In der vorletzten Woche hat der Dresdner Stadtrat das Bettelverbot beschlossen. Welche Konsequenzen hat diese Maßnahme?
„Dresden hat das Betteln mit und von Kindern unter Strafe gestellt“ weiterlesen
Zeitungsartikel des Journalisten Peter Nowak
In der vorletzten Woche hat der Dresdner Stadtrat das Bettelverbot beschlossen. Welche Konsequenzen hat diese Maßnahme?
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Frauendemo in Chemnitz vor die JVA
Die Frauen brachen in großen Jubel aus, als sie die Demonstration hörten. In der nächsten Stunde sollte das Rufen und Winken nicht abebben. Schließlich wurden sogar Bettlaken kurzerhand in Transparente umfunktioniert und abgewickeltes Toilettenpapier flog über den Gefängnishof. Einige Papiere waren sogar angezündet worden.
Diese Begrüßungsszenen bildeten den Endpunkt einer Demonstration, die vom Chemnitzer Hauptbahnhof zur JVA für Frauen am Stadtrand von Chemnitz führte. Auf der knapp 6 Kilometer langen Route wurden immer wieder Parolen für die Abschaffung aller Knäste skandiert.
Schließlich waren es vor allem libertäre und anarchistische Gruppen, die am 8.März, dem Internationalen Frauentag, zur Demonstration vor der JVA aufgerufen hat. Zu den Organisatoren gehörten die FAU Dresden und Chemnitz sowie die Gefangenensolidarität Jena, die in den Monaten vor allem kämpfende Arbeiterinnen und Arbeiter hinter Gittern unterstützt. So werden Gefangene genannt, die sich gewerkschaftlich organisieren und für einen Mindestlohn und die Einbeziehung aller Gefangenen in die Rentenversicherung fordern.
Seit der Gründung im Jahr 2014 ist es der Gefangenengewerkschaft gelungen, in vielen Knästen Unterstützer zu finden. Bisher war vor allem von männlichen Gefangenen zu hören, die sich gewerkschaftlich organisierten. Das liegt auch daran, dass wesentlich mehr Männer als Frauen im Knast sind. Da war es besonders erfreulich, dass sich nun in der Chemnitzer JVA für Frauen ebenfalls eine aktive Gewerkschaftsgruppe gegründet hat. Der freudigen Begrüßung der Demo nach zu schließen, kann man hoffen, dass die Frauen den Knastalltag noch gehörig durcheinanderbringen. Schließlich haben sie sich mit ihrer lautstarken Begrüßung selbstbewusst gegen das Knastreglement durchgesetzt.
Die Polizei, die sich während der Demonstration zurückgehalten hatte, ging nach deren Auflösung brutal gegen die Teilnehmenden vor. Mehrere Demonstrierende wurden in Gesicht und Magen geschlagen, als sie sich nach der Auflösung nicht schnell genug entfernten. Dabei nutzte die Polizei einen Fehler bei der Demoanmeldung aus. Der Abschluss war am Knast und man hatte nicht bedacht, dass der total am Stadtrand lag. Die Polizei blockierte eine Straße, die zu einer Bahn geführt hätte. Zugleich verweigerte sie die Anmeldung einer Demo, die wieder in der Chemnitzer Innenstadt geführt hätte und drohte mit Verweis auf das sächsische Demonstrationsrecht mit der Räumung. Im Minutentakt wurden die drei Durchsagen bis zur gewaltsamen Räumung durchgesagt. Die Polizei bereitete sich schon auf eine Einkesselung der Demonstrierenden vor, als der Bus der Jenaer Demonstranten diese Pläne durchkreuzte. Er nahm alle Demonstranten auf und setzte sie vor dem Chemnitzer Hauptbahnhof ab.
So lieferte die sächsische Polizei am 8.März gegenüber einer völlig gewaltfreien Demonstration eine Lektion in sächsischem Landrecht. In der Nachbereitung zogen die Anwesenden trotzdem ein positives Resümee. Die Teilnehmerzahl lag über den Erwartungen. Doch vor allem der kämpferische Empfang durch die gefangenen Arbeiterinnen zeigte, dass die Demo ihr Ziel erfüllt hat, ihnen am 8.März Grüße zu überbringen und Gesellschaft zu leisten.
«Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen!»
Die Demonstration war noch aus einem weiteren Grund wichtig. Sie knüpfte wieder an die Wurzeln des Internationalen Frauentags an, der eng mit der proletarischen Frauenbewegung verbunden ist. In der Geschichtsschreibung wird dabei immer die wichtige Rolle von Frauen wie Clara Zetkin hervorgehoben. Doch es haben sich auch Anarchosyndikalistinnen und in den USA Frauen aus der IWW daran beteiligt.
Die ökoliberale Taz brachte es fertig, in ihrer Sonderausgabe zum 8.März 2017 diese proletarischen Wurzeln des Internationalen Frauentags gänzlich zu übergehen. Während sich mehrere Interviews und Artikel um schillernde Begriffe wie Diversität drehten, die sowohl auf eine emanzipatorische Politik, aber auch auf einen neoliberalen Kapitalismus hinweisen können, spielte der Begriff «Solidarität» auf den Seiten der Taz keine Rolle. Wenn heute manche Frauen ausgerechnet zum 8.März mehr Managerinnen in Dax-Unternehmen fordern und darin einen Beitrag zur Frauenemanzipation sehen, ist es erfrischend, dass Menschen an diesem Tag vor die Frauenknäste ziehen, um sich mit denen zu solidarisieren, die besonders ausgebeutet werden und kaum Rechte haben: den inhaftierten kämpfenden Arbeiterinnen.
Am Ende verteilte eine Frau den Text des Liedes «Brot und Rosen», das, in vielen Sprachen gesungen, noch immer eine unaufgehobene Utopie besingt. «Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen! Brot und Rosen!»
aus:Soz Nr. 04/2017
Peter Nowak
Über den Aktionstag am 1. März
Zum transnationalen Streiktag am 1.März gab es Aktionen in mehreren europäischen Ländern.
«Take a Walk on the Workerside» lautete das Motto eines Spaziergangs durch die prekäre Arbeitswelt in Berlin am 1.März. Organisiert wurde er von den «Migrant Strikers», einer Gruppe von italienischen Arbeitsmigranten in Berlin, den «Oficina Precaria», in der sich Kolleginnen und Kollegen aus Spanien koordinieren, und der Berliner Blockupy-Plattform, die in den letzten Jahren die Proteste gegen die Europäische Zentralbank (EZB) und die Eurokrise koordinierte.
Der Aktionstag am 1.März wurde von europäischen Basisgewerkschaften und linken Gruppen bei einem Treffen Mitte Oktober 2015 in Poznan beschlossen, bei dem über transnationale Kooperation im Arbeitskampf beraten wurde (siehe SoZ 12/2015).
Der Schwerpunkt der Aktionen lag in Spanien, Italien und Polen. Die polnische anarchosyndikalistische Arbeiterinitiative IP organisierte in mehreren Städten Kundgebungen gegen Zeitarbeitsfirmen, auf denen die dort praktizierten prekären Arbeitsbedingungen angeprangert wurden. «Wir fordern die gleichen Löhne, die gleichen Rechte und die gleichen Verträge für alle. Ob wir das durchsetzen können, hängt nicht nur von den Managern ab. Wenn wir zusammen agieren, können wir ein Wort bei der Organisation unserer Arbeit mitreden», hieß es im Aufruf der IP. Dort wurde auch auf den Kampf bei Amazon Bezug genommen und eine transnationale Perspektive gefordert. Die IP hat im Amazon-Werk in Poznan zahlreiche Beschäftigte organisiert.
In Deutschland gab es am 1.März nur in wenigen Städten Aktionen. In Dresden organisierte die FAU eine Diskussionsrunde zum Thema «Verteidigung des politischen Streiks» auf einem öffentlichen Platz. In Berlin war der Spaziergang durch die prekäre Arbeitswelt die zentrale Aktion. Startpunkt war die Mall of Berlin, die zum Symbol von Ausbeutung migrantischer Arbeit, aber auch des Widerstands dagegen wurde. Seit 15 Monaten kämpfen acht rumänische Bauarbeiter um den ihnen vorenthaltenen Lohn für ihre Arbeit auf der Baustelle (siehe SoZ 2/2015). Eine weitere Station war ein Gebäude der Berliner Humboldt-Universität. Dort sprach ein Mitglied einer studentischen Initiative, die sich für einen neuen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte einsetzt, über die prekären Arbeitsbedingungen im Wissenschaftsbetrieb.
An dem Spaziergang beteiligten sich auch Beschäftigte des Botanischen Gartens der FU Berlin mit einem eigenen Transparent mit Verdi-Logo. Sie sorgten in den letzten Wochen für Aufmerksamkeit, weil sie gegen die Outsourcingpläne der Unileitung kämpfen. Dazu hat sich ein Solikreis gebildet, an dem Studierende verschiedener Berliner Hochschulen beteiligt sind. In den letzten Wochen organisierte Ver.di zwei Warnstreiks im Botanischen Garten.
Es wurden am 1.März also Beschäftigte mit unterschiedlicher Gewerkschaftsorganisation angesprochen, die sich gerade in Auseinandersetzungen um Arbeitsbedingungen oder Löhne befinden. In Berlin will das kleine Vorbereitungsteam weiterarbeiten. Die nächste Aktion ist am 1.Mai geplant.
Peter Nowak
»Sind wir noch zu retten? Zwischen Klimakatastrophe und Ökohysterie« lautet das Motto einer »alternativen Klimakonferenz«, zu der die FDP-Fraktion im sächsischen Landtag am 30. Juni ins Dresdner Congress Center geladen hat.
Mehrere Referenten sind schon dafür bekannt, dass sie die Vorstellung eines von Menschen gemachten Klimawandel leugnen. Dazu zählt der Leipziger Kristallograph und Unternehmer Knut Löschke, der den Kampf gegen Klimawandel schon einmal mit der weltweiten Einführung des Sozialismus verglichen hat. Da er auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn und im Hochschulrat der TU Dresden sitzt, kann man seine Ansichten nicht als Privatmeinung eines schrulligen Wissenschaftlers abtun. Auch der Kulturwissenschaftler Benny Peiser, der ebenfalls in Dresden auftrat, findet mit seiner klimaskeptischen Denkfabrik Global Warming Policy Foundation bei Energiekonzernen und Entscheidungsträgern weltweit Gehör.
Anders als die Veranstalter behaupten, kamen also keineswegs tabuisierte Meinungen über den Klimawandel zum Vortrag. Vielmehr versammelten sich dort Personen, die mit ihrem angeblichen Kampf gegen die Ökohysterie die Macht der alten Energiekonzerne möglichst lange erhalten wollen.
Wie damit in populistischer Manier reale Probleme vieler Menschen scheinbar aufgegriffen werden, macht eine Erklärung des Initiators der Konferenz, des FDP-Europaabgeordneten Holger Krah᠆mer, deutlich. Auf seiner Homepage führt er das Verbot der Glühbirne, die Einführung des E10 Benzins und die energetische Häusersanierung als Beispiele für die von ihm beklagte »Bevormundung« durch Ökobürokraten an. Erstaunlich nur, dass er die energetische Sanierung von Häusern auslässt. Denn die wird von seinesgleichen gar zu gern für jene enormen Mietsteigerungen verantwortlich gemacht, deren Ursache in Wahrheit die von der FDP initiierten vermieterfreundlichen Gesetzesänderungen sind.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/231403.feindbild-oekoaktivist.html
Peter Nowak
Am gestrigen Jahrestag der Bombardierung Dresdens wurde mit unterschiedlichen Motivationen demonstriert
„Am Hauptbahnhof stehen noch rund zwanzig Neonazis und warten auf ihren Zug. Zwanzig Neonazis am Dresdner Hauptbahnhof – das ist hier kein ungewöhnliches Bild. Die taz beendet den Live-Ticker und sagt: Gute Nacht. Dresden ist wieder so nazifrei wie vorher“, mit diesem ironischen Statement beendete die Tageszeitung ihren Liveticker zum rechten Aufmarsch und den Gegenaktionen am 13. Februar 2012 in Dresden. Seit Jahrzehnten haben rechte Gruppen aus Deutschland und aus benachbarten Ländern versucht, den Jahrestag der Bombardierung der Stadt zu ihrem zentralen Aktionstag zu machen. Anfangs mit Erfolg, doch in den letzten Jahren wurden sie durch antifaschistische Gegenaktionen immer mehr gestört. Dabei hatte das Bündnis „Dresden-Nazifrei“, das sich auf Blockaden des rechten Aufmarsches konzentrierte, neue Bündnispartner gewonnen.
In diesem Jahr war der rechte Aufmarsch mit nach Polizeiangaben 1600 Teilnehmern wesentlich kleiner als in den vergangenen Jahren. Als die Route wegen der Protestaktionen und Blockaden von der Polizei verkürzt wurde, lehnte sich ein Teil der nationalistischen Kameradschaften dagegen auf. Es dauerte einige Zeit, bis der Aufmarsch schließlich zum Ausgangspunkt zurückkehrte. Nach Angaben eines Sprechers des Bündnisses Dresden-Nazifrei haben sich ca. 5000 Menschen an den Protesten gegen Rechts beteiligt.
Menschenkette für oder gegen was?
Daneben hatte ein Bürgerbündnis am Nachmittag eine Menschenkette organisiert, an der sich ca. 13.000 Einwohner aus Dresden beteiligten. In diesem Jahr stand anders als in den Vorjahren die Menschenkette und nicht die Blockaden des antifaschistischen Bündnisses im Mittelpunkt des Medieninteresses. Dabei blieb die Motivation der Teilnehmer diffus. Einige wollten damit gegen den rechten Aufmarsch, andere gegen Gewalt und für Toleranz und wieder andere gegen die Bombardierung Dresdens ein Zeichen setzen.
Der Deutschlandfunk meldete in der Überschrift, dass es den Teilnehmern der Menschenkette vorrangig um die Ehrung der Bombenopfer ginge. Aber wahrscheinlich war bei vielen die Motivation für die Beteiligung an den Demonstrationen der Schutz der Stadt, wobei unter dem Unheil von außen Unterschiedlichstes verstanden wurde, alliierte Bombenangriffe, Nazis oder Antifaschisten. „Wir wollen die Stadt in Schutz nehmen“, erklärte Falk Richter, einer der Organisatoren der Menschenkette. Irgendwie gehören die Rechten, ganz als Menschen versteht sich, auch mit zur großen Schutzgemeinschaft, meint Richter:
„All diejenigen, die rufen, Nazis raus, die bitte ich, doch mal kurz inne zu halten und zu überlegen, ob es nicht besser heißen müsste – Sie entschuldigen, wenn ich es so deutlich sage: Nazis rein. Ein Nazi als Nazi ist in unserer Gesellschaft natürlich unerwünscht, aber insofern er unser Mitmensch und unser Mitbürger ist, müssen wir alles tun, um ihn in die Gesellschaft zu integrieren.“
„Wat solln die Nazis raus aus Deutschland, wat hät denn des für a Sinn – die Nazis könne doch net nau, denn hier gehöre se hin“, haben die Goldenen Zitronen schon vor Jahren getextet.
Linke Gruppen aus Dresden haben auch in diesem Jahr gegen eine Haltung protestiert, die am 13.Februar in erster Line die Stadt Dresden vor dem „Bösen, das von außen kommt“, schützen will. Dass sie damit nicht mehr ganz so isoliert sind, zeigte sich an den 1.500 Menschen, die am gestrigen Nachmittag am „Mahngang Täterspuren“ teilnahmen, der zu den Stätten von NS-Terror und Verfolgung in Dresden führte, unter anderem zur Villa des Dresdner NS-Gauleiters Martin Mutschmann, die als Gestapohauptquartier diente.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151426
Peter Nowak
Während sich bei den alljährlichen rechten Aufmärschen zum Jahrestag der Dresden-Bombardierung Mobilisierungsprobleme abzeichnen, gibt es in Dessau rechtsoffene Bürgerdemonstrationen gegen „Ausländergewalt“
Wie in den letzten Jahren mobilisieren auch in diesem Jahr zivilgesellschaftliche und antifaschistische Bündnisse gegen eine Demonstration ultrarechter Kräfte, die in Dresden am Jahrestag der alliierten Bombardierungen am 13. Februar 1945 aufmarschieren wollen. Jahrelang war es ein zentrales Aktionsziel der Rechten, nicht nur am Jahrestag, sondern auch am Wochenende davor oder danach auf die Straße zu gehen. In den letzten Jahren hatten sich daran zunehmend auch Teilnehmer vor allem aus dem osteuropäischen Ausland beteiligt.
In diesem Jahr mehren sich die Hinweise, dass die rechte Demonstration am 18. Februar ausfällt. In rechten Kreisen wird nur noch für den Gedenkmarsch am 13. Februar geworben. Auch auf der Homepage des sächsischen Landesverbandes der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland , deren Vorsitzender in den letzten Jahren für die Anmeldung der Großdemonstration zuständig war, findet sich kein Hinweis mehr auf den 18. Februar.
Keine verfrühten Siegesmeldungen
Während Dresdner Antifagruppen von der baldigen offiziellenAbsage der rechten Demonstration am 18.Februar ausgehen und Mobilisierungsschwierigkeiten nach den erfolgreichen Blockaden der letzten beiden Jahre und interne Zerwürfnisse als Grund nennen, äußert sich das Bündnis Dresden Nazifrei vorsichtiger: „Wir erwarten, dass am 18. Februar deutlich weniger Nazis nach Dresden kommen als in den letzten Jahren. Damit erhöhen sich unsere Chancen, den Naziaufmarsch ein drittes Mal zu blockieren und endgültig Schach-Matt zu setzen. Allerdings beobachten wir auch, dass sich ihrerseits mehr Aktivitäten auf den 13. Februar konzentrieren. Klar ist, mit ihrer Doppelstrategie wollen die Nazis erreichen, wenigstens an einem Tag relativ ungestört marschieren zu können.“
Auch Aktivisten aus Berlin warnen vor einer Demobilisierung bei den Antifaaktivitäten. Bisher wurde die Demonstrationsanmeldung für den 18. Februar nicht zurückgezogen. Sollten sich die Informationen bestätigten, dass die Anmeldung nur noch pro forma aufrechterhalten wird, um die Gegenaktionen ins Leere laufen zu lassen, wird der 13.Februar für die Rechten in diesem Jahr wieder den zentralen Stellenwert bekommen. Zudem haben sie Ausweichorte gefunden, seit der Aufmarsch in Dresden durch die Blockaden behindert wurde. So mobilisieren sie seit einigen Jahren zum Jahrestag der alliierten Bombardierung nach Magdeburg.
Dessauer Verhältnisse
Dass die Rechten auch jenseits der Gedenktage mobilisierungsfähig sind, zeigte sich erst in den letzten Tagen in Dessau. Nachdem ein aus Afrika stammender Mann bei einem Streit einen in der Dessauer Region bekannten Fußballspieler mit dem Messer verletzt hatte, kam es vor einigen Tagen zu einer Spontandemonstration von bekannten Rechten und aufgepeitschten Bürgern.
Obwohl der verletzte Spieler und sein Fußballverein gegen eine Instrumentalisierung des Vorfalls für rassistische Propaganda Stellung nahm, kam es am 21. Januar erneut zu einer nach rechts offenen Bürgerdemonstration. Die schwachen antifaschistischen Gruppen haben sich mit einen eher pessimistischen Statement zu Wort gemeldet.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151276
Peter Nowak
Politiker und die taz kündigen rechtliche Schritte an. Die durch die Taz aufgedeckte aufgedeckte polizeiliche Handyüberwachung während der Proteste gegen einen Neonaziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden hat größere Ausmaße als zunächst angenommen.
Bis zu 138.000 Handy-Verbindungen hat die Polizei nach deren Angaben an diesem Tag von Anwohnern, Demonstranten, Politikern und Journalisten gesammelt. Der Landesjustizminister Jürgen Martens (FDP) erklärte jedoch, er müsse davon ausgehen, dass es weit mehr gewesen seien. In mehreren Fällen flossen die Ergebnisse in die Ermittlungsakten ein, unter anderem bei Christian Leye, dem Mitarbeiter der Bundestagsabgeordneten der Linken Sevim Dagdelen, wodurch die Überwachung erst bekannt geworden ist. Die Politikerin hat eine Anfrage an die Bundesregierung zu der Überwachung gestellt und prüft rechtliche Schritte. Rechtliche Schritte prüfen auch die sächsischen Abgeordneten der Linkspartei.
Auch das Bündnis Dresden-nazifrei, in dem sich die Gegner des rechten Aufmarsche koordinieren, haben eine Kampagne zur juristischen Überprüfung der Überwachung angekündigt und Formulare für eine Anfrage bei der Dresdner Polizei und Staatsanwaltschaft ins Netz gestellt. Die sächsischen Grünen unterstützen diese Forderungen und ermuntern potentiell von der Ausforschung Betroffene: „Verlangen Sie Auskunft und Löschung.“ Die grünen Landtagsabgeordneten Eva Jähnigen, Miro Jennerjahn und Johannes Lichdi legen Beschwerde beim Amtsgericht Dresden gegen die Überwachung ihrer Mobilfunktelefone ein.
Die Chefredaktion der taz hat ebenfalls juristische Schritte gegen die Überwachung angekündigt. „Unsere betroffenen Journalisten können ihren Gesprächspartnern und Informanten vom 19. Februar nicht die Vertraulichkeit gewährleisten, die sie ihnen versprochen haben. Mit der Dokumentation der Kommunikationsdaten zahlreicher Journalisten wurde am 19. Februar die Grundlage der Pressefreiheit staatlich außer Kraft gesetzt“, so die taz-Chefredakteurin Ines Pohl.
Selbst Regierungspartei FDP geht auf Distanz
Die rechtspolitische Sprecherin der sächsischen SPD Sabine Friedel schließt auch politische Konsequenzen nicht aus: „Sollte sich erweisen, dass Polizei und Staatsanwaltschaft ihre rechtlichen Befugnisse überschritten haben, wird das auch für die zuständigen Minister Konsequenzen haben“, heißt es in ihrer Erklärung. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Thierse hat die Polizeimaßnahme verurteilt.
Selbst in der sächsischen Regierungskoalition stößt die Maßnahme auf Kritik. Der sächsische FDP-Vorsitzende Holger Zastrow bezeichnet die Überwachung als unverhältnismäßig und sieht sich in seiner Skepsis gegenüber der Vorratsdatenspeicherung bestätigt.
„Wir brauchen nicht darüber nachzudenken, dass im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung, die Union und SPD wollen, noch mehr Daten noch länger gespeichert werden und für Polizeiabfragen zur Verfügung stehen. Dieses Thema hat sich erledigt, wenn man sieht, welche Missbrauchsmöglichkeiten jetzt schon bestehen“, betonte Zastrow. Auch der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) kritisiert das Vorgehen als „in hohem Maße unverhältnismäßig“.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/150041
Peter Nowak
Wer im Februar in Dresden Zivilcourage zeigte, ist ins Visier einer groß angelegten Rasterfahndung geraten. Was nun Datenschützer und Politik empört, ist kein Einzelfall
Die sächsische Polizei hat am 19. Februar im Rahmen einer so genannten Funkzellenauswertung mindestens 138.000 Handy-Verbindungen gespeichert – im Visier: der Datenverkehr in Teilen von Dresden. Dort hatten an jenem Tag tausende Menschen aus der gesamten Bundesrepublik gegen einen Aufmarsch von Rechtsradikalen demonstriert und diesen erfolgreich blockiert.
Die Spähaktion der Behörden beschäftigt inzwischen die Politik. Bis Freitag sollen das Innen- und Justizminsterium des Freistaats dem CDU-Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich einen ausführlichen Bericht vorlegen. Besonders pikant: Der Justizminister bestätigte der Tageszeitung, die den Fall aufgedeckt hatte, dass er erst aus der Zeitung von der Funkzellenauswertung erfahren habe. Der Landtag wird sich mit dem Fall ebenso befassen wie er auch Abgeordnete des Bundestags beschäftigt.
Das hat seinen Grund: Bekannt geworden war die Spähaktion durch den Bochumer Kreissprecher der Linken, Christian Leye. Gegen den wird wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht ermittelt – die Einsicht in seine Akte erfuhr Leye von der mehrstündigen und flächendeckenden Datenüberwachung. Es hätten sich darin „Angaben über sämtliche am 19. Februar im Zeitraum von 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr von meinen Handy ein- und abgegangenen Anrufe und SMS-Mitteilungen“ gefunden, so Leye. Der ist zudem Mitarbeiter der linken Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdalen. Die meint nun, ihre Tätigkeit als frei gewählte Bundestagsabgeordnete sei „vermutlich verletzt worden. Die Funkzellenabfrage kommt einer Rasterfahndung gleich.“
„Anschlag auf die Demokratie“
Wie viele Menschen betroffen sind, ist derzeit noch unklar. Die sächsischen Behörden haben erklärt, auch das gesamte Ausmaß der Funkzellenauswertung ist noch nicht endgültig bekannt. Die Grünen sprachen von einem „richterlich genehmigten Anschlag auf die Demokratie“, die SPD nannte die Erklärungen der verantwortlichen „absolut unglaubwürdig“. Und doch passen sie in ein Bild.
Zivilcourage gegen Naziaufmärsche anlässlich des Jahrestages der Bombardierung von Dresden steht nicht zum ersten Mal unter polizeilicher Beobachtung. Immer wieder wurden von dem die Proteste organisierenden Bündnis Repressionen durch die Behörden beklagt – etwa als im vergangenen Jahr bei einer Razzia Mobilisierungsmaterialien und Computer des Bündnisses beschlagnahmt und Jugendliche, die Plakate für die Aktion geklebt hatten, festgenommen wurden. In diesem Jahr blieb vergleichbares im Vorfeld zwar aus, am Abend durchsuchte die Polizei dann allerdings mehrere Büros, darunter auch eine Anwaltskanzlei. Augenzeugen hatten seinerzeit die massive Brutalität beklagt, mit der die Beamten vorgegangen waren. Dabei ist es seither nicht geblieben. Solidaritätsgruppen monierten, dass es der Polizei dabei in erster Linie um das Ausspähen unabhängiger, linker und antifaschistischen Strukturen gehe.
Wie weit die Polizei dabei zu gehen bereits, zeigt auch dieser Fall in der letzten Woche bekannt gewordene Fall: Auch die Busunternehmen, mit der im Februar tausende zu den Protesten gegen die Rechtsradikalen anreisten, sind offenbar in die Ermittlungen einbezogen worden. Die Firmen sollten einen Fragebogen der Polizei beantworten, der Angaben zu den Personaldaten der Fahrer ebenso verlangte wie Auskünfte über Zahlungsmodalitäten, Mietverträge und die Kopien der Ausweise der jeweiligen Anmieter.
Damit nicht genug: Die Polizei interessierte sich auch für die Kontakte von Fahrgästen in den Pausen, Gesprächsinhalte sowie die detaillierten Tages- und Streckenabläufe. Mehrere der angeschriebenen Unternehmen verwahrten sich dagegen, als Informanten ihrer Fahrgäste missbraucht zu werden. Dennoch dürften solche Anschreiben der Polizei eine abschreckende Wirkungen haben – bei künftigen Aktionen, zu denen bundesweit mobilisiert wird, könnte es schwerer werden, die Anreise zu organisieren.
http://www.freitag.de/politik/1125-frageboegen-an-die-busfirmen
Peter Nowak
Wurden von der Polizei in Dresden neben Demonstranten, Anwohnern oder Journalisten auch gezielt Bundestagsabgeordnete abgehört?
Christian Leye gehörte zu den vielen Tausend Menschen, die am 19. Februar dieses Jahres in Dresden gegen den dortigen Naziaufmarsch protestierten. Weil er dabei auch die Zufahrtswege der Rechten blockiert haben soll, wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Versammlungsrecht eingeleitet.
Als er Einsicht in seine Ermittlungsakten bekam, staunte er nicht schlecht. „Dort fanden sich Angaben über sämtliche im Zeitraum von 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr von meinen Handy ein- und abgegangenen Anrufe und SMS-Mitteilungen“, erklärte Leye gegenüber Telepolis. Die anrufenden Personen waren namentlich in der Akte aufgeführt und auch ein Bewegungsprofil von Leyes Mobiltelefon findet sich bei den Akten.
Nach Recherchen der taz wurde Leyes Handy im Rahmen einer viereinhalbstündigen Funkzellenauswertung in der Dresdner Innenstadt überwacht. Davon betroffen waren Tausende Menschen, die in dem Bereich zu dem Zeitpunkt anwesend waren: Anwohner, Journalisten, Politiker, Rechtsanwälte und Demonstranten.
Die Anwältin des antifaschistischen Bündnisses Dresden Nazifrei Kristin Pietrzyk spricht von einer „Rasterfahndung per Handy“. Sie moniert einen Eingriff in das Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Rechtsanwälten, weil auch ihre fernmündliche Kommunikation mit einen Aktivisten in den Zeitraum der Überwachung fällt.
Gezielte Beobachtung von Bundestagsabgeordneten?
Weil Leye nicht nur Pressesprecher der Bochumer Linken ist, sondern auch für die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen arbeitet, wird die Überwachung auch den Bundestag beschäftigen.
In einer schriftlichen Anfrage will Dagdelen von der Bundesregierung wissen, „wie viele Handynutzer von einer bzw. mehreren Funkzellenabfragen betroffen waren, die im Zusammenhang mit Protesten gegen einen Naziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden durchgeführt wurde … und an welche Bundesbehörden Ergebnisse der Funkzellenabfrage übermittelt wurden?“ In einer Presseerklärung moniert Dagdelen eine „rechtswidrige Bespitzelung von Abgeordnetenmitarbeitern durch die Polizei“.
Da die Polizei Leyes Handynummer gezielt ermittelt hat, fragt er sich, ob auch Dagdelen gezielt beobachtet wurde. Schließlich gehörte sie zu den Bundestagsabgeordneten, die zu den Blockaden gegen den rechten Aufmarsch aufgerufen hatte.
Ermittlungen gegen Dresdner Antifabündnis
Diese Aktionen, die von einem breiten Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Initiativen, Gewerkschaften, Parteien und außerparlamentarischen Gruppen getragen wurde, stehen seit Monaten im Visier der Justiz. Noch am Abend des 19. Februar wurde ein Gebäude durchsucht, in dem die Antinazikoordination Räume gemietet hatte.
Auch in den folgenden Monaten wurden linke und zivilgesellschaftliche Einrichtungen in der Region von der Polizei durchsucht. Die Polizei ermittelt gegen 17 Personen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nach dem Paragraphen 129, der den Ermittlungsbehörden mehr Freiraum bei der Überwachung ermöglicht.
Erst in der letzten Woche wurde bekannt, dass auch Busunternehmen, die Demonstranten nach Dresden gebracht haben, Post von der Polizei bekommen haben. Die wollte Informationen über die Personaldaten der Busfahrer, die Zahlungsmodalitäten sowie Mietverträge und Kopien von Ausweisdokumenten der Anmieter bekommen. Darüber hinaus werden Kontakte von Fahrgästen in den Pausen, Gesprächsinhalte sowie detaillierte Tages- und Streckenabläufe abgefragt. Damit könnten nach Befürchtungen von Antifaschisten Bewegungsprofile der Nazigegner auf dem Weg zu den Protesten gesammelt werden. Mit der Funkzellenauswertung scheint die Ausforschung dann vor Ort fortgesetzt worden zu sein.
http://www.heise.de/tp/artikel/34/34973/1.html
Peter Nowak
Nach erfolgreicher Blockade Razzia beim Bündnis Dresden Nazifrei
Seit dem frühen Morgen waren Tausende Menschen aus ganz Deutschland auf den Beinen, um zu verhindern, dass Neonazis durch die Stadt demonstrieren. Am späten Nachmittag vermeldete das Protestbündnis – auf Facebook – einen Erfolg. Wegen der Blockaden fiel der rechte Aufmarsch im Dresdener Innenstadtbezirk aus.
Ein Teil der Neonazis versuchte mit Spontandemonstrationen in Pirna und Leipzig die Niederlage in Dresden auszugleichen. Doch mit Verweis auf einen polizeilichen Notstand wurde ihnen auch in Leipzig ein Aufmarsch verwehrt.
Damit ist zum zweiten Mal hintereinander der Versuch der Rechten gescheitert, mit einer Großdemonstration anlässlich des Jubiläums der Bombardierung Dresdens Stärke zu zeigen. Diese zweimalige Niederlage dürfte für künftige Planungen demobilisierend auswirken. Für die Rechten war Dresden der letzte Ort, wo sie jahrelang unangefochten demonstrieren konnten. Nach der Verhinderung im letzten Jahr mobilisierten die Nazigegner in diesem Jahr besonders intensiv.
Dabei hatte sich die Situation gegenüber dem Vorjahr für die Antifaschisten erschwert. Die Rechten wollten mit der Anmeldung eines Sternmarsches erfolgreiche Blockaden erschweren, scheiterten damit aber letztlich juristisch. Zudem hatte das Dresdner Verwaltungsgericht Ende Januar 2011 mit dem Verweis auf das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit erklärt, die Polizei hätte im vergangenen Jahr „geeignete polizeiliche Mittel“ einsetzen müssen, um den Aufmarsch der Rechten zu ermöglichen. Deshalb stellten sich die Nazigegner in diesem Jahr auf ein robusteres Vorgehen der Polizei ein. Tatsächlich kam es bei Räumungsversuchen zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Teilen der Antifaschisten.
Aber auch unter den Nazigegnern gab es Debatten über die geeigneten Aktionsformen. Nachdem die Rechten und ihre Gegner schon größtenteils aus Dresden abgezogen waren, durchsuchte die Polizei das Büro des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ und einer im gleichen Gebäude befindlichen Jugendinitiative. Nach Informationen der taz beschlagnahmten die Beamten mehrere Computer. Die Website des Bündnisses ist gerade nicht erreichbar.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/149302
Peter Nowak
Wer in Dresden wohnt, wird in der Vorweihnachtszeit keine Einkäufe am Sonntag erledigen können: Ein Gericht verbot sämtliche Ladenöffnungen am Ruhetag für 2010. Gewerkschaften, Kirchen und Opposition begrüßten die Entscheidung als gut für die Beschäftigten.
In Dresden bleiben in diesem Jahr auch in der Vorweihnachtszeit die Läden am Sonntag geschlossen. Dafür hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen vergangene Woche gesorgt. Es hatte in einer Eilentscheidung die Verordnung der Stadt Dresden über die Sonntagsöffnungen im Jahr 2010 außer Kraft gesetzt. »Damit sind alle drei vor Weihnachten geplanten Sonntagsöffnungen in Dresden hinfällig. Das ist eine gute Nachricht für die Kolleginnen und Kollegen, die sich gerade in der besinnlichen Zeit um ihre Familien kümmern oder, wie der überwiegende Rest der Bevölkerung auch, die Sonntage nutzen möchten, um im Vorweihnachtstrubel zur Ruhe zu kommen«, kommentierte die stellvertretende Vorsitze der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Margret Mönig-Raane die Entscheidung.
Die Gewerkschafterin ist optimistisch, dass das OVG Bautzen auch in der Hauptverhandlung die mit dem Eilbeschluss eingeschlagene Richtung weiter verfolgen und den Sonntagsöffnungszeiten einen Riegel vorschieben wird. Mönig-Raane zeigte sich besonders zufrieden, dass ver.di im Rahmen eines Verfahrens zum Thema Ladenöffnungszeiten überhaupt antragsbefugt gewesen ist.
Sie sieht in dem Bautzener Urteil sogar eine bundesweite Bedeutung: »Dadurch bekommen wir die Beschäftigten, die unter immensem Druck stehen, aus der ersten Reihe der Auseinandersetzung und können diese in ihrem Interesse erfolgreich weiterführen«, machte Mönig-Raane deutlich. Denn auch anderswo müssten Verfahren geführt werden, um das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Dezember 2009, das den Ladenschluss am Sonntag zum integralen Bestandteil des Arbeitnehmerschutzes erklärt hatte, in den verschiedenen Ladenschlussgesetzen der einzelnen Länder durchzusetzen.
Zufrieden mit dem Urteil zeigt sich auch die Kirche. Im Kampf gegen die Ladenöffnungszeiten am Sonntag haben sich in vielen Bundesländern Kirchen und Gewerkschaften verbündet.
Auf der politischen Ebene spiegelt sich dieses Bündnis allerdings nicht wieder: Die Dresdner CDU und die FDP gehören zu den entschiedenen Befürwortern der Sonntagsöffnungszeiten und hatten gemeinsam mit der Bürgerfraktion im Rat für die jetzt gekippte Verordnung votiert. SPD, Grüne und Linkspartei hatten sich dagegen ausgesprochen, begrüßten das Urteil und sparten gleichzeitig nicht mit Kritik: »Oberbürgermeisterin Helma Orosz hat erneut eine deutliche Niederlage bei einer zentralen Thematik hinnehmen müssen«, erklärte der Vorsitzende der Dresdner Linksfraktion im Stadtrat, André Schollbach. Auch die Grünen sehen in der gerichtlichen Entscheidung »eine Ohrfeige für die ignorante und arrogante Politik der Konservativen.«
Die Ladenbesitzer und Einzelhandelsorganisationen sind dagegen über das Urteil schwer verärgert und befürchten Einnahmeausfälle. Allerdings haben sie bereits Pläne in der Schublade, um die Profitausfälle zu minimieren. »Viele Händler überlegen jetzt, ihre Öffnungszeiten am Samstag bis 21 Uhr auszuweiten«, erklärte Thorsten Kemp, der Manager der Dresdner Altmarkt-Galerie, gegenüber der Lokalpresse.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/183658.sonntags-bleiben-die-laeden-zu.html
Peter Nowak
Diese Frage beschäftigt Erwerbslose und Medien, seit die Regierung beschlossen hat, die Hartz IV-Sätze um 5 Euro monatlich zu erhöhen. In bewusster Abgrenzung dazu hat eine Dresdner Initiative, die seit langen sozialpolitisch aktiv ist, eine Kampagne gestartet, um den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln.
„Wir möchten dazu anregen, anhand Ihrer praktischen Erfahrung Beispiele dafür zu geben, was für Ausgaben für eine Existenzsicherung nötig sind“, wenden sich die Initiatoren an die Zielgruppe. Für die Einträge wurden im Internet Tabellen und ein Diskussionsforum eingerichtet. Dort soll darüber diskutiert werden, welche Wertigkeit die einzelnen Bedürfnisse haben. Die Initiatoren der Kampagne räumen ein, dass sie sich damit auf schwieriges Terrain begegnen, verteidigen auf der Kampagnenhomepage aber ihre Vorgehensweise.
„Nicht alles ist für alle gleichermaßen wichtig. Bedürfnisse sind immer persönliche Bedürfnisse. Wir denken: nicht alle Lebenssituationen sind miteinander vergleichbar. Trotzdem gibt es unserer Meinung nach die Notwendigkeit, sich über das zu verständigen, was für ein menschenwürdiges Leben in dieser Gesellschaft notwendig ist. Sonst tun es andere. Was dabei heraus kommt sehen wir an den aktuellen ALG II-Regelsätzen“, heißt es dort.
Es wird auch beklagt, dass eine ernsthafte Diskussion über ein angemessenes Arbeitslosengeld II bisher ausgeblieben sei. Dafür hatte man immer nur Abwehrkämpfe gegen wirtschaftsliberale Vorschläge geführt, die einer weiteren Kürzung der Hartz IV-Sätze das Wort redeten. Damit werden aber Initiativen von Erwerbslosengruppen ignoriert, die aus ihrer politischen und gesellschaftlichen Praxis heraus konkrete Forderungen in Bezug auf die Hartz IV-Sätze formulieren.
Weil diese Forderungen im persönlichen Kontakt oft besser als über das Internet zu ermitteln seien, geht am 10. Oktober 2010 ein Bündnis von Gewerkschaften und Erwerbslosengruppen für eine Erhöhung der Hartz IV-Sätze um 80 Euro monatlich auf die Straße.
Die Diskussion über ein lebenswertes Einkommen ist also durchaus nicht so auf dem Nullpunkt, wie die Initiatoren der Kampagne annehmen. Allerdings scheinen die Aktivisten noch nicht so gut vernetzt zu sein.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/148462
Peter Nowak
Am vergangenen Samstag hat die Linke in Dresden mit der Verhinderung des Neonaziaufmarsches einen realen und nicht nur, wie beispielsweise bei den Blockaden in Heiligendamm im Jahr 2007, einen symbolischen Erfolg errungen.
Der rechte Aufmarsch in Dresden war in den letzten Jahren der zentrale Termin in ihrer politischen Agenda. Denn viele andere langjährige Aktionen, wie der Rudolf-Hess-Gedenkmarsch, waren durch die antifaschistischen Proteste und die darauf reagierenden staatlichen Maßnahmen nicht mehr durchführbar.
Während in Berlin schon am 8.Mai 2005 ein Bündnis aus Antifaschisten und Zivilgesellschaft einen Neonaziaufmarsch durch Blockaden verhinderte, konnten die Rechten bis zum vergangenen Samstag in Dresden marschieren. Denn die politisch Verantwortlichen hatten bisher mit ihrem Agieren gegen „linke und rechte Extremisten“ in Wirklichkeit den Rechten den Rücken freigehalten. Zudem wird das Anliegen des rechten Aufmarsches, die Dresdner Bevölkerung als wahre Opfer des 2.Weltkrieges zu stilisieren, auch von Teilen der Dresdner Bevölkerung geteilt, die sich nicht öffentlich auf der rechten Demo zeigen würden. Diese Gemengelage hat dazu geführt, dass bisher in Dresden die Antifaschisten als größere Gefahr als die Rechten gesehen wurden. Das war das Klima, in denen die Nazis marschieren konnten und die Linken isoliert waren.
Linke und Zivilgesellschaft
Dass sich in diesem Jahr der Wind gedreht hat, liegt an dem Bündnis zwischen der größten Teil der aktiven antifaschistischen Szene und Teilen der Dresdner Zivilgesellschaft, die sich nicht länger mit symbolischen Aktionen a la Friedensgebeten und Menschenketten begnügen wollten. Diese Aktionen haben den Naziaufmarsch nicht verhindert und das war auch gar nicht ihr Ziel. Die politisch Verantwortlichen von Dresden haben sich noch in der letzten Woche mit demVerbot des rechten Aufmarsches, das juristisch so gehalten war, dass es abgelehnt werden mußte, blamiert. Dass die Rechten nicht marschieren konnten, ist allein den aktiven Gegendemonstranten zu verdanken.
Mit dem Blockadekonzept wurde eine Aktionsform gefunden, auf die sich alle Akteure einigen konnten. Als die Polizei vor mehr als 3 Wochen mit Razzien und der Beschlagnahme von Mobilisierungsmaterialen auf den Blockadeaufruf reagierte, hatte das Bündnis seine entscheidende Bewährungsprobe zu bestehen. Schnell zeigte sich, dass sich aus dem Bündnis niemand distanzierte. Vielmehr war die Bereitschaft nun erst recht den Rechten entgegenzutreten noch gewachsen.
Nur auf dieser Grundlage war der Erfolg vom Samstag möglich. Hätte die Blockade nur aus Antifas und radikalen Linken bestanden, wäre sie wohl von der Polizei geräumt worden. Aber alte Frauen, Menschen mit Gewerkschaftsfahnen und Mandatsträger verschiedener Parteien abzuräumen, damit die Nazis marschieren können, das war für die Staatsapparaten ein zu hoher Preis.
Für die linke Bewegung sollte die Lehre aus Dresden sein, solche Bündnisse für die Durchsetzung ganz konkreter Ziele in Zukunft öfter anzustreben. Das bedeutet nicht, dass die Bündnispartner die Position der Linken akzeptieren müssen. Konkret für Dresden war es nicht nötig, eine einheitliche Meinung über die Sinnhaftigkeit der alliierten Bombardements zu haben, um sich den Nazis entgegen zu stellen. Das bedeutet aber auch nicht, dass die linken Aktivisten in dem Bündnis aufgehen und die Partner nicht mehr kritisieren dürfen.
Gegen jede Totalitarismustheorie
Wie nötig eine inhaltliche Auseinandersetzung ist, zeigte sich noch wenige Tage vor dem Dresdener Aufmarsch. Da erweist sich Christian Demuth von dem zivilgesellschaftlichen Verein „Bürger.Courage e.V.“ als Nachbeter der sächsischen Totalitarismustheorie, die besagt, dass man die Nazis nicht kritisieren kann, ohne sich nicht mindestens genau so vehement von der DDR zu distanzieren.
So behauptet Demuth in einem Interview mit der Taz im Zusammenhang mit der alliierten Bombardierung Dresdens: „ Die DDR hatte die Propaganda aus dem Goebbels-Ministerium im Grunde dankbar aufgenommen, um gegen die angloamerikanischen Imperialisten Stimmung machen zu können.“
Dass die DDR die alliierten Bombardements auf Dresden im kalten Krieg instrumentalisieren ist bekannt und beschämend. Zu behaupten, sie hätte dabei die Goebbels-Propaganda fortgesetzt ist eine Geschichtsfälschung, die man auch bei Personen nicht durchgehen lassen sollte, mit denen man gemeinsam gegen die Nazis auf die Straße geht.
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Peter Nowak
An den Blockaden beteiligten sich Menschen allen Alters und der verschiedenen politischen Richtungen.
Am Samstagabend sah man in Dresden-Neustadt viele feiernde Menschen. Sie hatten bei winterlichen Temperaturen teilweise über 10 Stunden auf der Straße ausgeharrt, um den bundesweit größten Aufmarsch von Rechtsextremisten zu verhindern. Wie auch in den vergangenen Jahren, hatte die ansonsten zerstrittene Rechte zum Jahrestag der alliierten Bombardierung von Dresden in die Elbestadt mobilisiert.
Mehrere Tausend Rechte aus Deutschland und dem europäischen Ausland hatten sich am Bahnhof Neustadt versammelt. Doch am Nachmittag erklärte die Polizei, dass sie sich wegen der Blockaden nicht in der Lage sehe, die Demonstration zu gewährleisten. Eine ähnliche Konstellation hatte es schon am 8.Mai 2005 in Berlin gegeben, wo auch eine von Linken und Teilen der Zivilgesellschaft getragene Blockade einen rechten Aufmarsch verhinderte.
In Dresden war dies in den vergangenen Jahren nicht gelungen. Deshalb hatte die rechte Szene die Dresden-Demonstration zu einem festen Termin erklärt. Dass der rechte Aufmarsch in diesem Jahr verhindert werden konnte, lag vor allem an der Kooperation von Antifaszene und Teilen der Zivilgesellschaft, die sich nicht mehr nur auf rein symbolische Proteste, wie Friedensgebete und der von der von führenden sächsischen Politikern initiierte Menschenkette beschränken wollte. An den Blockaden beteiligten sich Menschen allen Alters und der verschiedenen politischen Richtungen.
Während der Mobilisierung zu der Aktion hatte die Polizei Plakate und Flyer beschlagnahmt. Auch die Kampagnenhomepage war abgeschaltet worden. Nach Einschätzung von Aktivisten hat dieses Vorgehen der Polizei die Mobilisierung verstärkt und das Bündnis verbreitert.
Ob mit der erfolgreichen Blockade die Dresdner Aufmärsche der Vergangenheit angehören, ist unklar. Auf rechten Internetseiten wird schon für das Jahr 2011 mobilisiert. Bei den Rechtsextremen wird verbreitet, dass sie alleine von der Polizei gehindert worden seien: „Wenn etwas den Marsch blockiert hat, dann lediglich die Polizei die den linksextremen Pöbel zum Vorwand genommen hat um den Notstand auszurufen.“ Auf Altermedia wird denn auch überlegt, das nächste Mal zu anderen Mitteln zu greifen: „Auf nationaler Seite wird die Frage sein, wie man künftig Veranstaltungen dieser Art durchführt. Der Wille das unter legitimen Mitteln zu tun, ist zwar löblich, aber letztlich doch nicht realisierbar sobald sich abzeichnet, dass die Sache ein paar Nummern größer wird als man dies auf Seiten des Systems bereit ist zuzulassen. Das war am 8. Mai 2005 in Berlin so oder im September 2008 anlässlich des von „pro Köln“ organisierten Anti-Islamkongress.“
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Peter Nowak