Was ausgerechnet an einem kontroversen Kongress kleiner kommunistischer Gruppen dazu interessant ist: Der Ton blieb überwiegend sachlich! Trotz Streit über die Einschätzung Russlands und der Ukraine.

Konkurrenz unter Großmächten: Ist eine multipolare Welt erstrebenswert?

Es heißt, die Welt werde multipolar, weil der von der USA angeführte Block an Hegemonie verliert. Ist eine solche multipolare Welt erstrebenswert für Linke, die eigentlich eine Alternative zum Kapitalismus bevorzugen würden? Über diese Frage wurde am Wochenende beim Kommunismus-Kongress in Berlin lebhaft diskutiert.

Es heißt, die Welt werde multipolar, weil der von der USA angeführte Block an Hegemonie verliert. Ist eine solche multipolare Welt erstrebenswert für Linke, die eigentlich eine Alternative zum Kapitalismus bevorzugen würden? Über diese Frage wurde am Wochenende beim Kommunismus-Kongress in Berlin lebhaft diskutiert. Der aufgezeichnete Livestream verschiedener Diskussionen ist im Netz weiterhin abrufbar. Zunächst muss betont werden, dass es „den“ Kommunismus nicht gibt. Folglich kann eine solche Veranstaltung nur eine bestimmte Lesart des Kommunismus abbilden. So hat das postautonome „Ums Ganze“-Bündnis in den vergangenen Jahren mehrere Kommunismus-Kongresse organisiert, deren Schwerpunkt auf marxistische Wert- und Nationalismuskritik lag. Der jüngste Kommunismus-Kongress wurde hingegen von der  …

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Eine antifaschistische Kampagne macht auf die rechte Unterwanderung bei Bundeswehr und Polizei aufmerksam

Zweifel an der Sicherheit

Eigentlich ist die Kleinstadt Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern eine Hochburg von Rechtsradikalen. Umso beachtlicher ist es, dass dort 600 Menschen gegen die Chatgruppe Nordkreuz demonstrierten.

Eigentlich ist die Kleinstadt Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern eine Hochburg von Rechtsradikalen. Umso beachtlicher ist es, dass dort 600 Menschen gegen die Chatgruppe Nordkreuz demonstrierten.
Rechte Netzwerke reichen längst bis in die Bundeswehr und Polizei hinein. Das zeigte erst in der vergangenen Woche die Verurteilung des ehemaligen Bundeswehroffiziers Franco A. zu einer Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren, der nach Ansicht der Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main rechtsradikale Anschläge auf liberale Politiker*innen und Personen der Zivilgesellschaft vorbereitet hat. Auf eine rechte Unterwanderung bei Sicherheitskräften machten am Samstag rund 600 Antifaschist*innen mit einem Aktionstag in der …

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Großdemonstrationen im Zeitalter der Riots

Während ein Bündnis aus Mob und rechten Medien nach den Hamburger Protesten den Law-and-Orderkurs verschärfen will, muss sich auch die außerparlamentarische Linke Fragen stellen – Ein Kommentar

Auch die Nacht nach dem G20-Gifpel blieb in Hamburg unruhig. Am frühen Morgen des 9. Juli räumte die Polizei Teile des Schanzenviertels mit Wasserwerfer[1]. Zuvor waren Tausende von G20-Gegnern in den Stadtteil gekommen. Für Empörung sorgten polizeiliche Sondereinsatzkommandos, die betont provokativ dort mit ihren Fahrzeugen auftraten.

Auch an anderen Stellen in Hamburg hielt der Protest an. In der Umgebung der Hafenstraße machten Neonazis Jagd auf Linke. Das scheint auch eine Folge der medialen Medienhetze gegen die G20-Gegner in Teilen der Hamburger Medien. Besonders nach den auch in der außerparlamentarischen Linken umstrittenen militanten Aktionen vom Freitagabend nahm die Kampagne zu.

Die Großdemonstration[2] am Samstag, an dem sämtliche Spektren[3] der globalisierungskritischen Szene beteiligt waren, machte noch einmal deutlich, dass sie sich auf einen gemeinsamen Konsens einigen können, der dann auch eingehalten wird. Vor allem autonome und postautonome Gruppen bemühten sich in ihrem Auftreten, mögliche Befürchtungen zu zerstreuen, dass auch dort Militanz dominieren würde. So tragen Anhänger der postautonomen Gruppen Interventionistische Linke[4] und des undogmatisch kommunistischen Ums Ganze Bündnis[5] mit roten T-Shirts auf und unterliefen damit das Klischee vom Schwarzen Block.

Festival der Grundrechtsverletzungen

Die gelöste Stimmung wurde zu Beginn der Auftaktkundgebung angespannt, als Polizeieinheiten in die Menge stürmten und einzelne Demonstranten festnahmen. Das dürfte erst der Auftakt einer Ermittlungswelle sein, mit denen die Polizei vor allem die Beteiligten der Riots im Schanzenviertel sucht.

Auf der Pressekonferenz im Alternativen Medienzentrum im Hamburger Millerntorstadion fragten sich Journalisten, warum es in Hamburg im Vergleich zu anderen Gipfel wie vor 10 Jahren in Heiligendamm relativ wenige Festnahmen gab. Diese Behauptung wurde von der Rechtsanwältin Gabriele Heinecke[7] insofern relativiert, als sie von 200 Festnahmen berichtete. Diese saßen oft über die gesamten Gipfeltage in Gewahrsam, weil die Justizbehörden teilweise absurde Haftgründe vorbrachten. So wurde angeführt, dass ein Festgenommener mit einen „Straftäter“ in einer Wohngemeinschaft lebt. Es wurde letztlich dem Antrag auf den Erlass eines Haftbefehls nicht entsprochen, aber die Prüfung der Haftgründe dauerte so lange, dass die Beschuldigten während der Gipfeltage in Untersuchungshaft blieben und ihnen so ihr Grundrecht auf Demonstration und Protest verwehrt wurde.

Das betraf aber auch viele andere Menschen, so dass der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein[8] die Hamburger Gipfeltrage auch als „Festival der Grundrechtsverletzungen[9] bezeichnete. Dazu zählen sie die Campverbote ebenso wie die polizeiliche Zerschlagung der Anti-G20-Demonstration am Donnerstagabend. Auch das Komitee für Grundrechte[10], das eigene Beobachter nach Hamburg entsandt hat, kritisierte[11]:

Wir haben beobachtet, in welchem Maße die Polizei in diesen Tagen die Macht über das Geschehen in der Stadt übernommen hat. Sie hat eskaliert, Bürger- und Menschenrechte ignoriert, sie informierte die Öffentlichkeit falsch und ging mit großer Gewalt gegen die Menschen vor. Schon seit Monaten warnen wir vor dem Ausnahmezustand, der anlässlich des G20 in Hamburg produziert wird. Das, was wir in dieser Woche vorgefunden haben, geht sogar über das, was wir befürchtet haben, noch hinaus. Nicht nur wurden die Grund- und Menschenrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch die Allgemeinverfügung außer Kraft gesetzt. Die Polizei hat, gedeckt von der Hamburgischen Regierung und vermutlich auch im Sinne der Interessen der/des Innminister/-senators und der Sicherheitsbehörden den Ausnahmezustand geprobt.
Komitee für Grundrechte

Vermummungsverbot ist für LINKE in Berlin verzichtbar

Elke Steven vom Grundrechtekomitee bezeichnet das Vermummungsverbot als ein Mittel der Grundrechtseinschränkung[12]. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit steht über der Durchsetzung des Vermummungsverbots ist auch die Ansicht des Juristen Udo Vetter[13]. Im Taz-Interview[14] präzisierte er:

Die Polizei hat am Donnerstagabend offenbar eine große, friedliche Demonstration mit der bloßen Begründung verhindert, dass einige Leute vermummt waren. Wenn das rechtens wäre, müsste man jeden Samstag in jedem deutschen Fußballstadion das Spiel absagen und das Stadion räumen. Und wenn die Polizei bei jeder Demo sagen würde, da laufen ein paar Vermummte mit, deshalb dürfen die restlichen 12.000 Leute auch nicht mehr demonstrieren – dann wäre die Konsequenz, dass es in Deutschland künftig keine Demos mehr gibt.
Udo Vetter

Es wird sich zeigen, ob die Konsequenz eine Aufhebung des Vermummungsverbots ist, wie es in Berlin zumindest Politiker der LINKEN in einem neuen Versammlungsgesetz festschreiben[15] wollen.

Die Riots und die Folgen

Es wäre tatsächlich ein Erfolg, wenn nach Hamburg das Vermummungsverbot als Mittel der Grundrechtseinschränkung und des Demoverbots in den Fokus der Kritik geriete. Aber davon kann keine Rede für die Mehrheit der Medien sein. Schon ist das Geschehen im Wahlkampf angekommen und die Union fordert[16] im Bündnis mit konservativen Medien Rücktritte in Hamburg.

Dabei bedienen sich die Initiatoren offen rechtspopulistischer Parolen, wenn es heißt: „Olaf, du hast Hamburg dem Mob ausgeliefert“[17]. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt, wenn einige Neonazis als vermeintliche Vollstrecker des „Volkswillens“ Samstagnacht Linke angriffen.

Statt diesem Bündnis von Mob, rechten Boulevard und Elite entgegenzutreten, werden sich jetzt alle politischen Parteien in Distanzierung üben. Hamburgs Bürgermeister Scholz fordert harte Strafen für die am Riot Beteiligten, obwohl das nach der bürgerlichen Gewaltenteilung gar nicht in seiner Kompetenz liegt. Ein Großteil der Presse unterstützt diesen Law-and-Order-Kurs und die außerparlamentarische Linke übt sich in den Versuch, sich nicht zu distanzieren, aber die Ereignisse um die Schanze auch nicht gut zu finden.

Dabei zeigen Umfragen, dass die Ablehnung der Militanz nicht so einheitlich ist, wie es die Medien suggerieren[18]. Vor allem aber fällt auf, dass die Öffentlichkeit von der Eigenlogik von Riots, von urbanen Aufständen, wenig Ahnung hat. Die werden eben nicht von irgendwelchen Drahtziehern aus politischen Gruppen initiiert, wie gerne vermutet wird. Großereignisse wie der G20 bieten den Rahmen, aber es sind die prekarisierten Unterklassen in vielen Städten der Welt, für die der Aufstand ihre Form ist, sich einiges von den bunten Warenmarkt anzueignen, den der Kapitalismus verspricht, der ihnen aber mangels finanzieller Möglichkeiten verschlossen geblieben ist. Die Medien und die Öffentlichkeit in Großbritannien, den USA und Frankreich konnten sich in den letzten Jahren schon häufiger mit der Eigengesetzlichkeit dieser urbanen Aufstände vertraut machen.

In dem Buch “ „Riot. Strike. Riot: The New Era of Uprisings“[19] bezeichnet der linke Theoretiker Joshua Clover[20] Riots und Aufstände als wichtige Aktionsformen der vergangenen Jahre, weil durch den Wegfall der großen Industrie der Streik an Bedeutung verloren habe. Im Interview[21] sprach Clover auch vom Zeitalter der Riots.

„Der Streik ist eine kollektive Aktion, die sich um den Preis der Arbeitskraft und bessere Arbeitsbedingungen dreht, in der sich Arbeiter in der Position des Arbeiters befinden, und die im Kontext der kapitalistischen Produktion stattfindet, während der Aufstand den Kampf um die Preise und die Erhältlichkeit von Marktgütern inkludiert, seine Teilnehmer enteignet sind, und er im Kontext der Konsumtion bzw. der Zirkulation stattfindet“, fasst[22] der Blogger Achim Szepanski, die im Buch vertretenen Thesen zusammen.

Diese Thesen kritisch zu diskutieren und sich zu fragen, ob Clover nicht tatsächlich unterschätzt, welche Bedeutung Lohnarbeit und der Widerstand dagegenauch heute noch für Menschen in aller Welt hat, wäre eine Aufgabe der außerparlamentarischen Linken. Auch um dem Bündnis von rechten Medien und Neonazis nach den Riots von Hamburg mehr entgegen setzen zu können als das Bekenntnis, dass sich die Interventionistische Linke dazu erst noch eine Meinung bilden muss.

https://www.heise.de/tp/features/Grossdemonstrationen-im-Zeitalter-der-Riots-3767665.html

Peter Nowak
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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Liveblog-Letzte-Grossdemo-beendet-Bleibt-es-ruhig,liveticker542.html
[2] http://g20-demo.de/de/demoroute/
[3] http://www.attac.de/kampagnen/g20-in-hamburg/demonstration-8-juli/
[4] http://www.interventionistische-linke.org/kategorie/beitraege
[5] http://umsganze.org/
[6] https://twitter.com/Emmilog/status/883694484764205062
[7] http://www.gabrieleheinecke.de/
[8] http://www.rav.de/start/
[9] http://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/anwaltlicher-notdienst-zum-g20-gipfel-in-hamburg-pressemitteilungen-528/
[10] http://www.grundrechtekomitee.de
[11] http://www.grundrechtekomitee.de/node/873
[12] http://www.taz.de/!5423677/
[13] https://www.lawblog.de/
[14] https://m.taz.de/!5427952;m/
[15] http://www.taz.de/!5427985/
[16] http://www.focus.de/politik/deutschland/buergermeister-unter-druck-in-nur-zwei-naechten-haben-viele-hamburger-das-vertrauen-in-scholz-verloren_id_7333357.html
[17] https://www.shz.de/regionales/hamburg/g20-gipfel/olaf-du-hast-hh-dem-mob-ausgeliefert-kritik-an-buergermeister-scholz-id17253441.html
[18] http://www.welt.de/politik/deutschland/article166429487/Linke-Anhaenger-halten-die-G-20-Aufstaende-fuer-legitim.html
[19] http://www.versobooks.com/books/2084-riot-strike-riot
[20] http://english.ucdavis.edu/people/jclover
[21] http://jungle-world.com/artikel/2016/43/55082.html
[22] http://non.copyriot.com/joshua-clovers-riot-strike-riot-theorie-und-praxis-der-sozialen-aktion/

PODIEN GEGEN KRISENPOLITIK

Linkes Bündnis diskutiert über Protestformen

Um die Strategie und Taktik der außerparlamentarischen Linken geht es an diesem Wochenende an der TU. Bei den zahlreichen Veranstaltungen zum Thema „Politik in der Krise“ gehe es um die Frage, wie eine linke Politik „jenseits von autonomer Selbstbezogenheit und parteipolitischer Institutionalisierung“ möglich ist, sagt Marlies Sommer, Sprecherin des Kongresses.

Organisiert wird die Veranstaltung vom bundesweiten Ums-Ganze-Bündnis, das sich 2006 gegründet hat und in dem sich elf Gruppen aus Deutschland und Österreich zusammengeschlossen haben. Die meisten von ihnen kommen aus der autonomen Antifabewegung.

In den ersten Jahren nach der Gründung lag der Schwerpunkt der Arbeit auf der Ideologiekritik. Nun gehe es darum, in Zeiten der Krise linke Politik in einer größeren Öffentlichkeit zu verankern, erklärt Sommer. Beim Auftaktpodium diskutieren am Freitagabend die Ökonomen Michael Heinrich und John Kannankulam über die autoritäre Wende des Neoliberalismus. Auf einem weiteren Podien sprechen die Publizistin Jutta Ditfurth und der Philosoph Roger Behrens mit linken Aktivisten über die Gestaltung neuer Kämpfe.

Beim Abschlusspodium am Sonntagnachmittag geht es dann um die transnationale Organisierung des antikapitalistischen Widerstands. Daran beteiligen sich auch Linke aus Großbritannien und Griechenland, die sich im vergangenen Jahr an europaweiten Krisenprotesten beteiligt haben. Am Samstag diskutieren die AktivistInnen über die Idee des europaweiten Streiks und Formen der Unterstützung. „Am Ende wird nicht die Gründung einer neuen Partei stehen“, sagt Sommer. Es gehe aber um die Organisation von Widerstand gegen die Krisenpolitik.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F07%2F05%2Fa0134&cHash=9f27d1f5ab73d2de3c1c1d12cfc42cdc

Peter Nowak

Polizei unterbindet Proteste gegen Krisenpolitik

In Frankfurt/Main hat sich am 1. Juni mehr gezeigt, wie in Zeiten der Krise die bürgerliche Rechte abgebaut werden

Am Vormittag des 1. Juni waren rund um den Frankfurter Hauptbahnhof die Banner mit kapitalismuskritischem Inhalt unübersehbar. Fahnen der globalisierungskritischen Organisation Attac waren ebenso zu sehen, wie die Banner zahlreicher Einzelgewerkschaften und auch viele selbstgefertigte Transparente waren zu finden. Am zweiten Tag der internationalen Blockupy-Aktionstage wollten die aus ganz Deutschland und vielen EU-Ländern angereiste Menschen auch im Zentrum der deutschen Wirtschaftsmetropole Frankfurt/Main ein Zeichen setzen, dass auch im Kernland der in ganz Europa verhassten Austeritätspolitik Protest möglich ist.

Am Ende des Tages ging aber ein anderes Zeichen um die Welt. Im Kernland der Austeritätspolitik werden die bürgerlichen Rechte soweit abgebaut, dass eine monatelang vorbereitete Demonstration von der Polizei unterbunden wurde. Die Demonstration war noch nicht einmal einen Kilometer gelaufen, als schon der große antikapitalistische Block eingekesselt und unter Einsatz von Pfefferspray und Knüppel vom Rest der Demonstration isoliert wurde. Als Begründung wurde erklärt, dass sich in dem Block potentiell gewaltbereite Demonstranten befunden hätten, manche Sonnenbrillen und Regenschirme mit sich führten und einige Transparente etwas zu lang gewesen seine.

Vermummte Polizei – bunt gekleidete Demonstranten

Wie absurd die Polizeibehauptungen waren, kann man verschiedenen Pressefotos gut erkennen. So steht unter einem Foto, das behelmte und mit dicken Handschuhen bewaffnete Polizisten zeigt, die bunt gekleideten Demonstranten gegenüberstehen: „Die Sicherheitskräfte wollten vermummte Demonstranten aus dem sogenannten Schwarzen Block einkesseln.“ Im nächsten Bild sieht man die gleichen Demonstranten, die demonstrativ eine Peace-Fahne vor sich halten und im Untertitel heißt es: „Laut der Polizei durften nicht vermummte Demonstranten den Kessel verlassen – was nicht alle taten, wie dieses Foto beweist.“

Dass in Frankfurt die Polizei eskalierte, bestätigte sogar die FAZ-Redakteurin Katharina Iskandar, die im letzten Jahr die rigide Verbotspolitik gegen die Blockupy-Aktionstage verteidigt hatte. „Tatsächlich befinden sich Anhänger radikaler Gruppen innerhalb des Blocks. Von Gewalttätigkeiten aber war ihr bisheriges Verhalten bei der Demonstration bis zu diesem Zeitpunkt weit entfernt“, schrieb Iskandar gestern

Das sahen auch Passanten und Anwohner so, die Zeugen der Polizeiaktion wurden. So konnte man vom Fenster des Cafés des Jüdischen Museums am Frankfurter Untermainkai genau sehen, wie die Demonstranten eingekesselt worden sind. Es habe keinerlei Gewalt von ihrer Seite aus gegeben, bestätigten die Augenzeugen. Der Reporter des Freitag Berichtete, wie kreativ der Polizeisprecher bei der Begründung der Repression war: „Ein Polizeisprecher, den ich am Rande des Kessels nach dem Anlass dieser Aktion fragte, sprach zunächst von der Vermummung der Teilnehmer. Wahrscheinlich meinte er damit die Sonnenbrillen und die Regenschirme, die die Demonstranten bei sich trugen. Als dann ein Kollege des Hessischen Rundfunks fragte, ob es vielleicht auch an den zwei, drei Leuchtkugeln lag, die aus dem Block flogen, antwortet der Sprecher zunächst, er habe davon gar nichts mitbekommen. Doch kurz darauf wurden jene Leuchtkugeln zum Anlass Nummer Eins für den Kessel. Also: Irgendwas findet sich immer.“

Wie die Polizei gerichtliche Urteile ignoriert

Tatsächlich dürfte die Pressegruppe des Blockupy-Bündnisses mit ihrer Einschätzung Recht haben, dass die Zerschlagung der Demonstration von der Polizei lange geplant war und an der Stelle durchgeführt wurde, die für sie am günstigsten war.

Mit dieser Aktion wurden auch Urteile des hessischen Verwaltungsgerichtshofs ignoriert, das eine von den Ordnungsbehörden verfügte Routenänderung, die das Bankenviertel zu einer demonstrationsfreien Zone gemacht hätte, aufgehoben hatte. Die Polizei bildete genau an der Stelle den Kessel, die von den Demonstranten gerichtlich eingeklagt worden war. Sofort machte sie deutlich, dass auch der nichteingekesselte Teil nur die Möglichkeit hat, auf der Wunschroute der Polizei weiterzuziehen. Unter Protest hätte die Demoleitung diese Missachtung einer juristischen Entscheidung schließlich akzeptiert, wenn die Polizei die Einkesselung des antikapitalistischen Blocks aufgehoben hätte. Doch das lehnte sie schrickt ab und zwang schließlich die Eingekesselten unter Einsatz von Pfefferspray und Faustschlägen zur Abgabe der Personalien. Es gab mehrere verletzte Demonstranten. Unter diesen Umständen verzichtete auch der Rest der Demonstration auf die Weiterführung des Aufzugs und harrte aus Solidarität knapp 700 Meter neben den Auftaktplatz aus.

Keine Spaltung der Protestbewegung

Tatsächlich war es in dem sehr heterogenen Bündnis, das von Attac-Aktivisten, Gewerkschaftern bis zum linken Ums-Ganze-Bündnis reichte, Konsens, dass man sich nicht spalten lässt. Diese spektrenübergreifende Kooperation hat seinen Grund auch darin, dass alle am Bündnis beteiligte Gruppen sich auf den Grundsatz geeinigt hatten, dass von der Demo keine Eskalation ausgehen soll und man sich daran gehalten hatte. Nach den Erfahrungen des 1. Juni dürfte die Zusammenarbeit enger werden.

Die Aktivisten werden sich schließlich nach der Verbotsorgie bei den Blockupy-Protesten im letzten und in diesem Jahr fragen, wie sie den Abbau demokratischer Rechte im Zeitalter der Krise begegnen. Denn was in Frankfurt geschehen ist, ist auch in verschiedenen Ländern der europäischen Peripherie längst Realität. Erinnert sei nur an staatliche Repression gegen Demonstrationen in Spanien und Streikverbote in Griechenland. Das polizeiliche Vorgehen in Frankfurt/Main soll wohl auch dazu dienen, die Kapitalismuskritiker vor weiteren Protesten in der Stadt abzuschrecken, wenn im nächsten Jahr der EZB-Neubau im Osten der Stadt eröffnet wird. Es gibt bereits Aufrufe für einen europaweiten Protest gegen Krise und Demokratieabbau an diesem Termin. Was bisher fehlt, sind gemeinsame Grundlagen jenseits von Großprotesten à la Blockupy. Der am 1. Juni veröffentlichte „Aufruf für ein egalitäres Europa“ könnte eine Diskussionsbasis sein.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154364
Peter Nowak

Antirassismus nach Wetterlage

Eine »Riesendemo in Berlin« hat am Samstag in Berlin nicht stattgefunden. Mit jener Ankündigung warb das antirassistische Bündnis »Fight Racism Now!« auf Plakaten und Flugblättern für eine Demonstration, die an den 20. Jahrestag der fundamentalen Einschränkung des Asylrechts und den drei Tage später verübten Brandanschlag von Neonazis auf ein von Migranten bewohntes Haus in Solingen erinnern sollte, bei dem fünf Menschen gestorben waren. Bei schlechtem Wetter fanden sich in Berlin und Solingen jeweils knapp 1 000 Menschen ein. Den vom Berliner Bündnis geplanten Auftakt am Mahnmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Roma hatte die Versammlungsbehörde wegen der Nähe zur Fanmeile für das Champions-League-Finale verboten. Das antinationale Bündnis »Ums Ganze« hatte bundesweit zur Demonstration in Berlin aufgerufen und stellte in einem eigenen Block etwa ein Drittel der Teilnehmer. Mit Parolen wie »Deutschland ein falscher Gedanke, keine Grenzen, keine Schranken« wandten diese sich gegen jeden positiven Bezug auf Staat und Nation. Auf einem Transparent stand unter dem Konterfei von Thilo Sarrazin der Spruch: »Jede Partei hat die Sozialchauvinisten, die sie verdient.« An der Spitze der Demonstration gingen Flüchtlinge, die seit September in einem Camp am Oranienplatz vollständige Bewegungsfreiheit und die Abschaffung aller Flüchtlingslager fordern. In diesem Block wurde auch ein großes Transparent mit den Namen und den Todestagen von über 200 Menschen getragen, die seit 1991 in Deutschland entweder durch rechte Gewalt, bei Abschiebungen oder durch Selbstmorde in Abschiebegefängnissen umgekommen sind. Dass die Zahl der Teilnehmer trotz monatelanger Diskussionen um den NSU-Terror nicht größer war, erklären die Veranstalter mit dem schlechten Wetter.

http://jungle-world.com/artikel/2013/22/47801.html

Peter Nowak

1.000 gegen Rassismus

ASYL Linke Gruppen erinnern an Aushöhlung des Asyls und Solingen-Anschlag

Die angekündigte „Riesendemo in Berlin“ hat nicht stattgefunden. Mit diesen Slogans hatte das antirassistische Bündnis „Fight Racism now!“ für eine Demonstration geworben, mit der an den 20. Jahrestag der Einschränkung des Asylrechts erinnert werden sollte. Ebenso an den drei Tage später verübten Brandanschlag von Neonazis auf ein von MigrantInnen bewohntes Haus in Solingen, bei dem fünf Menschen starben. Am Samstag fanden sich nun bei strömendem Regen knapp 1.000 Menschen am verlegten Auftaktort in der Wilhelmstraße ein.

Den geplante Auftakt am Mahnmal für die ermordeten Roma hatte die Polizei wegen der Nähe zur Fanmeile des Champions-League-Finale abgelehnt. Bündnissprecher Felix Jourdan fand dies „irritierend“, kritisierte gegenüber der taz aber vor allem, „dass der deutsche Staat für ermordete Roma ein Mahnmal baut und gleichzeitig aktuell verfolgte Roma stigmatisiert und abschiebt“. Auch in Redebeiträgen und auf Transparenten wurden Zusammenhänge zwischen dem Rassismus rechter Gruppierungen und der staatlichen Politik thematisiert. „Jede Partei hat die Sozialchauvinisten, die sie verdient“, lautete etwa die Parole unter dem Konterfei des wegen seiner rassistischen Thesen umstrittenen SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin.

An der Spitze der Demonstration gingen Flüchtlinge, die seit September vorigen Jahres in einem Camp am Oranienplatz ihre vollständige Bewegungsfreiheit und die Abschaffung aller Lager fordern. Die wegen des Dauerregens verkürzte Demonstration endete an diesem Camp mit einem witterungsbedingt nur mäßig besuchten Abschlusskonzert.

Viele DemoteilnehmerInnen waren mit Bussen aus verschiedenen westdeutschen Städten angereist. Vor allem das antinationale Ums-Ganze-Bündnis hatte bundesweit nach Berlin mobilisiert und stellte mit einem eigenen Block etwa ein Drittel der DemoteilnehmerInnen. Mit Parolen wie „Deutschland ein falscher Gedanke, keine Grenzen, keine Schranken“ oder „Gegen jeden Antisemitismus“ wandten sich die AktivistInnen gegen jeden positiven Bezug auf Staat und Nation.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F05%2F27%2Fa0104&cHash=54d0809de095cf2258159e1d90eea4f9
Peter Nowak