Gewerkschaften und Flüchtlinge

Gegen ausgrenzende Logik

Im Sommer 2013 wurden rund 300 Flüchtlinge der Gruppe «Lampedusa in Hamburg» in die Gewerkschaft Ver.di aufgenommen – vom Hamburger Fachbereich «Besondere Dienstleistungen». Die Asylbewerber schrieben: «In der Gewerkschaft haben wir eine Partnerin gefunden, die die Ungerechtigkeit, die uns angetan wurde, realisiert und diesen Kampf mit uns zusammen führt.» Seitdem sah man bei Flüchtlingsdemos häufig Ver.di-Fahnen.

Doch dann bekam der Hamburger Gewerkschaftssekretär Peter Bremme eine Abmahnung vom Bundesvorstand. Er habe mit der Aufnahme der Flüchtlinge gegen die Satzung verstoßen. Flüchtlinge, die keine Arbeitserlaubnis haben, seien weder lohnabhängig noch erwerbslos. Muss eine Gewerkschaft die ausgrenzende Logik der deutschen Asylgesetze übernehmen, die Flüchtlingen eine Arbeitsaufnahme verbietet und so auch verhindert, dass sie sich arbeitslos melden können? Sollte der Staat entscheiden, wer Gewerkschaftsmitglied wird? Und wird durch ein solches Gebaren nicht die Verhandlungsposition von Ver.di gegenüber den Arbeitgebern geschwächt?

Es gibt einen guten Grund, weshalb sich nicht nur Lohnabhängige in Gewerkschaften organisieren: Erwerbslose können leicht gegen sie ausgespielt werden. Wenn sie durch Sozialhilfekürzungen gezwungen sind, jeden noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen, dann erhöht das auch den Druck auf die Beschäftigten, eine miese Bezahlung zu akzeptieren. Bei Menschen ohne Arbeitserlaubnis ist es genauso: Wenn sie illegal für Hungerlöhne arbeiten, schwächt das auch die Gewerkschaften. Der Ver.di-Vorstand schießt sich also ins eigene Knie, wenn er die Flüchtlinge ausschließt.

Das erkennen inzwischen auch viele ehren- und hauptamtliche Gewerkschafter. Sie haben einen Aufruf unterzeichnet, der eine Ver.di-Mitgliedschaft unabhängig vom Aufenthaltsstatus fordert. Der Bundesvorstand ist von seiner Position zwar nicht abgerückt, aber die aufgenommenen Flüchtlinge aus Hamburg dürfen Ver.di-Mitglieder bleiben. Zudem gibt es seit einigen Jahren in mehreren Städten Ver.di-Arbeitskreise, die auch Beschäftigten ohne gültige Dokumente zu ihrem Recht verhelfen. Ihr Motto: Papierlos, aber nicht rechtlos.

Gewerkschaften und Flüchtlinge

Peter Nowak

Durch Mapping zum Erfolg

Erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit in Chile

Bis heute hat Chile das Erbe der Pinochet-Diktatur nicht überwunden. Das neoliberale Wirtschaftsmodell ist ein Eldorado für Konzerne aus aller Welt, während Gewerkschaften noch immer große Probleme haben. Doch es gibt auch Erfolge.

Eigentlich ist der US-Einzelhandelsriese Wal-Mart wegen seiner Gewerkschaftsfeindlichkeit berüchtigt. Um so bemerkenswerter sind die Erfolge von Arbeitnehmern in Chile. In einer Großlagerhalle in der Hauptstadt Santiago wurde die Grundlage dafür schon in der Zeit des Vorbesitzers gelegt. »Bei der Übernahme hat Wal-Mart uns mit eingekauft und ist uns nicht mehr los geworden«, erklärte der dortige Gewerkschaftsvorsitzende Eduardo Díaz kürzlich bei einer Veranstaltung in Berlin.

Auch die Gewerkschaftssekretärin Patricia Guzmán zeigt sich zufrieden: »Am 8. Dezember gründeten neun Beschäftigte in der Filiale die Gewerkschaft. Mittlerweile ist knapp die Hälfte der 400 Beschäftigten dort organisiert.« Gleich bei der ersten Tarifverhandlung erreichte die Gewerkschaft Lohnerhöhungen, was in Chile eher die Ausnahme ist. Regelrecht ins Schwärmen gerät Diaz, wenn er über das Vorgehen bei Tarifverhandlungen berichtet. Demnach listet die Gewerkschaft vorher akribisch auf, welche Arbeitsschritte jeder einzelne Kollege vollziehen muss, um die Notwendigkeit einer besseren Bezahlung zu unterstreichen. Ergebnis: Mit zahlreichen Boni sei das Monatsgehalt um teilweise mehr als 70 Prozent gestiegen. »Durch Mapping zum Erfolg«, brachte Diaz die Arbeit seiner Gewerkschaft auf eine kurze Formel. Längst ist sich Wal-Mart bewusst, dass man es mit einer Gewerkschaft mit großer Basisbeteiligung zu tun hat. Wöchentlich versammelt sich die Belegschaft und bespricht Strategien und Ziele.

Der Erfolg hat sich im Land herumgesprochen und die kleine Betriebsgewerkschaft ist zum gefragten Ansprechpartner geworden. »Wir unterstützen Kollegen beim Aufbau kämpferischer Gewerkschaften. Dabei betonen wir die Bedeutung von Basisbeteiligung«, betont Diaz. Er hält daher auch die Schüler- und Studentenbewegung für wichtige Bündnispartner der Gewerkschaften.

Derweil versucht das Wal-Mart-Management mit Gegenstrategien den gewerkschaftlichen Einfluss wieder einzudämmen. So wurde eine neue Produktionsanlage gebaut, die eine gewerkschaftsfreie Zone werden soll. Dabei zieht Wal-Mart mit dem neuen Subunternehmen DHL, der Logistiktochter der Deutschen Post, an einem Strang. Die Gewerkschafter kündigen eine harte Auseinandersetzung an. Bei ihrem derzeitigen Deutschlandbesuch schauen sie sich dafür nach Verbündeten um.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/835634.durch-mapping-zum-erfolg.html

Peter Nowak

Neuer Niedriglohnsektor

Gewerkschaften kritisieren Freiwilligendienst

Mit der Wehrpflicht würde auch der Zivildienst abgeschafft. Nicht nur die Gewerkschaften befürchten eine Ausweitung des Niedriglohnsektors.
 

Sollte sich das Bundesverteidigungsministerium mit seinen Plänen zur Aussetzung der Wehrpflicht durchsetzen, wäre auch der Zivildienst in der alten Form nicht mehr zu halten. Die vom Familienministerium erarbeiteten Pläne für einen Freiwilligendienst könnten zu einer Ausweitung des Niedriglohnsektors führen, so die Befürchtung der Gewerkschaften.

»Wenn die Wehrpflicht ausgesetzt wird, halten wir nichts davon, dass die Zivil- und Freiwilligendienste im Sinne von Familienministerin Kristina Schröder weitergeführt werden. Die entstehende personelle Lücke sollte durch reguläre, tariflich bezahlte und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschlossen werden«, erklärt der ver.di-Pressesprecher Jan Jurczyk gegenüber ND.

»Die Pläne des Familienministeriums, einen sogenannten ›freiwilligen zusätzlichen Zivildienst‹ einzuführen, stoßen bei ver.di und der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer (Zentralstelle KDV) auf strikte Ablehnung«, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Schon der jetzige Einsatz von Zivis diene oft mehr dem Profit der Betriebsinhaber oder Aktionäre als dem Gemeinwohl, kritisieren beide Organisationen. Die Zivis werden überwiegend im Bereich Pflege- und Betreuungsdienste, für die ver.di zuständig ist, eingesetzt. Ein wesentlich kleinerer Anteil ist im gärtnerischen und landschaftspflegerischen Bereich beschäftigt oder übernimmt Reinigungs- und Hausmeistertätigkeiten.

»In privatisierten Einrichtungen haben Zivildienstleistende nichts zu suchen. Mit den Gewinnen, die in diesem Bereich gemacht werden, können auch reguläre Arbeitskräfte eingestellt werden«, sagte der Vorsitzende der Zentralstelle KDV, Werner Glenewinkel. Auch ver.di-Chef Frank Bsirske findet klare Worte: »Es ist ein Skandal, wenn gerade mühsam ein Mindestlohn von 8,50 Euro im Westen und 7,50 Euro im Osten für Pflegehilfskräfte eingeführt wurde, nun aber die Bundesregierung hingeht, um mehr als 30 000 Hilfskräfte für 3,75 Euro pro Stunde zu beschäftigen.« Zivis sollen nach seiner Ansicht nur in gemeinnützigen und öffentlichen Einrichtungen, nicht aber in gewinnorientierten Betrieben eingesetzt werden. Er kündigte an, dass die Betriebs- und Personalräte verstärkt auf deren arbeitsmarktneutralen Einsatz achten werden. Konflikte mit einigen Wohlfahrtsverbänden wären programmiert. Sie wollen den Sold von rund 360 Euro monatlich nicht erhöhen, wenn aus den Zivildienstleistenden Freiwillige werden. Das spart Millionen von Euro, schafft aber einen faktischen Stundenlohn von rund 3,75 Euro.

»Die Gewerkschaftsjugend fordert, für den Sozialbereich sozialversicherungspflichtige, tarifvertraglich geregelte Arbeitsplätze und Freiwilligendienste zu schaffen und Zwangsdienste jeder Art abzuschaffen«, betont auch der politische Referent der DGB-Jugend Florian Haggenmiller. Allerdings spricht er sich für eine schrittweise Umwandlung aus. »Wir wissen aber, dass die Zivildienstleistenden derzeit eine tragende Säule bei gesellschaftlichen Aufgaben sind. Im Gesundheits- und Pflegebereich beispielsweise würde bei einem sofortigen Wegfall eine spürbare Lücke entstehen.« Und die Befürchtungen scheinen begründet. Die Umwandlung von Zivistellen »in reguläre Arbeitskräfte steht für uns nicht zur Debatte«, erklärte die Caritas-Sprecherin Claudia Beck gegenüber ND. Wegen des Rückgangs der Zivis in den letzten Jahren werden viele ihrer Tätigkeiten von Freiwilligen übernommen. In dem Bereich der Gartenarbeit würden Zivildienststellen durch Arbeitsplätze im Billigbereich ersetzt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/178847.neuer-niedriglohnsektor.html

Peter Nowak

Datenschutz-Gesetzentwurf für Arbeitnehmer nur Mogelpackung?

Unternehmen sollen u.a. weiterhin Mitarbeiterdaten zur Erforschung „undichter Stellen“ auswerten dürfen – scharfe Kritik von Gewerkschaften und Datenschützern
Den Datenschutz im Arbeitsleben soll ein Gesetzentwurf verbessern, zu dem gestern im Bundesinnenministerium die erste Anhörung stattfand.

„Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird die seit Jahrzehnten diskutierte Schaffung umfassender gesetzlicher Regelungen für den Arbeitnehmerdatenschutz verwirklicht“, schreiben die Verfasser in den Entwurf. Dem widersprechen Datenschützer und Gewerkschaften heftig.

So sieht der Bundesbeauftrage für Datenschutz Peter Schaar erheblichen Verbesserungsbedarf an dem noch nicht mit den Ministerien abgestimmten Referentenentwurf. Schaar moniert besonders, dass die Unternehmen weiterhin Mitarbeiterdaten zur Erforschung „undichter Stellen“ auswerten dürfen. So findet sich in dem Entwurf der Passus:

„Der Arbeitgeber darf Beschäftigtendaten auch verarbeiten und nutzen, soweit dies erforderlich und verhältnismäßig ist, um die Begehung von Vertragsverletzungen zu seinen Lasten, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten durch den Beschäftigten im Beschäftigungsverhältnis zu verhindern oder aufzudecken.“

Zudem können nach dem Entwurf Personalchefs weiterhin über das Internet Daten über Bewerber sammeln. „In Zukunft dürften Arbeitgeber zwar Bewerber auch weiterhin nicht nach einer eventuellen Schwangerschaft fragen, die Forschung in einschlägigen Selbsthilfeforen und sozialen Netzwerken nach entsprechenden Hinweisen wäre ihnen allerdings erlaubt, und sie müssten die Betroffenen nicht einmal darüber informieren, dass sie entsprechende Recherchen angestellt haben“, so Schaar.

verdi: Entwurf ist völlig unbrauchbar

Noch härter ist die Kritik der Dienstleistungsgewerkschaft verdi an dem Referentenentwurf. „Ein Gesetz, das nicht mehr Schutz für die Beschäftigten bietet und sogar noch hinter die geltende Rechtsprechung zurückfällt, wird von den Gewerkschaften abgelehnt“, sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Gerd Herzberg.

„Nach der geplanten Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes soll es zukünftig möglich sein, von Bewerbern und Beschäftigten Daten über deren Vermögensverhältnisse oder deren Gesundheitszustand zu speichern. Dies geht weit über die derzeit zulässige Datenerfassung und die Speicherung nach der aktuellen Rechtsprechung hinaus“, präzisiert die Expertin für Arbeitsrecht bei verdi, Kerstin Jerchel, gegenüber Telepolis diese Kritik.

Zudem fällt der Entwurf hinter ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2004 zurück, das die Einführung einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats stellt. Die Gewerkschaft lehnt den aktuellen Gesetzentwurf komplett ab, betonte Jerchel gegenüber Telepolis.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147852

Peter Nowak

Kritik an Abkommen

Gewerkschafter gegen EU-Freihandelspakt mit Kolumbien
Das EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien, das im Mai unterzeichnet werden soll, stößt auf heftige Kritik.
Obwohl Kolumbien für Gewerkschafter das gefährlichste Land der Welt ist, soll am 18.Mai während des EU-Lateinamerikagipfels in Madrid ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem lateinamerikanischen Land unterzeichnet werden.

Dagegen wollen am Samstag von 12 bis 14 Uhr auf den Berliner Wittenbergplatz Gewerkschafter und Nichtregierungsorganisationen protestieren. Auf der Kundgebung, zu der auch ver.di-Berlin und der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall aufrufen, sollen die Fotos der im letzten Jahr in Kolumbien ermordeten 41 Gewerkschafter gezeigt werden. Seit dem Amtsantritt des Präsidenten Uribe 2002 sind über 500 Gewerkschafter getötet worden. »In den letzten Jahren wurden in Kolumbien tausende Menschen ermordet, allein weil sie sich für ihre sozialen und politischen Rechte engagieren«, erklärt Jochen Gester vom Arbeitskreis Internationalismus. »Wir wollen uns mit den Gewerkschaftern solidarisieren, die trotz der ständigen Drohungen nicht aufgeben«, erläutert die Berliner Filmemacherin Bärbel Schönafinger, die in mehreren Dokumentarfilmen die Missachtung der Gewerkschaftsrechte in Kolumbien thematisierte.

Von den kolumbianischen Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften wird das Freihandelsabkommen abgelehnt, weil sie eine Legitimierung der repressiven Politik gegen Gewerkschafter und die Missachtung der Arbeiterrechte befürchten. Unterstützung bekommen sie dabei von der Gewerkschaft IG Bauen Agrar Umwelt, die in einem Positionspapier wegen der schlechten Menschenrechtslage in Kolumbien den Stopp der Verhandlungen fordert.

Auch im EU-Parlament regt sich Widerstand. Die grünen Europaabgeordneten Sven Giegold und Ulrike Lunacek bezeichnen das Abkommen als »Schandfleck für die Europäische Union, das weder menschenrechtlichen noch ökologischen Kriterien genügt«.

 http://www.neues-deutschland.de/artikel/169665.kritik-an-abkommen.html

Peter Nowak