Europäische Angelegenheit

Initiativen fordern Ende des Notstands und Solidarität mit streikenden Franzosen

Seit dem Wochenende steht Frankreich ganz im Zeichen des Fußballs. Fans aus allen Ländern besuchen das Land. Doch immerhin mehr als 30 Menschen aus Deutschland, Italien, Frankreich, Schweden, Polen und den Niederlanden widmeten sich am vergangenen Samstag in Paris den Streiks und sozialen Protesten, mit denen Frankreich in den letzten zwei Monaten viel Aufmerksamkeit erregt hat. Eingeladen zu dem Treffen hatte die Plattform für einen Transnationalen Streik, die in den letzten Jahren Teil der Blockupy-Proteste war. Im Oktober 2015 war das Netzwerk bereits in Poznan zu einer Konferenz unter dem Motto »Dem transnationalen Streik entgegen« zusammengekommen.

Die Frage, wie es gelingen kann, Arbeitskämpfe über die Ländergrenzen hinweg zu unterstützen, stand auch jetzt in Paris im Mittelpunkt. Dabei bestand Einigkeit darüber, dass die französischen Kämpfe der letzten Wochen auch eine europäische Angelegenheit sind. Allerdings wurden ebenfalls die Schwierigkeiten angesprochen. So entzündeten sich viele Streiks an sehr konkreten Anlässen, an spezifischen regionalen prekären Arbeitsbedingungen, was eine Ausweitung nicht einfach mache.

Viel Zustimmung fand in Paris die Forderung nach einem europäischen Mindestlohn. »Damit könnte nicht nur der Dumpingwettbewerb bei den Löhnen im europäischen Maßstab gebremst werden. Eine solche Forderung könnte ein Werkzeug sein, um gemeinsame Kämpfe in den unterschiedlichen europäischen Ländern zu entwickeln«, so fasste die italienische Teilnehmerin Isabella Consolati gegenüber »nd« die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe zusammen. Die Diskussionen sollen auf einem Treffen im Oktober 2016 in Paris fortgesetzt werden. Ob es gelingt, die Streiks und sozialen Kämpfe in Frankreich bis in den Herbst aufrecht zu erhalten, ist allerdings offen.

Der Wissenschaftliche Beirat von Attac Deutschland erklärte sich am Dienstag solidarisch mit den Protesten gegen die Arbeitsrechtsreform in Frankreich: »Diese Streiks und Proteste sind notwendig und ein Vorbild für die gesamte Europäische Union«, heißt es in der Erklärung.

Die zunehmende Polizeirepression gegen Streikende und Demonstrierende steht im Fokus einer von Einzelpersonen aus dem akademischen Spektrum  initiierten Onlinepetition (https://www.facebook.com/Against-police-violence-and-for-demonstration-rights-in-france-2016-1051796708224609/ ). 150 Erstunterzeichner aus Kultur, Wissenschaft und Politik wandten sich mit einem »internationalen Aufruf für den Erhalt des Demonstrationsrechts und gegen Polizeigewalt in Frankreich« an die Öffentlichkeit. »Die regelmäßigen Demonstrationen gegen das Gesetz und seine autoritäre Durchsetzung werden landesweit mit starker Repression überzogen – ohne, dass die großen französischen und internationalen Medien dem bisher die nötige Aufmerksamkeit gezollt hätten«, heißt es in dem Text. Gefordert werden die Aufhebung des nach den islamistischen Anschlägen im November erlassenen Ausnahmezustands und die Anerkennung sämtlicher Grundrechte in Frankreich.

Besonders seit Beginn der EM sind soziale Protestbewegungen und kämpferische Gewerkschaften verstärkt unter Druck von Politik und Wirtschaft geraten. Beispielsweise hatte der Präsident des französischen Arbeitgeberverbandes Pierre Gattaz die Mitglieder der Gewerkschaft CGT, die die aktuelle Streikbewegung federführend vorantreiben, als »Ganoven, die sich aufführen wie Terroristen« beschimpft.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1015286.europaeische-angelegenheit.html

Peter Nowak