Vor dem Auslandseinsatz geht es künftig zur Probe in die Altmark

[1]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152711

[2]

http://www.deutschesheer.de/portal/a/ha/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9jNTUoviMRL2UzNS84pLiktScHL301LTU5IyS4tLUpCr9gmxHRQCo_8Cq/

[3]

http://www.warstartsherecamp.org/

[4]

https://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2013%2F07%2F24%2Fa0092&cHash=bf7c353b62fbb245896155d1468596b7

[5]

http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/104/1710445.pdf

[6]

http://www.warstartsherecamp.org/sites/default/files/files/Antwort%20KA%20GUEZ%20Z.pdf

[7]

http://www.warstartsherecamp.org/de/presse-zum-camp

[8]

http://www.streitkraeftebasis.de/portal/a/streitkraeftebasis/!ut/p/c4/NYvLCsIwEEX_KJOgInVnqAu3brTdSNoOZTAvJqOC-PEmC–BszlcGKES3YtWJ5Si83CDYabD9FblMd0zfVRmLAVVIBEkD9f2WFDNKaI0C0ah6pWdJFY5sfhWnsy1KFpg0Ka3eqv_M9-uG-1ptzeb_mwvkEM4_gA7KNra/

[9]

http://warstartsherecamp.org/de/story/pressemitteilung-3-27-juli-2013

[10]

http://warstartsherecamp.org/de/story/pressemitteilung-2-27-juli-2013

[11]

http://perspektive.nostate.net/235

[12]

http://www.edition-nautilus.de/programm/biografien/buch-978-3-89401-460-5.html

[13]

http://arab.blogsport.de/2011/11/21/23-november-solidaritaet-mit-inge-und-thies/

[14]

http://www.amazon.de/dp/3423005661/ref=nosim?tag=telepolis0b-21

Retortenstädte für den Krieg

Protest gegen Gefechtsübungsfeld in der Colbitz-Letzlinger Heide

Anders als in der Kyritz-Ruppiner Heide ist das Truppenübungsgelände Kolbitz-Letzlinger Heide fest in der Hand der Bundeswehr. Während das Bombodrom bei Wittstock von der Zivilgesellschaft quasi zurückerobert wurde, trainiert das Militär bei Letzlingen den Auslandseinsatz. Hier sammelten sich in den letzten Tagen Antimilitaristen zum Protest.

Glühend heiß war es am Samstag in der Kleinstadt Letzlingen in der Altmark. Kaum ein Mensch war auf der Straße. Doch eine große Anzahl von Polizeiwagen und Fahrzeugen mit der Aufschrift »Feldjäger« brachte ungewohnte Aufregung in den beschaulichen Ort. Der Anlass befand sich am Ortsausgang. Dort waren Transparente gegen Krieg und Militarismus angebracht. Neben einer uniformierten Puppe mit bunter Perücke hatte jemand ein Plakat mit dem Satz »Was für ein erhebendes Gefühl, von einer Frau erschossen zu werden« aufgeklebt.

Auf einem großen Transparent war die Parole »War starts here« (Der Krieg beginnt hier) zu lesen. Das war auch das Motto des einwöchigen Camps, das rund 300 Antimilitaristen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern wenige Kilometer von Letzlingen entfernt organisiert hatten. Das Ziel ihres Protestes war wie im letzten Jahr das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) wenige Kilometer von dem Ort entfernt. Hier probt die Bundeswehr seit 2006 den Einsatz im Ausland. Mitten in der Heide finden sich afghanischen Städten nachempfundene Straßenzüge. »Wir haben eine Altstadt, eine Neustadt, eine Stadtautobahn, die Kanalisation ist 1,5 Kilometer lang und begehbar. Dazu kommen Müllhalde, Trümmerfeld, Elendsviertel und die Moschee, die mit wenigen Handgriffen zur Kirche umfunktioniert werden kann«, wird der für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Oberstleutnant Peter Makowski in der Presse zitiert. Die Bundeswehr hat viel vor – auch in der Altmark. Bis 2017 soll dort die Geisterstadt Schnöggersburg entstehen. Von einer »Mischung aus Kinshasa, Timbuktu und Bagdad« schrieb die »Tageszeitung«.

Die Antimilitaristen wollen das Trainieren von Auslandseinsätzen nicht hinnehmen. »Wir sind überzeugt, dass wir die Pläne der Bundeswehr auch in der Altmark beeinträchtigen können«, sagt eine Aktivistin. Sie lobt das Camp, Kontakte seien geknüpft und informative Veranstaltungen organisiert worden. Daneben haben sich immer wieder kleine Gruppen in die Heide aufgemacht, um die Orte der Kriegsübungen zu markieren. Am vergangenen Donnerstag wurde dabei ein verlassener Bundeswehrkontrollposten entdeckt, in dem neben Berichten über GÜZ-Übungen auch Hakenkreuze zu sehen waren. In einer Pressemitteilung verlangen die Aktivisten Aufklärung, ob dafür mit der rechten Szene verbundene Soldaten verantwortlich sind.

Der Aktionstag am Sonnabend war Höhepunkt der Protestwoche. Nur ein Teil der Antimilitaristen suchte am Stadtrand von Letzlingen unter den Sonnenschirmen Schutz vor der drückenden Hitze – darunter auch Mitglieder der Linkspartei aus dem Kreis Lüchow-Dannenberg, die zur Unterstützung Kaffee und Kuchen mitgebracht hatten. Die übrigen Aktivisten versuchten derweil auf das Gefechtsübungsfeld zu gelangen. Die Polizei hatte das Gelände wenige Meter hinter der Kundgebung zur Sperrzone erklärt. Jeder, der die Straße passieren wollte, erhielt einen Platzverweis. Doch viele Antimilitaristen hatten sich schon am frühen Morgen auf verschlungenen Wegen aufgemacht.

Am Samstagmittag hatten auch die Freunde der Bundeswehr eine Kundgebung angemeldet, an der schließlich rund 30 Personen teilnahmen. Augenzeugen erkannten darunter Personen aus der rechten Szene. Die meisten Teilnehmer verwiesen auf die Arbeitsplätze, die durch die Bundeswehr in der strukturschwachen Region entstünden. »Davon profitieren doch nur die Beerdigungsinstitute und Sargträger«, entgegnete eine Frau.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/828691.retortenstaedte-fuer-den-krieg.html

Peter Nowak

Zivilgesellschaft in Deutschland solidarisiert sich mit Snowden

Links

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http://www.vdw-ev.de/index.php/de-DE

[2]

http://www.ialana.de/

[3]

http://www.transparency.de

[4]

http://www.vdw-ev.de/index.php/de-DE/arbeitsfelder-der-vdw/informationen-zu-qwhistleblowernq/preisverleihung-fuer-whistleblower

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http://dejure.org/gesetze/GG/10.html

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http://www.gesetze-im-internet.de/g10_2001/BJNR125410001.html

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http://www.humanistische-union.de

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http://www.humanistische-union.de/veranstaltungen/buergerrechtspreise/fritz_bauer_preis/

[9]

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9205805.html

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http://www.moviepilot.de/movies/fritz-bauer-tod-auf-raten

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http://www.antiprism.de/

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http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/daniel-bangert-und-mitstreiter-spazieren-zum-dagger-complex-a-912226.html

[13]

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kanzlerin-merkel-deutschland-ist-kein-ueberwachungsstaat-12287560.html

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154696

Flüchtlinge als Kofferträger

Für 1,05 Euro beschäftigte Schwäbisch Gmünd Asylsuchende

Der Bahnhof in Schwäbisch Gmünd wird umgebaut, und die Wege für Reisende sind beschwerlich. Um sie zu entlasten hat die Stadt Asylsuchende zum Niedriglohn als Gepäckträger eingesetzt. Nach bundesweiter Kritik wurde das Projekt jedoch am Mittwoch wieder eingestellt.

Für den Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd Richard Arnold (CDU) sollte es ein Projekt mit bundesweiter Ausstrahlung sein. Stattdessen hagelte es dermaßen Kritik, dass es am Mittwoch wieder eingestellt wurde. Am 4. Juli stellte Arnold gemeinsam mit Stadtrat Klaus Pavel eine Gruppe von Flüchtlingen vor, die am Bahnhof der baden-württembergischen Stadt Koffer und anderes Gepäck von Touristen transportieren sollten. Weil der Bahnhof gerade umgebaut und restauriert wird, müssen Reisende oft lange Wege zu ihren Bussen und Taxen zurücklegen. Vom Bahnsteig muss man außerdem über eine steile Treppe steigen, was insbesondere mit Gepäck mühsam ist. Die Kofferträger bekommen von der Stadt einen Stundenlohn von 1,05 Euro – was diese damit begründet, dass ein höherer Lohn laut Asylbewerberleistungsgesetz nicht erlaubt sei. Zudem erhalten sie ein Ticket zum Bahnhof und ein rotes T-Shirt, auf dem groß das Wort »Service« gedruckt ist. Als Schutz gegen die Sonne werden auch Hüte zur Verfügung gestellt.

»Wir brauchen solche Projekte. Es ist toll, dass Flüchtlinge eingebunden sind. So kann sich gegenseitig geholfen werden und es können Sympathien entstehen,« erklärte Arnold dem Lokalblatt »Gmünder Tagespost«. Das Projekt könne als Vorbild dienen für andere Städte, waren sich Oberbürgermeister und Stadtrat sicher. »Wir haben in Gmünd viele Flüchtlinge, und es werden stetig mehr. Da setzen sich die Bürger natürlich mit dem Thema auseinander. Es ist toll, wenn das durch eine witzige und tolle Aktion geschieht, die beiden Seiten was bringt«, übte sich Arnold im Selbstlob. Das Projekt geht über das Koffertragen hinaus: andere Flüchtlinge helfen im Blindenheim oder bei der Lebenshilfe aus.

Die Kritik vor Ort war lediglich verhalten. Die Schwäbisch Gmünder Linke monierte vor allem die geringe Entlohnung der Kofferträger. »Man wird das Gefühl nicht los, dass die Stadtverwaltung die prekäre Situation dieser Menschen ausnutzt«, so die Sprecherin der Linken Cynthia Schneider. »Es kann nicht sein, dass die Situation der Menschen dafür genutzt wird, Engpässe bei der Stadtverwaltung mit Ein-Euro-Jobs aufzustocken und dann noch von Integration zu sprechen«, moniert der Schwäbisch Gmünder Bundestagskandidat der Linken Jörg Drechsel. In einer Resolution an den Oberbürgermeister wurde ein Mindestlohn für die Kofferträger gefordert. »Das, was zurecht für hier dauerhaft lebende Menschen gefordert wird, muss ja wohl für alle Menschen gelten, sonst entsteht der Eindruck, dass dies Menschen zweiter Klasse sind. Das kann ja wohl niemand wollen«, so das Vorstandsmitglied der Linken in Schwäbisch Gmünd Kai Jünger.

Eine grundsätzlichere Kritik an dem Kofferträger-Projekt kommt vom Berliner Bündnis »Rechtspopulismus stoppen«. Vom »Sklavenmarkt in Schwäbisch Gmünd« spricht Sprecher Dirk Stegemann. Die Flüchtlinge würden als billige Kofferträger für die »weißen« Herren genutzt. Die »Billigarbeiter« seien weiter ohne Rechtsanspruch und Arbeitserlaubnis. Von einer »Freiwilligkeit« auszugehen, sei mit Blick auf ihre prekäre rechtliche, finanzielle und unmenschliche Lebenssituation zynisch und menschenverachtend.

Die Idee von Ein-Euro-Kofferträgern ist nicht ganz neu: Schon 2008 sorgte der Einsatz von Erwerbslosen für bundesweites Aufsehen und Kritik, die für nur einen Euro Stundenlohn am Bahnhof im nordrhein-westfälischen Soest Gepäck schleppen sollten. Auch dieses Projekt wurde bald abgebrochen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/828336.fluechtlinge-als-koffertraeger.html

Peter Nowak

Die SPD, die Sicherheit und die NSA-Debatte

Links

[1]

http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/

[2]

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16516

[3]

http://jungle-world.com/artikel/2013/28/48085.html

[4]

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2187981/

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/blogs/8/print/154686

Hetztour gegen Flüchtlinge in Berlin

Rechte Kader mobilisieren mit einer Parole, die seit Jahren von antirassistischen Gruppen vertreten wurde, und erzielen Propagandaerfolge

Eigentlich taumelt die neonazistische NPD von Niederlage zu Niederlage. Wahlerfolge hatte sie schon lange keine mehr, dafür mehren sich die innerparteilichen Querelen. Mit der Neugründung der Partei „Die Rechte“ erwächst ihnen auch Konkurrenz in der eigenen Zielgruppe. Doch in der letzten Woche hatten die rechten Kader wieder einmal ein Erfolgserlebnis.

Auf einer Bürgerversammlung auf einen Schulhof in Berlin-Marzahn konnten sie sich als „Stimme des Volkes“ inszenieren. Das Bezirksamt hatte am vergangenen Dienstagabend zu einer Informationsversammlung über eine Flüchtlingsunterkunft eingeladen. Unter den ca. 800 Besuchern befanden sich zahlreiche bekannte Rechte, wie der Berliner NPD-Vorsitzende Sebastian Schmidtke.

„Nein zum Heim“, „Volksverräter“ und „Lügen, Lügen“ lauteten die Sprechchöre, die sie anstimmten und viele unorganisierte Besucher stimmten ein. NPD-Kader meldeten sich auch mehrmals zu Wort, um gegen die Flüchtlingsunterkunft zu agieren und fanden dabei Unterstützung bei einem großen Teil des Publikums. In der Minderheit blieben die Nazigegner und die Initiative Hellersdorf hilft Asylbewerbern.

Ermutigt von diesem Propagandaerfolg riefen die Rechten am vergangenen Samstag in Berlin zu Demonstrationen vor mehreren Flüchtlingsunterkünften und einem Flüchtlingsprotestcamp auf. Der Widerstand von Seiten der Politik als auch der zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Bewegung war groß. Wegen Blockaden konnten die Rechten in Berlin-Kreuzberg ihre Kundgebung nicht durchführen. Aber auch in anderen Stadtteilen, darunter in Hellersdorf war ein kleines Grüppchen von Rechten mit einer großen Zahl von Gegendemonstranten konfrontiert. Damit war auch deutlich geworden, dass die NPD nicht unmittelbar von ihrem Propagandaerfolg bei der Bürgerversammlung profitieren kann. Ob sie sich in dem Bezirk organisatorisch verankern kann und unter Umständen auch Wählerstimmen gewinnt, bleibt eine offene Frage.

Rechte Wortergreifungsstrategie

Die Bürgerversammlung von Hellersdorf war schnell bundesweit bekannt geworden und die Behörden üben sich in Schadensbegrenzung. Dabei war das Auftreten der organisierten Rechten bei der Veranstaltung keine Überraschung. Im Vorfeld hatte eine Bürgerinitiative in Hellersdorf gegen die Flüchtlingsunterkunft mobilisiert und auf Twitter gab es Hetzbeitrage gegen Flüchtlinge und ihre Unterstützer.

„Touristen sind herzlich willkommen – kriminelle Ausländer und Asylbetrüger sind konsequent in ihre Heimat abzuschieben“, heißt es in einem Aufruf, der im Internet zirkuliert und Hellersdorf verteilt wurde Als Verantwortlicher im Sinne des Pressegesetzes ist Thomas Crull aufgeführt, der 2011 erfolglos für die NPD in Marzahn-Hellersdorf kandidierte. Anwohner konnten Mitglieder der Neonaziorganisation „Nationaler Widerstand Berlin“ als Verteiler der Flugblätter identifizieren.

Trotzdem verzichteten die Hellersdorfer Behörden im Vorfeld der Veranstaltung auf Maßnahmen, um zu verhindern, dass eine solche Veranstaltung zu einer Propagandatour für die organisierte Rechte wird. So arbeitet die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin Leitlinien aus, mit denen bekannten Kadern der rechten Szene das Wort entzogen werden kann. Diese Ausarbeitungen sind eine zivilgesellschaftliche Antwort auf die von der NPD und ähnlichen Gruppierungen praktizierte Wortergreifungsstrategie, mit der sie sich auf Bürgerversammlungen als „Volkes Stimme“ geriert.

Die Leiterin der MBR Bianca Klose kritisierte, dass ihre Institution von den Behörden nicht angefragt wurde. Damit kann mitunter verhindert werden, dass organisierte Rechte den Alltagsrassismus und die in der Bevölkerung vorhandenen Ressentiments in ihre Bahnen lenken. Da sich in Hellersdorf wieder einmal zeigte, dass auch scheinbar unpolitische Bürger reden wie die rechten Kader kann damit Rassismus nicht aus den Veranstaltungen verbannt werden.

Erinnerungen an Lichtenhagen

Nicht wenige fühlten sich nach der Bürgerversammlung in Hellersdorf an Bilder von vor mehr als 20 Jahren erinnert, als Bürger und organisierte Rechte gegen Flüchtlinge nicht nur auf Veranstaltungen mobilisierten. Die pogromartigen Auseinandersetzungen von Hoyerswerda über Mannheim-Schönau bis Rostock-Lichtenhagen jährten sich im vorletzten und letzten Jahr. Die Bürgerversammlung macht auch wieder einmal deutlich, dass die Gedenk- und Erinnerungsveranstaltungen, die es dazu gab, an einem relevanten Teil der Bevölkerung völlig vorbei gehen.

Hinzu kommt noch, dass von einer Sensibilisierung durch das Bekanntwerden des NSU-Terrors bei der Bürgerversammlung in Hellersdorf wenig zu spüren war. Dabei wäre es aber falsch, nur auf den Osten Berlins zu blicken. So waren vor wenigen Wochen einige Windpockenfälle in einer Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Reinickendorf Anlass für ein rassistisches Pamphlet, in dem die Bewohner als Gesundheitsgefahr für den Stadtteil hingestellt wurden. Eine Vertreterin der zuständigen Arbeiterwohlfahrt sprach von plumpem Rassismus und erstattete Anzeige gegen Unbekannt.

Wenige Tage später mussten sich die zuständigen Behörden gerichtlich bescheinigen lassen, dass die Quarantäne-Maßnahmen gegen die Unterkunft und ihre Bewohner nicht rechtens waren. Solche Maßnahmen aber zeigen, dass es leicht ist, sich von der NPD und anderen Rechten abzugrenzen, dass aber nicht selten auch behördliches und polizeiliches Handeln von Ressentiments geleitet ist. Auch bei einer mehrstündigen Razzia von Häusern im osthessischen Fulda, in denen in Osteuropa wohnende Menschen wohnen, stand dieser Vorwurf wieder im Raum.

Dieses Handeln ist so alltäglich, dass es oft auch dann nicht einmal in die Medien kommt, wenn sich die Kritiker darum bemühen. Auch die rechten Propagandaerfolge gegen die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften kommen dadurch zustande, dass die Stadt Berlin weiterhin an der von Flüchtlingsorganisationen und politischen Gruppen heftig kritisierte Heimunterbringung festhält. Die Parole „Nein zum Heim“, die in Hellersdorf von den Rechten gerufen worden, war lange eine antirassistische Parole. Das sollte auch nach Hellersdorf nicht vergessen werden.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154634

»Richterlicher nationaler Widerstand«

Anwälte kritisieren Gebaren des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt

„Der Geheimdienst hat mich nachts abgeholt und beschuldigt für die Islamisten zu arbeiten. Sie wollten Geld von mir und haben mir gedroht, das nächste Mal verschwinde ich ohne jede Nachricht. Ich hatte Angst.“ Es ist eine Geschichte von Verfolgung und Angst, die der junge Tschetschene einem Journalisten der Sendung „Report Mainz“ erzählt, die am 2. Juli ausgestrahlt wurde. Ein Landsmann von ihm hat ebenfalls eine traurige Vita. „Mein Cousin wurde umgebracht. Mich haben sie auch nachts abgeholt und haben mir gesagt: Wenn wir dich das nächste Mal holen, dann kehrst du nicht mehr zurück“, berichtet er. Die beiden jungen Männer konnten aus Tschetschenien fliehen und so ihr Leben retten, aber frei sind sie nicht. Sie sind im Abschiebegefängnis inhaftiert und sollten nach Polen zurück geschickt werden. Doch zuvor müssen sie oft noch eine Haftstrafe wegen illegaler Einreise absitzen. Anwälte beklagten im Gespräch mit Report Mainz, dass am Amtsgericht Eisenhüttenstadt Schnellverfahren stattfinden, die oft nicht einmal 15 Minuten dauern. Die zu Geld- oder Haftstrafen verurteilten Menschen haben oft haben sie keinen Verteidiger an ihrer Seite und verstehen nicht, was vor sich geht.
Der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff, der seit Jahren Flüchtlinge juristisch vertritt, übt heftige Kritik an der Praxis der Justiz von Eisenhüttenstadt und besonders an der Prozessführung der dort tätigen Amtsrichterin Rosemarie P. Das Urteil stehe im Prinzip vorher schon fest, moniert der Jurist. Die Richterin hat gegen mehrere Flüchtlinge Freiheitsstrafen wegen illegaler Einreise unter Anderem damit begründet, dass der Zunahme des „Heeres der Illegalen“ in Deutschland begegnet werden müsse. Schließlich kämen die Flüchtlinge nach Deutschland, „um Straftaten zu begehen“, was dann dazu führe, dass in Deutschland Spannungen entstünden, die sich „durch weitere Straftaten entladen“ würden. Flüchtlingen seien auch schon als „Asyltouristen“ bezeichnet worden, so Gerloff.
In der Berufungsschrift gegen eine wegen illegalen Grenzübertritt verhängte Freiheitsstrafe fand Gerloff deutliche Worte. „Das angegriffene Urteil fühlt sich hier berufen, in einer Art ‚richterlichem nationalen Widerstand‘ den erkannten vermeintlichen Missständen auf dem Gebiet der Migrationspolitik ‚dringend‘ durch die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe“ begegnen zu müssen“, schrieb er. Daraufhin stellte der ehemalige Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) Dirk Ehlert gegen den Rechtsanwalt einen Strafantrag wegen Beleidigung. Es sei äußert selten, dass gegen Rechtsanwälte mit juristischen Mitteln gegen in den Prozessakten gemachten Aussagen vorgegangen wird, erklärte Gerloff gegenüber ND. In der Regel würde er das Wort rassistisch vermeiden, wenn es um Kritik an Urteilen geht. „Aber wenn nun mal mit rassistischen Argumenten vorgegangen wird, dann sollte man das aus meiner Sicht auch klar beim Namen nennen“, verteidigt Gerloff seine Äußerung gegenüber ND. Der Völkerrechtler Andreas Fischer Lescano gibt ihm recht und stufte die Äußerungen der Richterin als strafrechtlich relevant ein. Auch der Verein Demokratischer Juristen (VDDJ), der Republikanische Anwaltsverein (RAV) und die AG Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwälteverein (DAV) haben sich in einer gemeinsamen Presseerklärung hinter Gerloff gestellt. „In einem demokratischen Rechtsstaat müsse die Justiz Kritik ernst nehmen und Missstände in den eigenen Reihen aufarbeiten, anstatt gegen die Kritiker vorzugehen“, heißt es dort.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/827253.richterlicher-nationaler-widerstand.html

Peter Nowak

Mission Heimatschutz

Im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr werden in sämtlichen Regionen der Republik Reservistenverbände aufgestellt.

Unter der Überschrift »Heimatschutz wird gestärkt« verkündete die Reservistenzeitung Heimat mobil: »Der Bundeswehrstandort Lüneburg wird demnächst Heimat für eine neue Truppe werden.« Zum 1. Juli wurde dort eine Einheit der sogenannten Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr) neu aufgestellt.

Diese Maßnahme ist Teil der Umstrukturierung der Bundeswehr, die bereits seit mehreren Jahren stattfindet. Seit 2007 wurden in jedem Bundesland, in jedem Regierungsbezirk, in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt sogenannte Landes-, Bezirks-, und Verbindungskommandos installiert. Die Bezirks- und Kreisverbindungskommandos werden jeweils durch zwölf Reservisten gebildet. In den über 400 Landkreisen der Bundesrepublik stehen damit über 4 000 Reservisten unter dem Kommando von Reserveoffizieren.

Regelmäßig übernehmen diese Kommandos die Anleitung von zivilen Organisationen wie dem Roten Kreuz, der Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk. Katastrophenschutzübungen stehen dabei häufig im Vordergrund. Die Hochwasserlage in einigen Bundesländern war ein Beispiel dafür. Auf diese Weise wird die Akzeptanz der Bevölkerung für den Einsatz solcher Verbände erhöht. Wenn alle Deutschen aufgerufen sind, mit anzupacken und bekannte Neonazis von Kommunalpolitikern für ihre Beteiligung am Dammschutz ausgezeichnet werden, kommen auch Verbände gut an, die den Heimatschutz stärken wollen. Über den ersten RSUKr-Einsatz in Thüringen schwärmte ein Beteiligter auf der Internetseite rsu-kraefte.blogspot.com: »Nach tagelangem Einsatz an der Hochwasserfront sind viele Helfer des Katastrophenschutzes von THW und Feuerwehren erschöpft. Deshalb stehen auch Reservisten bereit, um abzulösen.« In der Reservistenzeitschrift Loyal wird allerdings klargestellt, dass sich die neuen Einheiten nicht als Katastrophenhelfer sehen: »Statt sich wie bisher in Feuerbekämpfung, ABC-Schutz oder Flugabwehr zu üben, steht für die RSUKr wieder der klassische militärische Auftrag im Mittelpunkt.«

Dieser Aspekt der Reform der Bundeswehr ist bisher von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt geblieben. Die Restbestände der deutschen Friedensbewegung, die immer dann mobilisierungsfähig sind, wenn es um die Militärpolitik der USA geht, haben das Thema bisher verschlafen. Doch bei der Aufstellung der RSU-Verbände in Essen gab es Mitte Juni erstmals Proteste. Etwa 50 Personen beteiligten sich an einer Kundgebung vor der Zeche Zollverein. In einem Aufruf, den unter anderem Gewerkschafter und die Bochumer Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN BdA) unterzeichneten, werden die RSU-Kräfte als »neue Freikorps« bezeichnet. Es wird daran erinnert, dass in der Weimarer Republik solche Einheiten Streiks und Arbeiteraufstände niederschlugen. Der antimilitaristische Aktivist Michael Wildmoser verweist gegenüber der Jungle World auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das den Einsatz der Bundeswehr auch im Innern erlaubt. Auf dieser Grundlage hätten sich die RSUKr konstituiert. Zudem habe eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linkspartei im Bundestag deutlich gemacht, dass ein Einsatz der RSUKr gegen Arbeitskämpfe und Demonstrationen nicht ausgeschlossen sei.

Wildmoser sieht die Aktivitäten gegen die RSU-Aufstellung im Zusammenhang mit einer neuen Antimilitarismusbewegung, die in den vergangenen Jahren entstanden sei und Karl Liebknechts Devise »Der Hauptfeind steht im eigenen Land« ernst nehme. Er verweist auf Proteste unter dem Motto »Bundeswehr wegtreten«, die sich gegen Veranstaltungen in Jobcentern wenden, bei denen jungen Erwerbslosen die Bundeswehr als Jobalternative nahegebracht wird.

Für Proteste gegen die RSUKr wird es in der nächsten Zeit noch Gelegenheit geben. Im August sollen Einheiten in der Havel-Kaserne in Potsdam, in Sachsen-Anhalt in der Stadt Burg und in Wiesbaden in den Dienst gestellt werden.

http://jungle-world.com/artikel/2013/27/48014.html

Peter Nowak

PODIEN GEGEN KRISENPOLITIK

Linkes Bündnis diskutiert über Protestformen

Um die Strategie und Taktik der außerparlamentarischen Linken geht es an diesem Wochenende an der TU. Bei den zahlreichen Veranstaltungen zum Thema „Politik in der Krise“ gehe es um die Frage, wie eine linke Politik „jenseits von autonomer Selbstbezogenheit und parteipolitischer Institutionalisierung“ möglich ist, sagt Marlies Sommer, Sprecherin des Kongresses.

Organisiert wird die Veranstaltung vom bundesweiten Ums-Ganze-Bündnis, das sich 2006 gegründet hat und in dem sich elf Gruppen aus Deutschland und Österreich zusammengeschlossen haben. Die meisten von ihnen kommen aus der autonomen Antifabewegung.

In den ersten Jahren nach der Gründung lag der Schwerpunkt der Arbeit auf der Ideologiekritik. Nun gehe es darum, in Zeiten der Krise linke Politik in einer größeren Öffentlichkeit zu verankern, erklärt Sommer. Beim Auftaktpodium diskutieren am Freitagabend die Ökonomen Michael Heinrich und John Kannankulam über die autoritäre Wende des Neoliberalismus. Auf einem weiteren Podien sprechen die Publizistin Jutta Ditfurth und der Philosoph Roger Behrens mit linken Aktivisten über die Gestaltung neuer Kämpfe.

Beim Abschlusspodium am Sonntagnachmittag geht es dann um die transnationale Organisierung des antikapitalistischen Widerstands. Daran beteiligen sich auch Linke aus Großbritannien und Griechenland, die sich im vergangenen Jahr an europaweiten Krisenprotesten beteiligt haben. Am Samstag diskutieren die AktivistInnen über die Idee des europaweiten Streiks und Formen der Unterstützung. „Am Ende wird nicht die Gründung einer neuen Partei stehen“, sagt Sommer. Es gehe aber um die Organisation von Widerstand gegen die Krisenpolitik.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F07%2F05%2Fa0134&cHash=9f27d1f5ab73d2de3c1c1d12cfc42cdc

Peter Nowak

„Wenn sie sie zurückfordern, hauen wir ihnen auf die Fresse“


Hessen: Linke und Grüne streiten über Polizeigewalt – und ein Veranstaltungsplakat

Ein Veranstaltungsplakat sorgt für Verstimmung zwischen den Grünen und der Linkspartei in Hessen. Wohl vor allem, weil es auf dem ersten Blick so aussieht, als wäre es eine Kopie alter Plakate der Ökopartei. Die viel persiflierte Parole „Wir haben die Welt von unseren Kindern nur geborgt“ wurde damals häufig verwendet. Doch der aktuelle Zusatz auf dem Plakat – „Wenn sie sie zurückfordern, hauen wir ihnen auf die Fresse“ – ist sogar damals den größten Zynikern nicht eingefallen.

Nun verwendet ihn die Linke, um auf den Polizeieinsatz während der Großdemonstration im Rahmen der Blockupy-Proteste am 1. Juni 2013 in Frankfurt hinzuweisen, für den ihrer Meinung auch die Grünen in der Verantwortung stehen. Schließlich befindet die sich in Frankfurt/Main mit der CDU in einer Koalition. Deshalb fällt auch die Pressemitteilung der Grünen zum Polizeieinsatz während am 1. Juni erstaunlich zahm aus.

Obwohl schon lange die Verantwortung führender CDU-Politiker für den Polizeieinsatz diskutiert wird, sinnieren die Grünen über Differenzen zwischen dem hessischen Innenminister und dem Frankfurter Polizeipräsidenten nach.

Drohung mit Klage und anschließender Rückzieher

Wesentlich weniger gelassen reagierten die Grünen auf das Plakat der Linken zur Polizeigewalt. Manuel Stock, der Fraktionsvorsitzende der Frankfurter Grünen, nennt gegenüber der Frankfurter Rundschau als Gründe für das Missfallen, das Plakat erwecke den Anschein von den Grünen zu sein. Zum anderen findet Stock die Botschaft doch „ziemlich befremdlich“.

Dass die Stadtregierung für Polizeigewalt verantwortlich sei, könne gar nicht sein. Schließlich seien die Beamten nicht der Stadt, sondern dem Land unterstellt. Und gerade beim Thema Blockupy hätten sich die Grünen eindeutig positioniert. Fragt sich nur in welche Richtung. Zumindest der Rechtspolitiker der hessischen Grünen Jürgen Frömmrich positionierte sich in einem Interview nahe bei der CDU und gab den Demonstranten die Hauptschuld an den Auseinandersetzungen.

Auch im Umgang mit dem Plakat der Linken machten die Grünen keine gute Figur. Überlegten sie doch zwischenzeitlich eine Klage dagegen, ließen diese Idee aber schnell wieder fallen. Vielleicht konnten sich manche Grünen der ersten Stunde noch daran erinnern, wie ein juristischer Feldzug gegen ein Plakatmotiv, das Polizeigewalt in Hessen anprangerte, zum Aufstieg der hessischen Grünen führte.

Es war der knüppelschwingende hessische Wappenlöwe, der in den Hochzeiten der Bewegung gegen die Startbahn West im Rhein-Main-Gebiet zu zahlreichen Strafverfahren und Hausdurchsuchungen auch in Büros der damaligen Grünen Partei geführt hat.

„Gewaltbereit ist, wer von der Polizei eingekesselt wird“

Ansonsten agieren alle politischen Parteien in Hessen nach dem bewährten Prinzip, Verantwortung dort einzufordern, wo sie in der Opposition sind. So fordern die Grünen im hessischen Landtag mittlerweile den Rücktritt des hessischen Innenministers, weil der Polizeieinsatz „völlig unverhältnismäßig war. Doch auch in dieser Presseerklärung versucht die Partei einer „kleinen Gruppe von Demonstranten“ eine Mitverantwortung zuzuschreiben.

Das Blockupy-Bündnis hingegen lehnt jede Spaltung in gute und böse Demonstranten ab. In einer Pressemitteilung wurden die Versuche des hessischen Innenministers zurückgewiesen, die eingekesselten Demonstranten als gewaltbereit hinzustellen und damit die Polizeimaßnahme im Nachhinein zu rechtfertigen.

„Für den Innenminister gilt offenbar: Gewaltbereit ist, wer von der Polizei eingekesselt und misshandelt wird. Folgt man dieser verdrehten, zutiefst autoritären Logik, sind die Opfer von Polizeigewalt per Definition Gewalttäter“, erklärt Roland Süß, der die globalisierungskritische Organisation Attac im Blockupy-Bündnis vertritt. Die Sozialdemokraten, die sich in Frankfurt/Main auch mal verbal gegen den Polizeieinsatz am 1. Juni empören, sorgten im hessischen Landtag dafür, dass es keinen Untersuchungsausschuss zum Blockupy-Einsatz geben wird.

Grüne und Linke stimmten dafür, doch ihnen fehlten für das notwendige Quorum von 25 Abgeordneten eine Stimme. Die Hoffnung, sie könnte von einen Sozen kommen, der seinen Gewissen und nicht der Parteidisziplin folgt, erfüllte sich nicht. Schließlich will die SPD nach der hessischen Landtagswahl im Herbst dort wieder die Regierung übernehmen, am liebsten gemeinsam mit den Grünen. Die Chancen dort sind höher als im Bund. Dann könnte für die nächsten Blockupy-Proteste der Innenminister einer rot-grünen Landesregierung verantwortlich sein. Da will man sich schon mal alle Optionen offen lassen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154559
Peter Nowak

Freilassung in RZ-Prozess gefordert

Frankfurt am Main (nd-Nowak). Vor der Justiz in Frankfurt am Main wird seit Monaten gegen die vermeintlichen Mitglieder der Revolutionären Zellen (RZ) Sonja Suder (81) und Christian Gauger (76) verhandelt. In einem Offenen Brief fordern Bürgerrechtler nun die Einstellung des Verfahrens und die Freilassung der in Beugehaft sitzenden Sybille S., die als Zeugin die Aussage verweigert hat. Begründet wird die Forderung mit der Verwendung von Verhörprotokollen in dem Prozess, die vor mehr als 30 Jahren von dem nach einer vorzeitigen Bombenexplosion schwer verletzten und traumatisierten Hermann F. von den Sicherheitsbehörden ohne Anwesenheit eines Anwalts gemacht worden sind. F. hatte die Aussagen später widerrufen und die Umstände des Verhörs öffentlich gemacht.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/826284.bewegungsmelder.html
Peter Nowak

Bundeswehr baut auf im Innern

Proteste gegen Aufstellung neuer Reservistenverbände laufen schleppend an
Die Bundeswehr will in allen Landkreisen der Bundesrepublik Reservistenkommandos aufstellen. Kritiker befürchten neue Freikorps.


»›Geheimnisverrat‹ ist es nicht, aber eine gute Nachricht für die Hanse- und Garnisonstadt: Der Bundeswehrstandort Lüneburg wird demnächst Heimat für eine neue Truppe werden.« So wird in der Reservistenzeitung »Heimat mobil« unter der Überschrift »Heimatschutz wird gestärkt« die Aufstellung neuer »Regionaler Sicherungs- und Unterstützungskräfte« (RSUKr) am 1. Juli angekündigt.

Diese Maßnahme ist Teil der Umstrukturierung der Bundeswehr, die seit mehreren Jahren läuft. Seit 2007 wurden in jedem Bundesland, in jedem Regierungsbezirk und in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt sogenannte Landes-, Bezirks-, und Verbindungskommandos installiert. Die Bezirks- und Kreisverbindungskommandos werden dabei jeweils von zwölf Reservisten gebildet. In den über 400 Landkreisen der BRD stehen so über 4000 Reservisten unter dem Kommando von Reserveoffizieren.

Die Indienststellung dieser Einheit ist Ländersache. In zahlreichen Bundesländern ist sie weitgehend unbemerkt von einer kritischen Öffentlichkeit vonstatten gegangen. Doch als die RSUKr am 14. Juni in Essen aufgestellt wurden, gab es erstmals Proteste von Gewerkschaftern und Antimilitaristen. Rund 50 Menschen beteiligten sich an einer Kundgebung vor der Zeche Zollverein. In einem Aufruf, den Gewerkschafter, die Bochumer Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten und die Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen unterzeichneten, wird vor der Gefahr neuer Freikorps gewarnt. Diese Korps hatten in der Weimarer Republik Streiks und Arbeiteraufstände blutig niedergeschlagen. Der antimilitaristische Aktivist Michael Wildmoser sagte gegenüber »nd«, dass die RSU-Einheiten ein Beispiel dafür sind, wie das Verbot eines Bundeswehreinsatzes im Innern immer mehr ausgehöhlt wird. Davor warnt auch die Informationsstelle Militarisierung e.V., die in ihrer Studie »Der neue Heimatschutz der Bundeswehr« schreibt: »Die strikte Trennung von innerer und äußerer Sicherheit, Armee und Polizei wird dabei als zu überwindendes Problem angesehen. Alle Behörden, Institutionen, Organisationen und Geheimdienste, die kritische Infrastrukturen schützen können, darunter auch die Bundeswehr, sollen zur Verfügung stehen, falls es für nötig erachtet wird.«

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag vor einigen Wochen präzisierte ein Sprecher der Bundesregierung das Interesse der Bundeswehr an den neuen Einheiten: »Es besteht das Interesse der Bundeswehr an funktionierenden und erprobten Kooperationsbeziehungen zu zivilen Stellen und mit Akteuren auf allen Ebenen.« Dabei wird gerne auf die Zusammenarbeit im Katastrophenschutz verwiesen. Vor einigen Wochen hatte sich bei der Bekämpfung des Hochwassers in Thüringen auch die neugegründete Reservistentruppe beteiligt.

In der Reservistenzeitschrift »loyal« wird allerdings klargestellt, dass sich die neuen Einheiten nicht als Katastrophenhelfer sehen: »Statt sich wie bisher in Feuerbekämpfung, ABC-Schutz oder Flugabwehr zu üben, steht für die RSUKr wieder der klassische militärische Auftrag im Mittelpunkt.«
Damit liefert sie ihren Kritikern gute Argumente. In Lübeck sei es allerdings nicht gelungen, ein Protestbündnis aufzubauen, bedauert Michael Wildmoser. Bei den weiteren Terminen für die Aufstellung der »Unterstützungskräfte« muss es nicht so ruhig blieben. Am 9. August sollen in der Potsdamer Havel-Kaserne, am 23. August im Schloss Biebrich in Wiesbaden und am 12. August in Burg in Sachsen-Anhalt neue Einheiten in Dienst gestellt werden.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/826002.bundeswehr-baut-auf-im-innern.html

Peter Nowaw

Kann die Bundeswehr auch gegen Streiks und Demonstrationen eingesetzt werden?


Die Aufstellung einer neuen Reservistengruppe sorgt für Diskussionen

„‚Geheimnisverrat‘ ist es nicht, aber eine gute Nachricht für die Hanse- und Garnisonsstadt: Der Bundeswehrstandort Lüneburg wird demnächst Heimat für eine neue Truppe werden.“ So wird in der Reservistenzeitung „Heimat mobil“ unter der Überschrift „Heimatschutz wird gestärkt“ die Aufstellung neuer Rekruten am 1. Juli angekündigt.

Sie nennen sich Regionale Unterstützungs- und Sicherungskräfte (RSU Kr) und sind Teil der Umstrukturierung der Bundeswehr, die bereits seit mehreren Jahren im Gange ist. Seit 2007 wurden in jedem Bundesland, in jedem Regierungsbezirk und in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt sogenannte Landes-, Bezirks-, und Verbindungskommandos installiert. Die Bezirks- und Kreisverbindungskommandos werden dabei jeweils durch 12 Reservisten gebildet. In den über 400 Landkreisen der BRD stehen damit über 4.000 Reservisten unter dem Kommando von Reserveoffizieren.

„Neben der Rolle der Reserve für die Personalergänzung und -verstärkung sowie ihrer Mittlerfunktion für die Bundeswehr in der Gesellschaft wird der Heimatschutz als wesentliche Aufgabe der Reserve gestärkt. Neu aufzustellende regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte bieten allen interessierten und geeigneten Reservisten Chancen des Engagements. Diese Kräfte schließen damit eine Lücke der bisherigen Konzeption für die Reservisten und Reservistinnen der Bundeswehr“, heißt es dazu auf der Homepage der Bundeswehr.

Die Informationsstelle Militarisierung e.V. warnt in einer Studie mit dem Titel „Der neue Heimatschutz der Bundeswehr“ vor der Aushöhlung des Verbots, die Bundeswehr im Innern einzusetzen. Diese Tendenz würde durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom letzten Jahr vorangetrieben (vgl. Bewaffneter Bundeswehreinsatz im Inneren erlaubt). In der Studie heißt es:

„Die strikte Trennung von innerer und äußerer Sicherheit, Armee und Polizei wird dabei als zu überwindendes Problem angesehen. Alle Behörden, Institutionen, Organisationen und Geheimdienste, die kritische Infrastrukturen schützen können, darunter auch die Bundeswehr, sollen zur Verfügung stehen, falls es für nötig erachtet wird.“

Einsatz gegen Streiks nicht ausgeschlossen

Schon in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion präzisierte ein Sprecher der Bundesregierung 2009 das Interesse der Bundeswehr an den neuen Einheiten: „Es besteht das Interesse der Bundeswehr an funktionierenden und erprobten Kooperationsbeziehungen zu zivilen Stellen und mit Akteuren auf allen Ebenen.“ Dabei wurde ein Einsatz der neuen Einheiten bei der Unterdrückung von Streiks im Transport- und Sanitätssektor ausdrücklich nicht ausgeschlossen. In der Antwort auf die entsprechende Frage hat die Bundesregierung ausgeführt:

„Die Prüfung der Voraussetzungen für eine Unterstützung der Bundeswehr im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist dem jeweiligen konkreten Einzelfall vorbehalten.“

Damit liefern sie ihren Kritikern Argumente. Mittlerweile hat sich eine neuere antimilitaristische Bewegung etabliert, die sich besonders der Militarisierung im Alltagsleben widmet. Unter dem Motto „Bundeswehr wegtreten aus dem Jobcentern“ protestiert sie dagegen, dass jungen Erwerbslosen in Veranstaltungen auf Arbeitsämtern die Bundeswehr als Jobalternative nahegebracht wird.

Vom 21. bis 29. Juli ist eine Aktionswoche gegen das Gefechtsübungszentrum in der Altmark bei Magdeburg geplant. Auf dem 230 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatz wird auch der Einsatz in Dörfern und Städten geprobt, die in der Heide nachgebaut wurden. In diesem Kontext steht auch die Kritik an der Aufstellung der RSU-Kr (Regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte).

Die Indienststellung dieser Reservisten ist Ländersache. In zahlreichen Bundesländern ist sie weitgehend unbemerkt von einer kritischen Öffentlichkeit vonstatten gegangen. Doch als die RSU-Kr am 14. Juni in Essen aufgestellt wurde, gab es erstmals Proteste von Gewerkschaftern und Antimilitaristen. Rund 50 Menschen beteiligten sich an einer Kundgebung vor der Zeche Zollverein.

In einem Aufruf wird vor der Aufstellung neuer Freikorps gewarnt, die in der Weimarer Republik Streiks und Arbeiteraufstände blutig niederschlugen. Der antimilitaristische Aktivist Michael Wildmoser erklärt gegenüber Telepolis, dass die RSU-Einheiten ein Beispiel sind, wie das Verbot eines Bundeswehreinsatzes im Innern ausgehöhlt wird. Auch die weiteren Termine werden von Protesten begleitet sein, kündigte er an.

Am 9. August sollen neuen Einheiten in der Havel-Kaserne in Potsdam, am 23. August im Schloss Biebrich in Wiesbaden, am 12 August in Burg in Sachsen-Anhalt, Anfang Oktober in Berlin und am 16. November in Dresden aufgestellt werden.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154541
Peter Nowak

Auch die Böll-Stiftung leiht sich Arbeit

Die kleine Gewerkschaft FAU kämpft für Festanstellung aller Beschäftigten

»Es tut gut, sich zu wehren und Forderungen zu stellen«, sagte Michael Rocher unter Applaus bei einer Kundgebung am Donnerstagabend vor der Bundeszentrale der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin-Mitte. Er gehört zu den 20 Beschäftigten, die in der Vergangenheit mehrmals von der Leiharbeitsfirma Xenon an die Parteistiftung der Grünen für den Auf- und Abbau von Konferenzen vermittelt wurden.
»Als Festangestellter würde ich 10,58 Euro Stundenlohn bekommen, als Leiharbeiter nur acht Euro«, rechnet er gegenüber »nd« die Lohndifferenz vor. Die will er nicht mehr hinnehmen. Nachdem er von der Kampagne »Leiharbeit abschaffen« der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) erfahren hatte, wandte er sich an diese Organisation und reichte beim Arbeitsgericht Klage auf eine Festanstellung ein. Nachdem die FAU Gespräche mit der Geschäftsführung der Stiftung führte, kam es in der letzten Woche zum Eklat: Zwei FAU-Mitglieder bekamen Hausverbot, als sie an einer Mitarbeiterversammlung teilnehmen wollten, auf der über die prekären Arbeitsverhältnisse gesprochen wurde. Mit der Kundgebung am Donnerstag begann die FAU die Kampagne für die Abschaffung der Leiharbeit bei der Stiftung. Rund 50 Menschen kamen. Ihre Sprechchöre waren auch im Garten der Stiftung zu hören, wo im Rahmen einer Veranstaltung zu Repressionen in Osteuropa ein Theaterstück gezeigt wurde.

Rocher ist besonders sauer, weil er und seine Kollegen ab August nicht mehr bei der Stiftung arbeiten sollen. »Wir fühlen uns wie alte Möbelstücke, die nun ersetzt werden.« Ramona Simon, Sprecherin der Heinrich-Böll-Stiftung, bestätigte, dass seit drei Jahren Dienstleistungen wie Konferenzassistenz und Konferenzumbauten zur Vergabe an einen externen Dienstleister ausgeschrieben werden. Xenon habe den Zuschlag erhalten. Die Kündigung der Beschäftigten habe nichts mit ihrer Kritik an den Arbeitsverhältnissen zu tun: »Der Vertrag mit der Firma Xenon läuft regulär Ende Juli diesen Jahres aus. Die Dienstleistung wird erneut ausgeschrieben. Es handelt sich also nicht um eine personenbezogene Entscheidung.«

Der Zugang zur Mitarbeiterversammlung sei der FAU verwehrt worden, weil sie nur für Beschäftigte bestimmt gewesen sei. »Unbenommen blieb es der Gewerkschaft, in der Stiftung außerhalb der Betriebsversammlung über ihre Position zu informieren. Zudem wurde seitens der Geschäftsführung ein Angebot für ein Gespräch unterbreitet, welches auch stattfand«, betont Simon.

Einen Widerspruch zu Positionen der Grünen sieht sie nicht. »Wir achten darauf, dass diese Firmen ihre Mitarbeiterinnen anständig behandeln und sie nach Tarif bezahlen, soweit es einen gibt.« Livia Cotti, Geschäftsführerin der Stiftung, verweist zudem auf das Zugabe- und Vergaberecht: »Danach müssen alle Dienstleistungen ausgeschrieben werden, und es gilt stets, das wirtschaftlichste Angebot anzunehmen.«

Dieses Argument lässt Stefan Kuhnt, Pressereferent der FAU, mit Verweis auf die Praxis der Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht gelten: »Da werden die geforderten Standards bei vergleichbarer Arbeit in einer öffentlich geförderten politischen Stiftung erfüllt.« Die FAU peilt eine Fortsetzung der Kampagne für eine Festanstellung aller Beschäftigten an.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/825930.auch-die-boell-stiftung-leiht-sich-arbeit.html
Peter Nowak

„Ein Unfall im AKW Fessenheim könnte gravierendere Auswirkungen haben als das Desaster in Japan“


„Tour de Fessenheim“: Atomkraft-Gegner protestieren gegen das an der deutsch-französischen Grenze gelegene AKW

Am kommenden Wochenende findet die Tour de Fessenheim 2013 statt – in diesem Jahr auf der Strecke von Mulhouse nach Colmar. Nach wie vor gilt die Fahrrad-Demonstration dem Protest gegen das an der deutsch-französischen Grenze gelegene AKW Fessenheim. Frankreichs neuer Präsident François Hollande hat zwar versprochen, das mit rund 36 Jahren älteste französische Atomkraftwerk gegen Ende seiner vierjährigen Amtszeit stillzulegen, doch die Atomkraft-Gegner dies- und jenseits des Rheins haben da ihre Zweifel und drängen auf eine sofortige Stilllegung. Außerdem stehen bei der diesjährigen Tour de Fessenheim die erneuerbaren Energien im Zentrum.

Die Tour de Fessenheim stellt gleich in dreierlei Hinsicht zu schnelle Urteile über die Anti-AKW-Bewegung infrage. Da gibt es die in den Medien immer wieder verwendete Behauptung, dass mit dem langsamen Ausstiegsbeschluss aus der Atomkraft auch die Anti-AKW-Bewegung ihre Funktion verloren habe, und es jetzt nur noch darum gehe, einen Platz für den atomaren Müll zu finden. Eine zweite Behauptung in vielen deutschen Medien besagt, dass die Bevölkerung in Frankreich mehrheitlich gegenüber AKW-kritischen Bestrebungen resistent sei.

Schließlich wird immer wieder behauptet, dass ein Desaster wie in Fukoshima in Europa nicht möglich wäre. Die Proteste gegen das AKW Fessenheim haben in den letzten zwei Jahren nach den Gau in Japan neuen Zulauf bekommen, die Kooperation mit französischen Mitstreitern wurde ausgebaut. Ein Unfall in Fessenheim könnte gravierendere Auswirkungen haben, als das Desaster in Japan, meint Ingo Falk vom Organisationsteam der Tour de Fessenheim im Gespräch mit Telepolis.

„Ein AKW in einem mitteleuropäischen Erdbebengebiet ist unverantwortlich“

Lässt das Interesse am Protest nicht nach, wenn nun viele im Elsass meinen, das AKW Fessenheim werde in wenigen Jahren stillgelegt?

Ingo Falk: Zum einen wollen wir dieser trügerischen Hoffnung etwas entgegensetzen, zum anderen zeigt uns die Zahl der Anmeldungen, dass gerade die Zahl der französischen Teilnehmer in diesem Jahr sicher höher liegen wird als im vergangenen Jahr.

Welche Risiken sehen Sie für das AKW-Fessenheim?

Ingo Falk: Das Rheintal ist eine geologische Bruchzone und daher Erdbebengebiet. Im Jahr 1356 wurde die von Fessenheim rund 35 Kilometer entfernte Schweizer Stadt Basel durch ein Erdbeben zerstört. Es handelte sich um das stärkste überlieferte Erdbeben in Mitteleuropa. Im Juni 2011 wurde durch ein Gutachten bestätigt, dass das am Rheinseitenkanal gelegene Atomkraftwerk nicht ausreichend gegen die Folgen eines Dammbruchs gesichert ist.

Laut einer TV-Dokumentation auf France 2 hielt der Betreiber-Konzern einen internen Bericht zurück, in dem katastrophale Untersuchungsergebnisse über den Zustand des Rheinseitenkanals zu lesen sind. Und auch ein solcher Dammbruch kann durch ein Erdbeben ausgelöst werden.

Wären die Folgen eines Super-GAU im AKW Fessenheim mit jenen in Japan vergleichbar?

Ingo Falk: Sie könnten weitaus verheerender ausfallen. In der Region um Fukushima hatten die Menschen noch Glück im Unglück, denn es wehte meist ein Wind in Richtung Meer, der dafür sorgte, dass die Todeszone auf einen Radius von 30 bis 40 Kilometer beschränkt blieb. Bei einem Super-GAU im AKW Fessenheim würde bei den vorherrschenden Windverhältnissen nicht nur die Region um das nur 24 Kilometer entfernte Freiburg unbewohnbar, sondern selbst Stuttgart, Schwäbisch Hall und Nürnberg könnten für Jahrzehnte unbewohnbar werden.

Das AKW Fessenheim enthält ein radioaktives Inventar, das 1.760 Hiroshima-Bomben entspricht. Im Februar erklärte Jean-Louis Basdevant, hochrangiger französischer Kernphysiker und Professor an der polytechnischen Hochschule, dass ein schwerer Unfall im AKW Fessenheim eine dramatische Katastrophe für ganz Europa wäre, die – so wörtlich – das Leben der zentraleuropäischen Region bis nach Rotterdam für mehr als 300 Jahre vernichten würde. Er erinnerte daran, dass sich das AKW an der Basis des Rheintals zwischen Basel und Rotterdam befindet, dem am dichtesten besiedelten Gebiet Europas mit einer hohen Konzentration von Industrieanlagen – und dass Fessenheim an der Basis des Oberrhein-Aquifers, einem der größten Trinkwasservorkommen Europas liegt.

Wenn es so gefährlich ist, wie Sie darstellen, warum bleibt das AKW dennoch am Netz?

Ingo Falk: In einem Jahr wirft ein Reaktorblock durchschnittlich 300 Millionen Euro an Profit ab. Bei den zwei Reaktorblöcken des AKW Fessenheim sind dies also insgesamt rund 600 Millionen Euro im Jahr. Solange teure Nachrüstungen oder pannenbedingte Stillstandszeiten diesen Profit nicht minimieren, bleibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb.

Bekanntlich unterstützt auch die französische kommunistische Gewerkschaft CGT den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Es ist bekannt, dass sich diese Gewerkschaft maßgeblich über Zuwendungen von Konzernen und insbesondere des französischen Strom-Konzerns EDF finanziert. Zudem müssen wir sehen, dass die politische Kaste in Frankreich unbeirrt an der atomaren Bewaffnung, der „force de frappe“, festhält.

Atomkraftwerk und Atombombe sind siamesische Zwillinge. Ohne eine Abkehr von der Atombombe ist daher das Versprechen Hollandes, einen Atomausstieg in Frankreich einzuleiten, wenig glaubwürdig – zumal wenn ein Krieg geführt wird wie in Mali, der der Sicherung von Uranminen im benachbarten Niger dient, und wenn weiterhin Milliarden Euro staatlicher Gelder in die Förderung der Atomenergie fließen.
http://www.heise.de/tp/blogs/2/154529
Peter Nowak