Malte Meyer, Autor, im Gespräch über das Verhältnis von Gewerkschaften zum Militär in Deutschland
In seinem Buch »Lieber tot als rot« dekonstruiert Malte Mayer den Mythos, Gewerkschaften seien Teil der Friedensbewegung gewesen. Ein Gespräch
Malte Meyer studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Marburg und stieg über die dortige „Arbeitsgemeinschaft für gewerkschaftliche Fragen“ in die Bildungsarbeit ein. Im Verlag Edition Assemblage veröffentlichte er kürzlich sein Buch „Lieber tot als rot. Gewerkschaften und Militär in Deutschland seit 1914“ „»Alles andere als Wehrkraftzersetzung«“ weiterlesen
Die Kooperation der Friedensbewegung mit den Montagsmahnwachen sorgt für Kritik
Am letzten Wochenende traf sich in Bonn die Kooperation für den Frieden [1]. Der Zusammenschluss von 60 Initiativen und Organisationen aus der Friedensbewegung diskutierte auch über eine Frage, die unter den Friedensfreunden aus der ganzen Republik seit Wochen für Unfrieden sorgt: Es geht um die Kooperation mit den Montagsmahnwachen [2], die sich im Frühjahr 2014 gegründet haben.
In zahlreichen Städten waren bisher völlig unpolitische Menschen, darunter viele Jugendliche, aber auch Esoteriker und Verschwörungstheoretiker [3] für den Weltfrieden und gegen die US-Bank FED auf die Straße gegangen. Auch Rechtspopulisten unterschiedlicher Couleur [4] waren an den Montagsmahnwachen, die immer betonten, weder rechts noch links zu sein, vertreten [5].
Noch im Mai waren viele Gruppen und Aktivisten der Friedensbewegung auf Distanz zu diesen Mahnwachen gegangen. Für den Sprecher des bundesweiten Friedensratschlags [6], Peter Strutinsky [7], sind sie eine von organisierten Rechten ins Leben gerufene Bewegung. Die Friedensbewegung solle eigene Veranstaltungen organisieren, anstatt den strukturellen Montagsmahnwachen auf den Leim zu gehen, empfahl Strutinsky.
Abgrenzung nach rechts nur Lippenbekenntnisse?
Das war auch noch vor einigen Monaten der Tenor zahlreicher weiterer Aufrufe aus der Friedensbewegung. Man wolle mit den jungen anpolitisierten Teilnehmern der Mahnwachen ins Gespräch kommen, distanziere sich aber ganz klar von deren verschwörungstheoretischen und teilweise antisemitischen Ansätzen, wurde betont.
Auch der seit mehr als 30 Jahren in der Friedensbewegung aktive Reiner Braun [8] nannte die Montagsmahnwachen damals dubios. Dass er mittlerweile bei den Gescholtenen als Redner aufgetreten ist, begründet Braun mit Differenzierungen in deren Lager. Die klar formulierte Ablehnung von Rechtsradikalismus und Antisemitismus unter anderem durch die Erklärung von Weitersroda [9] und ein gemeinsames Treffen in Zeitz habe ihm die Kooperation erleichtert.
„Ich sehe da vor allem junge Leute, die nach Alternativen suchen, für die Gesellschaft, aber auch für sich selbst“, erklärt Braun gegenüber Telepolis. Er betont allerdings auch, die anfänglich scharfe Kritik an den Montagsmahnwachen sei richtig gewesen und habe erst zur Differenzierung in dem Lager beitragen.
Andreas Grünwaldt vom Hamburger Forum für Frieden und Völkerverständigung [10] hingegen bezeichnete die Kritik an den Montagsmahnwachen in einem Interview [11] „als richtige Hetze“. Er sprach sich von Anfang an für eine enge Kooperation aus. Doch andere Mitglieder und Kooperationspartner der Friedensbewegung sind mit der neuen Offenheit gegenüber den Mahnwachen nicht einverstanden. Denn sie sind nicht davon überzeugt, dass es sich bei deren Abgrenzung der Mahnwachen nach rechts um mehr als Lippenbekenntnisse handelt.
“ Wir legen Wert darauf, nicht als Partner der Mahnwachenbewegung genannt zu werden. Wir mögen es auch nicht, wenn auf Kundgebungen der Montagsmahnwachen verkündet wird: ‚Wir bringen die Grüße der Bündnisse, in der die VVN-BdA mitwirkt'“, erklärte der Bundessprecher der VVN-BdA [12] gegenüber Telepolis. Die Organisation, in der alte und junge Antifaschisten zusammenarbeiten, gehörte seit Jahren zu den Kooperationspartnern der Friedensbewegung.
Laura von Wimmersperg und Jutta Kausch von der Berliner Friedenskoordination [13] können diese kritische Stimmen verstehen. Gegenüber Telepolis betonen sie:
Die Friedensbewegung war und ist weltanschaulich nicht homogen. Aber alles, was die Voraussetzung zur Erlangung und Durchsetzung der Forderung „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“ behindert, setzt eine Grenze im Zusammengehen.
Die Koordinatorin des Jugendportals En Paz [14], das sich um Friedensbildung junger Menschen widmet, Jenny Becker, steht den Montagsmahnwachen noch abwartend gegenüber. Ihnen sei es aber mit dem „diffusen Protest“ gelungen, auch junge Menschen anzusprechen, die die klassische Friedensbewegung als verstaubt und altmodisch ansieht.
Wie weit geht die Kooperation im „Friedenswinter“?
Unter dem Label Friedenswinter 2014/15 [15] planen Friedensbewegung und Montagsmahnwachen in den nächsten Wochen gemeinsame Aktionen. Der Aufruf [16] liest sich so, als hänge es vor allem vom Verhalten der Individuen ab, ob es Krieg und Gewalt gibt oder nicht. Gesellschaftliche Verhältnisse kommen dort kaum vor.
Doch ob er zur friedlichen Kooperation in der Bewegung beiträgt, ist fraglich. Neben der VVN-BdA sind auch andere langjährige Partner der Friedensbewegung auf Distanz gegangen und warnen vor einem Rechtsruck in der Friedensbewegung. Allerdings wäre es ein Missverständnis, die deutsche Friedensbewegung pauschal in die linke Ecke zu stellen.
In ihr waren immer auch Konservative und Nationalisten aktiv, die Deutschland blockfrei halten wollten. Auch Alfred Mechtersheimer [17] konnte als Nationalpazifist in der damaligen Friedensbewegung kurzzeitig Karriere machen, bevor er sich dann ganz der rechten Szene verschrieb. Ideologisch musste er sich nicht viel ändern.
Die sogenannten Montagsmahnwachen haben in der traditionellen Friedensbewegung für Verstimmung gesorgt. Bei einer Konferenz in Hannover schien das keine Rolle mehr zu spielen.
»Viele Menschen wollen gegen Kriege aktiv werden«, erklärte Susanne Grabenhorst kürzlich in einem Interview mit dem Neuen Deutschland. Die Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte zur Verhinderung des Atomkriegs (IPPNW) war Mitorganisatorin einer Aktionskonferenz der Friedensbewegung in Deutschland, die am zweiten Oktoberwochenende in Hannover tagte. Doch die Proteste, auf die man sich dort geeinigt hat, hören sich eher bescheiden an. Im Rahmen einer dezentralen Aktionswoche, die vom 9. bis zum 14. Dezember stattfinden soll, sind Demonstrationen in Berlin, Hamburg, München, Leipzig und Düsseldorf geplant. Der Charakter der Aktionen dürfte traditionell ausfallen und im Flaggezeigen bestehen. »Der Tag der Menschenrechte am 10. Dezember soll ein ›Friedensfahnentag‹ werden, an dem ›Peace-Fahnen‹ in den Regenbogenfarben und andere Friedensfahnen das Bild prägen«, konkretisiert Grabenhorst, wie eine solche dezentrale Aktion aussehen soll.
Über Kontroversen auf der Konferenz erfährt man in ihrem Interview hingegen nichts. Dabei müsste es genügend Anlass für Streit gegeben haben. Interessant wäre zu erfahren, wie die versammelten Friedensfreunde den Ukraine-Konflikt beurteilt haben. Es wäre beunruhigend, wenn es bei diesem Thema auf der Konferenz nicht zu Kontroversen gekommen wäre. Schließlich wird zurzeit darüber in Internetforen und in Medien verschiedener linker Spektren heftig gestritten. Der Sozialwissenschaftler Mathias Wörsching wurde bereits angegriffen, weil er in einem Debattenbeitrag für das Magazin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) vor » linken Illusionen über den Putinschen Bonapartismus« gewarnt und sich für einen »Antimilitarismus auf der Höhe der Zeit« ausgesprochen hatte. »Der Platz antifaschistisch und antimilitaristisch denkender Menschen ist nicht an der Seite Russlands, der USA oder eines anderen geopolitischen Spielers und auch nicht an der Seite ukrainischer oder russischer Nationalisten. Unser Platz ist bei den linken und antifaschistischen Bewegungen in der Ukraine und Russland, so sehr diese auch an den Rand gedrängt sein mögen«, bezieht Wörsching eine Position, die sich inhaltlich von einer bestimmten Fraktion der Friedensfreunde abgrenzt. Es geht um die Montagsmahnwachen für den Frieden und gegen die Fed, die über Monate neben naiv unpolitischen Menschen auch Verschwörungstheoretiker jeglicher Couleur angezogen haben.
Noch im Frühsommer gingen Vertreter der traditionellen Friedensbewegung wie Peter Strutynski auf Distanz zu diesen Mahnwachen. Dafür wurden sie auf den Webseiten der Initiatoren in typisch neurechter Diktion als Hetzer beschimpft, die »Informationsjauche« ausschütten würden. Mittlerweile scheint die antifaschistische Firewall nicht mehr zu funktionieren. »Es waren Protagonisten der Mahnwachen aus etlichen Städten dabei, darunter Dortmund, Berlin, Düsseldorf, München, Hamburg. Dass die Mahnwachen ein gleichberechtigter Teil der Friedensbewegung sind, war so klar, dass darüber nicht mehr diskutiert wurde«, sagte Andreas Grünwald vom Hamburger Forum für Frieden und Völkerverständigung über die Konferenz in Hannover.
Die Kritik an den rechten und verschwörungstheoretischen Inhalten der Friedenswachen bezeichnet Grünwald »teilweise als richtige Hetze« und übernimmt sogar die Wortwahl der Angriffe von Protagonisten der Montagsmahnwachen, die sich gegen Strutynski und andere Kritiker aus den Reihen der Friedensbewegung gerichtet hatten. Dennoch lobte Grünwald »die sachliche und respektvolle Debatte in Hannover«. Für den Hamburger ist klar, dass die Friedensbewegung »viele Schichten bis in das konservative Milieu« erreichen müsse und sich nicht als ausschließlich linke Bewegung verstehen dürfe. Das war die deutsche Friedensbewegung ohnehin nie. Linke Kritiker wie der Publizist Wolfgang Pohrt klassifizierten sie Ende der achtziger Jahre als »deutschnationale Erweckungsbewegung«, die Massen als potentielle Opfer der Großmächte halluzinierte. Derzeit muss man die Frage stellen, ob eine Friedensbewegung, wie sie Grünwald vorschwebt, überhaupt noch eine Plattform für Linke sein kann. Schließlich gibt es schon längst Alternativen.
Seit einiger Zeit hat sich eine neue Antimilitarismusbewegung herausgebildet, die sich in Wortwahl und Aktionsformen von der deutschen Friedensbewegung unterscheidet. Sie richtet nicht Appelle an UN und Großmächte und sieht im Schwenken der Peace-Fahne nicht die wichtigste Aktionsform. Stattdessen widmet sie sich den verschiedenen Orten in Deutschland, an denen Kriege vorbereitet werden, die aber oft nicht im öffentlichen Bewusstsein stehen. So werden seit einigen Jahren von der Kampagne »Bundeswehr wegtreten aus dem Jobcenter« in mehreren Städten Werbeveranstaltungen gestört, bei denen jungen Menschen der Beruf des Soldaten oder der Soldatin nahegebracht werden soll. Eine feste Größe im Engagement dieser neuen Antimilitarismusbewegung ist das Gefechtsübungszentrum GÜZ in der Altmark in der Nähe von Magdeburg. Dort trainiert die Bundeswehr die Bekämpfung von Aufständen.
Nur wenige Kilometer vom kleinen Städtchen Letzlingen wird derzeit eine Großstadt mit Hochhäusern und U-Bahn-Stationen aufgebaut. 2017 soll der »urbane Ballungsraum Schnöggersburg« fertiggestellt worden sein. Wohnen wird dort kein Mensch. Schnöggersburg soll das Zentrum von Europas größtem Gefechtsübungszentrum werden, Bundeswehrsoldaten sollen sich dort auf Auslandseinsätze vorbereiten und für den Krieg im urbanen Raum trainieren. Dafür wurden auch afghanische und kosovarische Orte in der Heide nachgebaut. Für Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) ist das GÜZ ein wichtiger Baustein der deutschen und europäischen Militärpolitik. »Hier werden die Bundeswehrsoldaten unmittelbar auf laufende Militäreinsätze, darunter auch alle zukünftigen Interventionskriege, vorbereitet. Das GÜZ ist für viele Soldaten die letzte Station vor dem Auslandseinsatz«, erklärt Pflüger. Doch auch die Zerschlagung von Protesten wird im GÜZ geprobt. Dreimal organisierten Antimilitaristen aus verschiedenen europäischen Ländern in der Nähe des GÜZ im Sommer ein antimilitaristisches Camp. Ein Vorbereitungstreffen für das Camp im kommenden Jahr soll am 22. November in Magdeburg stattfinden.
Auch über solche Protestcamps hinaus ist die neue Antimilitarismusbewegung nicht untätig. So protestierte sie mit einer Fahrraddemonstration gegen die von der Deutschen Gesellschaft für Militärtechnik in Berlin organisierte »International Urban Operations Conference«, ein Lobbytreffen von deutscher Politik und Rüstungsindustrie. Das Motto der Antimilitarismusbewegung »War start’s here« wurde auch bei einer Demonstration, die Ende September im nordrhein-westfälischen Kalkar stattfand, verwendet. Die Stadt war lange ein wichtiges Ziel der Anti-AKW-Bewegung, weil dort ein Standort für einen Schnellen Brüter geplant war. 1985 wurde das Atomkraftwerk Kalkar fertig gestellt, aber nie in Betrieb genommen. Mittlerweile werden von einer Einrichtung der Nato in einer Kaserne am Stadtrand von Kalkar internationale Drohneneinsätze koordiniert. Bei der Vorbereitung der Demonstration in Kalkar kam es übrigens zur Kooperation von Aktivisten der alten Friedens- und der neuen Antimilitarismusbewegung.
Das Komitee für Grundrechte gibt sich empört sich empört. „Die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung wird immer skandalöser“, erklärt .Pressesprecher Martin Singe in der aktuellen Pressemitteilung.
Tatsächlich hat die Bundesregierung die Rüstungsexporte massiv ausgeweitet. Innerhalb kurzer Zeit wurde bekannt, dass der geheim tagende Bundessicherheitsrat bereits im Juli 2011 dem Export von 270 Leopard II-Panzern nach Saudi-Arabien zugestimmt hat. Nun soll Katar 200 Leopard-Panzer erhalten. Der Nahe Osten wird also mit deutscher Hilfe massiv aufgerüstet. Beide Staaten sind auch in den syrischen Bürgerkrieg involviert und vor allem Saudi Arabien hat es schon geschafft, der zivilen Demokratiebewegung gegen ein autoritäres Regime eine militärische Logik aufzuzwingen.
Dass dabei Demokratiebelange keine Rolle spielen, wird am Beispiel dieses Staates besonders deutlich. Innenpolitisch stellt das islamische Regime in Riad sogar noch den Iran in punkto Frauenfeindlichkeit und Verfolgung von gesellschaftlichen und religiösen Minderheiten in den Schatten und auch in ihrer Feindschaft gegen Israel lässt sich das saudische Regime wohl nicht vom Iran übertreffen. Trotzdem ist es seit mehr als 20 Jahren Bündnispartner des Westens. Schon beim zweiten Golfkrieg 1990 war es im Kampf gegen das Regime von Saddam-Hussein mit anderen nicht minder reaktionären Staaten im arabischen Raum involviert. Wie wichtig der Koalition der Willigen diese Kooperation war, zeigte sich daran, dass die USA Israel klargemacht haben, dass es sich nicht gegen die Angriffe des irakischen Regimes mit Scud-Raketen wehren durfte. Denn dass hätten die beteiligten arabischen Regime als Affront betrachtet.
Als im zweiten Anlauf schließlich das irakische Regime gestürzt war, wurde die saudische Partnerschaft umso bedeutender. Denn nun hatte der Iran einen enormen Machtzuwachs in der Region erfahren und wieder war Saudi-Arabien an vorderster Front zur Stelle, um nun den diese Macht einzudämmen. Wenn nun in solche Länder deutsche Waffen geliefert zu werden, wird eindeutig der zumindest offiziell hochgehaltene Grundsatz aufgegeben, Waffen nicht in Spannungsgebiete zu liefern. Eine solche Entwicklung kann nur überraschen, wer Politik mit Moral verwechselt.
Hoffnung auf die deutsche Friedensbewegung?
Wenn Singe nun schreibt, dass die Friedensbewegung gefordert sei, muss man zunächst fragen, wem er damit meint. Soll Günther Grass wieder ein Gedicht schreiben oder die Ostermarschierer sich moralisch empören? Ein großer Teil dieses Spektrums hat nach dem Ende der Ost-West-Spaltung ihr politisches Koordinatensystem verloren und nur die Wahl eines republikanischen Präsidenten in den USA könnte es wieder etwas ins Lot bringen.
Mit der Beschäftigung der deutschen Machtpolitik tat sich die westdeutsche Friedensbewegung schon in den 1980er Jahren schwer, als es Deutschland primär als potentielles Opfer der Großmächte gesehen hat. Allerdings haben sich in der letzten Zeit jenseits dieser Friedensbewegung Bündnisse gegen die Militarisierung der Politik entwickelt, die auch mediales Aufmerksamkeit erlangt haben. An erster Stelle sei hier das Zentrum für politische Schönheit genannt, das mit nicht unumstrittenen künstlerischen Mitteln agiert. Das Zentrum ist auch Teil der Aktion aufschrei, das in den nächsten Wochen bundesweit gegen den Waffenhandel agieren will. Mit dem Bündnis [Krieg beginnt hier http://warstartshere.de/] wollen sich auch Gruppen der radikalen Linken eine antimilitaristische Praxis erarbeiten . und haben es bereits in dem vor wenigen Wochen veröffentlichten Verfassungsschutzbericht an prominente Stelle geschafft Dass die Zunahme solcher Aktivitäten etwas mit dem zunehmenden militärischen Engagement Deutschlands zu tun haben könnte, wird aber von der Politik natürlich nicht gerne gehört.
Interessant wird sein, wie sich die IG-Metall zur Frage der Rüstungsexporte künftig positioniert. Sie war erst im Herbst 2011 in die Kritik geraten, weil aus einem der Gewerkschaft nahestehenden Denkfabrik ein Papier verfasst wurde, das nur als Lob der Rüstungsexporte verstanden werden kann, weil die ja schließlich Arbeitsplätze schaffen. Dass das Papier gewerkschaftsintern umstritten ist, zeigt ein Interview mit Jürgen Bühl vom IG-Metall-Vorstand. „Wir gehören nicht zur Rüstungslobby. Wir haben immer eine klare Position für Frieden und Abrüstung bezogen“, beteuert er und spricht sich für Konzepte der Rüstungskonversion als der Umwandlung von Rüstungs- und Zivilgüter aus. Diese Diskussion war vor 20 Jahren schon weiter vorangeschritten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152508
Peter Nowak
Die von Guttenberg vorgeschlagene Reform zur Modernisierung der Bundeswehr, hat nichts mit Forderungen aus der Friedensbewegung zu tun
Eine Überraschung waren sie nicht mehr, die Reformpläne für die Bundeswehr, die Verteidigungsminister Guttenberg am 23. August den Militärexperten der die Bundesregierung stellenden Parteien vorstellte. Er will die Wehrpflicht aussetzen und die Bundeswehr um ein Drittel verkleinern. Die Truppe soll nach diesen Plänen in den nächsten Jahren von derzeit 252.000 um fast 90.000 Soldaten schrumpfen. Am Ende sollen 163.500 Soldaten übrig bleiben. Dafür soll die Zahl der Freiwilligen erhöht werden.
Diese Pläne einer grundlegenden Strukturreform der Bundeswehr werden seit Wochen in den Medien diskutiert.
In der Debatte werden immer wieder unterschiedliche Elemente der Bundeswehrreform besonders hervorgehoben. So nannte Guttenberg in einer Rede beim „Parlament der Wehrpflichtigen“ die dramatische finanzielle Lage des Bundeshaushaltes einen Weckruf für die Reform der Bundeswehr. Der CDU/CSU-Obmann im Verteidigungsausschuss des Bundestags Henning Otte setzte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk hingegen die Akzente für die Notwendigkeit der Bundeswehrreform ganz anders. Er betont die veränderte militärpolitische Lage, die für die Reform maßgeblich sei.
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Die Bundeswehr ist ausgerichtet an einer Lage, wie wir sie vor 20 Jahren hatten. Unser Ziel muss aber sein, dass wir gewappnet sind für die Herausforderungen zukünftig. Was kann das sein? Das kann sein natürlich die Landesverteidigung, das ist die Terrorbekämpfung, das ist Katastrophenhilfe und das ist auch Hilfe bei zerfallenden Staaten, um somit auch die Sicherheit unseres eigenen Landes stabilisieren zu können.
Henning Otte
Danach wäre die Bundeswehrreform keinesfalls ein erster Schritt zur Abschaffung, was zwar sowieso niemand glaubt, sondern deutlich eine Möglichkeit, die Bundeswehr im Hinblick auf die militärpolitischen Interessen des deutschen Staates effizienter zu machen.
Wann tritt der Bedarfsfall ein?
Dabei ist es interessant, dass die Wehrpflicht ausgesetzt, nicht aber abgeschafft werden soll. „Wir behalten die Wehrpflicht bei und können sie bei Bedarfsfall wieder reaktivieren, aber reagieren mit einer Aussetzung jetzt darauf, dass wir die Menschen freiwillig gewinnen wollen, dass wir sie nach ihren Fähigkeiten einsetzen und auch gewinnen wollen zum Beispiel als freiwillig länger Dienende, die somit auch im Einsatz im Ausland ihren Dienst tun können“, erklärt Otte.
Dabei ergibt sich sofort die Frage, wann der Bedarfsfall eintritt, bei dem die Wehrpflicht wieder reaktiviert wird? Geht die Politik allen Beteuerungen zum Trotz, dass wir seit 20 Jahren nur von Freunden umgeben sind, davon aus, dass doch auch an Deutschlands Grenzen kriegerische Konflikte wieder möglich sind? Oder wird dann bei einer möglichen Notstandssituation entgegen gegenwärtigen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ein Eingreifen der Bundeswehr auch im Innern nicht ausgeschlossen?
Die wesentliche Aussage aber lautet, dass für die aktuell von der Politik formulierten militärpolitischen Ziele motivierte Freiwillige zielführender seien, als durch die Wehrpflicht gezogene Rekruten. Dass die Motivation durchaus auch wirtschaftlicher Natur sein kann, zeigte Ottes Antwort auf die Frage, was getan werden müsse, um die Bundeswehr attraktiver zu machen.
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Das wird die Herausforderung auch sein für die Politik, dass die Bundeswehr ein Arbeitgeber ist, wo sich die Menschen für interessieren, wo sie bereit sind, ihre Arbeit einzubringen, ihre Fähigkeiten einzubringen.
Henning Otte
Schon heute wird die Bundeswehr als Arbeitgeber behandelt, der junge Erwerbslose auch mittels Veranstaltungen im Jobcenter von seinen Vorteilen überzeugen will.
Unterschiedliche Einschätzungen in der Antikriegsbewegung
Weil in der Debatte um die Bundeswehrreform einzelne Elemente oft isoliert dargestellt werden, entsteht schnell ein verzerrtes Bild. So wurde durch die Stichworte vorläufige Abschaffung der Wehrpflicht und Verkleinerung der Bundeswehr der Eindruck erweckt, als würde nun der CSU-Politiker Guttenberg umsetzen, wofür Bundeswehrkritiker seit Jahren gekämpft haben.
Diesen Eindruck erwecken auch manche Organisationen, die im weitesten Feld der Antikriegsbewegung zugerechnet werden können. So erklärt der Leiter der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen Peter Tobiassen in einem Interview zur Aussetzung der Wehrplicht:
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Für uns war das nur eine Frage der Zeit, und wir sehen jetzt, dass unsere bisherigen Argumente aufgegriffen werden. Wenn inzwischen 23 von 28 Nato-Ländern die Wehrpflicht abgeschafft haben, dann scheint das wirklich die vernünftigere Lösung zu sein. Deutschland ist sozusagen der letzte Hort der Wehrpflicht, in dem einige kalte Krieger immer noch an ihr festhalten, weil sie Massenarmeen für nötig halten.
Peter Tobiassen
Die Zentralstelle berät das Ministerium bei der Umstrukturierung der Bundeswehr.
Realitätsnäher vom Standpunkt der Antikriegsbewegung argumentiert der politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Monty Schädel. Auf die Frage, ob Guttenberg für seine Bundeswehrpläne Lob von der Friedensbewegung bekommen soll, antwortet er:
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Auf keinen Fall. Wenn er die Bundeswehr interventionsfähiger macht, ist das für uns kein Grund, Orden zu verteilen. Würde er sie auflösen und tatsächlich abrüsten, bekäme er sie en masse! Was der Kriegsminister macht, ist eine Umrüstung, um in anderen Ländern mit Freiwilligen besser intervenieren zu können.
Monty Schädel
Allerdings würde die Umsetzung der Bundeswehrreform für die Arbeit der Antikriegsbewegung auch eine Zäsur bedeuten. Denn die obligatorische Wehrpflicht für junge Männer war ein Ansatzpunkt für die Kritik, auch wenn dieser Punkt schon in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hatte. Zudem dürfte auch die weitere Diskussion über die Alternative für den Zivildienst interessant sein. Denn dafür sind keine regulär bezahlten Arbeitsplätze, sondern ist die Ausweitung der Freiwilligenarbeit im Gespräch, wobei ausdrücklich auch junge Frauen mit einbezogen werden sollen. Hier könnte sich in Zukunft ein neuer Null- oder Niedriglohnsektor im sozialen Bereich entwickeln.
Diese Fragen werden allerdings für die Frage, wie es mit der Bundeswehrreform weitergeht, nicht an erster Stelle gehen. Vielmehr wird die Diskussion vor allem innerhalb der Unionsparteien hier maßgeblich. Einigen Unionspolitiker fällt es schwer, sich von der Wehrpflicht zu verabschieden, die die Union in den fünfziger Jahren eingeführt hat.
Gerade einmal 2.000 Menschen sind am vergangenen Samstag einem bundesweiten Aufruf von Friedensgruppen
gefolgt, in Berlin gegen den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch zu protestieren. „Obwohl Umfragen zufolge die Mehrzahl der Bundesbürger den Bundeswehreinsatz in Afghanistan ablehnt, lassen sich nur wenige Menschen mobilisieren.“ Diese Einschätzung von Ute Finckh vom Bund für Soziale Verteidigung hat sich wieder einmal bestätigt. Nach diesem Wochenende sieht die Zukunft der Gegner des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr nicht gerade rosig aus.
Besteht noch Hoffnung für die Friedensbewegung?
Wer diese Frage stellt, muss die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die geringe Beteiligung auch hausgemachte Gründe hat. Warum etwa sollten Menschen aus der Provinz den langen Weg nach Berlin auf sich nehmen, um allgemeinen Moralvorstellungen des Theologen Eugen Drewermann zu lauschen? Oder eine Rezitation von Wolfgang Borcherts berühmtem Gedicht „Sag Nein“ anzuhören? Es handelt sich zweifellos um einen eindrucksvollen Evergreen der Friedensbewegung. Aber istes auch ein hilfreicher Beitrag zur Debatte in der aktuellen Situation?
Weil er arbeitslos war
Da wäre es doch erfolgversprechender, sich an den Initiatoren des Fuldaer Appells ein Beispiel zu nehmen. Initiiert wurde der Aufruf bereits im vergangenen Herbst. Unmittelbarer Anlass war der Tod eines Soldaten aus der osthessischen Stadt, der an seinen schweren, in Afghanistan zugezogenen Verletzungen gestorben war. „Bei seiner Beerdigung wurde viel über seinen Tod für das Vaterland schwadroniert, aber dass der Mann zur Bundeswehr gegangen war, weil er arbeitslos war und keine Chance auf einen zivilen Job hatte, wurde nicht erwähnt“, meint Karin Masche vom Fuldaer DGB-Kreisvorstand. Sie initiierte daraufhin
den Fuldaer Appell – in dem nicht nur einfach der Rückzug der Bundeswehr gefordert wird, sondern auch eine zivile Jobalternative für Bundeswehrangehörige.
Die Initiative hat in den letzten Monaten viel Unterstützung gefunden. Tatsächlich hat die Friedensbewegung hier zu Lande noch eine Chance, wenn sie sich am Fuldaer Appell orientiert, also mehr konkrete Forderungen aufstellt und vor allem regionale Initiativen stärkt.
Dass ausgerechnet das osthessische Fulda eine Pionierrolle einnimmt, ist kein Zufall. Die Stadt hat zwar den Ruf, eine besonders konservative Hochburg zu sein, in der ein CDU-Rechtsausleger wie Alfred Dregger jahrzehntelang als Oberbürgermeister amtierte und Bischof
Johannes Dyba eine besonders konservative Variante des Katholizismus praktizierte. Weniger bekannt ist, dass rund um Fulda vor rund 25 Jahren eine starke Antikriegsbewegung entstanden ist. Nicht zuletzt wegen der US-Planspiele, denen zufolge das Fulda Gap im Kriegsfall zum militärischen Aufmarschgebiet werden sollte. Damals wechselten Ostermärsche, Antikriegscamps und Manöverbehinderungsaktionen einander ab. So entstand eine regionale friedenspolitische Infrastruktur, die noch heute handlungsfähig ist. Davon kann die Antikriegsbewegung in Deutschland lernen, wenn sie wieder ein politischer Faktor werden will.
erschienen in Printausgabe der Wochenzeitung Freitag 8/2010