Die Monatszeitschrift »Graswurzelrevolution« feiert ihren 50. Geburtstag

Gegen Gewalt, für Emanzipation von unten

Wer derzeit für Verhandlungen im Ukraine-Krieg eintritt, sieht sich schnell denunziert. Die Herausgeber der »Graswurzelrevolution« bleiben dennoch bei ihrer pazifistischen Haltung. "Jeder Panzer, der durch Zucker im Tank unbrauchbar wird, ist ein Erfolg«, formuliert Bernd Drücke den Konsens der Redaktion.

Pazifist*innen haben es in Kriegszeiten be sonders schwer. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine werden alle, die vor immer mehr Militär und Aufrüs tung warnen, als Putin-Versteher*innen diffamiert. Der Blogger Sascha Lobo polemisierte im »Spiegel« sogar gegen einen angeblichen Lumpen-Pazifismus. Bernd Drücke hingegen sieht sich durch die Ereignisse in Osteuropa in seiner konsequenten Antikriegshaltung bestätigt. »Jeder Krieg ist für uns ein Verbrechen an der Menschheit, und wir kämpfen mit di rekten gewaltfreien Aktionen und Agitation dafür, alle Kriege zu stoppen«, sagt der Soziologe, der in den 1990er Jahren …

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An den Beispielen der Konferenz re:publica und des Streits um den Schriftstellerverband PEN zeigt sich das Fehlen emanzipatorischer Alternativen

Burgfrieden auf der re:publica: Woher der Wind in Deutschland weht

Die Auseinandersetzung zwischen dem gegenwärtigen PEN-Zentrum um dem PEN Berlin zeigt auch hier, woher der Wind weht. Eher bedächtige Sozialdemokraten werden vom Milieu der Grünen an Kriegsbegeisterung rechts überholt. Hinter ihnen steht die Innovationsoffensive des digitalen Kapitals auf der weltweiten Suche nach neuen Profitmöglichkeiten. Eine natofreundliche Zivilgesellschaft könnte hier ganz divers und gendergerecht mit dafür sorgen, dass in der öffentlichen Meinung die pazifistischen und antimilitaristischen Stimmen übertönt werden.

Die Zeiten ändern sich: „Es geht die Angst um vor Datenkraken und Ausspähsoftware. Die Angst ist berechtigt. Ausgespäht wird, und Konzerne wie Google, Facebook & Co. nutzen ihre Datenmonopole vor allem zur Entwicklung von Projekten, die ihre Profite erhöhen – und die sie dann auch an den Finanzämtern der Länder, in denen sie aktiv sind, vorbeischleusen. Ein digitaler Ausbeutungsprozess par excellence also“. So beschrieb …

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Strategiediskurs: Auch eine größere Organisation der außerparlamentarischen Linken sieht sich in der Krise, während die Linkspartei bei Wahlen herbe Verluste hinnehmen muss

Out, aber nötig? Linke Politik in nichtrevolutionären Zeiten

Zu den besten Texten in der Broschüre gehören die, die sich eben nicht in IL-interne Querelen verbeißen, sondern die objektiven Bedingungen in den Blick nehmen, die es heute linken Gruppen und auch der Linkspartei schwer machen. Darüber machte sich Barbara Imholz in einen Beitrag kluge Gedanken, der in der Tageszeitung junge Welt vorab gedruckt wurde.Imholz geht in zehn Thesen darauf ein, wie der Digitalkapitalismus auf die Subjekte wirkt – und welche Rückwirkungen dies wiederum auf linke Politik hat. Gleich zu Beginn benennt sie als Problem, dass das neoliberale Credo keine Gesellschaft, sondern nur noch Individuen kennt. Geschichte wird für das Erkennen heutiger Probleme für überflüssig erklärt.

Die jetzt auch? Diese Frage stellt sich sofort, wenn man den Titel des knapp 100-seitigen Readers liest, der kürzlich in einschlägigen linken Buchläden gegen eine Spende vertrieben wurde. „Die IL läuft Gefahr, Geschichte geworden zu sein“, lautet er. Mit dem Kürzel ist die Interventionistische Linke gemeint, die sich als größeres Bündnis innerhalb der außerparlamentarischen Linken begreift.An der Interventionistischen Linken haben sich im außerparlamentarischen linken Spektrum viele gerieben. Die Kritikpunkte waren zahlreich und reichten beispielsweise von Kampagnenpolitik bis zum Vorwurf, die IL mutiere zum außerparlamentarischen Arm der Linkspartei, die bei der NRW-Landtagswahl am Sonntag nur noch 2,1 Prozent erreichte.  Doch auch viele Kritiker der IL würden es bedauern, wenn dieses Bündnis der postautonomen Linken …

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Es fehlt im Ukraine-Konflikt an kritischer Berichterstattung

Medien im Kriegszustand

Sehr einverstanden bin ich mit den Kommentar von Philipp Kreißel im ND, wo er schreibt: "»Wer Frieden will, bekämpft Falschmeldungen«. Dieser Grundsatz gilt allerdings, man kann es gar nicht oft genug betonen, für alle Seiten im Krieg.  Doch leider wird bei vielen Berichten, die in den vergangenen Wochen von den eingebetteten Journalist*innen mit und ohne ukrainischen  Pass in deutschen Medien veröffentlicht werden, selten kritische Fragen  gestellt.

Journalisten, herzlichen Dank für Ihre unermüdliche Arbeit! Nur mit Ihrer 
Hilfe & Unterstützung kann die Ukraine diesen Krieg gewinnen«, twitterte der ukrainische Botschafter in Deutschland Andrej Melnyk kürzlich. Dabei handelt es sich um ein vergiftetes Lob von einem Botschafter, der persönlich einen Kranz auf dem Grab des ukrainischen Nationalistenfüh rers und Antisemiten Stepan Bandera in München niederlegte. Melnyk hält allerdings auch zu zeitgenössischen Rechten wenig Distanz. So hat er in den vergangenen Monaten die …

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„Journalismus ist kein Verbrechen“

Solidarität mit Marlene und Matej

Die Darmstädter Journalistin Marlene Förster wird in einer Einzelzelle in einen Bagdader Gefängnis festgehalten. Sie war am 20. April mit ihrem slowenischen Kollegen Matej Kavčič im nordirakischen Sinjar während ihrer journalistischen Arbeit verhaftet und zunächst verschleppt worden. Beide sitzen jetzt in einem Gefängnis des irakischen Geheimdienstes. Kolleg*innen und Freund*innen haben in Darmstadt den Solidaritätskreis „Free Marlene und Matej“ gegründet und erfahren immer mehr Unterstützung.

Die Journalisten waren mit einem Internationalen Presseausweis in den Irak eingereist. Sie recherchierten zu gesellschaftlichen Entwicklungen in Sengal nach dem durch die Terrormiliz des so genannten Islamischen Staats verübten Genozids an den Jesidinnen und Jesiden im Jahr 2014. Für ihre Dokumentationsarbeit führten Förster und Kavčič Interviews mit …

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Die zentrale Aufgabe eines kritischen Journalimus in Kriegszeiten wäre ein Abstand zu Nationalisten und Nationalistinnen aller Seiten

Wider den eingebetteten Kriegsjournalismus

Dabei wäre es doch gerade im Zeichen der so viel beschworenen Diversität und Vielfalt sinnvoll, deutlich zu machen, dass in der Ukraine auch Menschen leben, die für keine Seite in den Krieg ziehen wollen, die desertieren wollen, die nicht einverstanden sind mit der Politik seit 2014. Wo bleiben diese Stimmen in der ukrainischen Perspektive?

„Die Jungs von ‚Asow‘ werden dort rauskommen und sie (die russischen Soldaten P.N.) verbrennen.“ zitiert das Portal Obosrewatel Oleksi Arestowitsch. Dabei handelt es sich um den Chef der ukrainischen Präsidialadministration, der hier ganz offen zu einem Kriegsverbrechen aufruft, das die ukrainischen Kameradschaften der Asow-Brigadenverüben sollen, die aktuell noch in einer Fabrik am Rande von Mariupol von russischen Truppen eingeschlossen sind. Arestowitschs Drohung erfolgte, nachdem der russische Präsident angekündigt hat, diese Fabrik nicht zu stürmen. Dieser Drohung mit faschistischem Terror durch einen offiziellen Repräsentanten der Ukraine folgte in der Mehrzahl …

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Ein Solidaritätskreis sorgte dafür, dass das Schicksal von Marlene Förster und ihres Kollegen Matej Kavcic überhaupt bekannt wurde

Hamburger Journalistin und slowenischer Kollege im Irak verhaftet

Es dauerte auch mehr als zwei Wochen und ist den Unterstützerkreisen der beiden Medienschaffenden zu verdanken, dass die Verhaftung von Förster und Kavcic überhaupt einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde. Zum Tag der Pressefreiheit an diesem 3. Mai haben wurde in mehreren Städten für ihre Freilassung demonstriert.

Am heutigen Tag der Pressefreiheit wurde über die Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten in aller Welt informiert. In diesem Zusammenhang hatdie Solidaritätskampagne „Free Marlene und Matej“ über die Repression gegen Medienvertreter in einer Region informiert, über die hierzulande wenig berichtet wird, obwohl auch dort aktuell ein Angriffskrieg stattfindet: dem Nordirak. Die deutsche Journalistin Marlene Förster und der slowenische Journalist Matej Kavcic wurden dort am 20. April 2022 festgenommen. Mittlerweile sind sie …

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Sind rechte Kameradschaften Bündnispartner im Kampf gegen Putin?

Wenn in Mariupol niemand Nazis sehen will

Schlauer wäre es, wenn die Linke Melnyks Rat nicht befolgt und sich auf einen universalistischen Kampf gegen jede Spielart von Faschismus, Nationalismus und Antisemitismus einigt. Eine gute Gelegenheit dazu wären die Kundgebungen und Demonstrationen rund um den Jahrestag der Niederlage des deutschen Nationalsozialismus, der 8. und 9. Mai. Antifaschisten sollten sich aber weder für russische, ukrainische noch deutsche Staatsinteressen vereinnahmen lassen. Sie sollten an diesen Tagen klar bekunden, dass sie sämtliche nationalistische Organisationen, ihre Propaganda und ihre Unterstützer bekämpfen, natürlich auch das Asow- Regiment und Melnyk-Fraktion des ukrainischen Nationalismus.

Via Bild-Zeitung haben die Klitschko-Brüder noch einmal die Forderung nach schweren Waffen an die Ukraine bekräftigt, um Russland zu besiegen. Dabei wurde auch auf „tapferen Verteidiger“ der ukrainischen Stadt Mariupol verwiesen. Was dabei aber gerne verschwiegen wird, unter diesen so tapferen Verteidigern sind ausgewiesene Nazis, die sogenannte Asow-Brigaden. Sie haben sich …

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Linke Portale schließen sich zusammen

Nach den Rechten sehen

Die Aufklärungsportale Blick nach Rechts und Endstation Rechts haben sich zusammengeschlossen. Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können.

„Knapp eine Woche nach dem russischen Angriff auf die Ukraine scheint das Thema die deutschsprachigen Rechten zu teilen. Während man sich auf der einen Seite solidarisch mit der Ukraine zeigt, wird auf anderer Seite gleichermaßen vor ‚Sowjetbolschewismus‘ und ‚NATO-Imperialismus‘ gewarnt.“ Mit diesem Teaser wird auf dem Portal Endstation Rechts (ER) eine Analyse über die Positionen der extremen Rechten in Deutschland zum russischen Krieg in der Ukraine eingeleitet. Detailliert werden Stellungnahmen rechter Gruppierungen und Medien in den letzten Wochen untersucht und auch die Spaltungslinien formuliert. Während die NPD Russland unterstützt, mobilisiert die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ für die Ukraine. Schließlich gehört es zum Markenzeichen des  …

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Sie darf nicht zur Kriegspartei werden und muss auch zur Ukraine auf Distanz bleiben

Russlandkonflikt: Für eine antimilitaristische Bewegung, die gegen alle Kriege kämpft

Es gab eine Zeit, da orientierte sich ein Teil der außerparlamentarischen Linken auch in Deutschland an der zapatistischen Bewegung, die im Süden Mexikos aktiv war, aber diskursiv auf Linke in aller Welt ausstrahlte, weil sie in ihren Erklärungen mit der Rhetorik der traditionellen Linken gebrochen hatte

Leider hat die Anfang März verfasste zapatistische Erklärung zum russischen Krieg in der Ukraine bisher nicht die Aufmerksamkeit gefunden, die sie eigentlich verdient. Denn diese Erklärung könnte auch …

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Ein satirisches antirassistisches Plakat ruft die Staatsanwaltschaft auf den PlanRechte Chat-Gruppen in der Polizei werden immer wieder publik. Statt das Problem zu untersuchen, wird nach Künstler*innen gefahndet, die darauf aufmerksam machen wollen.

Seehofers Rache

Unterstützung kommt auch von der Politik. »Wir sind solidarisch mit dem Adbusting-Kollektiv Dies Irae.Wir brauchen gerade in diesen Zeiten mehr und nicht weniger engagierte politische Kunst«, so Linke-Geschäftsführer Jörg Schindler. Aktionskunst vom Verfassungsschutz und dem Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum verfolgen zu lassen, sei in einer Demokratie eine dramatische Fehleinschätzung. Auch der Grafiker Klaus Staeck, der selber zahlreiche Verfahren wegen seiner Plakate hatte, wendet sich gegen die Kriminalisierung.


»Polizeiproblem« ist groß auf dem Plakat zu lesen, auf dem der ehemalige Bundesinnenminister Horst Seehofer mit einer Augenklappe mit Polizeiemblem abgebildet ist. In Spiegelstrichen werden die Vorteile dieser Augenklappe aufgeführt: »Macht Studie zu rassistischer Polizei überflüssig« heißt unter anderem auf dem Plakat. Damit soll auf den Kontext aufmerksam gemacht, in dem das Plakat entstanden ist. In verschiedenen Bundesländern waren immer …

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Ein satirisches Adbusting-Plakat ruft die Staatsanwaltschaft auf den Plan

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Aktion „Augenklappe Korpsgeist“

Es ist nun nicht das erste Mal, dass sich die Justiz mit dieser Form der Kommunikationsguerilla befasst. So gab es in den letzten Jahren mehrere Hausdurchsuchungen gegen Personen, denen vorgeworfen wird, an Adbusting-Aktionen mit satirischen Plakaten – zum Beispiel zur Bundeswehr – beteiligt gewesen zu sein.mZudem hat der Politische Staatsschutz nach einer Adbusting-Aktion zum Tag der Bundeswehr 2019 in Berlin eine DNA-Spurenanalyse an den aufgefundenen Postern beantragt.

„Kreative Polizeikritik. Horst Seehofer ‚wirbt‘ für Augenklappe Korpsgeist“, titelte die Frankfurter Rundschau im Mai letzten Jahres. Damals waren in Frankfurt Werbeplakate aufgetaucht, die den damals amtierenden Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit einer Augenklappe über dem rechten Auge zeigen. Die „Vorteile“ der Augenklappe, für die Seehofer vermeintlich wirbt: Sie sei eine einfache Lösung gegen Rechtsextremismus, der rechte Rand verschwinde sofort, außerdem sei sie zu einhundert Prozent blickdicht, undurchlässig für Aufklärung und mache eine Studie über rassistische Tendenzen in der Polizei überflüssig. Bald tauchten bundesweit auch in vielen anderen Städten ähnliche Plakate auf. Schnell war klar, dass hier ein …

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Auch in der Ukraine und Russland waren antimilitaristische und pazifistische Gruppen vor einer weiteren Eskalation auf allen Seiten. Nur sie werden in allen Ländern kaum gehört

Leise Stimmen gegen Krieg um die Ukraine

Linke und Antimilitaristen in Deutschland sollten im Konflikt mit der Ukraine sowohl Russland als auch die Nato-Staaten in die Kritik nehmen. Und sie sollte gemäß der alten Parole der linken Arbeiter- und Antikriegsbewegung besonders die Rolle Deutschlands ins Visier nahmen, das mit der Maidan-Ukraine wieder einen Staat unterstützt, dessen Protagonisten einen historischen NS-Hintergrund nicht verleugnen können.

„Nie wieder Krieg“, diese Parole findet man aktuell auf manchen Plakaten. Doch sie sind kein Protest gegen die drohende Eskalation um die Ukraine, sondern Werbung für das neuste Album der Diskurs-Popband Tocotronic. Im Titelsong ging es um die Abrüstung zwischen den Menschen, gesellschaftliche Probleme werden heute auch im linksliberalen Kulturbetrieb weitgehend ausgespart. Doch angesichts der weiter fortbestehenden Eskalation um die Ukraine, die mindestens genauso von den USA und der Nato wie von Russland geschürt wird, beginnen nun doch …

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Mark Richter, Levke Asyr, Ada Amhang, Scott Nikolas Nappaloa (Hg.): SPuren der Arbeit, GeSchichten Von Job und Widerstand, Verlag die Buchmachereii, September 2021, 260 Seiten

Klassen- und Identitätspolitik

Vor allem Operaist*innen betonten in verschiedenen Ländern immer die Bedeutung der Berichte direkt aus der Arbeitswelt. Der Sammelband «Spuren der Arbeit, Geschichten von Jobs und Widerstand» dokumentiert Verzweiflung und Solidarität im Betriebsalltag.

«Greif zur Feder Kumpel» lautete vor fast hundert Jahren der Kampfruf der Arbeiterschriftsteller*innen, die berichten wollten, was sie an ihren Arbeitsplätzen erlebten. «Hau in die Tasten, Kollegin» könnte die zeitgemässe Parole lauten. Es geht eben nicht darum, dass solidarische Sozialwissenschaftler*innen über die Zustände im Job berichten, sondern die Menschen, die dort tagtäglich arbeiten. Die Online-Publikation «Recomposition» war eine Plattform in operaistischer Tradition, betrieben von Mitgliedern der in den USA und Kanada aktiven Basisgewerkschaft Industrial Workers of the World (IWW ). Jetzt wurden zahlreiche Texte im Verlag Buchmacherei in deutscher Sprache herausgegeben. Scott Nikolas Nappalos beschreibt die Vorgeschichte der Plattform in den Organizingwelle nach 1999. Die Gründe lagen auch in dem Aufbruch nach der Battle of Seattle bekannt gewordenen Mobilisierung gegen die Welthandelsorganisation in der traditionell linksliberalen Stadt im Herbst 1999. Schon in der Widmung machen die Herausgeber*innen deutlich, dass sie von der Trennung in …

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Ist die Protestbewegung gegen die Pandemiepolitik für eine vernünftige Gesellschaftskritik wirklich verloren? Das Verhältnis der Linken zu dieser Frage ist gespalten Peter Nowak

Kritik im Handgemenge

Es werden sich immer mehr Menschen an den Protesten gegen die Maßnahmen beteiligen, die weder die Codes noch die Sprache der Linken kennen. Die (deutsche) Linke muss sich angesichts dessen die Frage stellen, ob sie mit ihrer Rhetorik und ihren Auftreten die Kluft zwischen sich und der Gesellschaft nicht noch vergrößert. Oder, anders formuliert: Wie es gelingen kann, durch soziale Forderungen deutlich zu machen, dass auch der Umgang mit der Pandemie eine Klassenfrage ist. Denn die Spaltung der Gesellschaft verläuft eben letztlich nicht zwischen Geimpften und Ungeimpften, sondern – beispielsweise – zwischen einem Krankenhauskonzern und der dort angestellten Pflegekraft.

Ein guter Leugner stirbt zuhaus und schont damit das Krankenhaus« – das war zu lesen auf einem Transparent der »Provinz Antifa Bergedorf«, bei einer Protestaktion gegen eine Demonstration von Gegner*innen der Corona-Maßnahmen am 5. Februar in Hamburg-Bergedorf. Weitere Transparente trugen den (ein kleines bisschen weniger martialischen) Spruch »Stäbchen rein – getestet sein«. Zivilgesellschaftliche und antifaschistische Gruppen mit ähnlichen Parolen wenden sich mittlerweile in vielen deutschen Städten gegen die »Spaziergänge« der Impfkritiker*innen, die seit Mitte Dezember 2021 stattfinden. Im Internet kann man Hunderte Orte finden, wo diese sich zumeist am Montagabend zum Protest versammelten. In größeren Städten wie in Hamburg, Köln und Berlin trafen sich die Impfkritiker*innen in verschiedenen Bezirken und Stadtteilen, häufig vor den Rathäusern oder einer Kirche.
Zu diesen Veranstaltungen kommen Menschen, die bisher noch nie auf einer Demonstration waren. Scheinbar wird hier ein alter linker Traum zur Wirklichkeit: Menschen, die bisher nicht politisch aktiv waren, gehen auf die Straße, ohne dass Parteien oder andere Großorganisationen dazu aufrufen. Doch ein großer Teil der parlamentarischen und außerparlamentarischen Linken war wenig erfreut über diese Aktivitäten. Vor allem in größeren Städten beteiligen sie sich an …

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