Keine Sportwetten für Hartz-IV-Empfänger

Landgericht Köln: Mitarbeiter der Annahmestellen müssen einschreiten, wenn es Hinweise darauf gibt, dass sich ein Kunde die Wette nicht leisten kann

Hartz-IV-Empfänger dürfen nicht an Sportwetten teilnehmen. Das Landgericht Köln hat heute sein umstrittenes Verbot von Anfang März bekräftigt und einen Widerspruch der Westdeutschen Lotterie gegen das per Einstweiliger Verfügung ausgesprochene Verkaufsverbot abgewiesen (zur Diskussion des Urteils siehe: Verlogenes (Glücks)Spiel mit ALG II-Empfängern).

Zwar muss nach der heutigen Entscheidung nicht jeder Kunde kontrolliert werden, Mitarbeiter der Annahmestellen sind aber verpflichtet einzuschreiten, wenn es konkrete Hinweise darauf gibt, dass sich ein Kunde seine Wette eigentlich nicht leisten kann. Westlotto bezeichnet das Urteil als nicht praktikabel. Laut Unternehmenssprecher Axel Weber will man gegen das Urteil nun vor dem Kölner Oberlandesgericht Berufung einlegen:

„Nach dem Urteilstenor bleibt weiterhin unklar, wie die WestLotto-Annahmestellenmitarbeiter vernünftig feststellen sollen, ob es sich um einen Fall von Missverhältnis zwischen Vermögenssituation und Spieleinsatz bei einem Spielteilnehmer handelt. In jedem Verfahren haben die Bürger in Deutschland ein Anrecht auf ein ordentliches rechtsstaatliches Verfahren, in dem sie individuell angehört werden müssen.“

Bei der Auseinandersetzung handelt es sich um einen Konkurrenzkampf von zwei Lottoanbietern, der auf den Rücken der Erwerbslosen ausgetragen wird Beantragt worden war die einstweilige Verfügung von dem Sportwetten-Anbieter Tipico, der seinem Konkurrenten Westlotto vorwirft, gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und den seit 2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrag verstoßen zu haben. Darin ist unter anderem festgehalten, dass Minderjährige, aber auch Menschen mit geringen Einkünften vor Glücksspielen geschützt werden müssen.

Der Konkurrent von Westlotto soll Testkäufer zu Annahmestellen geschickt haben:

„Unmittelbar vor dem Verkäufer hatte dann der eine gesagt: ‚Geht das überhaupt, dass du hier schon wieder 50 Euro setzen kannst, du bist doch pleite und bekommst Hartz IV?‘ Darauf kam die Antwort: ‚Ach, ich hab das Geld jetzt und demnächst vielleicht noch mehr… So kann man doch nicht leben!‘.“

Laut Gerichtsentscheidung macht es sich der Verkäufer „zu einfach“, „wenn er einfach weghöre oder das Gespräch nicht ernst nehme“.

Lottogewinn wurde abgezogen

Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland sieht in der Entscheidung weniger einen Schutz als eine Diskriminierung Erwerbsloser. Schon im März initiierte das Forum die Selbstbeschuldigungskampagne „Ich bin Hartz IV-Empfänger und habe Lotto gespielt.“

Dass es sich bei der einstweiligen Verfügung nicht nur um eine abwegige Einzelentscheidung handelt, zeigt ein Urteil des Landessozialgerichts Essen vom Januar 2011. Danach kann Hartz-IV-Betroffenen auch ein kleiner Lottogewinn von ihrem Regelsatz abgezogen werden. Der Gewinn werde als Einkommen angerechnet, entschied das Gericht. Er verringere die Hilfsbedürftigkeit des Klägers, argumentierten die Richter.

Geklagt hatte ein Bielefelder, der in einer Lotterie 500 Euro gewonnen hatte. Er wehrte sich gegen die Anrechnung auf die Hartz-IV-Leistung und scheitere in zwei Instanzen. Der Mann hatte eingewandt, dass er seit 2001 regelmäßig Lotto spiele, dafür insgesamt 945 Euro ausgegeben habe und daher trotz des Gewinns von 500 Euro unter dem Strich Verlust gemacht habe. Dieses Argument ließen die Richter aber nur für den letzten Monat gelten. Die für das Los ausgegebenen 15 Euro durfte der Kläger von den 500 Euros abziehen. Der Rest des Gewinns wurde vollständig mit seinem Hartz-IV-Satz verrechnet.
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Peter Nowak