Baumbesetzung endet mit Geldstrafen

Nach ihrem Protest gegen den Weiterbau der Autobahn A 100 landeten Aktivisten vor Gericht

Im Januar 2013 besetzten Aktivisten im Protest gegen den Weiterbau A 100 mehrere Bäume. Der Prozess gegen einzelne Aktivisten endete, vorerst, am Mittwochabend.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte am Mittwochnachmittag zwei Gegner der Autobahn A 100 zu Geldstrafen in der Höhe von 350 bzw. 400 Euro. Sie hatten sich am Widerstand gegen den Weiterbau der Autobahn A 100 beteiligt.

Im Januar 2013 hatte das »Aktionsbündnis A 100 stoppen!« und die Umweltorganisation Robin Wood eine Baumbesetzung an der Grenzallee in Neukölln gestartet. Über ein Jahr blieben die Pappeln besetzt und wurden ein sichtbarer Ort des Widerstandes gegen die Stadtautobahn. Am 3. Februar beendete ein Großaufgebot der Polizei die Besetzung. Unmittelbar danach nahm die Stadt das Gelände in Besitz. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, sich am Tag der Räumung auf dem Gelände aufgehalten und damit den Hausfrieden gebrochen zu haben. Zunächst hatten fünf A 100-Gegner Strafbefehle wegen Hausfriedensbruch erhalten und dagegen Einspruch eingelegt. Zwei Verfahren waren bereits vor Wochen eingestellt worden. Am Mittwoch war mit Peter Schwartz ein weiterer Angeklagter freigesprochen worden. »Durch öffentlich zugängliche Foto- und Videoaufnahmen war nachweisbar, dass ich mich außerhalb des Geländes aufgehalten hatte, sodass der Vorwurf Hausfriedensbruch haltlos war. Dies war zuvor im Zuge der Anklageerhebung ignoriert worden«, sagte Schwartz dem »nd« und kritisierte, dass er überhaupt angeklagt wurde.

In Prozesserklärungen haben die Angeklagten auf die politische Dimension des Verfahrens hingewiesen. Sie verwiesen darauf, dass für den Weiterbau der A 100 mittlerweile mehrere gut erhaltene Wohnhäuser in der Beermannstraße in Treptow gegen den Protest von Mietern und der Stadtteilinitiative Karla Pappel abgerissen werden (»nd« berichtete). Selbst der Senator für Gesundheit und Soziales Mario Czaja wollte die Gebäude für die Unterbringung von Geflüchteten nutzen.

Die Robin Wood-Pressesprecherin Ute Bertrand sagte, die Proteste gegen die A 100 seien mit großem Aufwand kriminalisiert worden.

Schließlich waren dafür vier Prozesstage angesetzt, was auch für die Angeklagten zusätzliche Belastungen über die Geldstrafen hinaus bedeutete. »Das gesamte Verfahren war nur möglich, da die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch unter Michael Müller (SPD), der inzwischen Regierender Bürgermeister von Berlin ist, einen Strafantrag gestellt hatte, den sie bis heute aufrechterhält«, kritisiert Bertrand.

Dabei hatte Müller in einem Brief an zwei Mitglieder der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, Dirk Behrend und Harald Moritz, betont, dass der Senat nicht gegen alle Personen, die auf dem geräumten Grundstück angetroffen worden waren, Strafantrag stellt. Doch bereits am ersten Verhandlungstag lehnte der A 100-Projektleiter bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Arne Huhn, die Rücknahme der Anzeigen ab. Mit dem Urteil ist die Angelegenheit juristisch noch nicht beendet. Die beiden Verurteilten haben Rechtsmittel angekündigt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/992730.baumbesetzung-endet-mit-geldstrafen.html

Peter Nowak

Linke denken anders an Ex-Kanzler Schmid

Hamburg. Als Zeichen gegen die Verklärung des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt haben linke Gruppen am Montagabend an die Schattenseiten seiner politischen Karriere erinnert. Am Vormittag war der am 10. November verstorbene Sozialdemokrat mit viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft in einem Staatsakt beerdigt worden. Bei der Kundgebung am S-Bahnhof Sternschanze erinnerten die Demonstranten, wie Schmidt »eine repressive Politik« gegenüber der außerparlamentarischen Linken und der Anti-AKW-Bewegung durchgesetzt habe. Schmidt habe den Bau von Atomkraftwerken voran getrieben und die umstrittene Aufrüstung durch den NATO-Doppelbeschluss unterstützt. Zu seiner Kanzlerzeit gehörten auch die ungeklärten Todesfälle von fünf inhaftierten RAF-Mitgliedern. Die Organisatoren wollen mit Veranstaltungen im nächsten Jahr einen kritischen Blick auf den Mythos Schmidt werfen.

aus Neues Deutschland : 25.11.2015

Peter Nowak

Gegen die Ideologie des innerstaatlichen Burgfriedens

Amnesty: „Europäische Abschottungspolitik bringt Flüchtlinge in Lebensgefahr“

Unverhohlen sprechen die Gegner der Geflüchteten von den Anschlägen als Chance, in der Flüchtlingspolitik doch noch die rechte Wende zu erzwingen

Nach den Anschlägen von Paris und der Terrorangst in vielen Ländern sind die Geflüchteten zum Streitobjekt geworden. Konservative aller Länder wollen das Klima der Angst nutzen, um endlich die Brücken an der Festung Europa hochzuklappen. Die Anschläge sind für sie nur der willkommene Vorwand, um endlich die Politik umsetzen zu können, die sie sich immer gewünscht haben.

Unverhohlen sprechen die Gegner der Geflüchteten von den Anschlägen als Chance, in der Flüchtlingspolitik doch noch die rechte Wende zu erzwingen. Der Publizist Matthias Matussek konnte seine Freude gar nicht zügeln, als er kurz nach den Anschlägen postete [1]: „Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen“. Dass er diese Erkenntnis mit einem Smily verzierte, haben ihm dann doch manche übel genommen, die inhaltlichen Aussagen allerdings nicht.

Ratsherr will Geflüchtete versenken

In diesen Tagen ging auch ein Bericht [2] der Menschenrechtsorganisation Amnesty International unter, der die europäische Abschreckungspolitik für eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen an Europas Grenzen verantwortlich macht.

„Mit Zäunen an den Landgrenzen und indem die Europäische Union Länder mit kritischer Menschenrechtslage, wie Marokko und die Türkei, als ‚europäische Grenzwächter‘ nutzt, verweigert sie Menschen den Zugang zum Asylverfahren. Zudem setzt die EU Flüchtende Misshandlungen aus und zwingt sie zur lebensgefährlichen Fahrt über das Mittelmeer und die Ägäis“, sagt Selmin Çalışkan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Er erinnert daran, dass Zäune in Europa nicht zu einer geordneten Migration, sondern zu Menschenrechtsverletzungen und chaotischen Zuständen beitragen. Die aber sind gewollt, denn das Ziel besteht schließlich darin, die Geflüchteten abzuschrecken.

Amnesty verurteilt die Anschläge von Paris, wendet sich aber auch dagegen, dass sie genutzt werden, um die Flüchtlingspolitik noch mehr zu verschärfen. „Der Terror von Paris wurde von denjenigen verübt, die auch dafür verantwortlich sind, dass Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan überhaupt hierher fliehen müssen“, sagt Çalışkan. In einen eigenen Bericht [3] hat Amnestie zahlreiche Menschenrechtsverletzungen an der europäischen Grenze aufgelistet.

Der Amnesty-Bericht kommt zur rechten Zeit. Das gesellschaftliche Klima wird auch darin deutlich, dass nicht nur irgendwelche Neonazis, sondern auch ein bisher unbekannter Ortsbeirat von Fleetmark Mordfantasien gegen Geflüchtete artikuliert [4].

Der mittlerweile gekündigte Leiter der Ortsfeuerwehr Björn Hartmann äußerte in einer Ratssitzung, man müsse den Flüchtlingen Steine an die Füße binden und sie versenken. Später schob er nach, er sei keineswegs rechtsorientiert sei, sondern er habe nur denUnmut der Bevölkerung artikuliert.

Das unbekannte Massaker von Paris

Wie schnell solche mörderischen Phantasien Realität werden können, zeigte sich in Paris vor 54 Jahren. Damals richtete die französische Polizei bei einer von der algerischen FLM ausgerufenen Demonstration ein Blutbad an. Die Zahl der Toten ist bis heute nicht bekannt. Historiker sprechen von mindestens 200 Toten aber es können auch 300 sein. Viele Demonstranten wurden in die Seine geworfen und ertranken. Mittlerweile gibt es eine Homepage der Angehörigen der Opfer des 17. Oktober http://17octobre1961.free.fr).

Der Spiegel schrieb [5] über das unbekannte Massaker mitten in Paris:

„So ergab sich nach dem 17. Oktober 1961 eine groteske Situation: Das demokratische Europa hatte soeben eine der schlimmsten Gewaltorgien der Nachkriegszeit erlebt, doch in Frankreich schienen sich alle wichtigen Akteure darauf geeinigt zu haben, den Opfern keine Stimme zu geben. Und das staatlich verordnete Schweigen war erfolgreich – besonders, als ein Jahr nach dem Blutbad der Krieg in Algerien endete und Charles de Gaulle die einstige Kolonie in die Unabhängigkeit entließ. Hunderttausende Franzosen hatten in Algerien gekämpft, sie waren dem Terror der FLN ausgesetzt gewesen, hatten aber auch die Folter und Kriegsverbrechen der eigenen Truppen erlebt. Jetzt wollten sie von all dem nichts mehr wissen.

http://www.heise.de/tp/news/Amnesty-Europaeische-Abschottungspolitik-bringt-Fluechtlinge-in-Lebensgefahr-2923869.html

Peter Nowak

Verbrannt in Kaltland

Neue Gutachten nähren die Zweifel an der angeblichen Selbsttötung des 2005 in Polizeigewahrsam ums Leben gekommenen Flüchtlings Oury Jalloh.

Seit Monaten wird hierzulande akribisch verfolgt, wie Menschen mit schwarzer Hautfarbe von der Polizei geschlagen und gedemütigt werden. Protestaktionen wird viel Platz in den Medien eingeräumt. Wenn es um Gewalt gegen Schwarze in den USA geht, scheint es in Deutschland fast nur noch Antirassisten zu geben. Die Initiative zum Gedenken an Oury Jalloh kann von einer solchen Vorzugsbehandlung in den deutschen Medien allerdings nur träumen. Schließlich geht es ihr darum, den Tod eines Schwarzen aufzuklären, der am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. Für Polizei und Öffentlichkeit war sofort klar, dass sich Oury Jalloh selbst angezündet habe. Wer diese Version in Zweifel zog, musste mit Strafverfahren rechnen. Es waren anfangs vor allem die Freunde Oury Jallohs sowie migrantische und antirassistische Gruppen, deren Demonstrationen und Kundgebungen mehrmals angegriffen wurden, weil sie Transparente mit der Aufschrift »Oury Jalloh – das war Mord« mit sich trugen.

Mouctar Bah, ein enger Freund Jallohs, hat von Anfang an die Aufklärung gefordert und die offizielle Selbstmordversion bezweifelt. Seitdem wurde er kriminalisiert und schikaniert. So durfte er einen Kopierladen, den er in Dessau betrieb und der zum Treffpunkt der kleinen antirassistischen Bewegung in der Region geworden war, nicht mehr weiterbetreiben. Als Bah zum zehnten Todestag Oury Jallohs in einem Interview mit der Jungle World (1/2015) gefragt wurde, wie ihn die vergangenen zehn Jahre verändert hätten, antwortete er: »Ich habe an den Rechtsstaat in Deutschland geglaubt, habe gedacht, man kann hier alles erklären und regeln. Aber das stimmt nicht, jedenfalls dann nicht, wenn es um ein Verbrechen geht, das der Staat begangen hat. Dann werden die Opfer als Täter hingestellt. Dadurch ist mein Vertrauen in den Staat völlig verloren gegangen.«

Da für die Justiz ein Selbstmord nie in Zweifel stand, ermittelt sie lediglich, warum die diensthabenden Polizisten in der Dessauer Wache den Suizid nicht verhindert haben. Im Mai 2005 hat die Staatsanwaltschaft gegen den Polizisten Andreas S. und seinen Kollegen Hans-Ulrich M. wegen fahrlässiger Tötung Anklage erhoben. Zwei Jahre später begann der Prozess vor dem Landgericht Dessau-Roßlau, bei dem Verwandte von Oury Jalloh als Nebenkläger auftraten. Nach monatelangen Verhandlungen wurden beide Polizisten aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Im Jahr 2010 hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf und leitet das Verfahren an das Landgericht Magdeburg weiter. Im Januar 2011 begann der neue Prozess, der im Dezember 2012 mit der Verurteilung des Dienststellenleiters Andreas S. wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 10 800 Euro endete. Ihm wurde angelastet, die Gegensprechanlage, mit der der Zustand des von der Polizei an das Bett gefesselten Oury Jalloh kontrolliert werden sollte, leisegestellt zu haben. Er habe eingehende Telefonate aufgrund von Rufen aus der Zelle nicht mehr richtig verstehen können, verteidigte sich der Polizist. Den Feueralarm habe er abgestellt, weil er einen Defekt vermutete.

Im September 2014 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil, das damit rechtskräftig wurde. Die Gewerkschaft der Polizei übernahm die Strafe und die Gerichtskosten für den verurteilten Polizisten. Vor allem den Anwältinnen und Anwälten der Nebenklage sowie antirassistischen Unterstützern war es während des Verfahrens gelungen, zahlreiche Details öffentlich zu machen, die das rassistische Klima in der Dessauer Polizeiwache verdeutlichten. So tauchte ein aufgezeichnetes Telefonat zwischen dem Dienstgruppenleiter Andreas S. und dem Polizeiarzt B. auf. Der beschwerte sich vor der Blutentnahme, dass er bei »Schwarzafrikanern« keine Venen finden könne. Daraufhin empfahl ihm der Dienststellenleiter, »doch ’ne Spezialkanüle« mitzunehmen. Selbst die Fixierung des Gefangenen in der Zelle wurde erst durch Recherchen der Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt in Dessau bekannt.

Und noch ein weiterer Todesfall in der Polizeizelle, in der Jalloh verbrannte, wurde publik: Im November 2002 starb dort der Wohnungslose Mario Bichtemann unter ungeklärten Umständen an einem Schädelbasisbruch. Auch in der Nacht seines Tods hatten der Polizist Andreas S. und der Polizeiarzt B. in der Wache Dienst.

Während für die Justiz und den Großteil der Öffentlichkeit mit der Verurteilung von Andreas S. der Fall juristisch abgeschlossen war, ging für den Freundeskreis von Oury Jalloh und antirassistische Gruppen der Kampf um Aufklärung weiter. Sie sammelten Geld, um auf eigene Kosten Gutachten über die Todesumstände erstellen zu lassen. Denn es wurde deutlich, dass die offizielle Version von Jallohs Tod nicht stimmen kann. In der vergangenen Woche erklärten vier internationale Gutachter aus Großbritannien und Kanada, dass sie eine Selbsttötung im Fall Jallohs für unwahrscheinlich halten. Das erhebliche Ausmaß des Feuers bei geringer Brandlast, bestehend nur aus Matratze und bekleidetem Körper, spreche für den Einsatz von Brandbeschleunigern. Wahrscheinlich sei auch eine Zufuhr von Sauerstoff durch die geöffnete Zellentür.

Heftige Kritik äußerten die Gutachter an der Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau. Die mit den Ermittlungen betraute Behörde habe sie nur unzureichend mit angeforderten Asservaten beliefert. Die britischen Brandsachverständigen Iain Peck und Emma Wilson monierten mangelnde Spurensicherung am Tatort. Die Ermittler behaupteten, das Feuerzeug, mit dem Jalloh angeblich selber das Feuer entzündet habe, habe unter der Leiche gelegen. Dafür aber gebe es laut Peck und Wilson keinerlei Beweis. Weder auf Fotos noch auf Filmmaterial vom Brandort sei das Feuerzeug zu sehen. Zudem fehlten auf dem Feuerzeug, das in den Ermittlungsakten präsentiert wurde, Spuren aus der Zelle. Es gebe auch keinen Hinweis darauf, dass das Feuerzeug auf oder an der Matratze verbrannte. Peck verwies auf ein im November 2013 veröffentlichtes Gutachten, das ebenfalls von den Freunden Jallohs auf eigene Kosten in Auftrag gegeben worden war. Dort wurde nachgewiesen, dass sich das Feuer nur mit einer entfernten Matratzenhülle über die gesamte Fläche ausbreiten konnte. Bei den Versuchen der Gutachter, die Matratze ohne Brandbeschleuniger zu entzünden, hätten Matratze und ein eingesetzter Tierkörper deutlich geringere Verbrennungsspuren davongetragen. Daraus zogen die Gutachter schon damals den Schluss, dass Jalloh seine Verbrennung nicht selbst verursacht haben kann.

Dass die Ermittler bei einer Untersuchung am Tatort keinen Brandbeschleuniger fanden, habe die Staatsanwaltschaft nicht mit entsprechenden Laborergebnissen belegen können, erklärten die Verfasser des zweiten Gutachtens. »Es ist auch so, dass diese Mittel bei einem extremen 30-minütigen Brand vollständig verbrennen und nicht mehr nachgewiesen werden können«, betonte Peck. Auch der forensische Toxikologe aus Kanada, Alfredo Walker, und der britische Rechtsmediziner Michael Scott hielten es für hochwahrscheinlich, dass eventuelle Brandbeschleuniger verdampften oder beim Löschvorgang mit Wasser weggespült wurden. Nachdem nun gleich durch zwei Gutachten die offizielle Version zum Tod von Oury Jalloh wissenschaftlich erschüttert worden ist, müsste die Justiz eigentlich die Ermittlungen wiederaufnehmen.

Frappierend ist das geringe Interesse der deutschen Zivilgesellschaft an der Klärung der Frage, wie Oury Jalloh in einer Dessauer Polizeizelle ans Bett gefesselt verbrennen konnte. Wäre er unter diesen Umständen in einer US-amerikanischen Polizeizelle ums Leben gekommen, wäre das mediale Interesse hierzulande sicherlich größer.

http://jungle-world.com/artikel/2015/45/52937.html

Peter Nowak

Wenn eine Band zum Sicherheitsrisiko erklärt wird

Lasst Mumia frei

»Wir setzen uns für Mumias bedingungslose Freiheit ein. Mumia saß nicht knapp 29 Jahre im Todestrakt und bis jetzt im sog.»Normalvollzug«, weil ihm irgendein Verbrechen nach dem bürgerlichen Sanktionskatalogbewiesen worden wäre.« DieseErklärung der US-Bürgerrechterin und  Wissenschaftlerin Angela Davis teilen viele Menschen,die weltweit für die sofortigeFreilassung des US-
Journalisten Mumia Abu Jamal kämpfen. Sie haben ihre Arbeit intensiviert. Seit seine lebensgefährliche Erkrankung bekannt wurde (sieheSprachrohr 2/2015), ist diese Forderung noch dringlicher geworden. Mittlerweile wurde bekannt, dass das ver.di-Ehrenmitglied Mumia nicht nur an Diabetes, sondern auch an Hepatitis erkrankt ist. Die MumiaSolidaritätsbewegung ruft dazu auf, Postkarten und E-Mails mitder Forderung nach der sofortigen Freilassung Mumias an den zuständigen Gouverneur von Pennsylvania Tom Wolf zuschicken.

Info: http://www.bring-mumia-home.de/Free_Mumia_NOW.html
Sprachrohr 3/2015

    http://medien-kunst-industrie-bb.verdi.de/++file++560939b76f684452140018bb/download/%20SPR_03_2015.pdfr

      PETER NOWAK

      Willkommenskultur mit Schlag

      Hussein Adi M. wurde von den Sicherheitsmännern vor dem LAGeSO geprügelt. Peter Nowak hat ihn getroffen.

      Eigentlich wollte der holländische Kameramann Jeffry Ruigendijk am 1. Oktober am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in Berlin-Moabit Deutschkurse für Geflüchtete mit der Kamera aufnehmen. Doch was er dann filmte, passte nicht zu der so viel propagierten Willkommenskultur. Zu sehen ist, wie Sicherheitsmänner Geflüchtete, die dort dicht gedrängt auf ihre Termine warten, zunächst anbrüllen. Dann werden zwei Geflüchtete vom Sicherheitspersonal zu Boden geschlagen.

      Nachdem die »BZ« das Video vor einigen Tagen auf ihrer Webseite veröffentlichte, war die Aufregung groß. Hussein Adi M. ist einer der beiden Männer, die von den Sicherheitsmännern geschlagen und verletzt worden sind. Er wusste nicht, dass die Szene gefilmt wurde. Niemand hatte mit ihm Kontakt aufgenommen. Sauer ist Muhamed darüber nicht. Doch es ist ihm wichtig, selbst an die Öffentlichkeit zu gehen.

      »Ich stand ganz vorne in der ersten Reihe den Sicherheitsleuten gegenüber. Erst schrien sie mich an und drückten mir gegen den Bauch. Dann hob einer der Wachmänner die Fast und schlug mich auf die Nase und das Auge«, schildert M. den Tathergang. Er hat die Wachleute wegen Körperverletzung angezeigt. Allerdings konnte er sich seine Verletzung nicht ärztlich attestieren lassen. Denn das Amt hatte ihm nur bis zum 30. September zugesagt, seine Arztkosten zu übernehmen. Am 1. Oktober, als der Angriff stattgefunden hat, war er praktisch ohne Krankenversicherung. »Ich hätte also für den Arztbesuch bezahlen müssen, habe aber kein Geld«, so M.

      Er geht auch an die Öffentlichkeit, weil er dem Eindruck entgegentreten will, der Ausraster der Sicherheitsmänner sei eine absolute Ausnahme. »Es gehört zu unseren Alltag, dass wir angeschrien und oft wie Tiere behandelt werden«, fasst er gegenüber »nd« seine Erfahrungen der letzten fünf Monate in Berlin zusammen. Seit dieser Zeit befindet sich Muhamed in Berlin im Asylverfahren. »Die Stunden, die ich schon vor irgendwelchen Ämtern gewartet habe, kann ich nicht mehr zählen«, meint M.

      Schlimmer noch: Nun muss das ganze Prozedere wiederholt werden. Denn seine Akte mit sämtlichen Unterlagen ist im Behördenalltag verschwunden. Die zuständigen Sachbearbeiter hätten sie stundenlang gesucht und nicht mehr gefunden. Bald muss sich M. erneut in die langen Warteschlangen vorm LAGeSo einreihen. Anfang November hat er dort wieder einen Termin. Dann kann es auch sein, dass er den Männern wieder begegnet, die ihn am 1. Oktober geschlagen und verletzt haben. Denn obwohl er sofort Anzeige erstattet hat, weiß er nicht, ob die Männer noch im Dienst sind.

      http://www.neues-deutschland.de/artikel/989576.willkommenskultur-mit-schlag.html

      Peter Nowak

      Repression gegen Fluchthelfer

      Überrollt vom Wasserwerfer

      Der Tod des Antifaschisten Günter Sare vor 30 Jahren wirkt bis heute nach

      Dreißig Jahre danach wird in Frankfurt am Main ein Gedenkstein in den Boden eingelassen: »An dieser Stelle wurde Günther am 26.9.1985 von einem Wasserwerfer der Polizei überfahren. Er bezahlte seinen Protest gegen eine Versammlung der NPD im Haus Gallus mit seinen Leben.« Diese Inschrift ist nun an der Kreuzung Frankenallee/Hufnagelstraße im Gallusviertel zu lesen. Freunde und Bekannte haben dafür gesorgt.

      Bis heute bewegt der Tod des Maschinenschlossers und Mitarbeiters eines Jugendzentrums die Linke in der Stadt. 300 Menschen beteiligten sich an seinem Todestag an einer Gedenkdemonstration. 100 Menschen kamen zu einer Veranstaltung, bei der Zeitzeugen von der politischen Situation Mitte der 80er Jahre erzählten. Dabei spielte der Veranstaltungsort eine zentrale Rolle. Das Haus Gallus wurde kurz nach der Eröffnung weltbekannt. Schließlich fand dort von April 1964 bis August 1965 der Auschwitzprozess statt. Daher war es für Antifaschisten eine besondere Provokation, dass in den gleichen Räumlichkeiten am 26. September 1985 eine Versammlung der NPD stattfinden sollte. Vergeblich hatten Organisationen von den Behörden das Verbot der Neonaziveranstaltung am Ort der Auschwitzprozesse gefordert.

      Ein antifaschistisches Bündnis veranstaltete in der Nachbarschaft ein multikulturelles Fest. Als die ersten Nazis eintreffen fliegen Flaschen, Böller und Beutel mit Buttersäure. Die Polizei geht mit Knüppel und Wasserwerfer gegen die Antifaschisten vor. Augenzeugen beobachten, wie gegen 21 Uhr zwei Wasserkanonen auf den 36-Jährigen schießen und er zu Boden stürzt. Ein weiterer Wasserwerfer beschleunigt und überrollt den Mann. Erst 20 Minuten später trifft ein Notarztwagen ein. Sare stirbt noch auf dem Weg ins Krankenhaus.

      Viele Aktivisten sprechen bis heute von Mord. Ein Wasserwerfer habe gezielt Jagd auf Sare gemacht. In den folgenden Tagen gingen in der gesamten BRD Tausende Menschen auf die Straße. An vielen Orten kam es zu heftigen Krawallen. Die Wut der Linken war deshalb so groß, weil die Polizei auch nach Sares Tod massiv gegen die NPD-Gegner vorging und auch Menschen nicht verschonte, die Erste Hilfe leisteten. Die Kluft zwischen der außerparlamentarischen Linken und den Grünen, die sich damals in Hessen auf die bundesweit erste Regierungsbeteiligung vorbereiteten, wurde nach Sares Tod unüberbrückbar.

      Die Demonstranten erinnerten am Wochenende in Frankfurt auch an weitere Tote: So zogen sie an dem Jobcenter vorbei, in dem 2011 Christy Schwundeck nach einem Streit mit einer Sachbearbeiterin durch eine Polizeikugel starb. Genau wie bei Sare blieb ihr Tod ohne strafrechtliche Konsequenzen.

      Auch auf dem Friedhof wird ein schlichter Stein mit der Aufschrift »No Pasaran« weiterhin an den Antifaschisten erinnern. Der Freundeskreis Günter Sare hat genug Spenden eingeworben, damit das Grab auch nach 30 Jahren erhalten bleibt.

      https://www.neues-deutschland.de/artikel/986203.ueberrollt-vom-wasserwerfer.html

      Peter Nowak


      „Eine Superaktion“

      JUSTIZ Antifa-Chronist muss für sein Lob eines Anschlags auf Rechtspostille „Junge Freiheit“ blechen

      BERLIN taz | 500 Euro Geldstrafe lautet das Urteil des Berliner Amtsgerichts am Dienstag für den Antifa-Aktivisten Bernd Langer. Dieser, so der Richter, habe in einem Interview mit der Tageszeitung Neues Deutschland im letzten Jahr einen Anschlag auf die Druckerei der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit vor 21 Jahren gebilligt  und damit den öffentlichen Frieden gestört. In dem Interview, das vor Gericht verlesen wurde, diskutierte Langer mit einem Alt-Autonomen über die Politik der Antifa-Bewegung der 80er Jahre. Dabei ging es um unterschiedliche Aktionsformen: Militanz gegen rechte Strukturen, aber auch die Beteiligung an Bündnisdemonstrationen. In diesem Kontext wollte Langer den Eindruck entgegentreten, die konspirative Phase der Autonomen Antifa sei Ende der 80er Jahre zu Ende gewesen. „Aber es gab auch später noch militante Aktionen, zum Beispiel ein koordinierter Anschlag gegen die Junge Freiheit 1994“, erklärte er im Interview.  Wenn man liest, wie das bei denen reingehauen hat – die konnten ihre Zeitung fast zumachen–, war das eine Superaktion gewesen.“ Vor allem die letzten Bemerkungen hätten für die Verurteilung den Ausschlag gegeben, sagte der Richter. Das Verfahren hatte der ehemalige Generalbundesanwalt und langjährige Junge Freiheit-Autor Alexander von Stahl ins Rollen gebracht. Langers Anwalt Sven Richwin plädierte dagegen auf einen Freispruch: Die Formulierung zu dem Anschlag sei so allgemein gehalten, dass von der Billigung einer Straftat nicht die Rede sein könne. Zudem sei die Tat bereits verjährt. Es müsse nach mehr als zwei Jahrzehnten möglich sein, ohne Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen über die Aktion zu diskutieren. Zumal sich Langer mit verschiedenen Büchern als Chronist der autonomen Bewegung einen Namen gemacht habe. „Wieder einmal springt die deutsche Justiz der politischen Rechten hilfreich zur Seite“, erklärte Langer in einer Prozesserklärung und verwies auf den Anzeigensteller Alexander von Stahl. Dass der ursprüngliche Strafbefehl von 3.000 Euro nun stark reduziert wurde, hat für Langer keine Bedeutung. Er will nun Berufung einlegen – und notfalls durch alle Instanzen für einen Freispruch kämpfen. „Es geht mir nicht um das Geld, sondern ich wehre mich gegen einen politischen Prozess“, begründete dies Langer gegenüber der taz.
      aus  TAZ vom MITTWOCH, 23. SEPTEMBER 2015
      Peter  Nowak

      Italien weiter Torwächter von Kerneuropa

      Peter Nowak

      Links:

      [1]

      https://www.facebook.com/RassismusToetetGoe/posts/333084976806088?stream_ref=5

      [2]

      http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/sind_abschiebungen_nach_italien_menschenrechtswidrig/

      [3]

      http://proasyl.de/fileadmin/fm-dam/NEWS/2014/BVerfG_Beschluss_vom_17_09_2014_Az_2_BvR_939_14.pdf

      [4]

      http://proasyl.de/fileadmin/fm-dam/NEWS/2014/BVerfG_Beschluss_vom_17_09_2014_Az_2_BvR_1795_14.pdf

      [5]

      http://www.spiegel.de/politik/ausland/fluechtlinge-vor-libyen-italien-meldet-rettung-von-fast-3000-menschen-a-1041138.html

      [6]

      http://www.heise.de/tp/news/Ab-ins-Auffanglager-2805078.html

      [7]

      http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/grenzkontrollen-am-brenner-italien-will-fluechtlinge-zum-zwischenstopp-in-suedtirol-auffordern-13782346.html

      [8]

      http://www.leganord.org/

      3000 Euro Strafe für ein Interview

      Gegen das frühere Mitglied der Göttinger Antifa (M), Bernd Langer, hat ein Berliner Amtsgericht Strafbefehl erlassen. Er soll in einem Interview eine Straftat gebilligt und den »öffentlichen Frieden« gestört haben. Doch Langer will das nicht akzeptieren.

      »Der vergessene Terror« lautete die Überschrift ­einer Kolumne in der extrem rechten Wochenzeitung Junge Freiheit (JF) am 4. Dezember 2014, in der Chefredakteur Dieter Stein natürlich nicht an Angriffe gegen Geflüchtete oder die Morde des »Nationalsozialistischen Untergrundes« erinnerte. Am 4. Dezember 1994 hatte ein Feuer in der damaligen JF-Druckerei in Weimar zahlreiche Maschinen zerstört und das Erscheinen des Blattes für einige Wochen verhindert. 20 Jahre später nutzte der langjährige JF-Geschäftsführer und Ex-Republikaner das Jubiläum, um sich als Opfer von Linken und Liberalen zu gerieren: »Der Brandanschlag auf die JF-Druckerei hätte damals zu ­einem Aufschrei führen, die Gefahren linksextremer Gewalt schlagartig im Fokus der Medien und Politik stehen müssen. Doch das Schweigen der Öffentlichkeit war entlarvend. Klammheim­liche Freude spiegelte sich bei linken Medien wie der Taz, die großflächig das Bekennerschreiben der Linksterroristen publizierte«, echauffierte sich Stein in seiner Kolumne. Auch der AfD-Landesverband Sachsen nutzte das Jubiläum für eine Pressemitteilung »zum Brandanschlag auf die Pressefreiheit vor 20 Jahren«. In dem kurzen Text der sächsischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Frauke Petry geht es vor allem um die Gegenwart: »Das geistige Klima, in dem Gewalt gegen politisch Andersdenkende oder deren Existenzgrundlagen in Deutschland wachsen konnte, herrscht noch immer vor.« Die inzwischen nach dem gewonnenen Flügelstreit mit Parteigründer Bernd Lucke zur Bundesvorsitzenden aufgestiegene Petry empörte sich besonders über die Äußerungen von zwei Zeitzeugen der Geschichte der ­Autonomen Antifa: »Nun veröffentlichte das Blatt Neues Deutschland ein Interview mit zwei ehe­maligen ›autonomen Antifaschisten‹, die das Attentat im Nachhinein als ›Superaktion‹ feierten, die ›reingehauen‹ habe.«

      Auch Alexander von Stahl ließ das Treiben der antifaschistischen Veteranen, die sich über eine längst verjährte Straftat äußerten, nicht ruhen. Der ehemalige Generalbundesanwalt bezeichnete sich in einem Interview der JF als einen jener Nationalliberalen, die »den klassischen Liberalismus à la Adam Smith und August von Hayek mit einem gesunden Schuss Patriotismus kombinieren, also nicht gleich fünf Zentimeter kleiner werden, wenn der Begriff Deutschland fällt oder die bei diesem Wort politisch korrekt nur an ewige Schuld und Sühne denken können«. Stahl nun alarmierte die Justiz. Am 18. Juni 2015 schließlich stellte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten Bernd Langer einen Strafbefehl über 60 Tagessätze à 50 Euro zu. 3 000 Euro soll er zahlen, weil er öffentlich eine Straftat »in einer Weise« gebilligt habe, die geeignet sei, den »öffentlichen Frieden zu stören«.

      In dem ND-Interview ging es um die Geschichte der Autonomen Antifa der letzten 40 Jahre. Dabei spielte das Verhältnis von Militanz und Bündnispolitik eine wichtige Rolle. Bernd Langer trat in dem Gespräch dem Eindruck entgegen, seit den neunziger Jahren hätten Autonome Antifaschisten nur noch Bündnisse gegen rechts geschmiedet. »Aber es gab auch später noch militante Aktionen, zum Beispiel ein koordinierter Anschlag gegen die Junge Freiheit 1994. Wenn man liest, wie das bei denen reingehauen hat – die konnten ihre Zeitung fast zumachen –, war das eine Superaktion gewesen«, erinnerte sich Langer. »Es gab auch weitere Interventionen. Nicht mehr so viele, klar, weil es diese Art Antifa-Organisierung und die Leute nicht mehr gab. Ich finde aber nicht, dass der Antifa-Kampf nach den 1980er Jahren nicht mehr militant geführt wurde. Da würde ich den Genossinnen und Genossen, die bis heute viel riskieren, doch Unrecht tun«, resümierte Langer in dem Interview. Dass ihm in dem Gespräch wichtig war, die Vielfalt der Aktionsformen der Autonomen Antifa zu betonen, hat Gründe, die vielen jüngeren Antifaschisten heute kaum noch bekannt sein dürften.

      Langer, der bereits in den achtziger Jahren in der Norddeutschen Antifa-Koordination, der bundesweit ersten autonomen Antifastruktur, aktiv war, wurde das bekannteste Gesicht der Göttinger Autonomen Antifa (M). Die hatte für viele junge Antifaschisten wegen der von ihr organisierten autonomen schwarzen Blöcke in den frühen neunziger Jahren eine große Attraktivität. Jahrelang führten dunkelgekleidete, vermummte Menschen in Göttingen die Demonstrationen an. In den hinteren Reihen liefen auch örtliche Politiker der SPD und der Grünen mit. Was bundesweit viele jungen Antifaschisten mobilisierte, sorgte innerhalb der Autonomen Antifabewegung in den neunziger Jahren für Kritik. Unabhängige autonome Antifaschisten warfen damals der Antifa (M) vor, ihre Blöcke seien eher Theater als militante Politik. Langer wollte dagegen in dem inkriminierten ND-Interview klarstellen, dass für die Antifa (M) und die von ihr wesentlich mitinitiierte Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) eine Bündnispolitik bis weit ins linksliberale Milieu und eine militante Praxis gegen rechte Strukturen kein Widerspruch waren.

      In den vergangenen Jahren hat Langer als Autor zahlreicher Bücher über die außerparlamentarische Linke und als Initiator des Projekt Kunst und Kampf (KuK) eine wichtige Rolle bei der Darstellung linker Geschichte gespielt. In dem Strafbefehl, den er nicht akzeptiert, sieht er auch eine Kriminalisierung dieser Arbeit. »Es geht mir nicht um die Höhe der Strafe, sondern ums Prinzip«, begründete er im Gespräch mit der Jungle World, warum er sich politisch wehren wird. Er erinnert an das Vorgehen der Justiz gegen den Verfasser und die Verbreiter des Mescalero-Aufrufs im Deutschen Herbst 1977. Damals wurden unter dem Vorwurf, »klammheimliche Freude« (wie es in dem Aufruf hieß) an dem Attentat der RAF auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback verspürt zu haben, bundesweit unabhängige linke Gruppen kriminalisiert, Buchläden und Druckereien durchsucht. »NS-Täter trafen sich noch nach Jahrzehnten in Traditionsverbänden, wo sie ihre Verbrechen feierten und von Politikern mit Grußadressen bedacht wurden. Die wurden nie wegen Billigung von Straftaten belangt«, betont Langer. So will er auch argumentieren, wenn am 22. September ab 10.30 Uhr vor dem Berliner Amtsgericht über seinen Strafbefehl verhandelt wird.

      http://jungle-world.com/artikel/2015/36/52599.html

      Peter Nowak

      Spitzeleinsatz war rechtswidrig

      In Hamburg wurde erneut eine verdeckte Ermittlerin enttarnt

      Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat Heidelberger Aktivisten Recht gegeben: Der Einsatz eines verdeckten Ermittlers war rechtswidrig. In Hamburg wurde am Mittwoch erneut eine Beamtin enttarnt.
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      Verkleidete Demonstranten vor dem Verwaltungsgericht in Karlsruhe

      Foto: dpa/Deck

      Erfolg auf ganzer Linie: Der Aktivist Michael Dandl und sechs weitere Heidelberger Linke bekamen am Mittwoch Recht. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe erklärte einen Spitzeleinsatz für rechtswidrig, der sich gegen Dandl, Aktivist in der Roten Hilfe und der Autonomen Antifa Heidelberg sowie eine weitere Person richtete. Betroffen von der Ausspähung sind allerdings viele Aktivisten der Heidelberger Linken. Sieben Betroffene reichten die Klage ein, die sie nun gewonnen haben.

      Die Enttarnung des Polizeispitzels Simon Bromma hatte Ende 2010 bundesweit für Aufsehen gesorgt. Der junge Mann war in die linke Szene Heidelbergs eingeschleust worden und sollte die Autonome Antifa ausspähen. Doch Simon Brenner, wie der Alias-Namen des verdeckten Ermittlers lautete, suchte Kontakt zu linken studentischen Initiativen wie dem SDS und beteiligte sich auch an bundesweiten Bündnistreffen. Nach knapp neun Monaten endete die verdeckte Arbeit von Bromma, als er durch Zufall enttarnt wurde. Eine Urlaubsbekanntschaft erkannte den vermeintlichen Germanistikstudenten als Polizisten und informierte seine neuen Bekannten. Die stellten den vermeintlichen Genossen zur Rede, der innerhalb kurzer Zeit seine Spitzeltätigkeit einräumte und aus Heidelberg verschwand.

      Juristisch fing die Auseinandersetzung da gerade erst an. Die von der Ausspähung Betroffenen gründeten die Arbeitsgruppe Spitzelklage und erstatteten Anzeige. Ihnen gab die Vorsitzende Richterin des Karlsruher Verwaltungsgericht, Anna Mayer, nun Recht. Sie konnte bei beiden Zielpersonen keine konkrete Gefahr erkennen. Die konkrete Gefahr einer Straftat mit erheblicher Bedeutung ist aber Voraussetzung für den Einsatz eines verdeckten Polizeiermittlers. Dandl erklärte gegenüber »nd«, die Gruppe werde nun beraten, wie sie weiter vorgeht. Eine Klage auf Schadenersatz wegen unrechtmäßiger Überwachung sei ebenso denkbar wie eine Klage gegen das Polizeigesetz von Baden-Württemberg.

      Doch es geht ihnen nicht in erster Linie um die juristische Auseinadersetzung. Die Gruppe will mit ihrer Arbeit vor allem die Überwachung linken Zusammenhänge thematisieren. »Wir wollten die Unrechtmäßigkeit der Maßnahme feststellen und weitere Bespitzelung für die Zukunft erschweren«, begründete Michael Dandl gegenüber »nd«. »Wir können den Repressionsorgane damit etwas Sand ins Getriebe streuen.«

      Auch Martin Singe vom Komitee für Grundrechte und Demokratie sieht Klagen von Betroffenen von Spitzeleinsätzen vor allem als ein Mittel der Öffentlichkeitsarbeit. Die AG Spitzeleinsatz hatte am vergangenen Samstag in Heidelberg eine Demonstration organisiert, hätte sich aber eine größere Beteiligung gewünscht. Doch es sind Semesterferien in der Universitätsstadt Heidelberg, das erschwert die politische Arbeit.

      In Hamburg wurde am Mittwoch eine weitere verdeckte Ermittlerin von einer linken Recherchegruppe enttarnt. Die Polizeibeamtin Maria Böhmischen war demnach unter dem Namen Maria Block zwischen 2009 und 2012 in linken Zusammenhängen Hamburgs aktiv und hat auch internationale Bündnistreffen besucht. Sie sei dabei »tief in die Strukturen der linken Szene eingedrungen«, heißt es in einer Erklärung.

      Christiane Schneider, Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft forderte rasche Aufklärung. »Wenn die Vorwürfe zutreffen, dann offenbart das ein großes Problem der Polizei«, erklärt die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft.

      Ein Sprecher der Polizei bestätigte dem Norddeutschen Rundfunk am Nachmittag, dass es sich bei der mutmaßlichen Aktivistin um eine Hamburger Beamtin handele. Nun gelte es, »die Gesamtumstände zu diesem Fall« zu prüfen.

      Erst Ende 2014 war in Hamburg eine Aktivistin als LKA-Beamtin enttarnt worden. Der Fall Iris Schneider beschäftigt bis heute die Innenbehörden.

      http://www.neues-deutschland.de/artikel/982580.spitzeleinsatz-war-rechtswidrig.html

      Peter Nowak

      Als Mieter keine Lippe riskieren

      Hausbesitzer bekommen häufig Recht, wenn sie renitenten Bewohnern kündigen

      Recht und Gerechtigkeit sind verschiedene Dinge, wie vor Gericht immer wieder zu erleben ist. Mieter riskieren oft schon für unbotmäßiges Verhalten gegenüber dem Vermieter die Kündigung.

      Der Soziologe Achim Szepanski ist ein Mann des Wortes, der den Kapitalismus in Essays und Büchern analysiert hat. So verfasste er 2012 einen Essay »Geld und Zeit – Zur Strukturalität des Finanzkapitalismus«. Doch dass er wegen einer E-Mail in den nächsten Wochen seine Wohnung in einem Altbau am Frankfurter Mainufer, in der er seit fast 20 Jahren lebt, verlassen soll, hätte sich selbst der langjährige Kapitalismuskritiker nicht träumen lassen.

      Am 9. Juni 2014 monierte Szepanski in einem längeren Schreiben an einen Mitarbeiter seines Vermieters, man gehe »mit durchkonstruierten Stories und faschistischem Touch« gegen ihn vor. Diesem Satz war eine längere Auseinandersetzung mit dem Vermieter, der Basler Versicherung, vorausgegangen. Der Anwalt der Gegenseite habe ihm Vorwürfe gemacht, ohne sie belegen zu können, beschreibt Szepanski seine Sicht. So sei ihm ohne Beweise vorgeworfen worden, für einen Brand im Jahr 2011 verantwortlich zu sein, bei dem er selber verletzt wurde, was Szepanski besonders empört. »Fakt ist, dass ich die bis heute unaufgeklärte Brandstiftung, die vom Keller ausging, im vierten Stock arbeitend, bemerkt hatte. Ich musste von der Feuerwehr aus der Wohnung geholt werden und war dann wegen Rauchvergiftung im Krankenhaus. Ich hatte damals das Übergreifen des Brandes auf das ganze Haus verhindert«, erklärte Szepanski. Vergeblich machte der Mieter vor Gericht geltend, dass er niemanden als Faschisten bezeichnet habe und lediglich von einem »faschistischen Touch« sprach.

      Doch das Frankfurter Amtsgericht gab dem Vermieter Recht, der ihm gekündigt hatte. Mit der Mail habe Szepanski »seine vertraglichen Pflichten nicht unerheblich verletzt«. Auch ein Sprecher des Eigentümers verteidigt die Kündigung, weil sich Szepanski einer »verächtlichen Ausdruckweise« bedient habe. »Es ist unsere Pflicht als Arbeitgeber, unsere Mitarbeiter gegen solche Form von Beleidigungen zu schützen«, erklärte der Sprecher der Basler Versicherung, Thomas Wedrich, gegenüber der »Frankfurter Rundschau«.

      Immer wieder ärgern sich Mieter über Gerichtsentscheidungen, die die Wohnungseigentümer bevorzugen. Auch die Berliner Rentnerin Irmgard Warnke hat den Glauben an die Gerechtigkeit verloren. Sie hatte sich im letzten Jahr an die Presse gewandt, nachdem ihre Wohnung in Berlin-Kreuzberg gekündigt worden war. Vorausgegangen waren aufreibende Auseinandersetzungen mit den neuen Eigentümern der Wohnung. Der »Berliner Kurier« berichtete über die Entmietungsstrategien gegenüber »Oma Ingrid«. Doch der Artikel brachte ihr neuen Ärger und eine Klage ein. Weil sie einem Redakteur der Zeitung die Telefonnummer des Vermieters gegeben hatte, damit der nach einer Stellungnahme zu den Vorwürfen fragen könne, verurteilte das Berliner Amtsgericht die 71jährige zu einer Strafe von 500 Euro. »Frau Warnke ist eine gebildete Frau, die sich zu wehren weiß, Unterstützung gesucht und auch gefunden hat. Trotzdem wird sie nicht in ihrer Wohnung bleiben können«, schreibt das Berliner »Mieterecho«, die Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft. Vor einigen Wochen ist Frau Warnke ausgezogen, um eine Zwangsräumung zu vermeiden.

      http://www.neues-deutschland.de/artikel/981382.als-mieter-keine-lippe-riskieren.html

      Peter Nowak