Sie wollte erreichen, dass sie nicht mehr im Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik Linksextremismus gelistet wird. Schon wieder wird die Hufeisentheorie bemüht und von „den linken und rechten Extremen“ schwadroniert, die man entweder aushalten oder bekämpfen müsse. So wird das übliche Spiel wiederholt, dass die wehrhafte Demokratie gegen ihre Feinde links und rechts vorgehen müsse. Dagegen gilt es die …
„Autoritärer Liberalismus ist kein Antifaschismus“ weiterlesenSchlagwort: Im Feindbild vereint Kevin Culina Jan Fedders
Codierte Hetze
Kevin Culina und Jonas Fedders über »Compact«
Die AfD hatte dieses Jahr einen handfesten Antisemitismusstreit. Ausgelöst wurde er durch die Schriften des mittlerweile zurückgetretenen AfD-Landtagsabgeordneten von Baden-Württemberg Wolfgang Gedeon. Für den hatte u. a. der Chefredakteur der Monatszeitschrift »Compact« Partei ergriffen – mit einem »Appell an die Einheit der AfD«: »Schließt keine Personen aus, deren Ausschluss der politische Gegner fordert, sondern stellt Euch gerade hinter solche Angegriffenen, auch wenn sie in der Vergangenheit politische Fehler gemacht haben.«
»Compact« habe sich innerhalb kurzer Zeit zu einem der relevantesten Querfrontorgane im deutschsprachigen Raum entwickelt, betonen die Sozialwissenschaftler Kevin Culina und Jonas Fedders. Vor allem Jürgen Elsässer wiederhole dort gebetsmühlenartig, Rechte und Linke sollten gemeinsam für »die Souveränität Deutschlands« kämpfen. Gegen wen? Washington, Brüssel – und »die Juden«. Culina/Fedders interessierten sich vor allem für den codierten Antisemitismus des Magazins. »Während der offen neonazistische Antisemitismus bisweilen aus politischen Diskursen ausgegrenzt wird, haben sich gewisse Artikulationsformen für antisemitische Ressentiments herausgebildet, welche zwar auf das starke Fortbestehen von antisemitischen Positionen in der Gesellschaft verweisen, aber nicht immer als solche (an)erkannt werden und daher bis weit in die selbst ernannte bürgerliche ›Mitte‹ hineinreichen.« Der codierte Antisemitismus sei de facto der kleinste gemeinsame Nenner.
Offen antisemitische Äußerungen wie sie von Gedeon zu lesen sind, wird man in »Compact« kaum finden. Es wird mit Metaphern und Bildern gearbeitet, die der Leser zu deuten versteht. Das offenbaren einige im Band nachgedruckte Leserbriefe, in denen »Compact« als letzter Verteidiger des freien Wortes hochgelobt wird. »Für den judenfeindlichen Gehalt einer Aussage über die ›Rockefellers‹ oder die ›Rothschilds‹ ist deren tatsächliche Religionszugehörigkeit von keinerlei Bedeutung, solange in einem breiteren Rezipient_innenkreis die Auffassung vorherrscht, es handele sich um einflussreiche Familien mit jüdischen Wurzeln. Adorno schrieb einst sehr treffend, der Antisemitismus sei ›das Gerücht über die Juden‹«, heißt es bei Culina/Fedders. Zum Schluss gehen sie noch auf die Kontroversen um die Friedensmahnwachen ein und mahnen, dass der Gefahr von »Compact« »viel mehr Widerspruch entgegengestellt werden muss«.
Kevin Culina/Jonas Fedders: Im Feindbild vereint. Zur Relevanz des Antisemitismus in der Querfront-Zeitschrift »Compact«. Edition Assemblage, Münster 2016. 96 S., br., 9,80 €.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1027175.codierte-hetze.html
Peter Nowak
Feindbild Israel
Bild: K. Culina // CC BY-SA 4.0
Kevin Culina und Jan Fedders untersuchen den Antisemitismus und regressiven Antizionismus in einer wichtigen Publikation der neuen Rechten
Die AfD hat seit Wochen einen handfesten Antisemitismusstreit. Ausgelöst wurde er durch antisemitische Schriften des mittlerweile zurückgetretenen AfD-Landtagsabgeordneten von Baden Württemberg Wolfgang Gedeon. Sofort hatte sich auch der Chefredakteur der Monatszeitschrift Compact in diese Angelegenheit zu Wort gemeldet. Unter dem Titel »Appell an die Einheit der AfD« ergriff er Partei für Gedeon. »Schließt keine Personen aus, deren Ausschluss der politische Gegner fordert, sondern stellt Euch gerade hinter solche Angegriffenen, auch wenn sie in der Vergangenheit politische Fehler gemacht haben.« Diese Parteinahme von Compact ist nicht verwunderlich, wenn man ein kürzlich im Verlag Edition Assemblage unter dem Titel »Im Feindbild vereint« erschienenes Buch zur Grundlage nimmt. Auf knapp 100 Seiten untersuchen die Sozialwissenschaftler Kevin Culina und Jonas Fedders den Stellenwert des Antisemitismus bei dem Monatsmagazin Compact.
Die Zeitschrift habe sich innerhalb kurzer Zeit zu einem der relevantesten Querfrontorgane im deutschsprachigen Raum entwickelt, begründen die Autoren ihr Interesse an dieser Publikation. Zudem betonten sie, dass Compact sich von den anderen rechten Medien dadurch unterscheidet, dass dort immer wieder versucht wird, Brücken zu Teilen der Linken zu bauen. Elsässer hat wiederholt dazu aufgerufen, Rechte und Linke sollten gemeinsam für die Souveränität Deutschlands kämpfen. In den beiden ersten Kapiteln geben die Autoren einen kurzen Überblick über die wissenschaftlichen Diskussionen zu Querfront und zum Antisemitismus. Dabei stellen sie dem codierten Antisemitismus in den Mittelpunkt ihre Überlegungen. »Während also der offen neonazistische Antisemitismus bisweilen aus politischen Diskursen ausgegrenzt wird, haben sich gewisse Artikulationsformen für antisemitische Ressentiments herausgebildet, welche zwar auf das starke Fortbestehen von antisemitischen Positionen in der Gesellschaft verweisen, aber nicht immer als solche (an)erkannt werden und daher bis weit in die selbst ernannte bürgerliche ‘Mitte’ hineinreichen«, schreiben die Sozialwissenschaftler. Anhand der sehr detaillierten Analyse verschiedener Compact-Artikel zeigten Culina und Fedders auf, der ein codierter Antisemitismus einen zentralen Stellenwert in der Compact-Berichterstattung hat. Die Autoren sprechen sogar davon, dass er der kleinste gemeinsame Nenner ist, auf den sich die Leser einigen können. Dabei wird man offen antisemitische Äußerungen wie sie in den Schriften Gedeons in der Compact kaum finden. Dafür wird mit Metaphern und Bildern gearbeitet, der die Leser durchaus entsprechend zu deuten wissen. Das zeigt sich an einigen abgedruckten Leserbriefen, in denen die Zeitschrift als letzte Verteidigerin des freien Wortes hochgelobt wird.
»Für den judenfeindlichen Gehalt einer Aussage über die ‘Rockefellers’ oder die ‘Rothschilds’ ist deren tatsächliche Religionszugehörigkeit von keinerlei Bedeutung, solange in einem breiteren Rezipient_innenkreis die Auffassung vorherrscht, es handele sich um einflussreiche Familien mit jüdischen Wurzeln. Adorno schrieb einst sehr treffend, der Antisemitismus sei ‘das Gerücht über die Juden’«, schreiben die Herausgeber. Am Schluss des Buches gehen sie auch auf die kontroverse Debatte um die Friedensmahnwachen ein, die heute weitgehend vergessen ist. Das Buch soll eine kritische Debatte um den Umgang mit Compact anregen. »Denn von der Compact geht eine Gefahr aus, dem viel mehr Widerspruch entgegengestellt werden muss«, so der Wunsch der beiden Herausgeber.
Kevin Culina / Jonas Fedders
Im Feindbild vereint: Zur Relevanz des Antisemitismus in der Querfront-Zeitschrift Compact 2016, Edition Assemblage, 96 Seiten, 9,80 Euro
ISBN 978–3-96042–004-0 | WG 973
Wo beginnt für die deutsche Justiz der Antisemitismus?
Ein aktuelles Urteil zeigt, dass die Justiz die Antisemitismusforschung zur Kenntnis nehmen sollte
Am 28. Juni hat das Amtsgericht Prenzlau den AfD-Kreisvorsitzenden der Uckermark Jan-Ulrich Weiß vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen [1]. Weiß hatte 2014 auf Facebook eine Karikatur des Investmentbankers Rothschild verbreitet, der dort mit antisemitischen Attributen dargestellt wurde.
Die Collage zeigt Mr. Burns aus der Zeichentrick-Serie „Die Simpsons“ und ist mit dem Text versehen. „Hallo, mein Name ist Jacob Rothschild“. Im weiteren Text wird der Familie Rothschild unterstellt, weltweit Regierungen und Zentralbanken zu steuern und für Kriege verantwortlich zu sein. In der Antisemitismusforschung wird schon lange nachgewiesen, dass es sich dabei um antisemitische Topoi handelt. Doch das Prenzlauer Gericht sah in der Karikatur keinen antisemitischen Bezug und sprach Weiß vom Vorwurf der Volksverhetzung frei. Der Staatsanwalt hatte eine Geldstrafe von 5.000 Euro gefordert.
Der Freispruch dürfte noch zu Streit in der AfD führen. Die Brandenburger AfD hatte die Karikatur als antisemitisch bezeichnet und wollte Weiß im Eilverfahren aus der Partei ausschließen [2]. Zu den Befürwortern eines schnellen Austritts hatte sich auch der Brandenburger AFD-Vorsitzende Alexander Gauland gemacht. Doch er scheiterte. Zuletzt auch an der AfD Uckermark, die Weiß unterstützt.
Das Szenario erinnert an den Fall des AfD-Landtagsabgeordneten von Baden Württemberg, Gedeon, der mit antisemitischen Schriften auffiel [3]. Auch in seinem Fall scheiterte der AFD-Vorstand mit der Forderung nach einem schnellen Austritt. Während dort als Kompromiss die Einschaltung einer Untersuchungskommission beschlossen wurde, hatte man sich AfD-intern in der Causa Weiß darauf geeinigt, das Gerichtsverfahren abzuwarten.
Nicht nur in der AfD, sondern auch bei der rechtspopulistischen Webseite PI-News, die sich als israelfreundlich bezeichnet, ist der Streit entbrannt. Während einige eine klare Abgrenzung zu Politkern wie Gideon und Weiß fordern, meldeten sich auch entschiedene Verteidiger der beiden Politiker zu Wort.
Weiß sieht sich nach dem Freispruch gestärkt und fordert von Gauland eine Entschuldigung dafür, dass er ihn als Antisemiten bezeichnet hat. Während inzwischen mehrere AfD-Landespolitiker von der Austrittsforderung abrücken, will Gauland bisher noch daran festhalten. Kann er sich damit nicht durchsetzen, könne ihn Weiß im nächsten Jahr im Brandenburger Landtag beerben. Weiß steht auf Platz eins der Nachrücker auf der AfD-Liste. Wenn Gauland bei den nächsten Bundestagswahlen wie beabsichtigt für den Bundestag kandiert und sein Landtagsmandat aufgibt, würde Weiß für ihn nachrücken.
Wenn der Antisemitismus von der Justiz nicht erkannt wird
Das Urteil und die Reaktionen darauf werfen erneut die Fragen auf, ob die deutsche Justiz Antisemitismus erkennt, wenn er nicht in den klassisch neonazistischen Formen auftritt. Die neuere Antisemitismusforschung zeigt einen anderen Erkenntnisstand an als den, den das Gericht in Prenzlau seinem Urteil zugrunde legte.
„Während also der offen neonazistische Antisemitismus bisweilen aus politischen Diskursen ausgegrenzt wird, haben sich gewisse Artikulationsformen für antisemitische Ressentiments herausgebildet, welche zwar auf das starke Fortbestehen von antisemitischen Positionen in der Gesellschaft verweisen, aber nicht immer als solche (an)erkannt werden und daher bis weit in die selbst ernannte bürgerliche ‚Mitte‘ hineinreichen“, schreiben die Sozialwissenschaftler Kevin Culina und Jonas Fedders in ihrem aktuellen Buch Im Feindbild vereint [4].
Dort wird detailliert der codierte Antisemitismus einer Publikation untersucht, die in den letzten zwei Jahren einen erstaunlichem Aufschwung genommen hat. Der Herausgeber Jürgen Elsässer hätte die Forschungsergebnisse von Culina und Fedders vor 15 Jahren sicher noch mit einen Vorwort belobigt. Schließlich war er einer der schärfsten Kritiker des Antisemitismus auch in der Linken, bevor er Deutschland zur Zielgruppe erklärte. Das Buch nähert sich auf knapp 90 Seiten dem Magazin Compactn mit einer an der Frankfurter Schule geübten Analysemethode.
Rothschild oder das Gerücht über die Juden
So hätten die beiden Autoren auch für die Richter, die über die Karikatur eines Jan-Ulrich Weiß entscheiden mussten, eine gute Orientierungshilfe geboten: „Für den judenfeindlichen Gehalt einer Aussage über die ‚Rockefellers’oder die ‚Rothschilds‘ ist deren tatsächliche Religionszugehörigkeit von keinerlei Bedeutung, solange in einem breiteren Rezipient_innenkreis die Auffassung vorherrscht, es handele sich um einflussreiche Familien mit jüdischen Wurzeln. Adorno schrieb einst sehr treffend, der Antisemitismus sei ‚das Gerücht über die Juden‘.“
Die Richter in Prenzlau konnten das Buch allerdings noch gar nicht kennen. Es könnte aber noch Einfluss auf die Rechtsprechung haben. Ein Grund für die Entstehung des Buches ist die erfolgreiche Klage von Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer gegen die Publizistin Jutta Ditfurth, nachdem die ihn als glühenden Antisemiten bezeichnet [5] hatte. Ditfurth legte Verfassungsbeschwerde [6] ein. Der Fall liegt jetzt beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Die Richter werden wohl vor einer Entscheidung die sehr detaillierte Analyse der Compact-Artikel studieren, mit denen Fedders und Culina ihre vorher im Buch vorgestellte Analysemethode praktisch anwenden. Die beiden Autoren gehen besonders auf das Konstrukt einer Weltregierung ein, die nach Meinung vieler Compact-Autoren die Souveränität Deutschlands eingrenzt und zeigen daran den codierten Antisemitismus auf. Die von den Autoren angeführten Heuschrecken-Metaphern für die Beschreibung von ökonomischen Prozessen machen deutlich, warum es oft so schwer ist, codierten Antisemitismus zu erkennen.
Schließlich wurde die Heuschrecke als Symbol für das Finanzkapital bei Sozialdemokraten und Gewerkschaften benutzt [7]. Der Erfolg von Zeitungen wie Compact könnte so gerade darin liegen, dass sie hier so gut an den Mainstream anknüpfen können. Das Buch könnte so nicht nur eine wichtige Information über Compact und dessen politisches Umfeld bieten. Es könnte auch sensibilisieren für antisemitische Strukturen in der berühmten Mitte der Gesellschaft. Dazu könnte beitragen, dass die Autoren die Schrift streng analytisch angelegt haben und auf moralischen Furor verzichten.
http://www.heise.de/tp/news/Wo-beginnt-fuer-die-deutsche-Justiz-der-Antisemitismus-3252086.html
Peter Nowak
Links:
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