1.000 gegen Rassismus

ASYL Linke Gruppen erinnern an Aushöhlung des Asyls und Solingen-Anschlag

Die angekündigte „Riesendemo in Berlin“ hat nicht stattgefunden. Mit diesen Slogans hatte das antirassistische Bündnis „Fight Racism now!“ für eine Demonstration geworben, mit der an den 20. Jahrestag der Einschränkung des Asylrechts erinnert werden sollte. Ebenso an den drei Tage später verübten Brandanschlag von Neonazis auf ein von MigrantInnen bewohntes Haus in Solingen, bei dem fünf Menschen starben. Am Samstag fanden sich nun bei strömendem Regen knapp 1.000 Menschen am verlegten Auftaktort in der Wilhelmstraße ein.

Den geplante Auftakt am Mahnmal für die ermordeten Roma hatte die Polizei wegen der Nähe zur Fanmeile des Champions-League-Finale abgelehnt. Bündnissprecher Felix Jourdan fand dies „irritierend“, kritisierte gegenüber der taz aber vor allem, „dass der deutsche Staat für ermordete Roma ein Mahnmal baut und gleichzeitig aktuell verfolgte Roma stigmatisiert und abschiebt“. Auch in Redebeiträgen und auf Transparenten wurden Zusammenhänge zwischen dem Rassismus rechter Gruppierungen und der staatlichen Politik thematisiert. „Jede Partei hat die Sozialchauvinisten, die sie verdient“, lautete etwa die Parole unter dem Konterfei des wegen seiner rassistischen Thesen umstrittenen SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin.

An der Spitze der Demonstration gingen Flüchtlinge, die seit September vorigen Jahres in einem Camp am Oranienplatz ihre vollständige Bewegungsfreiheit und die Abschaffung aller Lager fordern. Die wegen des Dauerregens verkürzte Demonstration endete an diesem Camp mit einem witterungsbedingt nur mäßig besuchten Abschlusskonzert.

Viele DemoteilnehmerInnen waren mit Bussen aus verschiedenen westdeutschen Städten angereist. Vor allem das antinationale Ums-Ganze-Bündnis hatte bundesweit nach Berlin mobilisiert und stellte mit einem eigenen Block etwa ein Drittel der DemoteilnehmerInnen. Mit Parolen wie „Deutschland ein falscher Gedanke, keine Grenzen, keine Schranken“ oder „Gegen jeden Antisemitismus“ wandten sich die AktivistInnen gegen jeden positiven Bezug auf Staat und Nation.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F05%2F27%2Fa0104&cHash=54d0809de095cf2258159e1d90eea4f9
Peter Nowak

„Eine Art politische Urszene für die Generation NSU“


In Berlin erinnerte man sich gestern an den 20ten Jahrestag der Einschränkung des Asylrechts und den Brandanschlag in Solingen

Eine „Riesendemo in Berlin“ hat am gestrigen Samstag nicht stattgefunden. Mit diesen Slogan hatte das antirassistische Bündnis Fight Racism now! auf Plakaten und Flugblättern für eine Demonstration geworben, mit der an den 20ten Jahrestag der Einschränkung des Asylrechts und den drei Tage später verübten Brandanschlag von Neonazis auf ein von Migranten bewohntes Haus in Solingen bei dem fünf Menschen starben, erinnert werden sollte. Bei strömenden Regen fanden sich knapp 1.000 Menschen am verlegten Auftaktort in der Wilhelmstraße ein.

Den von dem Bündnis geplanten Auftakt am Mahnmal für die ermordeten Roma hatte die Versammlungsbehörde wegen der Nähe zur Fanmeile des Champions-League-Finale abgelehnt. Auch in Solingen hatten etwa 1000 Menschen auf einer Demonstration an den Anschlag in der Stadt wenige Tage nach der fast vollständigen Abschaffung des Aslyrechts erinnert. Bündnissprecher Jourdan begründete in einem Interview, warum er die Notwendigkeit sieht, 20 Jahre später mit einer Demonstration an die beiden Daten zu erinnern.

„Bei der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl ging es um die politischen Grundkoordinaten der Berliner Republik. Der Nationalismus und Rassismus der Wendejahre bekam Verfassungsrang. Aus »Wir sind ein Volk« wurde »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus«. Und genau das hat der Bundestag vor 20 Jahren mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. Die Nazis haben das als ihren Triumph erlebt und mit dem Mordanschlag von Solingen drei Tage später haben sie diesen Triumph auch öffentlich für sich reklamiert. Das ist eine Art politische Urszene, denn genau hier ist die Generation NSU entstanden: Nazis und Rassisten, die erfahren haben, dass sich rassistische Gewalt politisch auszahlt.“

Aktuell kann man solche Mechanismen am Beispiel der Kampagne gegen Roma und Sinti beobachten, die obwohl EU-Bürger oft auch von der Politik und verschiedenen rechten Parteien bekämpft werden. Prompt tritt mit den Publizisten Rolf Bauerdick ein Autor in die Fußstapfen von Sarrazin und erklärt seinem geneigten Publikum, dass nicht etwa der Antiziganismus, sondern die Sinti und Roma selber sowie antirassistische Forscher das wahre Problem seien.


Jede Partei hat den Sarrazin, den sie verdient

In zahlreichen Redebeiträgen und auf Transparenten wurden Zusammenhängen zwischen dem Rassismus rechter Gruppierungen und der staatlichen Politik bis in die Gegenwart gezogen. „Jede Partei hat die Sozialchauvinisten, die sie verdient“, lautete die Parole unter dem Konterfei des SPD-Mitglieds Thilo Sarrazin, der mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ gegen Hartz IV Empfänger und MigrantInnen agierte.

An der Spitze der Demonstration gingen Flüchtlinge, die seit September letzten Jahres in einem Camp am Oranienplatz ihre vollständige Bewegungsfreiheit und die Abschaffung aller Lager fordern. Die wegen des Dauerregens verkürzte Demonstration endete an diesem Camp mit einem witterungsbedingt nur mäßig besuchten Abschlusskonzert.

Zahlreiche Demoteilnehmer waren mit Bussen aus verschiedenen westdeutschen Städten nach Berlin angereist. Vor allem das antinationale Ums-Ganze-Bündnis hatte bundesweit nach Berlin mobilisiert und stellte mit einem eigenen Block etwa ein Drittel der Demoteilnehmer in Berlin. Bereits in der nächsten Woche steht ein weiterer antirassistischer Protesttermin an. Im Rahmen der Blockupy-Aktionstage in Frankfurt/Main soll am 31. Mai unter der Parole Blockupy-Deportation Airport die Abschiebung von Flüchtlingen über den Frankfurter Flughafen thematisiert und wenn möglich blockiert werden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154323
Peter Nowak

Solingen war kein Zufall

Antirassistisches Bündnis organisiert Aktionstage gegen Alltagsrassismus
Bis zum 25. Mai will ein Aktionsbündnis antirassistischer Initiativen mit bundesweiten Aktionen an den tödlichen Brandanschlag vor 20 Jahren in Solingen erinnern und zugleich auf den Alltagsrassismus in Deutschland aufmerksam machen. Den Auftakt gab es in Sachsen-Anhalt.

Mit einer Veranstaltung zur Geschichte des deutschen Kolonialismus begannen am Freitagabend in Magdeburg die Aktionstage des antirassistischen Netzwerkes Sachsen-Anhalt. Dieses ist Teil des bundesweiten Bündnisses »Rassismus tötet«, das bereits im vergangenen Jahr an verschiedene rassistische Anschläge und Krawalle erinnert hat, die vor zwei Jahrzehnten in Ost- und Westdeutschland wie Rostock, Hoyerswerda und Mölln zahlreiche Tote und Verletzte forderten.

In diesem Jahr erinnert das Bündnis »Rassismus tötetet« an zwei Jahrestage, die vielen Politikern besonders unangenehme sein müssten. So jährt sich am 23. Mai zum 20. Mal der Tag, an dem eine große Koalition aus SPD, Union und FDP im Bundestag das Grundrecht auf Asyl derart einschränkte, dass es nur noch von ganz wenigen Flüchtlingen in Anspruch genommen werden kann. Kritiker sprechen auch von der faktischen Abschaffung des Asylrechts. Nur wenige Tage später, am 29. Mai, verübten Neonazis einen Brandschlag auf ein von Menschen ohne deutschen Pass bewohntes Haus in Solingen, bei dem fünf Menschen starben.

»Wir wollen diese beiden Jahrestage zum Anlass nehmen, um an ein rassistisches Klima in Deutschland zu erinnern, das auch für die NSU-Morde und die Stigmatisierung von deren Opfern zu Tätern verantwortlich ist«, meinte Martin Sommer (Name geändert) vom antirassistischen Netzwerk Sachsen-Anhalt gegenüber »nd«. Dort haben sich Flüchtlingsinitiativen, Antirassismus- und Antifagruppen zusammengeschlossen, die in den nächsten Tagen mit Veranstaltungen und Ausstellungen über den deutschen Alltagsrassismus und seine historischen Wurzeln informieren wollen. In den Veranstaltungen der kommenden Tage, die auf der Webseite antiranetlsa.blogsport.de zu finden sind, werden aktuelle Ausdrucksformen des Rassismus thematisiert, beispielsweise verdachtsunabhängige Polizeikontrollen, von denen meist Menschen mit dunkler Hautfarbe betroffen sind, oder die Residenzpflicht für Flüchtlinge, die ihre Bewegungsfreiheit einschränkt.

Wie in Sachsen-Anhalt sind auch in den anderen Bundesländern dezentrale Aktionen geplant. An zwei Terminen spielen antirassistischer Protest und Widerstand eine wichtige Rolle. So sind am 16. März bundesweit in zahlreichen Städten Aktionen vor Ausländerbehörden geplant. In Sachsen-Anhalt wird es an diesem Tag Kundgebungen auf dem Marktplatz von Halle und dem Magdeburger Ulrichsplatz geben. Zum Abschluss der Aktionstage sind am 25. Mai zwei bundesweite antirassistische Großdemonstrationen unter dem Motto »Das Problem heißt Rassismus!« geplant. In Solingen soll damit an die Opfer des Brandanschlages vor 20 Jahren erinnert werden. In Berlin wird an die Verantwortung der politisch Verantwortlichen erinnert, die vor 20 Jahren auf Alltagsrassismus mit der Einschränkung des Asylrechts reagierten.

Zurzeit agieren rechte CDU-Politiker in verschiedenen Berliner Bezirken, beispielsweise in Reinickendorf, gegen die Ausweisung öffentlicher Gebäude als Flüchtlingsunterkünfte. Dabei fühlen sich antirassistische Gruppen an die Debatten vor zwei Jahrzehnten erinnert. Martin Sommer erinnert allerdings auch an den Aufbruch der Flüchtlinge im letzten Jahr, die mit vielen Aktionen und einem Zeltlager in Berlin gegen ihre Diskriminierung protestieren.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/821289.solingen-war-kein-zufall.html

Peter Nowak