Die Sicherheitskonferenz in München stand ganz im Zeichen einer Debatte über Deutschlands Rolle in der Weltpolitik
Die Rede von Bundespräsident Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz (vgl. Gauck predigt gegen „Drückebergerei“) hat erwartungsgemäß ein geteiltes Echo hervorgerufen.
Während konservative Publizisten Gaucks klare Worte lobten und die deutsche Politik zu noch mehr Einsatz aufforderten, äußerten sich liberale und linke Kommentatoren kritisch. Martin Reeh erinnert in der Taz daran, dass seit nun mehr 2 Jahrzehnten eine größere Verantwortung Deutschlands eingefordert wird:
„Seit das verstärkte militärische Engagement der Deutschen nach 1990 begann, hat es nicht an Reden gefehlt, die eine veränderte Außenpolitik einforderten.“
Rühes Weckruf
Doch es wäre falsch, die Rede von Gauck nur als die Wiederholung der immer gleichen Platte zu interpretieren. Sie reiht sich vielmehr in Äußerungen von Politikern aus Union und SPD ein, die immer deutlicher den Anspruch erheben, in der ersten Liga der Weltpolitik mitspielen zu wollen. Am deutlichsten hat den Anspruch ein Verteidigungsminister aus der Ära Kohl formuliert: Volker Rühe schrieb am 21. Januar in der FAZ unter der Überschrift „Deutschland muss führen“:
„Ende des Monats, wenn die Münchner Sicherheitskonferenz zum 50. Mal tagt, ist Deutschland wieder einmal das Zentrum der internationalen Politik. Dies allerdings nur für 48 Stunden, denn in der Praxis hat sich unser Land in eine sicherheitspolitische Passivität begeben, die seiner Rolle als bevölkerungsreichster Staat Europas und als eine global führende Wirtschaftsmacht nicht entspricht. In Afghanistan haben wir unseren Einsatz frühzeitig auf den Norden sowie die Hauptstadt Kabul beschränkt und die wirklich gefährlichen Regionen dauerhaft unseren Verbündeten überlassen.“
Hier wird auch ganz deutlich, was hinter den zunehmenden Rufen nach dem Ende der Passivität und des Wegguckens steckt. Es geht um Deutschlands neue Rolle in der Weltpolitik. Dabei sollen die Interessen wenn möglich im Verbund mit den USA durchgesetzt werden. Es wird auch Situationen geben, wo Deutschlands Interessen nur gegen den einstmals engsten Verbündeten durchsetzbar sind.
Dass sich Union und SPD in dieser Frage einig sind, zeigte sich am Wochenende. Nach Ursula von der Leyen, die vage davon sprach, dass Gleichgültigkeit weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Perspektive eine Lösung sei, und damit fast wortwörtlich die Merksätze wiederholte, mit denen vor 15 Jahren die Grünen „kriegsbereit“ wurden, übersetzte Bundesaußenminister Steinmeier diese Prosa in konkrete politische Zielvorstellungen:
„Deutschland muss bereit sein, sich außen- und sicherheitspolitisch früher, entschiedener und substantieller einzubringen.“
Das Bündnis aus Union und SPD hat in der kurzen Zeit der neuen Zusammenarbeit schon deutlich gemacht, dass die Regierungsparteien die gewohnten Zügel der Zurückhaltung, die es in der Militärpolitik noch gab, fallen lassen wollen.
Hat die NSA-Debatte selbstbewusstes Deutschlands befördert?
Es wäre zu fragen, ob nicht die NSA-Debatte, wie sie in den letzten Monaten mehrheitlich geführt wurde, dieses neue deutsche Selbstbewusstsein befördert hat. Denn die hat sich schnell auf die Frage der deutschen Souveränität konzentriert, die angeblich durch die USA verletzt würde. So wurde aus dem Buch „Überwachtes Deutschland“ von Josef Foschepoth fast ausschließlich der Teil zitiert, der die Beziehungen zu den USA thematisiert.
Dass in dem Buch akribisch beschrieben wurde, wie deutsche Behörden Post aus der DDR in den fünfziger und frühen sechziger Jahren überwacht und teilweise sogar vernichtet haben, wird hingegen kaum erwähnt. Bei soviel Betonung von deutscher Souveränität ist es nicht verwunderlich, wenn die Politik diesen Grundsatz nun auch in der Außen- und Militärpolitik aufgreift.
Es wäre nicht das erste Mal, dass außerparlamentarische Bewegungen Stichwortgeber für eine selbstbewusste deutsche Nation wurden. Auch Teile der westdeutschen Friedensbewegung spielte vor über 30 Jahren eine ähnliche Rolle, wenn sie Deutschland als Opfer der ehemaligen Alliierten der Anti-Hitler-Koalition darstellte.
Saudische Außenminister für Menschenreche in Syrien
Natürlich spielten auf der Sicherheitskonferenz auch alle aktuellen weltpolitischen Themen eine Rolle. Der russische Außenminister stellte die berechtigte Frage, warum die Beteiligung rechter Gruppen an der Opposition in der Ukraine kaum erwähnt wird. Diese Frage richtet sich besonders an deutsche Politiker. Schließlich hat Merkel bei ihrer Regierungserklärung ausdrücklich die ukrainische Opposition ohne Differenzierungen gewürdigt.
Auch die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms hat bei ihren Besuch in der Ukraine Sanktionen gegen Regierungsmitglieder in Aussicht gestellt, aber zu dem rechten Flügel der Opposition kein kritisches Wort verloren. Auf der Sicherheitskonferenz rief Wladimir Klitschko denn auch zu noch mehr Unterstützung für die Opposition auf und forderte mehr Druck auf die Regierung. Auch von ihm hörte man keine Distanzierung von den Rechten.
Am letzten Tag bestimmten der Syrien-Konflikt und der Streit mit dem Iran in München die Agenda. Ausgerechnet der Außerministier Saudi Arabiens, eines besonders repressiven Regimes, spielte sich als Verteidiger der Menschenrechte auf. Dabei wurde einmal mehr deutlich, wie Menschenrechte im politischen Streit instrumentalisiert werden. Saudi Arabien gehört im Nahen Osten zu den schärfsten Antipoden des Irans und Syriens.
Dabei geht es um politische Vorherrschaft. Menschenrechte und Demokratie ist in all diesen Ländern ein Fremdwort. Mit dem US Republikaner McCain ergriff auch ein Kritiker des Kurses der gegenwärtigen US-Administration das Wort.
Proteste wurden kaum erwähnt
Kaum erwähnt wurde in den Medien, dass sich am Samstag auch wieder ca. 3000 Antimilitaristen an Protesten gegen die Sicherheitskonferenz beteiligten. Die Teilnehmerzahl für eine bundesweite Protestaktion ist natürlich sehr bescheiden, gerade wenn man sie mit den Zahlen der deutschen Friedensbewegung in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts vergleicht.
Damit bestätigte sich die Erkenntnis, dass in dem Maße, wie Deutschland kriegsfähig wurde, die Proteste geschrumpft sind. Eine Antikriegsbewegung, die über die Anklagen gegen Nato, USA und alle Schlechtigkeiten der Welt, die Spezifika der Politik Deutschland in den Mittelpunkt der Kritik stellt, gibt es erst in Ansätzen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155788
Peter Nowak
Links
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http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/01/140131-Muenchner-Sicherheitskonferenz.html
[2]
http://www.heise.de/tp/artikel/40/40902/1.html
[3]
http://www.heise.de/tp/artikel/40/40902/1.html
[4]
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article124430809/Bundespraesident-Gauck-spricht-endlich-Tacheles.html
[5]
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sicherheitskonferenz-deutschland-muss-engagement-beweisen-a-950611.html
[6]
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a1&dig=2014%2F02%2F03%2Fa0034&cHash=5c426758079f22bafc662377e65c014a
[7]
http://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0206/mdb/mdb15/bio/R/ruehevo0.html
[8]
http://www.seiten.faz-archiv.de/FAZ/20140121/fr1201401214165963.html
[9]
http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_ursula_von_der_leyen-575-37774.html
[10]
http://www.frank-walter-steinmeier.de/
[11]
http://www.v-r.de/de/title-0-0/ueberwachtes_deutschland-1007436
[12]
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155721
[13]
http://www.rebecca-harms.de/index.php/lesen/wdr-2-gespraech-zur-ukraine-harms-droht-mit-sanktionen-26842
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http://www.mccain.senate.gov/public/
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http://sicherheitskonferenz.de/