Die TU Berlin stellt sich endlich ihrer NS-Vergangenheit
»Universitäten oder Hochschulen besinnen sich meist dann auf ihre Geschichte, wenn ihnen ein Jubiläum ins Haus steht«, konstatierte Carina Baganz. Im Lichthof der Technischen Universität Berlin stellte sie ihr Buch ihr Buch „ Diskriminierung, Ausgrenzung, Vertreibung“ – die Technische Hochschule Berlin während des Nationalsozialismus“ vor. Die am Zentrum für Antisemitismusforschung arbeitende Historikerin versteht ihre Publikation als Beitrag, im „Dritten Reich“ begangenes Unrecht wiedergutzumachen und die Erinnerung an die Einst betroffenen wachzuhalten.
Warum erst sieben Jahrzehnte vergehen mussten, ehe die Hochschule sich ernsthaft mit ihrer NS-Vergangenheit auseinandersetzt, wäre selbst der Nachforschung wert. Tatsächlich hatte Studierenden in den 50er und frühen 60er Jahren nicht selten mit Strafverfahren zu rechnen, wenn sie die NS-Geschichte ihrer Hochschule erforschen wollten und dabei die Namen mancher noch lehrender Professoren entdecktem. Erst nachdem fast alle pensioniert waren, setzte die zaghafte Beschäftigung mit der braunen Geschichte ein. In der TU Berlin wurde 1979 eine Festschrift mit dem Titel Wissenschaft und Gesellschaft herausgegeben, das sich erstmals ausführlicher mit der Hochschule im Nationalsozialismus befasste. In drei Jahren steht mit dem 70ten Jahrestag der TU-Gründung ein neues Jubiläum an. Eine gute Zeit also für eine Publikation, die den bisher umfassendsten Überblick über das Ausmaß der Vertreibungen, Diskriminierung und Ausgrenzung von Wissenschaftlern und Studierenden gibt. Der Grundstein wurde bereits vor 1933 gelegt. Der Rektor der TH Berlin in der Zeit von 1938 bis 1942 Ernst Stein erklärte am Ende seiner Amtszeit stolz , dass die TH Berlin schon vor 1933 „als eine Hochburg des Nationalsozialismus unter den deutschen Hochschulen“ galt. Sowohl unter den Studierenden als auch bei einem Teil der Wissenschaftler hatten sich völkisches Gedankengut und Antisemitismus schon längst etabliert. So war der Widerstand auch gering, als oft langjährige Wissenschaftler die Hochschule verlassen und oft auch ihre akademischen Titel zurückgeben mussten, weil sie Juden waren. Einige der Betroffenen verwiesen auf ihre patriotische Gesinnung und ihrer Verdienste im ersten Weltkrieg, was ihnen allerdings nur kurzzeitig das Amt rettete. Andere wie der aus Ungarn stammende Bauingenieur Nikolaus Kelen reagierten auf seine Beurlaubung mit der Erklärung, dass er sich nicht mehr als Angehöriger der TU Berlin betrachte. Für andere Wissenschaftler brach mit ihrer Relegierung eine Welt zusammen. Mehrere der Entlassenen verübten Selbstmord, andere emigrierten. Viele wurden später in den Konzentrations- und Vernichtungslagern ermordet.