Nie mehr Überwachung durch die USA

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück zieht die nationale Karte und beruft sich auf Schröder

Eben wurde im Magazin Focus die SPD als die große Niete in den Umfragen hingestellt [1]. Doch jetzt kommen für die Opposition erfreulichere Signale. Die Wahl sei noch lange nicht entschieden und der Vorsprung der Regierungskoalition schmelze [2]. Schon wird die Frage gestellt, ob der NSA-Abhörskandal die Wahlen entscheidet.

SPD-Kandidat Steinbrück, der sich schon immer politisch Gerhard Schröder sehr verbunden gefühlt, hat in den letzten Tagen gleich mehrfach den Ex-Kanzler als Vorbild genannt. Der habe gezeigt, dass man bei Wahlen aus einer aussichtslosen Position heraus aufholen kann. Er verweist dabei auf die Wahlen von 2005, die Schröder knapper als ursprünglich prognostiziert verloren hat. Schließlich wurde damals Schwarz-Gelb verhindert und die SPD trat in eine große Koalition ein. Eine solche Konstellation könnte sich auch bei den nächsten Bundestagswahlen wiederholen. Steinbrück hat allerdings bereits erklärt, dass er dann kein Ministeramt übernehmen würde.

Ein neuer deutscher Weg?

Doch Steinbrücks demonstrativer Bezug auf Schröder hat in diesen Tagen auch eine weitere Komponente. Wie der Ex-Kanzler im Konflikt mit dem Irak den deutschen Weg beschwor, spielt auch der Kanzlerkandidat in den letzten Tagen die nationale Karte:

„Frau Merkel hat als Kanzlerin den Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Jetzt kommt heraus, dass Grundrechte der deutschen Bürger massiv verletzt wurden. Also: Schaden vom Volke abzuwenden – das stelle ich mir anders vor. Jeden Monat wurden 500 Millionen persönliche Verbindungsdaten von uns abgesaugt.“

Auch die Grünen monieren, dass die Merkel die Totalüberwachung durch die USA ignoriere [3]. Solche Töne könnten in der Bevölkerung auf offene Ohren treffen. Schließlich wurde der NSA-Skandal überwiegend als Anmaßung der USA gegenüber Deutschland interpretiert.

Gefragt wird dann nur, ob auch deutsche Behörden den US-Diensten Hilfe geleistet hätten. Sie werden als mögliche Kollaborateure der USA gerügt. Hier schimmert wieder jenes Bild von Deutschland durch, das bereits in der Friedens- und Alternativbewegung der 1980er Jahre des letzten Jahrhunderts vorherrschend war. Auch dort kam (West)-Deutschland in der Regel als Kolonie der USA vor. Dass das Land eigene Interessen hatte, die es vor 1989 im Bündnis mit den USA umsetzten wollte, kam selten zu Sprache. In den letzten 20 Jahren hat Deutschland diese Interessen oft auch ohne und gegen die USA umzusetzen versucht. Daher ist es umso erstaunlicher, wenn nun die alte Platte wiederaufgelegt wird.

Die volle Souveränität ohne Vorbehalte

So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Rahmen der NSA-Debatte erneut eine Diskussion um Deutschlands Souveränität begonnen hat und man daran Anstoß nimmt, dass es noch einige alliierte Vorbehalte gibt. In der FAZ wird gefordert [4]:

„In jedem Fall ist es höchste Zeit, dass das seit zwanzig Jahren nach offiziellem alliiertem Willen souveräne Deutschland darauf dringt, solche skandalösen Vorbehalte zu beseitigen. Das soll jetzt offenbar auch nach dem Willen der Amerikaner geschehen. Dann sollte man aber mit der Charta der Vereinten Nationen beginnen, nach der Deutschland noch heute als Feindstaat gilt.“

So wird die aktuelle Debatte genutzt, um auch die letzten Erinnerungen an eine Zeit zu tilgen, wo Deutschlands Souveränität in der Tat und begründet eingeschränkt war. Der Grund wird allerdings kaum noch genannt. Es war das völkermörderische NS-System.

Wie Josef Foschepoth in seiner in diesen Tagen vielzitierten Forschungsarbeit Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik [5] detailliert nachweist, dienten die ersten Überwachungsmethoden der Unterbindung weiterer nationalsozialistischen Aktivitäten. Doch so häufig in diesen Tagen, die in dem Buch dokumentierten Bestimmungen der Alliierten zitiert werden, so konsequent wird meist darüber hinweggesehen, dass in dem Buch auch detailliert beschrieben wird, wie westdeutsche Behörden die Überwachung gegen die DDR und angeblichen Unterstützer in Westdeutschland flächendeckend durchführten.

Während so viel über deutsche Souveränität geredet wird, die manchen noch immer nicht vollständig genug ist, wird unterschlagen, dass deutsche Behörden bereits in den 1950er Jahren sehr souverän die politische Opposition überwachten. Mittlerweile hat Überwachung und Kontrolle in Deutschland eine soziale Komponente.

So können Hartz IV-Bezieher, wenn sie verdächtigt werden, falsche Angaben gemacht zu haben oder anonym denunziert wurden, mit dem Einsatz von Sozialdetektiven rechnen, die auch in der Nachbarschaft Erkundigungen einziehen können. Doch darüber wird zurzeit nicht gesprochen, so dass man den Verdacht nicht los wird, dass es weniger um die Kritik an der Überwachung geht, sondern daran, dass fremde Mächte wie die USA es wagen, deutsche Bürger zu überwachen. Dass diese Entscheidung nach den islamistischen Anschlägen vom 11.9.2001 aus der Sicht der US-Behörden eine gewisse Plausibilität hat, wird auch kaum erwähnt. Schließlich hielten sich einige der an den Anschlägen beteiligten in Hamburg auf.

Nie wieder Überwachung durch die USA

Auf welchen Niveau die Diskussion nicht nur im Boulevard geführt wird, zeigt eine Spiegel-Kolumne [6] von Jakob Augstein mit der Überschrift: “Wir Untertanen“:

„Die Deutschen wollen im Überwachungsskandal endlich klare Worte von Angela Merkel. Aber die Kanzlerin schweigt. Wenn wir uns das gefallen lassen, haben wir aus zwei Diktaturen nichts gelernt.“

So wird der Widerstand gegen die NSA-Überwachung sogar noch zur antifaschistischen Aktion umgebogen. Lautete der Schwur von Buchenwald „Nieder wieder Faschismus“, so soll jetzt eine Lehre aus dem NS sein „Nie mehr Überwachung durch die USA sein.“

Peter Nowak 18.07.2013

Links

[1]

http://www.focus.de/magazin/kurzfassungen/focus-29-2013-gruene-beunruhigt-wegen-schlechter-umfragewerte-der-spd_aid_1042567.html

[2]

http://www.focus.de/politik/deutschland/bundestagswahl-2013/entscheidet-der-nsa-abhoerskandal-die-wahl-rot-gruen-zieht-an-vorsprung-von-schwarz-gelb-schmilzt_aid_1045024.html

[3]

http://www.gruene.de/themen/moderne-gesellschaft/merkel-ignoriert-total-ueberwachung-durch-die-nsa.html

[4]

http://www.faz.net/aktuell/politik/geheimdienste-wertegemeinschaft-12283119.html

[5]

http://www.v-r.de/de/title-0-0/ueberwachtes_deutschland-1007436/

[6]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augsteins-kolumne-zu-merkels-schweigen-im-nsa-skandal-a-909930.html

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154656

Peter Nowak

Zweifel am SPD-Kandidaten

Die große Mehrheit der SPD hat den Kandidaten gewählt, den sie wollte und verdient hat

Mit 93% wurde Peer Steinbrück in Hannover auf dem Sonderpartei der SPD zum Kanzlerkandidaten gewählt. Damit hat er nicht nur das Merkel-Ergebnis vor einigen Tagen auf dem CDU-Parteitag unterboten. Er lag unter der Marke von 95 Prozent, mit der der eher dröge Steinmeier vor vier Jahren zum SPD-Kandidaten gewählt wurde. Die SPD-Rhetorik von der nahezu geschlossenen Zustimmung der SPD zu Steinbrück kann so nicht verdecken, dass selbst auf dem Parteitag die Zweifel an der Fähigkeit Steinbrücks, Merkel wirklich besiegen zu können, nicht ausgeräumt sind.

Dabei hat der Rest derjenigen, die sich noch als SPD-Linke verstehen, schon vor Wochen erklärt, dass sie Steinbrück keine Steine mehr in den Weg legen wollen. Da mag das Kalkül eine Rolle gespielt haben, dass man Steinbrück zumindest los ist, wenn er die Wahl verliert. Erst dann könnte die Stunde für Politiker wie Hannelore Kraft und Manuela Schwesig schlagen, die jetzt noch in der zweiten Reihe bleiben. Sie werden keine grundlegend andere Politik machen, dagegen steht die Geschichte der Sozialdemokratie, die auch von Steinbrück in seiner Parteitagsrede wieder so ausgiebig beschworen wurde. Doch sie werden die Politik anders kommunizieren und sich dabei an Merkel ein Vorbild nehmen.

Kraft und Steinbrück

Man kann den Unterschied an der Art sehen, wie zur Zeit Hannelore Kraft Anliegen der Grünen in der Frage der Kohlekraftwerke und der Abholzung im Hambacher Forst übergeht, aber den Grünen nicht so deutlich das Gefühl gibt, dass sie überflüssig sind, wie es einst Peer Steinbrück als NRW-Ministerpräsident praktizierte. Der Unterschied bewirkte, dass man heute von den NRW-Grünen wenig hört, wenn ihre Anliegen missachtet werden. In der Steinbrück-Ära hingegen drohten sie mehrfach mit Koalitionsbruch.

Es könnte sogar sein, dass Hannelore Kraft ihre Art des Politmanagements schon in einer großen Koalition unter Merkel praktizieren kann. Schließlich hat Steinbrück mehrmals erklärt, dass er als Minister in einem Kabinett Merkel nicht zur Verfügung steht. Dieses Versprechen kann man ihm durchaus glauben. Schließlich ist es nicht nur seinem vielzitierten Ego geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass er auf seinen Vortragsreisen als Minister außer Dienst wesentlich mehr verdient als in einem Regierungsamt. Seine Zeit als Kanzlerkandidat könnte ihm sogar in dieser Rolle wieder populärer machen.

Dabei liegt Steinbrück natürlich weltweit im Trend. Vom britischen Ex-Premier Blair bis zum zweimaligen US-Präsidenten Clinton angefangen wächst die Reihe der Politiker, die schon deshalb ihre Karriere noch vor dem Eintritts ins Seniorenalter beenden, weil sie dann als Gastredner noch einmal viel mehr verdienen.

Freunde der rotgrünen Koalition bei der Taz haben wenige Tage vor dem SPD-Parteitag noch einmal Alarm geschlagen und den SPD-Delegierten vor Augen geführt, dass die Partei mit Steinbrück nicht gewinnen kann.

„Steinbrück hat auf keinem einzigen Feld, das für die ehedem stolze Arbeiterpartei wichtig war, etwas zu bieten. Selbst in puncto sozialer Gerechtigkeit geben die Befragten der Kanzlerin mittlerweile höhere Glaubwürdigkeitswerte. Und das hat nicht in erster Linie etwas mit der Höhe seiner Vortragshonorare zu tun. Immer wieder ist der Hartz-IV-Befürworter der ersten Stunde mit markigen Sprüchen gegen Sozialleistungsempfänger aufgefallen. Auch Frauen mögen ihn grundsätzlich nicht“, schreibt die Taz-Chefredakteurin Ines Pohl und vergisst, dass nicht nur Steinbrück, sondern die große Mehrheit der SPD Hartz IV nicht nur befürwortet, sondern vorangetrieben hat.

Deswegen haben die meisten Delegierten diesen Ratschlag in den Wind geschlagen und Steinbrück gewählt. Wenn nun behauptet wird, dass er nicht glaubhaft einen Wahlkampf mit dem Thema Gerechtigkeit führen kann, muss man fragen, wieso die SPD mit einem anderen Kandidaten das glaubwürdiger könnte. Insofern passen Partei und Kandidaten gut zusammen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153334
Peter Nowak

Steinbrück wegen Nebeneinkünfte in der Kritik

In der SPD werden Forderungen nach Offenlegung der Honorare für Vorträge laut

Schon wenige Tage nach seiner Nominierung steht der designierte SPD-Kanzlerkandidat in der Kritik. Es geht um die Offenlegung seiner Nebeneinkünfte. Dass diese Forderung aus den Reihen des CSU-Vorsitzenden Seehofer kommt, ist nicht weiter verwunderlich und gehört nun mal zum Wahlkampf. Gravierender für Steinbrück ist die Tatsache, dass ähnliche Forderungen nach Transparenz auch aus den eigenen Reihen kommen.

So forderte der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels Klaus Barthel Steinbrück auf, seine kompletten Nebeneinkünfte und die Steuererklärung öffentlich zu machen. Eine solche Forderung aus den eigenen Reihen kann getrost als Misstrauenserklärung verstanden werden. Denn, wenn die SPD auch fast alle sozialdemokratischen Grundsätze über Bord geworfen hat, so hat sie doch den Moralismus beibehalten, der es dem Spitzenpersonal schwer macht, dicke Autos zu fahren und mit ihren hohen Eingaben allzu offen zu protzen. So etwas ist in den SPD-Ortsvereinen verpönter als die Durchsetzung einer neuen Agenda 2010.

Steinbrück muss also aufpassen, dass er die vielzitierte Parteiseele nicht zu stark strapaziert. Dabei wird er von der konservativen FAZ bestärkt, den Forderungen aus der eigenen Partei nicht nachzugeben und dem linken Flügel zu zeigen, wie viel Beinfreiheit er unter einem Kandidaten Steinbrück noch hat.

„Der linke Flügel zeigt dem Ungeliebten gleich zu Beginn seiner Kandidatur, dass er keine Schonung zu erwarten hat, jedenfalls nicht aus den eigenen Reihen. Der Angegriffene kontert, er habe seine Anzeigepflichten, denen er als Abgeordneter unterliegt, erfüllt. Mehr musste und sollte er auch nicht preisgeben“, heißt es dort. Doch politisch wird er schon, wenn nicht seiner Partei, dann doch den potentiellen Wählern, erklären müssen, warum er bei der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer einen Vortrag gehalten und dafür mindestens 7000 Euro erhalten hat. Die Kanzlei war auch am Bankenrettungsgesetz beteiligt, das Steinbrück als Bundesfinanzminister zu verantworten hatte.

Für den Ko-Vorsitzenden der Linkspartei, Bernd Riexinger, verwischen sich die Grenzen zwischen Staat und Banken auf gefährliche Weise, wenn ein Minister hochdotierte Reden bei der Kanzlei hält, mit der auch als Minister zu tun hatte.

Sind die Nebeneinkünfte wirklich nur Privatsache?

Bisher kann sich Steinbrück darauf berufen, dass seine Nebeneinkünfte aus Reden und aus Einnahmen von Buchveröffentlichungen und Aufsichtsratsmandaten juristisch wahrscheinlich nicht zu beanstanden sind. Es ist auch schon länger bekannt, dass Steinbrück zu den Rekordhaltern bei den parlamentarischen Nebenverdienern gehört. Er hat sich aber bisher auf den Standpunkt gestellt, dass die Einkünfte seine Privatsache sind. Daher hat er sich bisher auch geweigert, die genaue Höhe seiner Nebeneinkünfte anzugeben.

Auch die Frage, ob er Teile seiner Nebeneinkünfte gespendet hat, wollte er nicht beantworten. Ob er diese Linie durchhalten kann, nachdem selbst in der eigenen Partei schon Kritik laut wurde, ist fraglich. Allerdings wird auch die SPD-Basis genau überlegen, wie weit sie mit ihrer Kritik an Steinbrücks Nebeneinkünften gehen will. Schließlich könnte es sich der Kandidat noch einmal überlegen und die SPD düpieren. Scheint doch die Kandidatur finanziell für Steinbrück ein Verlustgeschäft zu sein, zumindest wenn er sich an die Zusicherung hält, künftig keine bezahlte Redeaufträge mehr anzunehmen.

Doch bieten sich auch andere Angriffspunkte für Kritiker. Schon vor seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten gab es Kritik an seinen Bemühungen als Finanzminister, Sponsoren für eine Schachweltmeisterschaft zu werben, die dazu führten, dass er den Werbebrief ins Netz stellte.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152908
Peter Nowak

Kann Steinbrück Merkel schlagen und ihre Politik fortsetzen?

Mit der einstimmigen Nominierung von Peer Steinbrück macht die SPD deutlich, dass sie gerne den Kanzler stellen, aber nichts ändern will

Kaum hatte der SPD-Vorstand Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten nominiert, prangt auf der SPD-Homepage schon die neue Parole „Peer Steinbrück soll Kanzler werden“. Dass die Nominierung offiziell erst auf dem SPD-Parteitag im Dezember erfolgt, wird einfach unterschlagen. Vergessen sind alle Beteuerungen, dass es für solche Parolen ein Jahr vor den Wahlen viel zu früh ist. So lautete die offizielle Sprachregelung aus der SPD-Führung bis vor einigen Tagen. Da lautete der offizielle Zeitplan aber auch noch, der Kandidat werde erst nach den Landtagswahlen im Frühjahr nächsten Jahres nominiert.

Dass sich dieser Zeitplan nicht einhalten lassen würde, war längst klar. Dass dann allerdings die Nominierung so rasch erfolgte, zeigt wie stark die SPD angesichts der unverändert guten Zustimmungswerte für Merkel unter Druck geraten war. Wenn zumindest die Möglichkeit eines SPD-Kanzlers glaubwürdig aufrecht erhalten werden soll, musste die SPD nun handeln. Da war auch klar, dass Steinbrück der Gewinner war. Denn eigentlich hat die SPD nur eine Chance auf das Kanzleramt, wenn eine Koalition zwischen Grünen und FDP zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen wird. In den letzten Tagen haben FDP-Politiker aus der zweiten Reihe diese Variante in die Diskussion gebracht, vor allem um der Union, die sich schon längst auf eine große Koalition einstellt, deutlich zu machen, dass sie auch eine andere Regierungsvariante anvisieren kann.

Die Ampelkoalition überhaupt in die Diskussion gebracht zu haben, bringt der FDP auch in aktuellen Koalitionsauseinandersetzungen Punkte. Die Partei macht damit deutlich, dass mit ihr zu rechnen ist. Allerdings wird diese Variante bis zum Wahltag so vage bleiben, wie sie es jetzt ist. Außerdem werden alle Beteiligten, nicht zuletzt die FDP, nicht müde werden, eine solche Variante konsequent zu dementieren. Auch die Grünen und die SPD werden möglichst vermeiden wollen, auf Wählerfragen zu antworten, wie sie einen fairen Kapitalismus und eine Bändigung der Finanzmärkte, wie es im Steinbrück-Sprech heißt, mit der FDP durchsetzen wollen.

1,80 Meter Beinfreiheit für ein Bündnis mit der FDP?

Wenn es nach der Bundestagswahl nur eine SPD-Kanzlerschaft mit Hilfe der FDP geben kann, ist schon jetzt absehbar, dass die SPD ein solches Bündnis mittragen wird. Schließlich wird dort nicht von ungefähr ein Helmut Schmidt besonders verehrt, der immer im Bündnis mit der FDP regiert hat. Schmidt war auch einer der ersten Sozialdemokraten, der Steinbrück als Kanzlerkandidat ins Gespräch brachte. Damals gab es noch heftigen Widerspruch von der sogenannten SPD-Linken. Als vor einigen Tagen dann bekannt wurde, dass Schmidts Wunschkandidat das Rennen macht, gab es noch ein leichtes Grummeln vom SPD-Linken Stegner.

Dass Steinbrück nun vom SPD-Präsidium einstimmig nominiert wurde, zeigt nur, dass sich die SPD-Linke wie immer klaglos der Parteiraison unterordnete. Sie wird auch so handeln, wenn Steinbrück der Partei den Preis präsentiert, den die FDP für eine Koalition mit der SPD verlangen würde. Dass ist die schon berühmte Beinfreiheit von 1,80 Meter, die Steinbrück sofort für sich einforderte, wenn er die Kandidatenrolle spielt. Damit knüpft er auch nahtlos an Helmut Schmidt an, der soviel Beinfreiheit beanspruchte, dass er gegen den Willen von immer mehr Sozialdemokraten die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Mitteleuropa durchsetzte. Die Union musste die Stationierung dann nach 1982 nur noch technisch umsetzen.

Da es anders als zu Schmidt-Zeiten wohl kaum zu einem SPD-FDP-Bündnis reichen würde, bleiben die Grünen die großen Unbekannten. Da dürfte es noch einige Verrenkungen der grünen Seele geben, aber die Trittins, Roths und Künasts dieser Republik werden mit viel Verve auch ein Bündnis mit der FDP verteidigen, wenn es die einzige Möglichkeiten dieser grünen Gründerkoalition ist, doch noch Ministerämter zu erlangen. Denn die vierzigjährigen Parteifreunde stehen schon in den Staatlöchern und wollen die Gründer auf das Altenteil verbannen.

Kann die Linkspartei von Steinbrück profitieren?

Daher ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die SPD unter Steinbrück Merkel schlagen kann, um deren Politik fast unverändert fortzusetzen. Wo es jetzt heißt, Merkel gelingt es auch sozialdemokratische Elemente in ihr Politikkonzept zu integrieren, so würde man Steinbrück nachsagen, er kann auch christdemokratische Elemente mit berücksichtigen. Der hat schon erklärt, er wolle von der SPD enttäuschte bürgerliche Wähler ansprechen.

Das geht natürlich nur, wenn man ziemlich nahtlos an deren Vorstellungen anknüpft. Einen Gewinner der Nominierung Steinbrücks gibt es schon: die Linkspartei. Die hat sich nach ihrem letzten Parteitag mit dem Gewerkschaftler Bernd Riexinger und der Exponentin der Emanzipatorischen Linken Katja Kipping aus der Skandalberichterstattung gebracht. Wenn nun manche ostdeutsche Landespolitiker befürchten, der Partei könnte der Mief der PDS- und DDR-Vergangenheit abhanden kommen, kann das für eine neue sozialdemokratische Partei auch als Kompliment gelesen werden.

Ein Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der ein Bündnis mit der FDP zumindest nicht ausschließt, verschafft der Linken wohl mehr als 1,80 Meter Beinfreiheit, um sich eigenständig zu profilieren. Wenn sie sich nicht ganz dumm anstellt und bei der SPD als Juniorpartner anbiedert, könnte ihr das ein passables Wahlergebnis garantieren.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152892
Peter Nowak