„Mir geht es um Menschenrechte“

Marcel Kallwass

MUT Ein Student der Hochschule der Arbeitsagentur kritisiert seinen Ausbilder: Die Sanktionen gegen Erwerbslose sind oft falsch. Nun muss er fürchten, von der Schule geworfen zu werden

taz: Herr Kallwass, als Student an der Hochschule der Bundesanstalt für Arbeit haben Sie mehrfach die Bundesarbeitsagentur kritisiert. Warum?

Marcel Kallwass: Ich habe im Jobcenter Ulm hospitiert. Dort habe ich mitbekommen, wie Erwerbslose sanktioniert wurden. Das kann nicht der richtige Weg sein. Ich habe in der Hochschule Diskussionen über die Sanktionen angeregt. Dabei musste ich mit Erschrecken feststellen, dass viele meiner Kommilitonen Sanktionen befürworten.

Bekamen Sie Unterstützung?

Einige Studierende wurden durch meine Argumente zum Nachdenken angeregt. Sie erklären, dass sie jetzt die Sanktionen kritischer sehen. Allerdings war vielen meine Totalablehnung von Sanktionen zu radikal.

Warum haben Sie Ihre Kritik öffentlich gemacht, beispielsweise auf Ihrem Blog?

Nach den Diskussionen in der Hochschule habe ich gemerkt, dass ich an eine Grenze stoße. Also begann ich vor fünf Monaten, meine Argumente auf dem Blog „Kritischer Kommilitone“ zu veröffentlichen. Damit wollte ich meine Solidarität mit der Hamburger Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann ausdrücken, die wegen ihrer Kritik am Hartz-IV-System vom Dienst suspendiert wurde.

Bekamen Sie auch Druck?

Im Juni hatte ich den Blog eröffnet, Anfang August wurde ich vom Leiter der Hochschule zu einem ersten Gespräch eingeladen. Das war noch moderat. Nachdem ich einen offenen Brief an den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht hatte, in dem ich Vorschläge für eine Berufsberatung ohne Sanktionen machte, drohte mir die Regionaldirektion von Baden-Württemberg in Stuttgart erstmals mit einer Abmahnung. Nachdem ich auch in der Hochschule mit Flugblättern meine Kritik fortsetzte, habe ich Anfang November die erste und wenige Wochen später die zweite Abmahnung erhalten.

Gefährden Sie Ihre Karriere?

Nach intensiven Gesprächen mit meinen Eltern und FreundInnen habe ich mich entschieden, den Blog weiter zu betreiben. Ich weiß, dass das dazu führen kann, mein Studium abbrechen zu müssen. Das Risiko gehe ich ein, mir geht es um Menschenrechte.

Könnten Sie als kritischer Berufsberater nicht mehr gegen die Sanktionen tun?

Nein, ich wäre dann ein Rädchen in der Maschinerie. Auch wenn ich von der Schule geschmissen würde, wird mich die Bundesanstalt für Arbeit nicht los. Ich wäre dann selber arbeitslos und würde mich weiter gegen Hartz IV engagieren.

INTERVIEW: PETER NOWAK


22, ist Student an der Hochschule der Bundesanstalt für Arbeit in Mannheim. Nachdem er auf seinem Blog das Arbeitsamt kritisierte, wurde er gemaßregelt.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2013%2F12%2F27%2Fa0115&cHash=77df33031deebeb96fb24503a9629457

Von der Leyen als Managerin des Unternehmens Bundeswehr

Links

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http://www.bmvg.de/

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http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/bundestagswahl/id_67028578/-guenther-jauch-ursula-von-der-leyen-hat-mordsrespekt-vor-neuem-job.html

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http://www.heise.de/tp/blogs/8/152549

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http://www.heise.de/tp/blogs/8/155482

Kampagne gegen Drohnen weitet sich aus

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Rauswurf aus dem Euro riskieren

Griechisches Linksbündnis Antarsya fordert grundlegend andere Krisenpolitik

Manos Skoufoglou ist Mitglied im Nationalen Komitee des linken griechischen Bündnisses Antarsya. Die »Antikapitalistische linke 
Zusammenarbeit für den Umsturz« wurde 2009 aus zehn Einzelorganisationen gegründet. Bei der letzten Wahl des griechischen Parlaments im Juni 2012 erhielt Antarsya 0,33 Prozent der Stimmen. 
Mit Skoufoglou sprach für »nd« 
Peter Nowak.

nd: Die griechische Regierung steht dieser Tage wieder unter besonderer Beobachtung der internationalen Kreditgeber. Der Protest gegen weitere Kürzungen und Sparmaßnahmen hat deutlich abgenommen. Hat sich die außerparlamentarische Bewegung kleinkriegen lassen?
Tatsächlich gab es nach den außerparlamentarischen Massenbewegungen von 2011 eine Ernüchterung und die Bewegung ging zurück. Doch in den letzten Wochen hat eine neue Welle begonnen. Teilweise sind Menschen wieder dabei, die schon 2011 auf der Straße waren. Aber auch neue Kräfte sind dazu gekommen. Viele der Menschen haben versucht, sich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Aber sie haben erfahren müssen, dass ihnen immer neue Zumutungen abverlangt werden und sagen sich, dass es ihnen reicht.
nd: Welche Rolle spielen die Gewerkschaften heute in der Protestbewegung?
M.S.: Sie haben allein in diesem Herbst zwei Generalstreiks organisiert. Dass Problem ist aber, dass es nicht gelingt, längere Streiks zu organisieren, der  konkrete  Maßnahmen der Troika und der Regierung verhindern könnte. Ein Grund dafür ist, dass verschiedene  Gewerkschaften getrennt agieren und nicht zusammen arbeiten.
nd: Antarsya ist nicht im griechischen Parlament vertreten. Welche Rolle messen Sie sich selbst in der Opposition zur Krisenpolitik bei?
Bei Wahlen ist unser Einfluss begrenzt. Wir haben  keinen Abgeordneten im griechischen  Parlament, nur in einigen Bezirken und Städten haben wir einige wenige Sitze errungen. Doch unser Einfluss in der außerparlamentarischen Bewegung ist größer.  Schließlich arbeiten in dem in unserem Bündnis organisierten Gruppen  ca. 3000 Menschen kontinuierlich zusammen. Viele von ihnen sind in den sozialen Bewegungen  aktiv.
nd: Was ist das Ziel dieser Arbeit, wenn doch eine Regierungsbeteiligung zur Zeit ausgeschlossen ist?
Bei Antarsya  handelt sich nicht um  kein temporäres Bündnis, das nur  für eine Aktion oder Kampagne ausgerichtet ist. Wir sind aber auch keine Partei. Wir legen großen Wert auf dezentrale Strukturen.  Die Mitglieder von  Antarsya kommen  aus unterschiedlichen linken Traditionen und Hintergründen. Unser Ziel ist eine pluralistische, nichtreformistische Linke.
nd: Wie ist Ihr Verhältnis zu dem linken Bündnis Syriza?
Da wir bei den Wahlen eigenständig kandieren, sind wir hier Konkurrenten. Grundsätzlich würden  wir es natürlich begrüßen, wenn eine progressive Kraft die Regierung übernimmt und einem grundsätzlichen Bruch mit der bisherigen Politik einleitet. Das Problem ist nur, dass Syriza  ihre Versprechen nicht einhalten können wird, weil die Partei nicht zu einem grundsätzlichen Bruch mit dem Kapitalismus bereit ist.
nd.: Können Sie dafür Beispiele nennen?
Vor einigen Monaten unterstützte Syriza noch die antifaschistischen Proteste auf der Straße. Als nach dem Mord an dem linken Rapper Pavlos Fyssas zehntausende zur Zentrale der Neonazipartei Goldene Morgendämmerung zogen, haben sich sämtliche Parteien auch Syriza ferngehalten. Sie haben die Demonstration sogar im Vorfeld denunziert. Stattdessen schlug Syriza ein Treffen aller verfassungsmäßigen Parteien, einschließlich der Regierungsparteien gegen den Faschismus vor. Kürzlich stimmte Syriza einem Gesetz der Regierung zu, dass die Finanzierung von Parteien verbietet, denen Terrorismus vorgeworfen wird, obwohl hier eine Handhabe geschaffen wird, auch gegen linke Gruppierungen vorzugehen.
nd: Haben Sie auch Kritik daran, dass Syriza Griechenland in der Eurozone halten  will?
Ja, vor allem,  weil sich auch in dieser Frage die Rhetorik von Syriza gewandelt hat. Vor den letzten Wahlen wurde noch betont, dass die bisherigen  Troika-Verträge neu verhandelt werden müssen. Nun erklären führende Syriza-Politiker, sie werden alles tun, damit Griechenland den Euro behalten kann. Damit wird aber auch hier eine grundsätzliche Änderung der Politik ausgeschlossen.
nd: Fordert Antarsya einen Austritt aus der Eurozone?
M.S.:  In dieser Frage gibt es bei uns unterschiedliche Positionen. Es gibt eine Strömung bei uns,  die einen Austritt aus dem Euro fordert. Doch einig sind wir uns darin, dass wir eine Wirtschafts- und Sozialpolitik machen sollen, die mit einem Verblieb in der Eurozone nicht vereinbar ist. Wir würden es also darauf ankommen lassen, dass wir von den EU-Gremien aus der Eurozone geworfen werden. Im Rahmen eines solchen Konfliktes rechnen wir auch mit einer Solidarisierung von sozialen Bewegungen in anderen europäischen Ländern.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/917792.rauswurf-aus-dem-euro-riskieren.html
Interview: Peter Nowak

Recht ist, was den Waffen nutzt

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Sloweniens Regierung zu neoliberaler Politik gezwungen?

Luka Mesec sieht großes Potenzial für die Linke in seinem Land

Luka Mesec ist Ökonom und leitet das Institut für Arbeitsstudien in Ljubljana. Er ist Mitbegründer der Initiative für einen demokratischen Sozialismus in Slowenien. Mit ihm sprach für »nd« Peter Nowak.

nd: Slowenien macht in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise kaum Schlagzeilen. Ist das Land von der Krise verschont geblieben?

Mesec: Keineswegs. Allerdings gibt es einige historische Besonderheiten.In Slowenien  gab es bereits Anfang  der 90er Jahre große Arbeiterproteste, die dazu geführt haben, dass die wirtschaftsliberale Schocktherapie in unserem Land im Gegensatz zu den meisten anderen osteuropäischen Ländern nicht umgesetzt wurde.  Slowenien wurde von den Sozialdemokraten durch die Transformationsperiode geleitet. Die orientierten sich damals am rheinischen Kapitalismus und stellten Deutschland als Modell heraus.

Frage: Welche Folgen hatte für das praktische Politik?
L.M.:  In Slowenien befinden sich die Bahn und die Telekommunikationsgesellschaft noch in Staatsbesitz.
Frage: Kann Slowenien heute davon profitieren, dass es sich der Schocktherapie verweigerte?
L.M.: Nein. Die konservative Regierung, die die Sozialdemokraten ablösten, forcierte die wirtschaftsliberale Politik. Mit dem  Beginn der Bankenkrise nahm die Politik der Privatisierungen zu. Es gibt  Pläne noch weitere in staatlichen Besitz befindliche Firmen zu privatisieren. So soll in Slowenien mit mehr als 20 Jahren Verspätung die neoliberale Wirtschaftspolitik umgesetzt werden, die in vielen anderen osteuropäischen Ländern aber auch in Griechenland erst zur Verschärfung der Krise und zur Verarmung großer Teile der Bevölkerung beigetragen hat.
Frage: Gab es dagegen keine Proteste?
L.M.: Doch, wir hatten in unserem Land in den letzten Monaten  die größten Proteste seit 20 Jahren. Sie richteten sich gegen die neoliberale und autoritäre Politik des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Janez Jansa. Als seine Regierung Ende Februar 2013 durch ein Misstrauensvotum im  Parlament gestürzt wurde, war die Hoffnung auf einen Politikwechsel groß. Doch die von der maßgeblich  von der  sozialliberalen Partei Positives Serbien und den Sozialdemokratischen sowie weiteren kleineren Parteien getragene neue Regierung setzt den wirtschaftsliberalen Kurs der Rechtsregierung im Wesentlichen unverändert fort.
Frage: Warum knüpften die Sozialdemokraten nicht an die 90er Jahre an?
L.M.: Die Begründung lautet, die Zeiten hätten sich geändert und die  Rechtsregierung habe Fakten geschaffen, die auch sie nicht mehr ignorieren können. Dazu gehören die Verpflichtungen durch den EU-Beitritt und die Masstrichtkriterien.
Frage: Wie reagiert die slowenische Bevölkerung darauf, dass  vermeintlich linke Parteien die wirtschaftsliberale Politik fortsetzen?
L.M.: Es gibt eine große Enttäuschung und auch Versuche, die Proteste fortsetzen. Allerdings ist es schwieriger gegen eine von  Sozialdemokraten und Linksliberale  getragene Regierung auf die Straße zu gehen, die erklären, sie seien zu der neoliberalen Politik gezwungen, als gegen eine Rechtsregierung, die autoritär und arrogant aufgetreten ist und schon deshalb große Teile der Bevölkerung gegen sich aufgebracht hat.
Frage: Gibt es auch politische Organisationen, die sich gegen den wirtschaftsliberalen Kurs stellen?
L.M.: Ja, wir haben die Initiative für einen demokratischen Sozialismus gegründet, weil wir der Überzeugung sind, dass die Linke ein großes Potential in Slowenien hat und weil die Menschen auch organisatorisch eine Alternative wollen. Wir orientieren uns dabei an europäischen Parteien, die ebenfalls den Kampf gegen die wirtschaftsliberale Politik in den Mittelpunkt stellen, wie in Deutschland beispielsweise die Linke.
Frage:  Sehen Sie eine Alternative innerhalb der EU?
L.M.: Wir sind nicht für einen Austritt aus der EU aber  wir kämpfen für ein anderes Entwicklungsmodell in Europa. Wir diskutieren darüber, wie wir es schaffen, die Zwangsjacke der Maastrichtkriterien wieder loszuwerden.

Frage: Sind die linken Bewegungen und Parteien dazu in der Lage?
L.M.: Im Moment sicher nicht. Die linken Parteien und Bewegungen sind noch immer nationalstaatlich organsiert. Wir haben noch keine europäische Linke. Das ist momentan unsere größte Herausforderung.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/916108.sloweniens-regierung-zu-neoliberaler-politik-gezwungen.html
Interview: Peter Nowak

Kompromiss mit dem Iran „Sieg für alle“ oder „historischer Fehler“?

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http://edition.cnn.com/2013/11/24/world/meast/iran-deal-text/

[2]

http://moskau.vonminutezuminute.info/info/?1258777/Lawrow-Bei-Einigung-uber-Irans-Atomprogramm-gewinnen-alle-Seiten#.UpKFqic0-78

[3]

http://www.pmo.gov.il/English/MediaCenter/SecretaryAnnouncements/Pages/govmes241113.aspx

[4]

http://www.deutschlandfunk.de/iran-einigung-waere-fauler-kompromiss-mit-katastrophalen.694.de.html?dram:article_id=269922

[5]

http://de.stopthebomb.net

[6]

http://de.stopthebomb.net/presse/presseaussendungen.html

[7]

http://www.matthiaskuentzel.de/contents/der-kniefall-von-genf

[8]

http://www.freunde-palaestinas.de/palaestina-heute/831-palaestinenser-wir-wollen-einen-mittleren-osten-von-atomwaffen-frei.html

[9]

http://www.deutschlandfunk.de/iran-einigung-waere-fauler-kompromiss-mit-katastrophalen.694.de.html?dram:article_id=269922

Im Kampf gegen die Global City

„Die Gezipark-Proteste haben ein Bewusstsein für die Probleme der Stadterneuerung geschaffen“, sagt der türkische Regisseur Imre Azem Balanli. Im Film „Ekümenopolis“ befasste er sich mit dem Recht auf Stadt-Bewegung In der Türkei. Im Interview berichtet er über die Stadtentwicklungspolitik der AKP und wie sich die jüngsten Proteste dazu verhalten.

vorwärts: In Istanbul ist die Umstrukturierung in vollem Gange und wird mit der AKP-Regierung verbunden. Welches ökonomische Modell steht dahinter?

Imre Azem Balanli: Die türkische Regierung will Istanbul zur Global City und zum führenden Finanzzentrum des Nahen Ostens machen. Der Staat schafft dafür die Gesetze und beseitigt die Hindernisse. Allerdings begann diese Entwicklung nicht erst mit der AKP-Regierung, sondern schon mit dem Militärputsch 1980. Das war der Beginn des Neoliberalismus in der Türkei.


vorwärts: Welche Auswirkungen hatte dieser Einschnitt auf die Wohnungspolitik?

Imre Azem Balanli: In den 70er Jahren war eine Wohnung in der Türkei noch eine private Investition in die Zukunft. Das hat sich in den 80er Jahren verändert. Von da an wurden Wohnungen zu Spekulationsobjekten, mit denen Profit gemacht werden konnte. Wie in vielen anderen Ländern wurde der Wohnungs- und Immobilienmarkt auch in der Türkei zum Zugpferd einer kapitalistischen Ökonomie, die komplett nach dem Import ausgerichtet ist. Während der AKP-Regierung stiegen die Auslandsschulden der Türkei enorm an. Durch die Verkäufe im Wohnungssektor soll hier ein Ausgleich geschaffen werden.

vorwärts: Welche Anreize schafft die Regierung, um die oft mit Verlust gebauten Wohnungen zu verkaufen?

Imre Azem Balanli: Wohnungen werden zunehmend an Leute im Ausland verkauft. Vor zwei Jahren wurde die Limitierung für Immobilienverkäufe ins Ausland aufgehoben. Schon ein Jahr später wurden Immobilien in Milliardenhöhe in die Golfstaaten verkauft. Zudem wird innerhalb der Türkei die Herausbildung einer kaufkräftigen Schicht gefördert, die sich einen Kauf dieser Wohnungen leisten kann. Diese Entwicklung wird vom Staat gezielt vorangetrieben und geht mit der Vertreibung der bisherigen BewohnerInnen einher, die sich die neuen, teureren Wohnungen nicht leisten können. In diesem Zusammenhang steht der Kampf gegen die Arbeitersiedlungen, die sogenannten Gecekondular.


vorwärts: Warum sind diese Siedlungen zum Hindernis für eine Globalcity geworden?

Imre Azem Balanli: Die Gecekondular wurden in den 50er und 60er Jahren von Fabrikarbeitern gebaut, weil der türkische Staat nicht über genügend Kapital verfügte. Er gab den ArbeiterInnen sogar staatliches Land, damit sie dort ein Haus bauen konnten. Dies war eine Subvention durch den Staat, mit der sie an ihn gebunden werden sollten. Allerdings wurden diese Stadtviertel oft zu Hochburgen linker Gruppen, in denen eine für den Staat unerwünschte Gegenmacht entstand, die dann mit repressiven Massnahmen bekämpft wurde. Seit der Transformation zur Dienstleistungsgesellschaft sind die ArbeiterInnen in der Stadt unerwünscht, weil sie nicht genügend Geld für den Konsum haben. Sie sollen aus der Innenstadt verschwinden. Die Politik der Stadterneuerung hat das erklärte Ziel, sie an den Stadtrand zu verdrängen.

vorwärts: Welche Schritte hat die AKP-Regierung unternommen?

Imre Azem Balanli: Die Regierung hat ein Gesetz erlassen, dass die Errichtung weiterer Gecekondular verhindert. Die staatliche Wohnungsbaubehörde wurde in ein privates Bauunternehmen umgewandelt. Obwohl Gesetze zum Denkmalschutz erlassen wurden, konnten alte Stadtviertel abgerissen werden. 2012 wurde schließlich ein Gesetz erlassen, das die Wohnungen vordergründig vor Naturkatastrophen sichern soll. Es ist heute das zentrale Instrument der Umstrukturierung.

vorwärts: Ist ein solches Gesetz angesichts der vielen Erdbeben in der Türkei nicht sinnvoll?

Imre Azem Balanli: Die AKP sorgt für die autoritäre Durchsetzung der Gesetze, die von der Hauptstadt Ankara aus zentral eingeführt werden. Dafür ist das Ministerium für Umweltschutz und Stadtplanung verantwortlich. Es hat die Möglichkeit, ohne jegliche wissenschaftliche Untersuchung ganze Stadtteile für gefährdet zu erklären und abreissen zu lassen.

vorwärts: Wie reagieren die Bewohner darauf?

Imre Azem Balanli: Sie haben keine Möglichkeit, gegen diese Entscheidungen Widerspruch einzulegen. Mittlerweile wurde ein Gesetz erlassen, das Mietern mit Bestrafung und Verhaftung droht, wenn sie eine Räumung verhindern wollen.

vorwärts: Gibt es Beweise, dass der Schutz vor Erdbeben und andere Naturkatastrophen dabei keine Rolle spielen?

Imre Azem Balanli: Ich kann ein Beispiel nennen: Für ein Geceokondu in Istanbul wurde der Abriss beschlossen. Rundherum stehen jedoch zahlreiche Hochhäuser, die nicht abgerissen wurden, obwohl sie bei einem Erdbeben noch stärker gefährdet wären – wenn die Untersuchung für die Geceokondu zutrifft. Daraus kann man schliessen, dass es nur darum geht, die niedrigen Arbeiterhäuser zum Verschwinden zu bringen.


vorwärts: Was passiert mit den Bewohnern, nachdem ihre Häuser abgerissen wurden?

Imre Azem Balanli: Wenn sie sich widersetzen, droht ihnen eine Strafe und ihr Grundstück wird enteignet. Stimmen sie einem Umzug zu, müssen sie in teurere Wohnungen am Stadtrand ziehen und verschulden sich dafür bei einer privaten Bank. Wenn sie mit zwei Monatsraten in Verzug sind, verlieren sie ihre Wohnung. Neben den hohen Mietpreisen müssen die Kosten für die Betreuung der Grünflächen, die Gebühren für den Hausmeister und Verwaltung noch extra bezahlt werden. Viele Menschen versuchen, mit zusätzlichen Jobs über die Runden zu kommen und ihre Schulden zu zahlen. Aber sie müssen erkennen, dass sie trotz aller Anstrengungen ihre Verpflichtungen nicht tragen können und ihre Wohnungen verlieren. Wir haben in unserem Film „Ekümenopolis“ gezeigt, welche Folgen dies für die Betroffenen hat. Im Film verliert eine sechsköpfige Familie ihre Wohnung. Der älteste Sohn muss mit 14 Jahren die Schule verlassen und für einen Hungerlohn in einer Textilfabrik arbeiten. Er hat keine Chance mehr auf Bildung.


vorwärts: Gibt es Widerstand von den Betroffenen?

Imre Azem Balanli: Ja, es gibt im ganzen Land immer wieder Proteste, die aber lange Zeit kaum über einen regionalen Kontext hinaus wahrgenommen wurden. Beispielsweise haben Erdbebenopfer in Van mit einem Hungerstreik dagegen protestiert, dass sie nun seit fast 15 Jahren in Barracken leben müssen. Bei einem schweren Erdbeben im Jahr 1999 wurden ihre Häuser zerstört und seither nicht wieder aufgebaut. Die Regierung reagierte auf die Proteste mit Repression.


vorwärts: Welche Rolle spielten die vom Gezipark ausgehenden Proteste in diesem Kontext?

Imre Azem Balanli: Die Proteste waren ein kollektiver Protest dagegen, dass aus Profitgründen in den öffentlichen Raum eingegriffen wird. Jahrelang waren sie isoliert und fanden keine landesweite Beachtung. Der Geziprotest hat ein Bewusstsein für die Probleme der Stadterneuerung geschaffen und die Bedeutung der öffentlichen Grünflächen deutlich gemacht. Vier Jahre nach dem großen Erdbeben von 1999 hatte die Regierung einen Bericht in Auftrag gegeben, in dem Massnahmen aufgelistet sind, die die Folgen eines erneuten Erdbebens für die Bewohner verringern sollen. Unbebaute städtische Flächen wie Stadien und Parks sollten als Treff- und Sammelpunkte der BewohnerInnen nach einem Erdbeben fungieren. Im Bericht waren mehr als 400 solcher Flächen in Istanbul vorgesehen. Im Jahr 2012 wurde die Hälfte dieser Plätze bebaut. Weitere sollen folgen. Der Gezipark ist einer dieser städtischen Plätze, die laut dem Bericht nicht bebaut werden sollten. Er wurde weltweit zu einem Symbol des Widerstands.


vorwärts: Was ist von den Protesten geblieben?

Imre Azem Balanli: Im ganzen Land haben sich neue Initiativen gebildet. Allein in Istanbul gibt es mehr als 60 Stadtteilforen. Ihre Hauptforderung ist die Rücknahme des Gesetzes zum Abriss von Stadtvierteln wegen dem Schutz vor Naturkatastrophen.


vorwärts: Ist die Dynamik der Anfangstage nicht zum Erliegen gekommen?

Imre Azem Balanli: Es wurden auch die Grenzen und Probleme dieses Widerstands deutlich. Dazu gehörte die Konfrontation zwischen Wohnungseigentümern und Mietern. In Stadtteilen, in denen der Alltagswiderstand schwach entwickelt ist, gibt es auch kaum Möglichkeiten sich gegen die Vertreibung aus den Wohnungen zu organisieren.

vorwärts: Wie ist das Verhältnis der neuen Bewegung zur radikalen Linken in der Türkei, die schon vor den Gezi-Protesten gegen Umstrukturierung aktiv war?

Imre Azem Balanli: Die linken Gruppen haben den Widerstand in den Stadtteilen mit aufgebaut, in denen sie aktiv sind. In der Bewegung des Geziparks und des Taksimplatzes arbeiten die unterschiedlichsten Gruppen solidarisch zusammen. Als in der letzten Woche der junge Kommunist Hasan Ferit Gedik in einem Istanbuler Gecekondu von der Polizei erschossen wurde, protestieren sämtliche Teile der Bewegung.

vorwärts: Sie haben in Berlin einen Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wohnen in der Krise“ gehalten. Welche Bedeutung hat die Vernetzung des Mieterwiderstands?

Imre Azem Balanli: Die Politik der Verdrängung einkommensschwacher Menschen ist ein weltweites Problem. Schon daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass sich die Bewegungen in den unterschiedlichen Ländern austauschen und voneinander lernen. Ich sehe das als einen doppelseitigen Prozess.
Interview: Peter Nowak

Quelle:
vorwärts – die sozialistische zeitung.
Nr. 39/40 – 69. Jahrgang – 8. November 2013, S. 6

Zu blond für die Rassisten

Die Reaktionen auf die angebliche Entführung eines Kindes durch Roma in Griechenland zeigen, wie weit verbreitet rassistische Klischees in Europa sind.

»Sinti und Roma sind mittlerweile gezwungen, ihre Zugehörigkeit zur Minderheit zu verbergen.« Dieses bittere Resümee zog Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Anfang November auf einer Pressekonferenz in Berlin. Er kommentierte die jüngste rassistische Kampagne gegen diese Minderheit in mehreren europäischen Ländern. Als Vorwand für diese diente eine Razzia in einem griechischen Roma-Lager Ende Oktober, bei der der Polizei ein blondes Mädchen auffiel, das nicht zu ihrem Bild eines Roma-Kindes passte. Es wurde von den Beamten einem Heim übergeben und als »Maria« der Öffentlichkeit vorgestellt. Nachdem ein DNA-Test nachwies, dass es nicht bei seinen leiblichen Eltern gelebt hatte, machten Spekulationen über eine Kindesentführung die Runde.

Dass die verdächtige Frau falsche Papiere vorgelegt hatte, mache sie jedoch nicht zu einer Kidnapperin. »Das Paar hat das Mädchen geliebt, als sei es sein eigenes Kind«, betonte die Juristin Ma­rietta Palavra-Zatirion, die Anwältin der Roma-Familie. Auch als durch medizinische Untersuchungen festgestellt werden konnte, dass das Kind bei bester Gesundheit war, beruhigten sich die Gemüter nicht.

Wenige Tage später zeigte sich, dass die Mär über ein von Roma entführtes Kind eine rassistische Projektion war: Bei den Eltern des Mädchens handelt es sich um ein Roma-Ehepaar aus der zentralbulgarischen Stadt Gurkowo. Die Mutter hat in einer polizeilichen Befragung erklärt, sie habe in einer wirtschaftlicher Notlage und mangels gültiger Papiere vor einigen Jahren ihre sieben Monate alte Tochter bei ihren damaligen Arbeitgebern in Griechenland zurückgelassen und wolle sie eines Tages zurückholen. Das Kind war nicht gerettet, sondern vielmehr ihren Pflegeeltern entrissen und mit einem christlichen Vornamen versehen an die Öffentlichkeit gezerrt worden.

Dass nun aber ausgerechnet die Pflegeeltern, die das Kind wohl ohne staatliche Unterstützung aufgenommen haben, als Kindesentführer an den Pranger gestellt wurden, ist nur durch rassistische Vorurteile zu erklären. So reicht die Mär von den »Zigeunern«, die christliche Kinder entführen, bis ins 15. Jahrhundert zurück und war immer wieder Anlass für Verfolgung. 1873 führte die Falschmeldung, »Zigeuner« hätten in Stettin ein Kind entführt, zu Polizeimaßnahmen gegen die Minderheit in ganz Preußen.

Die Ereignisse und die Berichterstattung zeigten, dass traditionelle rassistische Klischees auch in der gesellschaftlichen Mitte sehr weit verbreitet sind. Eine Adoption wurde zunächst gar nicht erst in Erwägung gezogen, der polizeiliche Zugriff ohne konkreten Tatverdacht stieß nicht auf Kritik. Vielmehr teilt die griechische Polizei mit großen Teilen der Bevölkerung in vielen europäischen Ländern die Annahme, dass Roma keine blonden Kinder haben können. Die Grund­lage dieser Behauptung ist ein Rassismus, der aus dem Aussehen auf die Herkunft der Menschen schließen will.

Die Falschbehauptung vom blonden entführten Mädchen führte zu staatlichen Maßnahmen und rassistischen Angriffen auf Roma in verschiedenen europäischen Ländern. Im serbischen Novi Sad versuchten Rechte, einem Rom sein Kind auf offener Straße wegzunehmen, weil es nach ihrem rassistischen Weltbild zu blond war. In Irland ließ die Polizei nach einer anonymen Denunziation zwei Kinder aus Roma-Familien vorübergehend in Heime einweisen, weil sie den Beamten als zu blond erschienen, um Roma sein zu können. Erst nachdem zweifelsfrei nachgewiesen worden war, dass die Geburtsurkunden authentisch waren, konnten die Kinder wieder zu ihren Eltern zurückkehren.

Dass sich in allen Fällen der Entführungsverdacht als haltlos erwies, dürfte die Ressentiments nicht mindern. Die angegriffene Minderheit bekam kaum Unterstützung aus der vielzitierten Mitte der Gesellschaft. »Kein Politiker hat uns beigestanden«, resümierte Romani Rose in Berlin ernüchtert.

http://jungle-world.com/artikel/2013/46/48824.html

Peter Nowak

NOlympia hat Vorläufer

Bereits in den 1990er Jahren verhinderten Bürger mit ihren Protesten Olympische Spiele in Deutschland

Das Anti-Olympia-Komitee sorgte Anfang der 1990er Jahre mit zahlreichen militanten Kleinaktionen für internationales Aufsehen. Berlin entschied sich schließlich gegen die Olympiabewerbung.

»David gewinnt gegen Goliath – danke!« Mit diesen Worten kommentierten die Münchner Gegner der Olympiabewerbung ihren Erfolg vom vergangenen Wochenende. Bei einer Volksabstimmung votierte in allen vier für die Olympiabewerbung in Frage kommenden Städte die Mehrheit der Wähler gegen die Spiele. Selbst die massive Fürsprache ehemaliger und noch aktiver prominenter Sportler für Olympia 2022 konnte die Zustimmung zu den Spielen nicht erwirken.

Es ist nicht die erste Olympiabewerbung, die durch einen massiven Widerstand aus der Bevölkerung in Deutschland verhindert wurde. Im August 1989 hatten die Politiker West- und Ostberlins eine gemeinsame Olympiabewerbung für die Jahre 2000 oder 2004 beschlossen. In der Nachwende-Euphorie war sie eines der Projekte des wiedervereinigten Deutschlands. Doch schon 1991 gründete sich ein Berliner Anti-Olympia-Komitee (AOK), das bald mit vielfältigen Aktionen bekannt wurde. Großdemonstrationen und Spaßaktionen wechselten sich ab. Bald sorgte das Komitee international für Aufmerksamkeit.

Bei der Übergabe der Berliner Olympiabewerbung überreichten auch die Gegner dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ein professionell gestaltetes Video, auf dem die Gründe gegen die Spiele aufgezeichnet waren. Die Olympiabefürworter zollten den Gegnern Anerkennung für ihre Arbeit und gaben zu, dass diese die bessere Öffentlichkeitsarbeit gemacht hatten. Mit einer Hochglanzbroschüre mit dem Titel »Berlin NO-Olympia-City 2000« nahm auch das AOK Abschied von den Informationsmaterialien im Punkfanzinestil, die die außerparlamentarische Linke bis dahin verteilt hatte. Weniger erfreut reagierten Politik und Polizei auf die zahlreichen militanten Kleinaktionen, die den Olympiagegnern zugesprochen wurden; beim AOK gab es einen Konsens, dass man sich nicht von Aktionen distanziert, solange keine Personen verletzt wurden. Die Olympiagegner lösten eine große Bewegung und Diskussion von unten aus, von der noch ein Jahrzehnt nach der gescheiterten Olympiabewegung die außerparlamentarische Linke profitierte.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/914691.nolympia-hat-vorlaeufer.html

Peter Nowak

Europäische Gerichtshof stärkt die Rechtsposition von schwulen Flüchtlingen

Links

[1]

http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=144215&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=63826

[2]

http://www.proasyl.de/de/news/detail/news/voelkerrechtswidrige_push_backs_europaeische_komplizenschaft-1/

„Sonderrechte für Konzerne“ durch Freihandelsabkommen?

Links

[1]

http://ec.europa.eu/trade/policy/in-focus/ttip/

[2]

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/transatlantische-freihandelszone-abkommen-koennte-deutschland-jobs-bringen-1.1786625

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http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xbcr/SID-41DA7310-5FB8E6FE/bst/xcms_bst_dms_38862_38869_2.pdf

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http://www.vda.de/de/meldungen/news/20130617-1.html

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http://www.attac-netzwerk.de/index.php?id=12920

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http://power-shift.de/?p=1631

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http://www.iatp.org/files/TPC-TTIP-non-Papers-for-1st-Round-Negotiatons-June20-2013.pdf

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http://power-shift.de/wordpress/wp-content/uploads/2013/06/US-EU-letter-NGOs-TTIP-concerns-PrecautionPr-ISDS-Democr-June-24-2013.pdf

[9]

http://corporateeurope.org/

[10]

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=me&dig=2013%2F10%2F11%2Fa0160

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http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/mai/ermaechtigungsgesetz.htm

[12]

http://germanwatch.org/tw/mia4gr.pdf

[13]

http://www.sozonline.de/2013/09/eu-usa-freihandelsabkommen-ttip/

Deutschland im Cyberkrieg mit den USA?

Links

[1]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154656

[2]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/jakob-augstein-ueber-die-notwendigkeit-der-digitalen-aufruestung-a-930342.html

[3]

http://www.edition-tiamat.de/home.htm?/Autoren/wolfgang_Pohrt.htm

[4]

http://www.edition-tiamat.de/Sonstiges/Klaus%20Bittermann%20-%20Der%20intellektuelle%20Unruhestifter.pdf

[5]

http://www.taz.de/Debatte-USA-und-der-Abhoerskandal/!126829/

[6]

http://herbert.geschichte.uni-freiburg.de/mitarbeiter/foschepoth_josef

[7]

http://www.amazon.de/dp/3525300417/ref=nosim?tag=telepolis0b-21

[8]

http://www.heise.de/tp/artikel/39/39551/1.html

Deutschlands Wirtschaftspolitik ist das Problem

Die Kritiker der Austeritätspolitik der Bundesregierung bekommen Unterstützung aus den USA

Dass an der europäischen Peripherie die Kritik an der Austeritätspolitik der deutschen Bundesregierung nicht verstummt, ist seit langem bekannt und verwundert nicht. Doch jetzt kommt eine Kritik am deutschen Wirtschaftsmodell auch aus den Regierungskreisen der USA. In einem Bericht des US-Finanzministeriums wird genau die Kritik vorgetragen, die Gegner der Austeritätspolitik made in Germany schon seit Längerem hatten.

Der zentrale Kritikpunkt ist der große Handelsüberschuss, den Deutschland in der Eurokrise angehäuft hat: „Deutschlands anämisches Wachstum der Binnennachfrage und seine Exportabhängigkeit behindern das Ausbalancieren in einer Zeit, da viele andere Länder der Euro-Zone unter schwerem Druck stehen, die Nachfrage einzudämmen und Importe zu drosseln.“

Die Argumentationslinie ist wirtschaftspolitisch schlüssig und nicht neu. Auch aus den USA kam immer wieder Kritik am deutscheuropäischen Wirtschaftsmodell. Selbst ein Ausschluss Deutschlands aus dem Euro wurde öffentlich diskutiert und begründet.

Deutsche Standortverteidiger weisen Kritik zurück

Erwartungsgemäß wurde die Kritik von der Bundesregierung und von deutschen Wirtschaftsverbänden sofort vehement zurückgewiesen. Für das Bundeswirtschaftsministerium ist der Handelsüberschuss Ausdruck der deutschen Wettbewerbsfähigkeit und Deutschland die Wirtschaftslokomotive. Mit diesen Argumenten wird seit Monaten von der Bundesregierung Reklame für den Standort Deutschland gemacht, für den dann die Lohnabhängigen schon mal den Gürtel schnallen sollen.

Bei Teilen der Gewerkschaften und der SPD kommt diese Standortverteidigung gut an. Sie werden wohl auch nach der jüngsten Kritik aus den USA die Reihen schließen. Die anvisierte große Koalition könnte so auch eine Verteidigungsgemeinschaft des deutschen Standorts gegen die Kritik aus dem Ausland, vor allem aus den USA, werden. Denn im Gegensatz zur Kritik aus Griechenland und anderen Ländern der europäischen Peripherie kann die deutsche Politik die Schelte aus Übersee nicht einfach ignorieren.

Ob die schwachen sozialen Bewegungen in Deutschland, die seit Jahren gegen die Austeritätspolitik der Bundesregierung agieren, die Argumentationshilfe aus Washington annehmen, wird sich zeigen. Es wäre auf jeden Fall eine ungewohnte Situation. Bisher galt die USA auch ökonomisch in diesen Kreisen eher als abschreckendes Beispiel, das man gerne bekämpfte.

Interessengegensätze zwischen Deutsch-Europa und den USA wachsen

Natürlich bedeutet die Kritik aus den Regierungsetagen der USA nun keineswegs, dass dort jetzt Anhänger einer sozialeren Wirtschafts- und Finanzpolitik dominieren. Die Meinungsverschiedenheiten, die auf internationalen Kongressen immer wieder übertüncht werden, sind ein Ausdruck der wachsenden Interessengegensätze zwischen den USA und Deutschland auch in Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Auch die vieldiskutierte Abhöraffäre müsste unter diesen Aspekten diskutiert werden. Denn hier hören sich nicht Freunde gegenseitig ab, sondern Konkurrenten, die gelegentlich noch gemeinsame, immer öfter aber gegensätzliche Interessen haben.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/155260

Peter Nowak

Zu blond für ein Romakind?

Eine neue Hetzkampagne gegen Roma in verschiedenen europäischen Ländern macht deutlich, wie schnell gegen eine gesellschaftliche Minderheit eine Hetzkampagne losgetreten werden kann

Der Anlass war eine Razzia in einem griechischen Roma-Lager, bei der der Polizei ein blondes Mädchen auffiel. Weil es nach dem Äußeren nicht zum Bild eines Romakindes passte, wurde es von der Polizei einem Heim übergeben. Nachdem ein DNA-Test deutlich gemacht hatte, dass die Romafamilie, bei der das Kind aufwuchs, nicht die Eltern des Mädchens waren, begannen wilde Spekulationen, die Roma hätten das Kind entführt.

Die Bildzeitung machte vor einigen Tagen mit der Schlagzeile auf: „Polizei rettet Mädchen vor Gypsi-Bande“. Differenzierter las sich ein Bericht über die Angelegenheit im Spiegel. Nicht nur in der Überschrift wurde von einer mutmaßlichen Entführung gesprochen. Im Text kam auch die Anwältin der Romafamilie zu Wort:

„Die Anwältin des Paares, Marietta Palavra, erklärte, die Familie habe das Kind aus einem Heim zu sich geholt, als es erst wenige Tage alt war. Dort sei es von einem ausländischen Fremden abgegeben worden, der gesagt haben soll, dass er den Säugling nicht weiterversorgen könne. Nur weil die verdächtige Frau falsche Papiere vorgelegt hätte, mache sie das noch nicht zu einer Kidnapperin, sagte Palavra. „Das Paar hat das Mädchen geliebt, als sei es sein eigenes Kind.“ Das Mädchen war in Athen registriert; die angeblichen Eltern hatten von den Behörden in der griechischen Hauptstadt eine Geburtsurkunde für das Kind erhalten.“ Die griechische Polizei wies auf unklare Angaben des Paares hin.

Wenige Tage später zeigte sich, dass die Mär über ein von Roma entführtes Kind eine rassistische Projektion gewesen sind: „Die leiblichen Eltern des bei einem Roma-Paar in Griechenland entdeckten blonden Mädchens Maria sind gefunden. DNA-Tests hätten bestätigt, dass ein am Donnerstag befragtes bulgarisches Roma-Paar Maria gezeugt habe, sagte der Stabschef des bulgarischen Innenministeriums, Swetlosar Lasarow, am Freitag in Sofia. Die griechische Polizei meldete derweil die Festnahme eines weiteren Paares, das widerrechtlich ein Roma-Baby erworben haben soll.

Bei den Eltern von Maria handelt es sich nach Behördenangaben um Sascha Rusewa und ihren Mann Atanas Rusew. Am Donnerstag waren beiden in der zentralbulgarischen Stadt Gurkowo von der Polizei befragt worden. Rusewa soll in der Befragung angegeben haben, vor einigen Jahren ihre sieben Monate alte Tochter bei ihren damaligen Arbeitgebern in Griechenland zurückgelassen zu haben. Nach eigenen Angaben handelte sie aus schierer Not und mangels gültiger Papiere und wollte ihr Kind eines Tages zurückholen.“

So wird klar, dass hier nicht ein Kind von einer „Gypsi-Familie“ gerettet wurde, sondern vielmehr ihren Pflegeeltern brutal entrissen und an die Öffentlichkeit gezerrt worden ist. Es mag wohl sein, dass bei der Unterbringung des Kindes manche Regel des Adoptionsrechtes verletzt wurde. Doch in einer Gesellschaft, die es zulässt, dass Romamütter aus blanker Not ihr Kind zurücklassen, hat wohl kaum ein Recht, auf irgendwelche Formalien in dieser Richtung zu bestehen. Wenn Verhältnisse geschaffen würden, in denen auch Sinti und Roma ein menschenwürdiges Auskommen hätten, wäre schon viel gewonnen.

Wenn vom Aussehen auf die Herkunft geschlossen wird

Dass nun aber ausgerechnet die Pflegeeltern, die das Kind wohl ohne staatliche Unterstützung aufgenommen haben, als Kindesentführer an den Pranger gestellt werden, ist eine Infamie, die nur auf einen Boden gedeihen kann, wo Roma sowie jedes Verbrechen zugetraut wird . Zumal wird nicht nur bei der griechischen Polizei, sondern auch in vielen deutschen Medien davon ausgegangen, dass Roma keine blonden Kinder haben können. Diese Annahme ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar, im konkreten Fall einfach falsch, denn die Eltern waren Roma. Die Grundlage dieser Behauptung ist ein Rassismus, der aus dem Aussehen auf die Herkunft der Menschen schließen will.

Diese Weltsicht teilt die griechische Polizei mit vielen Rechtsaußengruppen in unterschiedlichen Ländern. So führte die falsche Behauptung vom blonden entführten Mädchen zu rassistischen Angriffen auf Roma in verschiedenen europäischen Ländern. Im serbischen Novi Sad versuchten Rechte einen Roma-Vater sein Kind auf offener Straße wegzunehmen, weil es nach ihrem rassistischen Weltbild zu blond war.

In Irland hatte die Polizei nach einer anonymen Denunziation zwei Romakinder vorübergehend ihren Familien entrissen und in Heime eingeliefert, weil sie für deren Rassenvorstellungen zu blond waren. In beiden Fällen konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass die von den Romaeltern vorgelegten Papiere authentisch waren. Es fragt sich aber, ob hier nur von einer Blamage der Polizei und nicht von manifestem staatlichen Rassismus gerettet werden muss.

Uraltes antiziganistisches Klischee

Der in Berlin lehrende Politologe Markus End schrieb bereits im Jahr 2011 in der Publikation „Aus Politik und Zeitgeschehen“ einen Aufsatz unter dem Titel „Bilder und Struktur des Antiziganismus“. Dort heißt es: „Die meisten deutschen Angehörigen wachsen mit solchen Vorurteilen über „Zigeuner“ auf, ohne, dass sie jemals eine/n Angehörige/n der Minderheit de Sinti und Roma kennengelernt haben. Viele dieser Vorurteile sind negativer Art, beispielsweise das Gerücht, „Zigeuner“ würden Kinder stehlen“.

End ist Mitherausgeber zweier im Unrast-Verlag erschienenen Bücher, die die antiziganistischen Zustände detailliert untersuchen. Zudem hat er in einer Studie die Forschungsansätze zum Antiziganismus und seiner Gegenstrategien vorgestellt.

Schon vor mehr 200 Jahren durchschaute der Aufklärer Jakob Grellmann das Klischee vom kinderklauenden Roma: „Mehrere Schriftsteller reden von Menschenraub der Zigeuner und beschuldigen sie, dass sie besonders Kindern nachstellen.“ Für Grellmann war bereits 1783 die Wahrheit jener Beschuldigung „durch den Umstand äußerst verdächtig, dass lange zuvor, ehe noch ein Zigeuner europäischen Boden betreten hatte, die Juden damit verschrien wurden“.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/155228

Peter Nowak

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