Krise der Mayday-Bewegung

Das Bündnis von Wischmob und Laptop hat seinen Zenit überschritten
Die jährlichen Mayday-Umzüge brachten am 1. Mai weltweit über einhunderttausend Menschen auf die Straße. Die Organisatoren stießen jedoch bald an ihre Grenzen.
 
Gehört der Vergangenheit an: Mayday-Parade in Berlin ND-
Foto: B. Lange
Die Berliner Mayday-Parade gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen wird in diesem Jahr ausfallen. Seit 2006 hatte ein Bündnis sozialpolitischer, postautonomer und antifaschistischer Gruppen die Paraden organisiert, an denen sich alljährlich tausende Menschen – oft mit selbstgestalteten Musikwagen, Bannern und Transparenten – beteiligten. Daniel Weidmann von der Berliner Gruppe FelS sieht in der Selbstrepräsentation ein zentrales Anliegen der Parade. »Wir haben leere Plakate und Filzstifte verteilt, damit die Demonstranten ihre eigenen Forderungen daraufschreiben konnten.«

Das war auch das Anliegen von Tausenden Minijobbern, Praktikanten und Flüchtlingen, die zu Beginn des Millenniums in Italien und Spanien gegen prekäre Lebensverhältnisse auf die Straße gegangen sind und die Mayday-Bewegung kreiert haben. Sie war ein Kind der damals starken globalisierungskritischen Bewegung, die ausgehend von den Unruhen während der WTO-Tagung in Seattle 1999 die Gipfel von Weltbank, IWF und EU begleitete. Mit dem Mayday sollte die dort geäußerte Kritik in den Arbeitsalltag der Menschen getragen werden. Damit wollten die Aktivisten eine Repolitisierung des 1. Mai erreichen, der vor allem von den großen Gewerkschaften nicht nur in Deutschland eher als eine Maifeier als ein Kampftag gestaltet wird. Mit dem Fokus auf den Kampf gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse hatte der Mayday ein Thema gefunden, das von den großen Gewerkschaften lange Zeit vernachlässigt worden war. Das hat sich mittlerweile geändert. So haben sich in fast allen europäischen Ländern die Gewerkschaften den Kampf gegen prekäre Arbeitsverhältnisse auf die Fahnen geschrieben.

Die Mayday-Bewegung hingegen ist in ihren Ursprungsländern – wie die globalisierungskritische Bewegung insgesamt – schon vor einigen Jahren an ihre Grenzen gestoßen. Während die Paraden in Italien und Spanien schrumpften, breiteten sie sich in vielen europäischen Ländern, aber auch nach Japan und Lateinamerika, aus. Im Jahr 2004 fanden in fünf europäischen Städten Mayday-Aktionen statt, im darauffolgenden Jahr schon in über einem Dutzend Städte, darunter auch in Hamburg. Ein Jahr später hatte der Mayday Berlin erreicht. Doch auch dort stießen die Aktivisten bald auf ähnliche Probleme wie ihre Mitstreiter in den anderen Ländern. Es gelang nicht, das Prekariat zur Teilnahme an der Parade zu bewegen, geschweige denn dauerhaft zu organisieren.

»Diese Versuche sind in Berlin nach dem 1. Mai meistens wieder eingeschlafen«, meint Heinz Steinle aus der letztjährigen Vorbereitungsgruppe. Vor allem das auf Mayday-Plakaten propagierte Bündnis von Wischmob und Laptop sei in der Praxis schwierig umzusetzen gewesen. Steinle sieht in kulturellen Barrieren den Grund, dass die prekär beschäftigten Kassiererinnen oder Putzkräfte auf der Parade marginal blieben.

In diesem Jahr werden noch in drei deutschen Städten Mayday-Paraden stattfinden: In Hamburg, Bremen und erstmals in Dortmund. Auf dem Ruhrpott-Mayday wollen die Aktivisten die leeren Kassen der Städte und Gemeinden thematisieren. Wegen Geldmangels müssen Theater und andere Kultureinrichtungen schließen, während für bestimmte »Leuchtturmprojekte« im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 finanzielle Mittel vorhanden sind.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/169021.krise-der-mayday-bewegung.html

Peter Nowak

Krisenzeiten für Betriebslinke

»Gegenwehr, das müssen wir schon selber tun«, lautete ein zentrales Motto, mit dem die linksgewerkschaftliche Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen (GoG) bei Opel-Bochum zu den Betriebsratswahlen antrat. Sie erhielt allerdings nur 90 Stimmen und ist damit nicht mehr im Betriebsrat vertreten. Dabei scheuten die Linksgewerkschafter seit mehr als 30 Jahren bei Opel-Bochum mit ihrem kämpferischen Kurs keinen Konflikt mit dem Management und der Gewerkschaftsbürokratie.

Die Ursachen der Niederlage sind sicher auch in der Zersplitterung zu suchen. So kandierten IG-Metall-Mitglieder auf 12 Listen. Mindestens die Hälfte monierte mehr oder weniger deutlich die offizielle Verzichtspolitik. Zudem verteidigte die der MLPD nahestehenden Liste Offensiv ihren Sitz im Betriebsrat. Während es bei den letzten Betriebsratswahlen zwischen GoG und Offensiv zu einer Kooperation kam, wollte die GoG mit ihrer Eigenkandidatur ihre Distanz auch zu einer linksgewerkschaftlichen Position deutlich machen, die in erster Linie für eine kämpferische Betriebsratsarbeit steht und am Stellvertretermodell wenig Kritik übt.

Neben der Selbstorganisation wandte sich die GoG gegen Standortnationalismus und die Verzichtslogik. Ein großer Teil der Belegschaft, die mit Verzicht auf Lohnerhöhungen und Kurzarbeit schon lange für die Krise zahlt, folgt aus Überzeugung oder mit der Faust in der Tasche dieser Standortlogik. So erhielt die Liste »Wir gemeinsam« des Betriebsratsvorsitzenden Rainer Einenkel in Bochum ebenso klare Mehrheiten wie sein Rüsselsheimer Kollege Klaus Franz, der sich mit seiner Liste »IG-Metall: Wir sind Opel« als der bessere Manager geriert.

Für die Gewerkschaftslinke, die nur bei den Betriebsratswahlen im Mercedes-Benz-Werk Berlin-Marienfelde, wo die Liste der »Alternativen Metaller« fünf Sitze erhielt, einen Erfolg verbuchen konnte, sollte das Scheitern der GoG Anlass zur verstärkten kritischen Reflexion sein. Ebenso wie in der übrigen Gesellschaft kann auch in den Betrieben die Linke in Krisenzeiten nicht automatisch Erfolge erzielen. Ihre Stärke gewinnt sie in konkreten Ausein-andersetzungen, wie beim sechstägigen Streik bei Opel-Bochum im Jahr 2004.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/168681.krisenzeiten-fuer-betriebslinke.html

Peter Nowak

Betriebsräte kriegen Konkurrenz

MITBESTIMMUNG Bei den grade laufenden Betriebsratswahlen bekommen die DGB-Einheitslisten zunehmend Konkurrenz von links. Belegschaften spalten sich in der Frage, wie radikal sie für ihre Rechte kämpfen sollen
Bei den Betriebsratswahlen sind die DGB-Listen nicht mehr konkurrenzlos. Anfang März hatte Ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske gemeinsam mit dem Journalisten Günther Wallraff die Betriebswahlen 2010, die noch bis Ende Mai andauern, vor einer Filiale der Drogerie Schlecker eröffnet. Der Gewerkschafter hat Schlecker bewusst zum Auftakt der Kampagne ausgewählt. Dort kämpften Teile der Beschäftigten gemeinsam mit Ver.di für die Gewerkschaftsrechte – und die DGB-Liste ist dort entsprechend unangefochten. Eine solch übersichtliche Situation ist bei den Betriebsratswahlen allerdings mittlerweile die Ausnahme. Der Berliner Arbeitsrechtler Klaus Stähle sieht darin sogar einen Trend. „Während die linken Betriebsratslisten den Gewerkschaften einen Kuschelkurs mit den Unternehmern vorwerfen“, hieße es oft umgekehrt bei den „sich explizit unpolitisch gebenden Wahllisten“, die linken Listen gefährdeten mit ihren Forderungen geradezu die Existenz der Betriebe.

Beispiel Berliner Bosch-Siemens-Hausgerätewerkes (BSH): Noch 2005 und 2006 hat ein Großteil der Belegschaft mit Arbeitsniederlegungen gegen die Schließung gekämpft. „Von einer kämpferischen Stimmung kann heute in dem Werk keine Rede mehr sein“, sagt ein Gewerkschafter, der nicht namentlich genannt werden will. Die Folge: Dieses Jahr konkurrieren eine betriebsfreundliche Betriebsratsliste und eine eher Chefetagen-kooperative IG-Metall-Liste um die Stimmen der Mitarbeiter. Die Gründe für den Klimawechsel lägen in der Neuzusammensetzung der Belegschaft, so der Gewerkschafter. Knapp 250 Arbeitern stünden 650 Angestellte gegenüber, die in der Regel sehr moderate Positionen vertreten.

Gegen Lohnkürzungen

Auch im Daimler-Werk Marienfelde sei die Ausdifferenzierung in der Belegschaft spürbar, sagt Mustafa Efe. Er ist freigestellter Betriebsrat und war Spitzenkandidat der Alternativen Liste, die 5 von 21 Sitzen im neuen Betriebsrat bekommen. Die offizielle IG-Metall-Liste bekam 15 Sitze. Die Alternative setzte sich aus kämpferischen IG-Metall-Mitgliedern zusammen, die bei den Betriebsratswahlen für gemeinsame Gegenwehr gegen Lohnkürzungen und Arbeitszeitverdichtungen eingetreten sind. „Das Ergebnis war ein relativer Erfolg, und trotzdem waren wir auch ein bisschen enttäuscht“, so Efe gegenüber der taz. „Bei den Kollegen am Band war während des Wahlkampfs die Zustimmung für unsere Position sehr groß“, so Efe.

Besonders unter den Auszubildenden habe es jedoch an Unterstützung für die Alternative gefehlt. Vielfach hätten Mitarbeiter die Befürchtung geäußert, dass ein größerer Erfolg der Linken den Standort gefährden konnte. Auch die offizielle IG-Metall-Liste habe sich an dieser Stimmungsmache gegen die alternative Liste beteiligt. Von der IG-Metall-Geschäftsstelle Berlin-Brandenburg wollte trotz mehrfacher Nachfrage der taz niemand zu diesem Vorwurf Stellung nehmen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2010%2F04%2F07%2Fa0156&cHash=dccbdacd1c

PETER NOWAK

»Nicht auf unserem Rücken«

Gewerkschaftsinterne Kritik bei ver.di am Tarifabschluss öffentlicher Dienst reißt nicht ab
Führende Gewerkschaftslinke in ver.di kritisieren in einem Papier den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst und fordern eine »Aufarbeitung« der defensiven Haltung in der Tarifrunde.
Innerhalb der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di reißt die Kritik an den Ergebnissen der letzten Tarifrunde im öffentlichen Dienst nicht ab. So fühlt sich die »Unabhängige Betriebsgruppe am Klinikum Bremen-Mitte« von »ver.di verkauft«. »Die Bereitschaft, für ein besseres Ergebnis zu kämpfen, war vorhanden. Das freiwillige Herunterschrauben der ursprünglichen Forderung von fünf Prozent Gesamtvolumen auf 3,5 Prozent demotiviert die Basis«, lautet die Einschätzung der aufmüpfigen Gewerkschafter. Für Angelika Teweleit vom »Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di« haben sich bei dem Tarifabschluss die Arbeitgeber durchgesetzt. Nicht nur die Laufzeitverlängerung des Vertrags auf 26 Monate und die vage Formulierung bei der Übernahme der Auszubildenden wird von ihr moniert. Das defensive Agieren von ver.di habe die Basis demotiviert. Die Einschätzung der Gewerkschaft, dass es keine Streikbereitschaft bei den Mitgliedern gegeben habe, sei falsch gewesen, sagte Teweleit.

 Der Geschäftsführer von ver.di- Stuttgart, Bernd Riexinger, äußert sich in dieser Frage differenzierter. Es habe bei ver.di Bereiche gegeben, die in der Tarifrunde nicht mobilisieren wollten oder konnten. Die Beschäftigten des Öffentlichen Nahverkehrs und der Kindertagesstätten hingegen hätten ihre Kampfbereitschaft durch mehrere Warnstreiks zum Ausdruck gebracht. Warum es trotzdem nicht gelungen sei, eine offensive Tarifauseinandersetzung zu führen, bedürfe einer kritischen Aufarbeitung.

Gemeinsam mit den ver.diGewerkschaftern Werner Sauerborn und Günther Busch hat Bernd Riexinger den Tarifabschluss, der sich nach ihrer Ansicht dem »vorherrschenden Krisenmanagement von Regierung und Arbeitgeberseite« unterordnet, in einem Text mit dem programmatischen Titel »Nicht auf unserem Rücken« einer kritischen Analyse unterzogen.

Die drei Gewerkschaftslinken sehen das Hauptmanko in der fehlenden Politisierung der Tarifrunde. »Ein Offensivkonzept wäre nur auf der Basis des Selbstbewusstseins möglich gewesen, nicht für die Krise verantwortlich zu sein, sie vielmehr von denen zahlen zu lassen, die sie verursacht und zuvor maximal von der Umverteilung nach oben profitiert haben.« Dazu wäre es aber nötig gewesen, dass ver.di sich aktiv an Antikrisenbündnissen beteiligt und mit anderen sozialen Initiativen zusammenschließt.

»Stattdessen mussten sie Anfang 2009 erst aufwendig für die Krisenproteste gewonnen werden und als die zu schwächeln begannen, gehörten sie zu den ersten, die sich abmeldeten«, so das ernüchternde Fazit des Gewerkschaftstrios. Seit Anfang Juni 2009 habe es keine gewerkschaftliche Mobilisierung gegen die Krisenfolgen mehr gegeben, bemängelte Riexinger gegenüber ND. Dabei sei die Einbettung gewerkschaftlicher Forderungen in größere gesellschaftliche Bündnisse für offensive Tarifrunden unbedingt notwendig, betont Riexinger am Beispiel der Debatte über die schlechte Finanzlage der Kommunen. »Nur politischer Druck weit über die Gewerkschaften hinaus kann hier zu Veränderungen führen.« Es wäre ein großer Fehler, darauf zu hoffen, dass sich die Rahmenbedingungen für höhere Tarifabschlüsse von selbst verbessern. Eine Fortsetzung der defensiven Tarifpolitik könnte sogar das gewerkschaftliche Selbstverständnis in Frage stellen, warnt Riexinger. »Dann schwindet in der Bevölkerung und auch in der Gewerkschaftsbasis das Vertrauen, dass Gewerkschaften noch Bollwerke gegen den Neoliberalismus sind.«

Das Papier ist zu lesen in der Onlinezeitung »Trend« vom 18. März, www.trend.infopartisan.net

Peter Nowak 

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/167888.nicht-auf-unserem-ruecken.html

Opfer oder Störfaktor

Selbstbewusste Erwerbslose kommen in der aktuellen Hartz-IV-Debatte kaum vor
Mit dem jüngsten Vorstoß der NRW-Kandidatin Hannelore Kraft (siehe Nähern sich SPD und FDP bei Hartz-IV einander an?) hat die Hartz-IV-Debatte eine neue Wendung genommen. Mit symbolisch entlohnten gemeinnützigen Tätigkeiten will Kraft Erwerbslose von der Straße holen. Der Vorstoß bleibt in der Logik der Agenda 2010 und macht nur noch einmal deutlich, dass sich die SPD davon nicht verabschiedet hat. Trotz des verbalen Schlagabtausches mit FDP-Chef Westerwelle sind sich führende Sozialdemokraten mit ihm einig, dass Erwerbslose unter fast allen Bedingungen Arbeitsverhältnisse annehmen sollen.
   

Die eigentliche Zielsetzung ist bei Sozial- wie Freidemokraten die Senkung der Kosten für die Ware Arbeitskraft. Denn auch die von Kraft vorgeschlagene symbolische Entlohnung würde dafür sorgen, dass der für europäischen Maßstab schon große Niedriglohnsektor in Deutschland weiter wächst. Dieser von verschiedenen Wirtschaftsinstituten gut erforschte Zusammenhang ist auch den Gewerkschaften bekannt, die aber in alter Treue zur SPD Krafts Vorschläge unterstützen.

Nur von der Dienstleistungsgewerkschaft verdi und von Erwerbslosengruppen kommt Kritik. Doch die wird von einem Großteil der Medien übergangen. Gerade in den letzten Wochen, als, angestoßen von Westerwelle, die Hartz-IV-Debatte wieder in allen Medien war, wurde es deutlich: Es gibt im Wesentlichen zwei Bilder von Erwerbslosen: Entweder ist er ein Störfaktor oder ein Opfer.
 

Deutschlands frechster Arbeitsloser

Als Störfaktor verursacht der Arbeitslose, der „durch den Tag gammelt“, Kosten. So schreibt Bild über „Deutschlands frechsten Arbeitslosen“, den 54jährigen Arno Dübel, der von dem Boulevardblatt vor ein mediales Volksgericht gestellt wurde, weil er 36 Jahre lang arbeitslos war und trotzdem kein schlechtes Gewissen hat. Einen Erfolg hatte Bild schon zu vermelden, das Amt hat Dübels Stütze um 30 Prozent gekürzt.

Man braucht nur den Duktus der Leserkommentare studieren, in denen dem „Sozialparasiten“ der Tod gewünscht wird, um zu erkennen, welche Ressentiments hervor gekitzelt werden. Besonders empört haben das Blatt und seine treuen Leser, dass Dübel es auch in der Kerner-Show ablehnte, sich als Minijobber zu verdingen und auch dabei seinen Humor nicht verlor. Die Kampagne gegen Arno Dübel hat ihre Vorläufer.

Vor 5 Jahren galt Florida Rolf, ein 65jähriger Rentner, der lieber in den USA als in Deutschland lebte, als Deutschlands dreistester Sozialhilfeempfänger. Damals waren die Gegenstimmen aus Erwerbslosengruppen auch in der Öffentlichkeit wahrnehmbar. Sogar Buttons mit dem Slogan „Solidarität mit Florian Rolf“ wurden getragen. Im Falle von Arno Dübel sind ähnliche Bekundungen bisher nicht bekannt geworden. Selbst in wohlmeinenden Berichten wird der Erwerbslose als kranker Mann mit Tränensäcken dargestellt, so in einem Artikel in der Monatszeitung konkret.

 

Erwerbslose als Opfer

Auch hier handelt es sich um keinen Einzelfall. Selbst in den Medien, die die Kampagne von Westerwelle und Boulevard gegen Erwerbslose vehement kritisieren, hat man Aversion gegen allzu fordernde Arbeitslose. So werden in einem längeren Beitrag in der Wochenzeitung Jungle World, der eigentlich eine Kritik an den Bildungsprotesten zum Thema hat, die Erwerbslosen gleichsam nebenbei abgewatscht.

„Deshalb agieren viele Bildungsprotestler in ihrem Denken und ihrer Rhetorik schon jetzt wie Hartz-IV-Empfänger. Sie pochen auf ihren Bildungsbedarf als eine sublime Form des Existenzminimums und können mit ihren Credit Points, ihrer Anwesenheitspflicht und ihrem ‚Campus Management‘ längst genauso gut tricksen wie jene mit ihrem ALG-II-Antrag“, heißt die intellektuell verfeinerte Variante des Ressentiments über die ewig fordernden und betrügenden Arbeitslosen.

 

Erwerbslosenwiderstand wird totgeschwiegen

Doch in der Regel wird in wohlmeinenden Medien das Bild der Erwerbslosen als Opfer gezeichnet. Konsequenterweise sind für einen Großteil der Medien Proteste von Erwerbslosen nach dem Ende der Montagsdemonstrationen im Jahr 2004 kaum existent.

Dabei gibt es schon seit mehreren Jahren regionale Initiativen von Erwerbslosen, die, anders als die Montagsdemonstrationen, nicht an den Staat appellieren, sondern in den Arbeitsagenturen und Jobcentern für die Durchsetzung von Rechten eintreten. Sie tragen Namen wie Vierte Woche, Zahltag oder Initiative Keiner muss allein zum Amt.

Bei diesen Aktionen koordinieren sich Erwerbslose zur Durchsetzung von konkreten Forderungen auf dem Jobcenter. Bei der „Aktion Zahltag“ geschieht dies als politische Aktion, bei der Begleitinitiative liegt der Fokus auf der individuellen Unterstützung. Doch bei beiden Aktionen geht es um Schritte der Selbstermächtigung von Erwerbslosen. Aktivisten berichten von konkreten Erfolgen, wenn ein lange verschleppter Antrag plötzlich bewilligt wird, wenn jemand mit einer Begleitperson aufs Amt kommt oder wenn längst fällige Gelder nach einer Zahltagaktion schnell ausgezahlt werden.

Dass davon in einer Zeit, in der die Medien ständig über Erwerbslose schreiben, kaum die Rede ist, dürfte kein Zufall sein. Auch wohlwollende Unterstützer wollen oft nur armen Opfern helfen. Wenn die Erwerbslosen diesen Objektstatus verlassen und als selbstagierende Subjekte auftreten, müssen auch diese wohlmeinenden Kreise eine Änderung der Blickrichtung vornehmen. Der Erwerbslose ist dann nicht das Opfer, dem geholfen werden muss, sondern ein Akteur, der Kooperation auf Augenhöhe einfordert.

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32222/1.html

Peter Nowak

Respekt gefordert für DHL-Arbeiter

Gewerkschaften starten internationale Kampagne
Respekt ist das Schlüsselwort des knapp dreiminütigen Videos, das seit einigen Tagen auf YouTube zu sehen ist. Es ist Teil der vom internationalen Gewerkschaftsdachverband UNI global union (UNI) initiierten DHL-Kampagne, mit der faire Arbeitsbedingungen bei dem Konzern eingefordert werden. Das Post- und Logistikunternehmen wird in dem Video beschuldigt, Rechte von Arbeitnehmern weltweit zu missachten. Die gewerkschaftliche Mängelliste ist lang.

So seien etwa die Löhne der DHL-Beschäftigten im neuen Leipziger Drehkreuz so niedrig, dass diese zusätzlich staatliche Hilfe benötigten, wird in dem Clip kritisiert. Aktuell sollen dagegen 788 belgische Beschäftigte den Job verlieren, weil die europäische Unternehmenszentrale von DHL in der Nähe des Brüsseler Flughafens geschlossen wird.

Auch mit Gewerkschaftsrechten nimmt es das Unternehmen im Ausland offenbar nicht so genau. Zwei Beschäftigte von DHL-Express in Indien wurden demnach entlassen, nachdem sie eine Gewerkschaft gegründet hatten. Einen weitereren aktiven Gewerkschafter in dem Unternehmen bezichtigte die Firmenleitung fälschlich des Diebstahls.

Auch in Südafrika entließ DHL-Express drei aktive Gewerkschafter. Allerdings mussten sie wieder eingestellt werden, nachdem Gerichte die Kündigungen für unvereinbar mit den Gesetzen des Landes bezeichnet hatten.

In Bahrain lehnte DHL es ab, seinem Fahrpersonal für Verzögerungen bei der Zollabfertigung Überstunden zu bezahlen. Auf Malawi wurde einer leukämiekranken Mitarbeiterin gekündigt, nachdem sie länger als 8 Tage nicht arbeiten konnte.

Ein Koordinator der Kampagne betont, dass es sich bei den geschilderten Beispielen nicht um Einzelfälle handele. Seit Jahren berichteten gewerkschaftlich organisierte DHL-Mitarbeiter von Schikanen ihres Arbeitgebers.

Mitte November 2009 hatte die Gewerkschaft erstmals eine internationale Aktionswoche der DHL-Beschäftigten organisiert. Wegen der großen Resonanz sei nun die internationale Kampagne gestartet worden, so der Koordinator. Dafür wurden Aufkleber und Buttons in zahlreichen Sprachen hergestellt. »Globale Lieferdienste – besser mit Gewerkschaften«, lautet etwa ein deutschsprachiger Slogan.

Die UNI vertritt nach eigenen Angaben ca. 20 Millionen Beschäftigte im Transportwesen und organisiert 900 Gewerkschaften rund um den Globus. Das globale Netzwerk der DHL-Beschäftigten, das Teil von UNI ist, umfasst mehr als 200 000 Arbeiter aus über 50 Gewerkschaften.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/166098.respekt-gefordert-fuer-dhl-arbeiter.html

Peter Nowak

Babylon-Boykott bleibt für FAU illegal

Solikomittee startet Unterstützungsaufruf
Die anarchosyndikalistische Freie ArbeiterInnen Union Berlin (FAU) darf auch weiterhin nicht zum Boykott des Berliner Kinos Babylon-Mitte aufrufen. Das entschied das Landesarbeitsgericht Berlin am 16. Februar und bestätigte damit eine bereits im Oktober 2009 erlassene Einstweilige Verfügung der Babylon-Geschäftsführung. Der Boykott-Aufruf war Teil eines Arbeitskampfes, mit dem sich ein großer Teil der Kinobeschäftigten für den Abschluss eines Haustarifvertrags einsetzte. Mittlerweile wurde der FAU auch verboten, sich als Gewerkschaft oder Basisgewerkschaft zu bezeichnen. FAU-Sekretären drohen Ordnungsgelder und sogar Haft, weil die Organisation nach Ansicht der Babylon-Geschäftsführung gegen die Einstweilige Verfügung verstoßen hat. FAU-Sekretär Lars Röhm spricht gegenüber ND von einem Verstoß gegen die in internationalen Konventionen festgeschriebene Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer.

Jetzt bekommt die FAU jedoch Unterstützung aus dem linksgewerkschaftlichen Spektrum des DGB. Betriebsräte, Teamer und auch ein ehemaliger ver.di- Gewerkschaftssekretär sprechen sich in einem Aufruf für die Verteidigung des Koalitionsrechts und die Aufhebung aller gerichtlichen Sanktionen gegen die FAU aus. »Es ist auch ein Appell an die Mitglieder und Funktionäre der DGB-Gewerkschaften, die auch aus Eigeninteresse diese Forderungen unterstützen sollten«, sagt Jochen Gester vom Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall zu ND. Gester koordiniert die Initiative, die nach einer Veranstaltung zur Organisationsfreiheit Ende Januar in Berlin gegründet wurde. Es gehe nicht darum, die Gewerkschaftsvorstellungen der FAU zu unterstützen, sondern um ihr Recht, diese ohne Repression vertreten zu können, betont Gester. Schließlich hätten die Beschäftigten und nicht die Gerichte zu entscheiden, wie sie sich gewerkschaftlich organisieren.

Gewerkschaftsexperte Willi Hajek, der zu den Erstunterzeichnern gehört, will mit dem Aufruf auch die oppositionelle Gewerkschaftsarbeit im DGB stärken. Mit Mustafe Efe hat zudem ein IG Metall Betriebsrat von AEG-Daimler aus Berlin, der auf einer alternativen Liste zu den Betriebsratswahlen antritt, den Aufruf unterschrieben. Aus dem DGB-Apparat gab es bisher keine Reaktion. Es sind aber schon Unterstützungserklärungen von Einzelgewerkschaften eingegangen, betont Hajek.

Auf einer Veranstaltung am 3. März um 20 Uhr wird sich die Initiative im Berliner Stadtteiladen »Zielona Gora« in der Grünberger Straße 73 vorstellen. Aufruf unter www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/real/fau.html. Kontakt: koalitionsfreiheit@googlegroups.com

 

http://www.neues-deutschland.de/artikel/165393.babylon-boykott-bleibt-fuer-fau-illegal.html

 

Peter Nowak

Schlechte Noten für Hartz IV

Zwei Studien nehmen die Absicherung von Arbeitslosen in Deutschland kritisch unter die Lupe
Mitten in die durch FDP-Chef Westerwelle ausgelöste Debatte um die Hartz IV-Sätze platzen zwei Studien, welche die Hartz IV-Politik in Deutschland kritisch unter die Lupe nehmen. So können sich durch die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung vorgestellte Studie diejenigen bestätigt sehen, die schon seit Jahren propagieren, dass Hartz IV-Armut per Gesetz sei. Die Unterstützung könne kurzfristige soziale Probleme lindern, die Ursachen für die Armut aber nicht beseitigen, heißt es in der DIW-Studie.

Demnach leben rund 14 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Zahl hat sich im letzten Jahrzehnt um ein Drittel erhöht. Besonders bei kinderreichen Familien steige das Armutsrisiko. Die vieldiskutierte Altersarmut ist hingegen nach der DIW-Studie kein akutes Problem. Die vorgeschlagenen Lösungsansätze dürften bei vielen Betroffenen allerdings auf Widerspruch stoßen. So schlägt Joachim W. Frick, der für die Studie verantwortlich ist, statt einer Erhöhung der Hartz IV-Sätze eine gezielte Förderung beispielsweise von kinderreichen Familien vor. Eine solche Umstellung auf Sach- statt auf Geldleistungen wird von Erwerbslosenorganisationen als Versuch der Entmündigung kritisiert und ist auch in der Politik umstritten.

Jetzt hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ( OECD) in einer Studie Hartz IV auch im europäischen Vergleich schlechte Noten ausgestellt. „Die finanzielle Absicherung von Menschen, die ihren Arbeitsplatz verlieren oder über längere Zeit arbeitslos sind, ist in Deutschland im Vergleich zu den anderen OECD-Ländern durchschnittlich, im europäischen Vergleich jedoch eher gering“, heißt es dort.

Vor allem Langzeitarbeitslose kommen aus der Armutsfalle nicht heraus und müssen oft gering bezahle Beschäftigungen annehmen. Dadurch sei der Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung auch nicht gerade groß. Das ist eine Kritik an dem in Deutschland wachsenden Bereich von Minijobs und ein Plädoyer für die Förderung von sozial abgesicherten Vollzeitarbeitsplätzen. Sollte die Diskussion in dieser Richtung weitergeführt werden, würde der Populismus von Westerwelle und Co ins Leere laufen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147100

 

Peter Nowak

Peinlicher Abschluss

Gewerkschafter kritisieren neuen Tarifvertrag für Leiharbeitnehmer
Der Tarifvertrag für Zeitarbeiter stößt an der Gewerkschaftsbasis auf Kritik.
»Ein guter Tag für die Zeitarbeit«, lautete der Titel einer gemeinsamen Erklärung des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA) und der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des DGB. Diese hatten sich Ende vergangener Woche auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt. Danach sollen Mitarbeiter, die am 1. Mai 2010 vier Monate oder länger ohne Unterbrechung beschäftigt waren, für die Monate Januar bis April eine Einmalzahlung von 80 Euro erhalten. Ab 1. Mai 2010 und 2011 sollen die Löhne jeweils um 2,5 Prozent erhöht werden. Die Tarifpartner empfehlen allen Zeitarbeitsfirmen, sich an dem Vertrag zu orientieren.

An der Gewerkschaftsbasis hingegen wird keineswegs gefeiert. Kritik gibt es vor allem in der IG Metall (IGM), deren Tarifkommission heute über den Vertrag abstimmt. »In den letzten Tagen sind massenhaft Protestmails an die verantwortlichen Funktionäre gegangen«, erklärte ein Gewerkschafter aus der Zeitarbeitsbranche, der nicht namentlich genannt werden will, gegenüber ND. Das Ergebnis gehe nicht über das Angebot des BZA hinaus. Die Gewerkschaft habe die Druckmittel nicht genutzt, die vor allem durch die öffentliche Diskussion um das Lohndumping bei Schlecker entstanden sei. Zudem hätten auch die Unternehmer wegen der ab Januar 2011 geltenden Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU Interesse an einem Tarifvertrag.

In einem von der IG Metall organisierten Internetforum für Zeitarbeiter überwiegen kritische Kommentare. »Leute, die ich organisiert habe, haben mir geschrieben, es ist peinlich. Die hätten lieber keine solche Erhöhung als so eine Erniedrigung«, schreibt ein Metaller. Ein anderer Gewerkschafter moniert, es habe seines Wissens noch keine Sitzung der Tarifkommission der Gewerkschaft gegeben, obwohl dort auch Betriebsräte aus Verleihbetrieben säßen.

Nicht nur die Basis äußert Kritik. Ein bayerisches Mitglied der Tarifkommission will den Vertrag ablehnen. »Alles was nach zwei Jahren abgeliefert wurde, ist eine Zustandsbeschreibung, die Aktive vor Ort wahrscheinlich in 30 Minuten selbst hätten schreiben können.« Die IGM-Verwaltungsstellen Regensburg und Augsburg hatten Anfang Januar dem Gewerkschaftsvorstand ihre Bedenken mitgeteilt.

Der Verhandlungsführer des DGB bei den Tarifverhandlungen, Reinhard Dombre, sieht die Kritik gelassen. Man solle die heutige Entscheidung der Tarifkommission abwarten, erklärte er gegenüber ND. Zudem betonte er, dass eine reale Gefahr bestanden hätte, dass der BZA mit den Christlichen Gewerkschaften einen schlechteren Tarifvertrag abschließt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/164224.peinlicher-abschluss.html

Peter Nowak

Solidarität über Gewerkschaftsgrenzen

Workshop in Berlin suchte Umgangsstrategien zum faktischen Gewerkschaftsverbot der FAU
Am vergangenen Wochenende diskutierten linke Gewerkschafter in Berlin bei einem Workshop darüber, wie mit den Restriktionen gegen die Freie ArbeiterInnen Union (FAU) umzugehen sei. Der waren im Zuge des Arbeitskampfes um das Berliner Kino Babylon Mitte gerichtlich zunächst Arbeitskampfmaßnahmen untersagt, schließlich dann das Recht abgesprochen worden, sich als Gewerkschaft bezeichnen zu dürfen (ND berichte).
Am 16. Februar wird das Berliner Landesarbeitsgericht entscheiden, ob das von der Vorinstanz verhängte faktische Gewerkschaftsverbot der FAU Bestand hat. Unterdessen habe die Geschäftsführung des Kinos Strafantrag gegen die FAU Berlin gestellt, weil diese angeblich gegen die Unterlassung verstoßen habe, erläuterte Holger Marcks von der FAU bei dem Workshop am Samstag. In Marcks Augen ein starkes Stück: »Menschen sind akut von Haft bedroht, nur weil sie angeblich das Wort ›Gewerkschaft‹ auch nur sinngemäß in den Mund genommen haben sollen.«

Die Maßregelungen bezeichnete Jochen Gester vom Arbeitskreis Internationalismus der Berliner IG Metall als »Angriff auf die Organisationsfreiheit aller Gewerkschafter«. Der AK Internationalismus gehört ebenso wie das gewerkschaftslinke »Forum, Betrieb, Gewerkschaft und soziale Bewegungen Berlin« zu den Mitunterzeichnern eines Solidaritätsaufrufes mit der FAU. Auch der emeritierte Politologe Bodo Zeuner sprach sich bei dem Workshop für die Organisationsfreiheit der FAU aus, ohne deren Gewerkschaftskonzept zu teilen.

Der Experte erklärte mit Verweis auf die Geschichte der Gewerkschaften, dass es dort oft eine begrenzte Solidarität gegeben habe. So habe sich die Druckergewerkschaft lange Zeit gegen die Mitgliedschaft von Frauen ausgesprochen, nannte er ein Beispiel. Mit Blick auf die gegenwärtige Situation plädierte Zeuner für einen erweiterten Solidaritätsbegriff, der auch mit dem DGB konkurrierende Organisationen einschließt.

Die Potsdamer Historikerin Renate Hürtgen und der Journalist Willi Hajek erinnerten daran, dass sich Lohnabhängige sehr unterschiedlich organisieren. Hajek verwies auf die Rolle der GDL beim Lokführerstreik. Er rief dazu auf, auch die Entwicklungen in der Gewerkschaftslinken im Auge zu behalten. So treten etwa bei den Betriebsratswahlen im Daimler-Werk in Berlin-Marienfelde neben der offiziellen IG-Metall-Liste oppositionelle Gewerkschafter unter dem Namen Alternative zur Wahl an. Bisher konnte ihr Ausschluss aus der IG-Metall verhindert werden.

Weitgehend Konsens erlangte bei der Veranstaltung ein Aufruf aus dem Publikum: »Ob sich die Kollegen in einer DGB-Gewerkschaft, der FAU oder einer anderen Gewerkschaft organisieren, ist deren Sache. Wir müssen für ihre Organisationsfreiheit eintreten«, hieß es dort.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/164159.solidaritaet-ueber-gewerkschaftsgrenzen.html

Peter Nowak

Kampagne für Unia-Sekretär

Gewerkschafter sitzt seit Wochen im Gefängnis

Der Gewerkschafter Murad Akincilar sitzt in der Türkei im Gefängnis. Die Unia startete eine internationale Kampagne für seine Freilassung.

Murad Akincilar ist in der Schweiz als aktiver Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivist. Er arbeitet seit vielen Jahren als Gewerkschaftssekretär für die Gewerkschaft Unia in Genf, wo er seit 1999 wohnt. In diesem Jahr hat er gemeinsam mit seiner Frau Asyl in der Schweiz beantragt und erhalten. Als aktiver Linker und Gewerkschafter war er in der Türkei politischer Verfolgung ausgesetzt. Nun muss er diese Erfahrungen erneut machen. Denn Akincilar sitzt seit mehr als drei Monaten in einem türkischen Gefängnis. Am 30. September 2009 war er im Beisein seiner Frau in der Istanbuler Wohnung seiner Eltern von türkischen Zivilpolizisten ohne Angabe verhaftet worden. An diesem Tag fanden in mehreren türkischen Städten Razzien gegen Linke statt. 17 Personen wurden festgenommen, wenige Tage später wurde gegen acht von ihnen ein Haftbefehl erlassen, Akincilar gehörte dazu.

Ihm wird die Mitarbeit an der sozialistischen Zweimonatsschrift Demokratik Dönüsüm Dergisi (Demokratisches Transformations-Magazin) vorgeworfen, einem seit dem Jahr 2000 legal erscheinende linken Debattenzeitschrift.

Nachdem bisher alle Versuche von Akincilars Rechtsanwälten gescheitert sind, die Freilassung des Mannes zu erreichen, hat die Unia eine länderübergreifende Solidaritätskampagne gestartet.

Darin wird neben seiner sofortigen Freilassung auch die Gewährung der Grundrechte eingefordert. »Murad muss die Möglichkeit haben, mit seiner Familie und seinem Anwalt in Kontakt zu treten, die Vorwürfe gegen ihn zu kennen und würdige Haftbedingungen zu haben, die der internationalen Verpflichtung der Türkei entsprechen«, heißt es in einem Appell.

»Wir haben seine moralische Integrität und seinen Gerechtigkeitssinn immer geschätzt«, heißt es in einer Erklärung der Unia zu Akincilar. Unter dem Motto »Gewerkschafter gehören nicht ins Gefängnis« hat es in den letzten Wochen in der Schweiz zahlreiche Solidaritätsaktionen gegeben, an denen sich ein Bündnis linker Gruppen beteiligte.

Neben zahlreichen Gewerkschaftern aus verschiedenen europäischen Ländern hat sich auch die Linksfraktion GUE/NGL im Europaparlament den Forderungen nach seiner Freilassung angeschlossen.

Die Aktivisten befürchten, dass ein weiterer Gefängnisaufenthalt die schon lange angeschlagene Gesundheit von Akincilar weiter schädigt. So musste der schwer sehbehinderte Mann während der Haft an beiden Augen operiert werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/163046.kampagne-fuer-unia-sekretaer.html

Peter Nowak