Verdrängung, sondern machten „Nägel mit Köpfen“, wie der Moderator Wolfgang Pomrehn betonte.


„Was ist ein Milieuschutz wert, wenn er seine Ziele verfehlt“

Knapp 50 Bewohner/innen der Citec-Häuser haben einen Offenen Brief verfasst, der an Politiker/innen des Bezirks Treptow, das Land Berlin und an Bundesjustizminister Heiko Maas gerichtet ist. Die Bezirkspolitiker/innen wurden bei der Prüfung des Citec-Antrags an ihren Ermessensspielraum erinnert, eine Modernisierungsmaßnahme abzulehnen, wenn damit preiswerter Wohnraum zerstört wird. „Wir fordern den Bezirksstadtrat Rainer Hölmer (SPD) und seine Mitarbeiter/innen auf, diese Maßnahme bei Eingang des Antrags auf Baugenehmigung strengstens zu prüfen und gegebenenfalls zu untersagen“, heißt es in dem Brief. Zudem erinnern die Bewohner/innen der Citec-Häuser daran, dass die durch die energetische Sanierung verursachten Mieterhöhungen in keinem Verhältnis zu den tatsächlich eingesparten Energiekosten stünden. „Was ist der Milieuschutz Wert, wenn er seine Ziele verfehlt?“ Mit dieser rhetorischen Frage erinnern die Verfasser/innen die Bezirkspolitiker/innen an die vom Bezirksamt Treptow-Köpenick beschlossene Milieuschutzverordnung, die im Juli 2016 in Kraft getreten ist. Doch die Mieter/innen belassen es nicht bei einem Brief an die Politiker/innen. Für den 26. 09.2017 meldeten sie anlässlich der BVV-Sitzung eine Protestkundgebung vor dem Treptower Rathaus in der Neue Krugallee 4 an. Dort wollen die Mieter/innen den Politiker/innen deutlich machen, dass sie und nicht die Citec und andere Investoren das Milieu sind, das geschützt werden muss.

aus: Mieterecho-Online
https://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/citec-in-treptow.html
Peter Nowak

Homepage der Initiative

https://www.karl-kunger-bouche.org