Martin Behrsing, der Sprecher des Erwerbslosenforums, spricht von einem „absurden neoliberalen Theater“
„Ich gehe“, erklärte der politische Geschäftsführer der Piraten Johannes Ponader. Allerdings meint er damit nicht einen Rückzug von seinen Ämtern in der Piratenpartei. Ponader will nichts mehr mit dem Jobcenter zu tun haben, von dem der Theaterpädagoge bisher Hartz IV-Leistungen bezogen hat. Jetzt wollen die Piraten Geld für ihren Geschäftsführer Spenden sammeln. Sein politisches Amt sei nicht mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe vereinbar, begründet Ponader seinen Rückzug von Hartz IV. Der war aber nicht so ganz freiwillig.
Nachdem Ponaders Hartz IV-Bezug während einer Fernsehdebatte bekannt geworden war, entspann sich in Internetforen eine heftige Debatte darüber, wie es sein kann, dass der politische Geschäftsführer einer Partei von Hartz IV-Leistungen leben muss. Zudem schaltete sich das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit Heinrich Alt mit einem Anruf beim Piratenvorsitzenden Bernd Schlömer in die Debatte ein und fragte an, warum die Partei ihren Geschäftsführer nicht bezahlen könne.
Nun ist eine solche Diskussion nicht frei von Sozialneid und Sozialchauvinismus. Schließlich müsste man sich fragen, wie es sein kann, dass immer mehr Menschen von ihrer Lohnarbeit nicht mehr leben können und ihren Niedriglohn mit Hartz IV aufstocken müssen. Grundsätzlicher könnte man auch fragen, wie es sein kann, dass immer mehr Menschen, ob mit oder ohne Erwerbsarbeit, auf Hartz IV-Niveau und noch tiefer gedrückt werden. Da ist es eher ein Ablenkungsmanöver, wenn Ponader den Begriff Hartz IV ablehnt, weil er nichts davon hält, „die Empfänger der Bezüge zusammen mit dem verurteilten Peter Hartz in einen Topf zu werfen“. Ponader begibt sich selber auf populistisches Terrain, wenn er eine gerichtliche Verurteilung in den Mittelpunkt stellt und nicht die Agenda-2010-Politik, für die Peter Hartz natürlich nicht vor Gericht stand. Zudem haben auch die größten Befürworter der Agenda 2010 nach der Verurteilung des Namensgebers viel dafür getan, dass diese Politik nicht mehr so sehr mit Hartz in Verbindung gebracht wird.
Hartz ist kein bedingungsloses Grundeinkommen
Scharfe Kritik an der Debatte kommt jetzt vom Erwerbslosenforum Deutschland. Dessen Sprecher Martin Behrsing spricht von einem „absurden neoliberalen Theater“. „Hartz IV ist kein bedingungsloses Grundeinkommen, das zur politischen Selbstverwirklichung dient, und ein politisches Amt als Bundesgeschäftsführer ist keine ehrenamtliche Betätigung, sondern knochenharte Arbeit, die ordentlich bezahlt gehört“, sagte Martin Behrsing. Er machte darauf aufmerksam, dass sich hier die Piraten eine negative Pilotfunktion erfüllen könnten. Schließlich würden viele Vereine und Organisationen ihre Mitarbeiter gerne auf Spendenbasis, die die Beschäftigen womöglich noch selber eintreiben müssen, einstellen wollen.
Behrsing macht darauf aufmerksam, dass die Piraten Mitgliederbeiträge erheben und daher Einnahmen haben müssten, von denen sie auch den Posten bezahlen können. Eigentlich wären auch die Gewerkschaften gefragt, bei den Piraten für Löhne zu sorgen, von denen die Mitarbeiter leben könnten, also ohne Abhängigkeit von Spenden oder Hartz IV. Der Umgang der Piraten mit ihren Mitarbeitern ist aber konsequent, wenn man bedenkt, dass Schlömer von einer liberalen Partei spricht und die Publizistin Katja Kullmann die Piraten als Partei einer aufstrebenden IT-Elite bezeichnet. Da liegt es vielleicht nahe, dass man mal eine Spendensammlung gesetzlich verankerten und erkämpften Sozialstandards vorzieht.
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Peter Nowak