Vernetzen ohne Vernetzer


Ein stadtpolitisches Wochenende zur Zusammenarbeit verschiedener Gruppen scheiterte an fehlender Resonanz

Was der Beginn einer großen sozialen Bewegung hätte werden können, verlief weitgehend ins Leere.

Nur wenige Teilnehmer fanden ihren Weg in die Greifswalder Straße, um über »Sinn und Möglichkeiten« zu diskutieren, die unterschiedlichen Basisbewegungen zu bündeln und damit zu stärken, wie es im Aufruf hieß. Ein Diskussionsteilnehmer stellte dann auch die Frage: »Sind wir nicht selbst ernannte Organisatoren auf der Suche nach einer Bewegung, die nicht auf uns gewartet hat?«

Ähnlich interpretierte die geringe Teilnehmerzahl auch die Erwerbslosenaktivistin Anne Seek. Vor allem in Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln seien die Aktiven längst vernetzt. Dort würden in den vergangenen Monaten regelmäßig gut besuchte Kiezversammlungen organisiert – vor allem im Kiez »SO 36«. Dort gab es auch schon erste Erfolge: Der Haushaltswarenladen Bantelmann und der Bäcker Filou können nach Protesten von Nachbarn und Aktivisten für vorerst je drei weitere Jahre bleiben.

Die Notwendigkeit eines berlinweiten Netzwerkes werde in den Basisgruppen kritisch gesehen, so Seek. Auch die Interventionistische Linke (IL) hatte im vergangenen Jahr versucht, antifaschistische und stadtpolitische Gruppen unter dem Label »Berlin für Alle« zusammenzubringen. Nach zwei gut besuchten Treffen im Frühjahr 2016 ging die Beteiligung wieder stark zurück. Viele Aktivisten hätten sich bei diesen Treffen Anregungen für ihre Arbeit in den Kiezen geholt, sind die damaligen Organisatoren überzeugt.

Ideen wurden auf dem stadtpolitischen Wochenende dennoch gesammelt, auch in Hinblick auf ein zweites stadtpolitisches Hearing mit Vertretern des Senats. Eine der Hauptforderungen dabei: Der Verdrängungsprozess von Mietern mit geringen Einkommen muss gestoppt werden. Auch das aktuelle Beispiel fehlte nicht: Am Freitag wurde bekannt, dass das Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ) am Kottbusser Tor an einen Investor verkauft werden soll. Bei der Bieterrunde war eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft unterlegen gewesen.

In dem Kampf gegen Großinvestoren fanden einige Teilnehmer dann doch noch einen roten Faden für eine Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure. Rainer Wahls vom Netzwerk Stadtpolitischer Initiativen stellte die entscheidende Frage. »Welche Möglichkeiten eröffnet die übergreifende Zusammenarbeit den Basisinitiativen, Ziele zu verfolgen, die sie alleine nicht erreichen können?« Die Zurückdrängung der kapitalistischen Investoren und ihrer Verwertungslogik könne nur im Bündnis erreicht werden, da waren sich zumindest die Teilnehmer an diesem Wochenende einig.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1046139.vernetzen-ohne-vernetzer.html

Peter Nowak

Gemeinsam handlungsfähig sein gegen Rechts

Was können die emanzipatorischen sozialen Bewegungen der rechten Mobilisierung entgegensetzen?

Pegida-Demonstrationen, Gewalt gegen Flüchtlinge, Anschläge auf ihre Unterkünfte – die rechte Bedrohung wird stärker. Was tun?

Rund 150 Teilnehmer haben sich am Samstag im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte (HDM) in Prenzlauer Berg zum sozialpolitischen und antifaschistischen Ratschlag versammelt. Eingeladen hatten Trägerkreis Vorstand der Stiftung des HDM Ende letzten Jahres.

Angesichts der massiven Mobilisierung von Rechts in unserem Land rufen wir alle emanzipatorischen Gruppen, Initiativen, Organisationen – allgemein Bewegte – auf, gemeinsam die sozialen Fragen der Zeit zu debattieren und unsere Kräfte zu bündeln«, wurde das zentrale Anliegen zusammengefasst. Die Vorstellung einer weltoffenen, sozialen und toleranten Gesellschaft müsse offensiv gegen Rechts vertreten werden.

Schon bei der Vorstellungsrunde bekundeten viele Teilnehmer das Erschrecken über eine wachsende rechte Tendenz in der Gesellschaft. Antifaschistische Gruppen waren ebenso beteiligt wie Erwerbslosengruppen, das »Bündnis gegen Zwangsräumungen«, die »Mobile Beratung gegen Rechtextremismus« und die Junge Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Ein älteres Ehepaar begründete ihr Engagement mit ihren Erlebnissen bei einem Dresden-Besuch, wo sie beobachten konnten, wie aus einer Pegida-Demonstration eine Gruppe ausländische Schüler beschimpft und bedroht wurden. Nachdem die unterschiedlichen Bündnisse und Gruppen ihre für die nächsten Monate geplanten Kongresse, Demonstrationen und Veranstaltungsreihen vorstellten, wuchs bei einigen Teilnehmern die Ungeduld. »Die Vorhaben der einzelnen Gruppen kann ich auch im Internet erfahren. Wir müssen hier darüber reden, warum die Linke in der Defensive ist und wie wir das ändern können«, meinte Michal Prütz von der Neuen Antikapitalistischen Organisation (NAO).

Doch in der Kleingruppenphase im zweiten Teil des Treffens konnte man sich auf einige gemeinsame Vorhaben für die nächsten Monate verständigen.

Die Interventionistische Linke (IL), zu der sich im letzten Jahr mehrere Gruppen der außerparlamentarischen Bewegung zusammengeschlossen hatten, stellte ihr Konzept einer sozialen Allianz unter dem Arbeitstitel »Berlin für Alle« vor. »Wir müssen die soziale Frage neu stellen und dürfen bei den Verteilungskämpfen nicht den Rechten die Deutungshoheit überlassen«, begründeten die IL-Vertreter ihren Vorschlag So sei die Forderung nach ausreichendem bezahlbaren Wohnraum nicht nur für die Neuankömmlinge sondern generell für Menschen mit geringen Einkommen notwendig, um zu verhindern, dass sozial und gesellschaftlich Benachteiligte gegeneinander ausgespielt werden. Als positives Beispiel wurde der Widerstand von 32 obdachlosen Männern gegen ihre Kündigung in einen Moabiter Wohnheim angeführt, das zu einer Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden soll. Die Betroffenen wehren sich gegen ihren drohenden Rausschmiss, sind aber mit den Geflüchteten solidarisch und fordern Wohnraum für Alle unabhängig von ihrer Herkunft. Zudem soll noch in der ersten Jahreshälfte 2016 ein »Tag der sozialen Bewegungen« veranstaltet werden, zu dem noch weitere Gruppen aus dem gewerkschaftlichen, feministischen und Flüchtlingsspektrum eingeladen werden sollen.

Neben diesen Aktionen war bei vielen Teilnehmern der Wunsch nach stärkerer Kooperation im Alltag deutlich. Dabei wurde auch über eine Reaktivierung der Sozialforen gesprochen, die zwischen 2005 und 2010 in zahlreichen Städten Deutschlands, darunter auch in Berlin, aktiv waren. Eine Wiederbelebung der Sozialforen wäre auch ein internationalistisches Signal. Schließlich existierten in Teilen Afrikas und Lateinamerikas weiterhin aktive Sozialforen. Beim nächsten berlinweiten Treffen am 14. Februar soll über die Wiedereinrichtung diskutiert werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/998414.gemeinsam-handlungsfaehig-sein-gegen-rechts.html

Peter Nowak

Soziale Frage neu gestellt

„Links“ „Ratschlag“ im Haus der Demokratie

Rund 150 Teilnehmer haben sich am Samstag im Haus der Demokratie und Menschenrechte an einem „sozialpolitischen und
antifaschistischen Ratschlag“ beteiligt. Das Bündnis gegen Zwangsräumungen und die Erwerbslosengruppe Basta waren ebenso vertreten wie die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die Junge GEW und die Interventionistische Linke (IL). Ein 88-jähriger Teilnehmer
erklärte, er wolle sich noch einmal engagieren, nachdem er in Dresden gesehen habe, wie aus einer Pegida-Demonstration heraus
ausländische SchülerInnen bedroht wurden. Angesichts der erstarkenden rechten und rassistischen Propaganda müsse die Linke wieder in der Öffentlichkeit wahrnehmbar werden, so der Konsens unter den Ratschlag-TeilnehmerInnen.  „Wir müssen die soziale Frage neu stellen und dürfen bei Verteilungskämpfen den Rechten nicht die Deutungshoheit überlassen“, begründeten die IL-VertreterInnen
ihren Vorschlag einer sozialen Allianz unter dem Motto „Berlin für Alle“. Zentraldabei ist die Forderung nach ausreichendem bezahlbarem Wohnraum nicht nur für die Neuankömmlinge, sondern für alle Menschen mit geringen Einkommen. S  könne verhindert
werden, dass Benachteiligte gegeneinander ausgespielt werden. Als positives Beispiel wurde der Widerstand von Obdachlosen gegen ihre Kündigung durch den Betreiber des „Gästehaus Moabit“ angeführt, das zur Flüchtlingsunterkunft werden  soll. Die von der Kündigung Betroffenen zeigten sich mit den Geflüchteten solidarisch. Verabredet wurde die Vorbereitung eines „Tages der sozialen Bewegungen“ in den kommenden Monaten. Dazu sollen auch Flüchtlingsinitiativen sowie gewerkschaftliche und feministische Gruppen eingeladen werden. Am 14. 2. wird die Diskussion im Haus der Demokratie fortgesetzt.
aus Taz 18.01.2016
Peter Nowak