Nun ist die zur Schicksalswahl hochgejazzte EU-Wahl zu Ende und die Phrasendrescherei geht weiter. Da wird in liberalen Medien nun der Eindruck erweckt, der Anstieg der Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen wäre eine Niederlage für die Rechten, die konsequent und falsch als EU-Gegner tituliert werden. Dabei wird großzügig darüber hinweggesehen, dass…
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Italien weiter Torwächter von Kerneuropa
Während aktuell andere Länder im Zentrum der europäischen Flüchtlingskrise stehen, ist Italien noch immer eines der zentralen Transitländer
Die vielen Berichte über die Situation von Geflüchteten in Ungarn, Griechenland und den Balkan-Ländern haben ein Land etwas in den Hintergrund geschoben, das in den letzten Jahren im Mittelpunkt der Flüchtlingskrise gestanden hat: Italien. Schließlich sind vielen noch die Bilder von den toten Menschen präsent, die an die Küsten Lampedusas geschwemmt wurden und den Appell von Giusi Nicolini, der Bürgermeisterin der Insel, die zur europäischen Solidarität aufrief [1].
Erst vor wenigen Tagen verurteilte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die italienische Regierung zur Zahlung von Schadenersatz an einen Flüchtling, der auf Lampedusa menschenunwürdig behandelt und dann abgeschoben wurde. In den letzten Jahren hat Italien häufiger solche Urteile kassiert. Pro Asyl stellte daher bereits im letzten Jahr die Frage, ob Abschiebungen nach Italien menschenrechtswidrig [2] sind.
Auch das Bundesverfassungsgericht hat im letzten Jahr gleich in zwei [3] Entscheidungen [4] die Situation der Flüchtlinge in Italien problematisiert. Andererseits ist es vor allem der italienischen Küstenwache zu verdanken, dass im letzten Jahr viele Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet [5] worden sind. Die Unterstützung aus den anderen europäischen Ländern blieb gering.
Grenzkontrollen aus freundschaftlicher Nachbarschaftshilfe
Dass Italien in den letzten Wochen nicht mehr zentral im Fokus der Flüchtlingsdebatte stand, lag teilweise an der Verlagerung der Flüchtlingsrouten Richtung Balkan und Osteuropa. Doch weiterhin ist auch Italien ein Transitland für Geflüchtete und Kerneuropa drängt darauf, dass es weiter den Torwächter spielt. So führte Italien auch am vergangenen Mittwoch auf Bitten Deutschlands vorübergehend die Grenzkontrollen zu Österreich wieder ein.
Szenen wie in Ungarn, wo die Polizei auf Flüchtlinge einprügelt [6], die sich dagegen wehren, in Lager gesperrt zu werden, werden in diesen Tagen in Italien nicht zu sehen sein. Die FAZ schreibt [7] über die Grenzwächtertätigkeit Italiens:
Die Regierung Renzi, die insgesamt als deutschfreundlich gilt, ob aus Überzeugung oder Opportunismus mag offen blieben, bleibt aktuell auch in der Flüchtlingspolitik von allzu großer Kritik verschont. Das war in der Endphase der Rechtskoalition ganz anders. Zu dieser Zeit spielte Berlusconi die Rolle, die jetzt der ungarische Ministerpräsident Orban spielt: Er ließ die ungeliebten Flüchtlinge durch Italien Richtung Deutschland und Frankreich ziehen.
Damals wurde deswegen das Schengenabkommen ausgesetzt und Berlusconi wurde als europäischer Vertragsbrecher gescholten. Wie jetzt Orban hatte damals Berlusconi nur eins im Sinn: Die Flüchtlinge sollen aus dem eigenen Land verschwinden Doch sie hatten dadurch die Möglichkeit, in die Länder zu kommen, in die sie wollen. Führende Unionspolitiker haben auch damals schon gesagt, was sie auch jetzt im Fall Ungarn sagen. Es zählt nicht wohin die Flüchtlinge wollen, sondern wo sie landen.
Umgruppierungen im rechten Lager
Innerhalb des rechten Lagers Italiens gab es nach Berlusconis Abgang Umgruppierungen. Während die Berlusconi- Partei an Einfluss verloren hat, ist die Lega Nord [8] zur stärksten Macht im rechten Lager aufgestiegen und hat einen Rollenwechsel vorgenommen.
Ursprünglich als wohlstandschauvinistische norditalienische Regionalpartei gegründet, die vor allem gegen die Süditaliener hetzt, versucht sie jetzt den französischen Front National nachzuahmen. Die Kampagne gegen Flüchtlinge ist dabei ein wichtiger Teil ihrer Propaganda.
http://www.heise.de/tp/news/Italien-weiter-Torwaechter-von-Kerneuropa-2805219.html
Peter Nowak
Links:
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Italien vor faschistischen Angriffen bewahrt?
Angeblich hat eine neofaschistische Gruppe Anschläge gemäß einer Strategie der Spannung geplant
Nach Berichten zahlreicher italienischer Medien[1] verhinderte eine Spezialeinheit der italienischen Polizei in letzter Minute eine massive Anschlagswelle faschistischer Kräfte. Bei einer landesweiten Razzia wurden 50 Gebäude durchsucht, 14 als Rädelsführer bezeichnete Personen verhaftet und gegen 44 weitere Ermittlungen eingeleitet. Durch abgehörte Telefonate sei die Polizei zu dem Schluss gekommen, dass die Neofaschisten während der Weihnachtstage mit ihren Aktionen beginnen wollten und hat daher mit der Razzia womöglich ein größeres Blutbad verhindert.
Die rechte Gruppe Avanguardia Ordinovista (Avantgarde der neuen Ordnung) habe zeitgleich mehrere Politiker und hohe Justizbeamte ermorden wollen. Zudem waren Attentate gegen Bahnhöfe, Banken, Polizeistationen, Präfekturen und Dienstgebäude der Steuereinzugsbehörde Equitalia geplant. Mit diesen Aktionen sollte eine Strategie der Spannung erzeugt werden. In der Öffentlichkeit sollten die Rufe nach einer neuen Ordnung laut werden.
Die Neofaschisten sollen die Gründung einer Partei geplant haben, die diese Forderungen aufnehmen und durch Wahlen an die Macht kommen wollte, wo sie dann eine neue faschistische Ordnung aufbauen wollte. Sollte diese langfristige Strategie wirklich das erklärte Ziel gewesen sein, dann würde das eine strategisch arbeitende Gruppierung voraussetzen.
Noch viele Fragen offen
Noch ist unklar, ob es sich bei diesen Plänen um die Wunschphantasien einer kleinen Gruppierung handelte oder ob sie personell und logistisch in der Lage gewesen wäre, diese Ziele zumindest teilweise umzusetzen. Die Fragen stellen sich auch zu den geplanten Anschlägen. Wie weit waren die konkreten Vorbereitungen tatsächlich gediehen? Welche Rolle spielten bei den Plänen die in die Gruppe eingeschleusten Polizeiagenten, wird auch eine weitere wichtige Frage sein. Eine Klärung ist schon deshalb wichtig, um realistisch einschätzen zu können, welche reale Gefahr diese faschistische Gruppierung darstellte und um Verschwörungstheorien vorzubeugen, nach der die gesamte Aktion ein Manöver in- oder ausländischer Geheimdienste war.
Doch die aufgeflogene Gruppe zeigt auf jeden Fall, dass es auch in Italien weiterhin einen faschistischen Untergrund gibt, der vor terroristischen Methoden nicht zurückstreckt.
Erinnerung an die 70er Jahre
Erst Anfang Dezember war in Rom eine rechte Gruppierung mit Mafiakontakten nach längeren Ermittlungen ausgehoben[2] worden. Unter den dabei Festgenommenen befindet sich mit Massimo Carminati[3] eine wichtige Figur der faschistischen Terrornetzwerkes der 70er Jahre. Sozialisiert in der neofaschistischen MSI setzte er bald auf Gruppen, die nach dem Vorbild von Mussolini die Macht im Staat erobern wollten.
Carminati war in der faschistischen Nuclei Armati Rivoluzionari[4] aktiv und galt als Verbindungsmann zur Mafia. Nach seiner Verurteilung zu einer längeren Haftstrafe tauchte er unter und kehrte erst einige Jahre später wieder nach Rom zurück. Dort regierte damals Gianni Alemanno[5], ein alter Freund aus faschistischen Jugendzeiten als Bürgermeister.
Alemanno, der Teil von Berlusconis Rechtskoalition war, machte nie einen Hehl daraus, dass er weiter zu seiner Überzeugung aus den Jugendjahren steht. So förderte er in seiner Regierungszeit mit der Casa Pound[6] das Zentrum einer modernisierten extremen Rechten[7], die mittlerweile an Schulen und Universitäten Einfluss haben. Immer wieder gehen die Anhänger des Casa Pound und ihres Umfeldes gegen Roma vor. So verhinderten[8] sie mit einer Blockade, dass Romakinder eine öffentliche Schule besuchen konnten.
Mit dem Niedergang der Ära Berlusconi wurde auch Alemanno in Rom als Bürgermeister abgewählt. Seitdem taucht er auch wieder auf faschistischen Demonstrationen auf und wird von seinen rechten Freunden gebührend begrüßt.
Rechte suchen nach Ende von Berlusconi neue Perspektiven
Dass innerhalb weniger Woche gleich zwei rechte Gruppierungen in Italien aufgeflogen sind, ist auch eine Konsequenz des Endes der Berlusconi-Ära. Die Faschisten können nicht mehr damit rechnen, dass ihr Treiben ignoriert wird. Zudem scheinen sich einige Gruppen nach dem Ende der Berlusconi-Ära wieder mehr auf die Untergrundmethoden der 70er Jahre zu besinnen. Schließlich muss für die rechten Strategen klar geworden sein, dass sie bis 2011 Teil des von Berlusconi geschaffenen Machtblockes waren, der Italien innen- und wirtschaftspolitisch stark geprägt hat.
Doch einen längerfristigen Machterhalt konnte die Rechte nicht erreichen. Pläne eines Staatsumbaus, wie sie Berlusconi und seine ultrarechten Unterstützer vermehrt in der letzten Phase ihrer Regierung propagierten, konnten nicht umgesetzt werden. Daran ist der rechte Herrschaftsblock mit dem Abgang von Berlusconi zerbrochen. Während die Lega Nord[9] nun offen den Front National aus Frankreich kopiert, mit dem sie im Europaparlament kooperiert, und auch in Italien eine starke Rechtspartei anstrebt, scheinen andere Rechte zur terroristischen Strategie der späten 60er und frühen 70er Jahre zurückzukehren.
Da trifft es sich gut, dass der Hamburger Laika-Verlag in wenigen Wochen ein Filmbuch zu den Ereignissen in Italien mit bisher in deutscher Sprache selten zugänglichen Filmen herausgibt. Der erste Band unter dem Titel „Verdeckter Bürgerkrieg und Klassenkampf in Italien“[10] behandelt die 60er Jahre und ist bereits erschienen. Herzstück des zweiten Bandes ist der Film „12. Dezember“[11], den Pier Paolo Pasolini gemeinsam mit der linken Gruppe Lotta Continua erstellt hat. Er thematisiert das faschistische Attentat vom 12.Dezember 1969 auf die Landwirtschaftsbank von Mailand, bei dem 17 Menschen getötet und 88 verletzt wurden.
Die Aktion wurde zunächst Anarchisten in die Schuhe geschoben. Als Giuseppe Pinelli[12], einer der verhafteten Anarchisten, bei einem Sturz aus dem 3. Stock des Mailänder Polizeipräsidiums starb und offiziell behauptet wurde, es sei ein Selbstmord und ein Schuldbekenntnis gewesen, wuchs die Empörung in großen Teilen der italienischen Öffentlichkeit. Der Film zeigt, wie in Italien der Schock nach dem Terroranschlag und der Repression der Wut und Empörung wich. Der Film „12. Dezember“ galt seit Jahren als verschollen. Nun hat der Laika-Verlag die einzige Kopie des Filmes gefunden, die 1972 auf der Berlinale gezeigt wurde. Einen Verleih hatte der Film nie gefunden[13]. Niemand konnte ahnen, dass er nun durch die Ereignisse in Italien nicht nur von dokumentarischem Wert ist.
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43722/1.html
Peter Nowak
Anhang
Links
[1]
http://www.internazionale.it/notizie/2014/12/22/sette-cose-da-sapere-sull-inchiesta-sul-gruppo-neofascista-avanguardia-
[2]
http://www.sueddeutsche.de/politik/rom-versunken-im-mafia-sumpf-1.225725
[3]
http://espresso.repubblica.it/attualita/2014/12/23/news/gianni-letta-e-la-rete-di-massimo-carminati-1.193106
[4]
http://www.repubblica.it/2007/04/sezioni/cronaca/strage-bologna-ciavardini/strage-bologna-ciavardini/strage-bologna-ciavardini.html
[5]
http://duepuntozero.alemanno.it/
[6]
http://www.casapounditalia.org/
[7]
http://www.unrast-verlag.de/gesamtprogramm/allgemeines-programm/antifaschismus/casa-pound-italia-detail
[8]
http://roma.repubblica.it/cronaca/2014/11/28/news/roma_casapound_davanti_ad_alcuni_licei_stop_alle_violenze_dei_rom-101649932/).
[9]
http://www.leganord.org/
[10]
http://www.laika-verlag.de/bibliothek/verdeckter-b%C3%BCrgerkrieg-und-klassenkampf-italien-band-i
[11]
http://www.laika-verlag.de/termine/pier-paolo-pasolini-retrospektive-im-metropolis-kino/
[12]
http://www.uonna.it/caduta.htm
[13]
http://www.deutschlandradiokultur.de/riskantes-projekt-verschollene-filmkopie.1013.de.html?dram:article_id=287475