Der Unternehmensberater Hans-Ulrich Pieper kehrt zu seinen rechten Wurzeln zurück und kandidiert für die Berliner NPD Besonders Überraschungen bot der Wahlauftakt der extrem rechten NPD am vergangenen Samstag in Berlin nicht. Der von den Rechten gefeierte Zusammenschluss mit der DVU bietet wohl kaum Neuzuwachs, sondern neue Probleme. Die NPD hat in Lichtenberg den Fraktionsstatus verloren, weil der Berliner Landesvorsitzende der DVU und erklärter Gegner einer Fusion mit der NPD ausgetreten ist.
Nur bei der Vorstellung der Kandidaten für die Berliner Abgeordnetenhauswahl gelang der NPD eine Überraschung, weil auch der Unternehmensberater Hans-Ulrich Pieper mit dabei sein wird. Damit kehrt er zu seinen rechten Wurzeln zurück. Pieper war nämlich Ende der 60er Jahre in seiner Studentenzeit Mitglied des NPD-nahen Hochschulverbands und verschiedener Tarnorganisationen der damals in Westberlin verbotener Rechtspartei. Danach allerdings widmete sich Pieper den Grauzonen zwischen Konservativen und Ultrarechten. Er unterzeichnete Wahlaufrufe für die CDU und engagierte sich bei den Republikanern.
1995 trat Pieper der FDP bei und wollte damals den sogenannten nationalen Flügel um den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl stärken. Für Schlagzeilen sorgte Pieper durch die von ihm organisierten Diensttagsgespräche. Dort versammelten sich Rechtsliberale wie Alexander von Stahl, Rechtskonservative wie der Berliner CDU-Politiker Heinrich Lummer und führende Konzernfunktionäre wie der Vorstandsvorsitzende von Babcock- Borsig Jörg Schill, das VW-Vorstandsmitglied Ulrich Steger und der kurzzeitige Shootingstar der Rechten Jörg Haider. Die Teilnahme eines Pressesprechers des damaligen Berliner CDU- Innensenators bei den Dienstagsgesprächen führte im April 2003 zur Krise in der großen Koalition Berlins. Pieper hatte nicht nur Kontakte in die unterschiedlichen rechten Spektren. Als Pressesprecher der Düsseldorfer Rheinmetall hatte er auch gute Beziehungen zu Wirtschaftsleuten.
Dass Pieper nun zu seinen Wurzeln zurückgekehrt ist, dürfte der NPD im Wahlkampf wenig bringen. Denn in Berlin streiten sich noch Pro-Berlin und die Freiheit um die rechten Wähler. Mehr Erfolg dürfte sich die Rechtspartei in Sachsen-Anhalt ausrechnen. Dort wird die NPD schon bei knapp 4 % in Umfragen gehandelt und jetzt kandiert sogar ein amtierender Bürgermeister. Hans Püschel ist auf dem SPD-Ticket in Krauschwitz gewählt worden und vor wenigen Monaten zu den Rechten gewechselt. http://www.heise.de/tp/blogs/8/149095
Berlin – Am späten Freitagabend zogen etwa 25 Neonazis mit Fackeln und einem Transparent mit der Parole „Rassenkampf statt Klassenkampf“ durch den Berliner Stadtteil Moabit.
An einer U-Bahnstation löste sich der Aufmarsch nach knapp 30 Minuten gegen 22.30 Uhr dann auf. Im Anschluss feierten sich die Organisatoren im Internet und verdoppelten die Teilnehmerzahl der für die Berliner Polizei überraschenden Aktion. „Unter dem Lied ‘Ein junges Volk steht auf‘ und einem weiteren ungenannten Lied liefen die nationalen Kräfte kämpferisch die Straße hinunter und zeigten auch vor Ort, dass man sich von Ausländerbanden und Rotfrontgesindel nicht unterkriegen lassen sollte“, heißt es auf der Homepage der „Nationalen Bürgerbewegung Berlin“.
Das ist eines der Label, unter denen Neonazis auftreten, die bis zur ihrer Selbstauflösung im September 2010 als „Freie Nationalisten Mitte“ (FN) firmierten. Auch unter dem Namen „Nationale Befreiungsfront Berlin“ sind sie seit Mitte November im Internet aufgetreten.
Der nächtliche Aufmarsch war ihr erster öffentlicher Auftritt nach der Umbenennung. Dafür haben sie bewusst ein Gebiet mit einem großen Anteil migrantischer Bewohner ausgewählt. Mittlerweile hat die Berliner Polizei Ermittlungen wegen Volksverhetzung aufgenommen.
Gestapo-Lager, KZ, Zwangsarbeiter-Hölle
GESCHICHTE Ein neuer Verein will sich mit der NS-Vergangenheit des Flughafengeländes Tempelhof befassen. Grabungen geplant
Am Montagabend hat sich der „Förderverein zum Gedenken an Nazi-Verbrechen um und auf dem Tempelhofer Flugfeld“ konstituiert. Rund 40 Personen folgten den Ausführungen von Beate Winzer, die seit fast 25 Jahren für eine Gedenkstätte für die NS-Opfer von Tempelhof kämpft.
Die historische Debatte um Tempelhof wurde lange fast ausschließlich auf die Ereignisse des Jahres 1948 – also die Luftbrücke – und den Kalten Krieg reduziert, so Winzer. „Dass sich auf dem Gelände 1933 ein Gefangenenlager der SS und der Gestapo sowie 1934 bis 1936 ein Konzentrationslager befand, wird kaum wahrgenommen.“ Der Verein will die braune Geschichte des Areals in Zusammenarbeit mit der Topographie des Terrors erforschen und zur Spurensicherung Grabungen durchführen.
Zur Historie des KZ auf dem Gelände gebe es zahlreiche historische Quellen. Schließlich war es als „Hölle am Columbiadamm“ in den ersten Jahren des NS-Regimes zum Inbegriff des braunen Terrors geworden. Allerdings seien noch viele Fragen offen, erklärte Frieder Böhne, der sich seit Jahrzenten bei den Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes-Bund der AntifaschistInnen (VVN/BdA) für die Geschichtsaufarbeitung einsetzt. Ein Forschungsgegenstand könnte die Verfolgung Homosexueller durch die Nazis am Beispiel des KZ Columbiadamm sein. Dort habe zeitweise fast die Hälfte der Gefangenen aus Homosexuellen bestanden.
Schwieriger ist die Quellenlage bei den Zwangsarbeitslagern, die sich bis 1945 auf dem Areal befanden. Tausende meist sowjetische Kriegsgefangene mussten dort für die deutsche Kriegswirtschaft schuften. Tempelhof war eines der Zentren der deutschen Luftrüstung. „Jeder zehnte deutsche Bomber wurde hier produziert“, so Winzer.
Aus dieser Zeit gibt es kaum noch Spuren. Die Holzbaracken wurden schon kurz nach Kriegsende abgetragen. In Zeiten des Kalten Krieges war eine Erinnerung an die braune Geschichte des Areals nicht vorgesehen. Erst 1994 wurde unter der Ägide des damaligen Tempelhofer Bezirksstadtrats für Volksbildung, Klaus Wowereit, ein Mahnmal für die KZ-Insassen gegenüber dem Tempelhofer Feld errichtet.
Manfred Kühne von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erklärte, dass seine Behörde erst nach der Öffnung des Flughafenareals aktiv werden konnte. Mittlerweile befasse sich eine Arbeitsgruppe mit der NS-Geschichte. Die genaue Formulierung des Forschungsauftrags müsse allerdings ebenso geklärt werden wie die Finanzierung. Allerdings hält es Kühne für realistisch, dass im kommenden Frühjahr erste Gedenktafeln mit Hinweisen auf KZ und Zwangsarbeit auf dem historischen Gelände aufgestellt werden.
Dresden: Ein zivilgesellschaftlicher Verein lehnt Auszeichnung und Preisgeld ab, weil sie mit der Forderung verbunden ist, dass jeder Nominierte seine Partner auf „Extremismus“ prüfen lässt
Der Verein akubiz hat sich im sächsischen Pirna für eine demokratische Kultur eingesetzt. Er hat in den letzten Jahren Ausstellungen zum aktuellen und historischen Antisemitismus sowie Konzerte und Vorträge „gegen Rechts“ organisiert.
Daher war er sicherlich ein geeigneter Kandidat für den sächsischen Demokratiepreis, der alljährlich von zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Unterstützung des Freistaats Sachsen ausgelobt wird. Am 9. November sollte er geschichtsträchtig in der Dresdner Frauenkirche verliehen werden.
Doch die Initiative lehnt den mit 10.000 Euro dotierten Preis ab und erhielt dafür Unterstützung von sächsischen Politikern der Grünen und der Linken sowie von zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Als Begründung für den Preisverzicht schreibt akubiz:
„Die nominierten Vereine wurden zuvor gebeten, eine Klausel zu unterzeichnen, in der es unter anderem heißt: ‚Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass einer Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub gewährleistet wird.'“
Für die Pirnaer Zivilgesellschafter verstößt eine solche Klausel gegen ihr Demokratieverständnis:
„Die Erklärung fordert, dass wir als Nominierte unsere Partner auf ‚Extremismus‘ prüfen. Dafür schlagen die Verfasser u.a. Nachfragen bei den Verfassungsschutzämtern vor. Die Aufforderung an eine nichtstaatliche Initiative ihre Partner auszuspähen, erinnert eher an Methoden der Stasi und nicht an ein demokratisches System.“
Flirt zwischen Antifa und Staat beendet
Eine Umsetzung dieser Klausel hätte bedeuten können, dass sich der Verein von Teilen des Bündnisses „Dresden-nazifrei“ hätte distanzieren müssen, das im Februar 2010 mit einer Blockade den rechten Aufmarsch in Dresden verhindert hat. Die Preisverweigerung ist Ergebnis einer längeren kritischen Debatte über den Extremismusbegriff.
Der Verein hat mit der Verweigerung des Preises erstmals praktische Konsequenzen gezogen. Dieser Schritt fällt in eine Zeit, wo der Flirt zwischen antifaschistischen Initiativen und staatlichen Stellen endgültig beendet scheint, was die Wochenzeitung Jungle World zum Titel „Vom Ende der Staatsantifa“ veranlasste. Dazu haben auch die Bestrebungen des CDU geführten Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beigetragen, den sogenannten islamischen und linken Extremismus wieder stärker in den Focus zu rücken.
Die Extremismusklausel, die jetzt zu dem Eklat führte, ist Ausdruck dieser Politik. Mit der Preisverweigerung dürften sich auch die Diskussionen in zivilgesellschaftlichen Kreisen verschärfen. Auf der einen Seite stehen die Unterstützer von akubzi, auf anderen Seite Akteure, die, wie der Gründer des Aussteigerprogramms für Rechte Bernd Wagner, die neue Politik relativ kritiklos nachvollzogen haben. http://www.heise.de/tp/blogs/8/148729
ANTIFA Eine Ausstellung in der TU informiert über neue Entwicklungen im Rechtsextremismus
Über die aktuellen Erscheinungsformen des „Neofaschismus in Deutschland“ informiert derzeit eine Ausstellung im Lichthof der Technischen Universität. Sie wurde von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) gemeinsam mit dem Asta der TU erstellt. Auf 26 Tafeln wird auf unterschiedliche Aspekte der Ideologie und Praxis der extremen Rechten eingegangen. Durch die Kombination von Fotos und knappen, aber aussagekräftigen Erklärungen und Zitaten aus rechten Publikationen und Interviewmitschnitten wird auch BesucherInnen ohne Vorwissen ein guter Einblick in die rechte Szene vermittelt.
Die Tafeln gehen auf die unterschiedlichen Politikfelder ein, in denen die extreme Rechte mitmischt. Dazu gehört natürlich die Hetze gegen MigrantInnen und die Agitation für Härte gegen Kriminelle. So findet sich die Parole „Wir räumen auf“ auf verschiedenen Fotographien rechter Demonstrationen. Die T-Shirt-Motive mancher TeilnehmerInnen sind oft noch deutlicher. „Jesus konnte angeblich über Wasser gehen, ich gehe über Leichen“ lautet etwa das Bekenntnis eines Jungrechten.
Wesentlich schwerer ist rechte Propaganda in sozialen Bewegungen zu erkennen. Da findet sich auf einen Transparent die Anti-AKW-Sonne mit der Parole „Nationalisten gegen Atomkraft“. Freie NationalistInnen verteilen Flyer gegen Sozialabbau, die sich im Layout kaum von linken Materialien unterscheiden.
Eine Tafel widmet sich den Schnittstellen zwischen der extremen Rechten und der Debatte im gesellschaftlichen Mainstream. So titelte Bild am 3. 1. 2008: „Dauerkriminelle Ausländer ausweisen“, und fand damit viel Beifall in der extremen Rechten. Der Bundesgeschäftsführer der VVN/BdA Thomas Willms warnt vor einer Unterschätzung dieses Aspekts. „Neofaschistische Gruppen haben schließlich nur Erfolg, wenn es ihnen gelingt, relevante politische Fragen aufzunehmen und Impulse aus dem politischen und sozialen Geschehen zu ziehen.“ PETER NOWAK
Bis 26. 11., Hauptgebäude der TU, Straße des 17. Juni 135, Eintritt frei. Begleitend zur Ausstellung findet jeden Montag um 18 Uhr im Raum H 2038 Veranstaltungen statt
Am Wochenende gibt es in Berlin ein Kräftemessen der Rechtspopulisten
Am vergangenen Donnerstag verbat sich der holländische Rechtspopulist Geert Wilders noch jede Kritik an der neuen holländischen Regierung von Seiten der Bundeskanzlerin. Die hatte bedauert, dass in Den Haag nach langen Verhandlungen wahrscheinlich nun doch eine Rechtsregierung zustande kommt, die von der rechtspopulistischen EU- und islamfeindlichen Wilders-Bewegung toleriert wird. Dabei waren die Reaktionen auf den Rechtsruck in Holland moderat, wenn man sie mit den europaweiten Protesten auf die Regierungsbeteiligung von Haiders Freiheitlichen an der Regierung in Wien im Jahr 2000 vergleicht. Wie Haider denkt auch Wilders nicht daran, sich selber aus der Politik anderer Länder rauszuhalten.
Auf Einladung des ehemaligen Berliner CDU-Lokalpolitikers René Stadtkewitz will Wilders am 2.Oktober in Berlin eine Rede halten und für eine von ihm ins Leben gerufene internationale Allianz zur Zurückdrängung des Islams im Westen zu werben. Der Ort wird noch geheim gehalten, die Plätze seien aber schon ausgebucht, die Veranstaltung wird von 14 bis 17 Uhr, so kündigte die Partei „Die Freiheit“ an, auf ihrer Website live übertragen. Stadtkewitz will mit dem Wilders-Besuch seine bisher wenig beachtete neue Rechtspartei Die Freiheit aufwerten (Wilders soll die neue rechte, antiislamische Partei weihen). In erster Linie geht es um die Akzeptanz in den eigenen Reihen.
Dieses Mal konkurriert die neue Stadtkewitz-Gruppierung mit der Prodeutschland-Bewegung, die schon vor einigen Wochen ihren Anspruch angemeldet hat, zur Berliner Abgeordnetenhauswahl zu kandidieren. Beide Bewegungen haben den Anspruch, eine Partei rechts von der Union, aber ohne neonazistische Anleihen aufbauen zu wollen. Weil aber die Prodeutschlandbewegung in der extremen Rechten ihre Wurzeln hat, aber auch wegen Personalstreitigkeiten wollen beide rechtspopulistischen Gruppierungen vorerst nicht kooperieren. Die Auseinandersetzung polarisiert die rechtspopulistische Szene seit Wochen.
Davon betroffen ist auch die in diesen Kreisen einflussreiche Webseite Politically Incorrect. Weil deren Verantwortliche sich auf die Seite von Stadtkewitz stellen, geraten sie zunehmend in die Kritik von Aktivisten der Prodeutschlandbewegung. Ihnen scheint jetzt erst aufgefallen, dass Politically Incorrect sich selber als proamerikanisch und proisraelisch aber nicht als prodeutsch definiert. Um in den Wilders-Rummel nicht unterzugehen, ruft die Prodeutschlandbewegung am 3. Oktober in Berlin zu einer Solidaritätskundgebung für Sarrazin auf.
Unter dem Motto Rechtspopulismus stoppen ruft ein Bündnis zum Protest gegen beide Veranstaltungen auf. Es wird unterstützt von Gewerkschaften, SPD, Linken und Grünen. Man wolle „Widerstand leisten gegen den Versuch, Rechtspopulismus in Deutschland aufzuwerten“, sagt Bündnis-Sprecher Dirk Stegemann.
LINKE Antifas demonstrieren am Samstag in Weißensee gegen zunehmende Aktionen der rechtsextremen Szene. Teile der Route von der Polizei verboten
Die Polizei hat einen Teil der Route einer für Samstag in Weißensee geplanten Antifa-Demonstration verboten. Sie wird von dem Bündnis „Kein Kiez für Nazis“ organisiert, in dem Antifagruppen, Jugendeinrichtungen, Stadtteilinitiativen und die Linkspartei Pankow vertreten sind. Sie wollen gegen die Zunahme rechter Aktivitäten in Weißensee protestierten. Besonders das Kulturprojekt Kubiz und der Jugendclub Bunte Kuh waren mehrmals Ziel rechter Provokationen (taz berichtete).
Martin Sonnenburg vom Bündnis „Kein Kiez für Nazis“ macht die Freien Nationalisten Berlin Mitte (FNBM) dafür verantwortlich. Diese erstmals im April 2010 aufgetretene Gruppierung macht gegen Dönerläden, türkische Kulturvereine und linke Einrichtungen mobil.
„Wir haben das Bündnis mit den Gruppen im Stadtteil gesucht“, sagte Sonnenburg der taz. Deshalb sei er erstaunt gewesen, dass der CDU-Ortsvorsitzende von Weißensee, Dirk Stettner, in einem Brief an die Polizei warnte, die Antifa-Demonstration könne gewalttätige Demonstranten anziehen und die TeilnehmerInnen des Weißenseer Blumenfestes gefährden, das ebenfalls am Wochenende stattfindet. „Das gewalttätige Potenzial wird nicht erst durch eine Demo angezogen, sondern war mit einigen Ausnahmen immer beim Fest präsent“, meint Sonnenburg. Dort habe es vor einigen Jahren Probleme mit Personen aus der rechten Szene gegeben, was den VeranstalterInnen bewusst sei.
„Während eines Familienfestes mit 150.000 Besuchern sind politische Demonstrationen aus Rücksicht auf die Familien und Kinder einfach fehl am Platze – es gibt ausreichend viele andere Wochenenden“, erklärt Stettner gegenüber der taz.
Demo am Samstag, 14 Uhr. Start an der Ecke Mahler-/Bizetstraße
Peter Nowak über die Forderung nach einer NS-Gedenkstätte auf dem Gelände des Flugplatzes Tegel
Der „Hölle am Columbiadamm“ war in den ersten Jahren des NS-Regimes zum Inbegriff des braunen Terrors geworden. In der Emigrantenpresse jener Zeit waren häufig Berichte über Folterungen im ersten Berliner SS-Gefängnis im Columbiahaus zu finden. Das Hausgefängnis der Geheimen Staatspolizei war im Juli 1933 errichtet worden. Im Februar 1934 war die Zahl auf über 450 Gefangenen gestiegen. Zu den zeitweiligen Insassen gehörten die Kommunisten Werner Seelenbinder, Erich Honecker, John Scher und Ernst Thälmann, die Schriftsteller Kurt Hiller, Armin T. Wegener und der demokratische Jurist Hans Litten. Für den Terror war die neuaufgestellte SS-Wachtruppe Oranienburg-Columbia, die später in SS-Wachverband Brandenburg umbenannt wurde, zuständig. Mehrere spätere SS-Kommandeure haben im Columbiahaus ihr Handwerkszeug gelernt.
Das KZ musste 1936 dem NS-Airport Tempelhof weichen. Ab 1938 schufteten auf dem Areal Tausende Zwangsarbeiter für die deutsche Luftrüstung. Die Popularität des Flughafen Tempelhofs steigerte sich nach 1945 noch. Im beginnenden Kalten Krieg wurde der Flughafen Tempelhof zum Inbegriff des Überlebenswillens des „freien Berlins“. Schließlich landeten auf dem Flugfeld die legendären Rosinenbomber, mit denen Westberlin der sowjetischen Blockade trotzte. Jetzt konnte man es den Russen doch noch zeigen, wenn man schon nicht verhindert hatte, dass Rotarmisten die Hakenkreuzfahne vom Reichstag entfernten. In diesem Frontstadtklima war kein Platz für eine Erinnerung an das KZ-Columbiahaus. Daran hat sich auch heute nicht viel geändert.
Ein Erinnerungs- und Gedenkort für die Opfer des Columbiahauses und die Zwangsarbeiter ist in den aktuellen Bebauungsplänen nicht vorgesehen. Schließlich hat die international hochgelobte Gedenkrepublik Deutschland dafür spezielle Orte. So wurde in die Topographie des Terrors, dem Dokumentationszentrum für den NS-Terror, nach der Neugestaltung auch ein Stück der Berliner Mauer als in Stein gehauene Bekräftigung integriert, dass Deutschland am 8.November 89 befreit wurde.
Als am 8. Mai 2010 das Areal des abgewickelten Tempelhofer Flughafens für die Berliner Bevölkerung geöffnet wurde, wollte eine kleine Initiative den KZ-Insassen und den Zwangsarbeitern gedenken, die auf dem Gelände gelitten haben. Sie hatten mit Behinderungen durch die Anmeldungsbehörden und Desinteresse auch der Öffentlichkeit zu kämpfen.
Derweil schwadronieren Kolumnisten in verschiedenen Zeitungen über die grenzenlose Weite am ehemaligen Flughafen. Manchmal treffen sie unfreiwillig ins Schwarze, wie Ingo Arend, der im „Freitag nach einen Tempelhofbesuch ins Schwärmen kam. „ Vergiss die Stadt, den Kiez und den Tod. Vor dir liegen 389 Hektar öffentliches Grün. Unfassbar“.
Im anti-islamischen Lager wird Israel als strategischer Bündnispartner umworben
Mit pro-israelischen Äußerungen grenzt sich die anti-islamische Pro-Bewegung gegen die neonazistische NPD ab und zieht mit der Parole »gegen importierten Antisemitismus« gegen die angebliche Islamisierung Europas zu Felde.
»Mit Brinkmann nach Israel« lautet eine Werbung zu einem zehntägigen Ausflug in den Nahen Osten im nächsten Jahr. Was die »Pilgerreise« erwähnenswert macht, ist die politische Vita des Initiators. Der 1966 in Schweden geborene Patrik Brinkmann gründete 2004 die Kontinent Europa Stiftung mit dem Ziel, Publikationen und Forschung zur Neuen Rechten zu unterstützen. Nachdem er 2007 seinen Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegte, begnügte er sich nicht mehr mit der Förderung rechter Infrastruktur. Nach Angaben von Simone Rafael vom Internetprojekt »Netz gegen Nazis« hatte Brinkmann 2008 Kontakte zur NPD, bevor er 2009 zur DVU wechselte. 2010 konstatierte er, die DVU habe sich nicht als lebensfähige Partei erwiesen und dockte bei der Pro-Deutschland-Bewegung an.
Doch seine vollmundige Ankündigung, einen Erfolg der Pro-Bewegung bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin im nächsten Jahr mit vollem Einsatz und finanziellen Zuwendungen zu unterstützen, hat Brinkmann mittlerweile wieder relativiert: »Will man wie die NPD weitermachen oder wie Geert Wilders PVV oder der Vlaams Belang. Im zweiten Fall bin ich gern bereit, Verantwortung zu übernehmen«, schreibt Brinkmann auf seinem Internetblog.
Gegen »importierten Antisemitismus«
»Wir brauchen eine Rechte ohne Antisemitismus in Deutschland, eine Rechte, die nicht Israel zum Feind erklärt, sondern den Islam«, lautet Brinkmanns Credo. Damit ging er auf Distanz zur NPD, der er »altbackenen Antisemitismus« vorwarf. Auch die Pro-Bewegung positioniert sich im innerrechten Machtkampf mit der NPD seit einigen Monaten mit Pro-Israel-Positionen und Bekenntnissen gegen Antisemitismus unter Muslimen. So kreierte die Ratsfraktion von Pro Köln, der Mutterorganisation der Pro-Deutschland-Bewegung, die Parole: »Gegen orientalische Großmoscheen, Hassprediger, Minarette, Muezzinrufe, importierten Antisemitismus und Parallelgesellschaften kämpfen!«
Der langjährige Beobachter der extrem rechten Szene Alexander Häusler datiert die pro-israelische Wende bei Pro Köln auf wenige Monate. »Im Januar 2009 tauchte plötzlich eine israelische Fahne auf einer Kundgebung von Pro Köln gegen den Moscheebau in Köln-Ehrenfeld auf. Die anwesenden Anhänger des antimuslimisch ausgerichteten Blogs Politically Incorrect (pi) positionierten an der Absperrung vor der Moscheebaustelle ein Transparent mit der Aufschrift »Solidarität für Israel«. NPD-Aktivisten und Freie Nationalisten polemisierten auf Nazi-Webseiten gegen eine »rechte Israel-Connection« und sparten nicht mit antisemitischen Ausfällen. So fantasiert der argentinische NPD-Sympathisant Carlos Dufour von einer zionistischen Geheimpolitik zur Unterwanderung der rechten Szene Europas.
Keine kurzlebige Modeströmung
Auch andere extrem rechte Gruppierungen in Westeuropa haben im Kampf gegen die von ihnen beschworene Islamisierung Europas Israel und den »importierten Antisemitismus« als Mobilisierungsthema entdeckt. So versuchte der belgische Vlaams Belang mit seiner Positionierung gegen Antisemitismus muslimischer Gemeinden Sympathie bei der jüdischen Bevölkerung zu gewinnen. Ulli Jentsch vom antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin e.V. (apabiz) sieht in der pro-israelischen Strömung in der Rechten mehr als eine kurzfristige Modeströmung. »Wer sich pro-israelisch positioniert, hält sich die traditionalistischen, antisemitischen und eben auch oft NS-nostalgischen Rechten vom Hals. Nur so sind Rechtspopulisten wählbar, ob in den Niederlanden oder in Deutschland«, so Jentsch gegenüber ND. Dass eine proisraelische Positionierung in der Rechten Antisemitismus nicht ausschließt, zeigte die Kampagne gegen die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die israelkritische Jüdin Felicia Langer, die auf der Webseite von Politically Incorrect als »deutsche Bundesverdienstjüdin« klassifiziert wird.
Die Perspektive der pro-israelischen Rechten dürfte auch von der Resonanz im umworbenen Land abhängen. So ist der Israeli Joel Bell von der Evangelical Zionist Inc., von dem ein Grußwort auf dem Pro-Deutschland-Bundesparteitag Mitte Juli in Berlin-Schöneberg verlesen wurde, nach Angaben von Jentsch in Israel politisch völlig unbedeutend. Prominentere Unterstützung hat die sich schärfer nach Rechtsaußen abgrenzende Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), in der der aus der Berliner CDU ausgetretene René Stadtkewitz aktiv ist. Im Oktober 2009 nahm nach Angaben von Jentsch der Betreiber der vom David Horowitz Freedom Center in den USA unterstützten anti-islamischen Homepage jihadwatch.org, Robert Spencer, in Berlin an einer Kundgebung und einer Mitgliederversammlung der BPE teil.
Ein René Stadtkewitz, der sich an den Rechtspopulisten und Islamgegner Geert Wilders hängt, kann der Union sowenig gefährlich werden, wie seine weitgehend vergessenen Vorgänger
Der Berliner CDU-Politiker Stadtkewitz war bisher bundesweit kaum bekannt. Als baupolitischer Sprecher seiner Fraktion kann man sich wohl auch kaum profilieren. Die Frage, warum er die CDU nun unwiderruflich verlässt und dann doch als Parteiloser in der Unionsfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus bleibt, war im letzten Jahr vor allem für die Berliner CDU- Fraktion von Interesse. Nach der Sommerpause soll er jetzt nach den Willen der Unionsspitze auch die Fraktion verlassen und wäre dann als Parteiloser zu einen Hinterbänklerdasein im Abgeordnetenhaus verurteilt.
Ob die CDU damit „ihren Marsch in die Bedeutungslosigkeit fortsetzt“, wie es auf der antiislamischen Homepage Politically Incorrekt prophezeit wird, ist unwahrscheinlich. Eher dürfte die Charakterisierung auf Stadtkewitzs weitere politische Zukunft zutreffen.
Wilders knüpft Netzwerke
Doch in den nächsten Wochen dürfte sich der Bekanntheitsgrad von Stadtkewitz kurzzeitig erhöhen. Der unmittelbare Anlass für die Ausschlussdrohung ist seine Einladung an den holländischen Rechtspopulisten und Islamhassers Geert Wilders, der am 2. Oktober in Berlin sein antiislamisches Netzwerk knüpfen will. Seit Ziel ist es, solche Bewegungen in Frankreich, Holland, Großbritannien und den USA besser zu vernetzen.
Nach dem Erfolg seiner Freiheitspartei bei den letzten Wahlen hat er sich sehr schnell für eine überregionale Zusammenarbeit der Antiislambewegung entschieden. Das hat unterschiedliche Gründe. Einerseits ist Wilders Partei extrem heterogen und ganz auf ihn zugeschnitten. Streitereien und Spaltungen sind abzusehen. Zudem konnte Wilders sein vollmundiges Versprechen, in Holland könne niemand gegen seine Partei regieren, nicht einlösen. Es wird zumindest ohne seine Partei regiert, weil die holländischen Christdemokraten eine Kooperation durchaus aus Eigeninteresse verweigerten. Sie brauchen nur auf den Zerfallsprozess solcher rechtspopulistischen Bewegungen zu warten. Ein gutes Beispiel lieferte in Deutschland die Schill-Partei. Zudem drängte Wilders auf eine länderübergreifende Kooperation, weil mittlerweile unterschiedliche politische Kräfte unter der Marke Islamkritik eine neue rechte Bewegung aufbauen wollen.
Rechter Konkurrenzkampf um die Marke Islamkritik
In Deutschland hat hier die Pro-Bewegung schon Spuren hinterlassen. Auf einem Parteitag Mitte Juli im Berliner Rathaus Schöneberg wollte sie sich als rechtsdemokratische Kraft profilieren und von der ungeliebten rechten Konkurrenz aus der NPD abgrenzen. In Nordrhein-Westfalen, wo die Pro-Bewegung ihre politischen Wurzeln hat, ist die Konkurrenz mittlerweile in eine innerrechte Feindschaft umgeschlagen.
Der Pro-Bewegung wird man zudem diese Abgrenzungen nach Rechtsaußen nicht abnehmen. Schließlich kommen einige ihrer Spitzenfunktionäre aus der Deutschen Liga für Volk und Vaterland, die sich von den Republikanern abspaltete, weil ihnen die zu verbürgerlicht waren. Zudem kann sich eine Partei kaum glaubwürdig nach Rechtsaußen abgrenzen, wenn sie mit Andreas Molau gleichzeitig einen Mitstreiter aufbietet, der noch vor kurzem in führenden Funktionen der NPD aktiv war und dort im innerparteilichen Machtkampf unterlegen ist.
Auch der zunächst als Finanzier in der Pro-Bewegung umworbene Patrik Brinkmann kann seine Abgrenzung nach Rechts kaum glaubwürdig vertreten, wo er doch noch vor Monaten die Deutsche Volksunion sanieren wollte, die sich in ihrer Geschichte mal mit der NPD stritt, dann wieder kooperierte und jetzt mit ihr fusionieren will.
Nun hat die Pro-Bewegung nicht nur eine Konkurrenz am rechten Rand. Mit der beabsichtigten Ausdehnung der Wilders-Bewegung erwächst ihr ein Konkurrent im rechtspopulistischen Spektrum. Denn die Pro-Bewegung hat, wie auf ihrer Homepage ersichtlich, gute Kontakte zur österreichischen FPÖ, zum belgischen Vlaams Belang und zur Schweizer SVP, nicht aber zu der holländischen Wilders-Formation. Das dürfte sich auf absehbare Zeit nicht ändern. Dabei sind es weniger inhaltliche Differenzen sondern persönliche Eitelkeiten und Machtspielchen, die die Zersplitterung im rechten Lager kennzeichnen.
Lackmustest Israel?
Man wird wohl in den nächsten Monaten auch in Deutschland das Schauspiel erleben, dass sich zwei rechtspopulistische Bewegungen unter der Marke Islamkritik kräftig streiten werden. Dabei werden beide den Anspruch erheben, eine rechtsdemokratische Alternative zu sein. Ihre Distanz zur äußersten Rechten werden beide Gruppierungen mit ihrem positiven Bezug auf Israel zu verdeutlichen versuchen.
Wilders hat schon angekündigt, dass er mit dem Bekenntnis zu Israel die äußerste Rechte fernhalten will. Die Pro-Bewegung, die seit einiger Zeit ähnliches verkündet, wird damit größere Schwierigkeiten haben. Denn in Deutschland ist mit dem Bekenntnis zu Israel auch eine Positionierung zur deutschen Vergangenheit und ihrer Bewältigung verbunden, die die Rechtspopulisten noch in große Debatten stürzen dürfte.
Stadtkewitz, Nitzsche, Hohmann, Hähner
Deshalb dürfte es auch dieses Mal nichts werden mit einer neuen rechten Partei oder zumindest Bewegung jenseits der Union. Dabei handelt es sich um einen alten Wunschtraum rechter Netzwerker und Publizisten. Dafür setzt sich noch immer ein Henry Nitzsche in Sachsen mit seinem Bündnis für Arbeit, Familie und Vaterland ohne große öffentliche Resonanz ein. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete war nach seinem Austritt aus der Union im Jahr 2006 zum Hoffnungsträger einer neuen rechten Bewegung geworden (CDU-Provinz-Wahlkampf von Rechtsaußen). Nitzsche, der mit Sprüchen gegen „einen deutschen Schuldkult“ für Aufsehen sorgte, hat auch den Antiislamismus als Mobilisierungsthema entdeckt.
Auch der frühere Fuldaer CDU-Rechtsaußen Martin Hohmann ist ein Beispiel dafür, wie rechte CDU-Politiker nach dem Verlust ihres Resonanzfeldes Partei im politischen Nirwana verschwinden. Hohmann kämpft, wie auf seiner Homepage ersichtlich, mit „Gott, Familie und Vaterland“ weiterhin juristisch gegen seinen CDU-Ausschluss. Unter der Rubrik Aktuelles findet sich noch immer sein Solidaritätsbrief von 2007 mit dem mittlerweile in Sünde gefallenen Bischof Mixa.
Das ist sicher nicht das Personal für eine neue rechte Tea-Party-Bewegung. Nach dem Vorbild der USA, wo eine solche heterogene rechte Bewegung nicht nur die Obama-Regierung, sondern auch die moderaten Kräfte in der Republikanischen Partei unter Druck setzt, hoffen auch manche Rechte in Deutschland auf Nachahmer. Dass der Chemnitzer CDU-Funktionär Kai Hähner Schwule als abnormal bezeichnete und Beifall von der NPD bekam, zeigt, dass es innerhalb der Union weiterhin offen rechte Positionen gibt.
Aber die Personalien Stadtkewitz, Nitzsche, Hohmann, Hähner machen auch deutlich, dass sie der Union von außerhalb keine Konkurrenz machen können. Sie sorgen für kurze Medienskandale, die Union kann sich von ihnen abgrenzen und damit deutlich machen, dass sie in der Moderne angekommen ist. Mit ihrer Trennung von Stadtkewitz demonstriert die Berliner Union nicht nur die offizielle Trennlinie nach Rechtsaußen, sondern signalisiert auch, dass sie auch weiterhin bündnisoffen bis hin zu den Grünen ist.
Stadtkewitz hingegen dürfte nach dem Wilders-Besuch in bestimmten Szenen und auf bestimmten Internetforen jenseits der Öffentlichkeit als Held der Freiheit verehrt werden. Ansonsten dürfte er mit Hohmann, Nitzsche und Co. das Schicksal teilen, dass er der Öffentlichkeit egal ist.
Die Freien Nationalisten Berlin Mitte machen gegen „Kulturvereine“ und linke Einrichtungen mobil.
„Todesstrafe für Kinderschänder“, „Nationaler Sozialismus – jetzt“, das sind einige der Aufklebermotive, die über die seit April dieses Jahres existierende Webseite der Freien Nationalisten Berlin Mitte (FNBM) vertrieben werden. Diese Neonazi-Kameradschaft setzt besonders auf rechte „Stadtteilarbeit“.
Unter dem Motto „Wir lassen uns nicht vertreiben, Berlin bleibt Deutsch“ wird dort gegen Kultureinrichtungen und Läden mobil gemacht, die nicht ins braune Bild platzen. So heißt es auf der Homepage: „Fast wöchentlich eröffnen neue Kasinos, Glücksspielhallen, Wettbüros, Döner Läden und so genannte „Kulturvereine“, welche nichts weiter sind als Rückzuggebiete für Mitmenschen, welche schon lange beschlossen haben sich unserer deutschen Kultur nicht anzupassen und diese ablehnen.“
Flugblätter in Pankow und Lichtenberg
Auf der Webseite wird auch regelmäßig über den eigenen Stadtteilkampf berichtet. Am 8.Juli heißt es beispielsweise: „So wurden die Stadtteile Pankow und Lichtenberg großräumig mit über 10 000 Flugblättern abgedeckt, welche sich mit dem Thema Islamisierung, Perspektivlosigkeit in der BRD und natürlich mit der aktuellen WM und dem damit aufkommenden Patriotismus beschäftigten.“
Auch vor alternativen und linken Einrichtungen sind FNBM-Aktivisten in den letzten Wochen öfter aufgetaucht. So postierten sie sich am 19. April vor einem linken Wohnprojekt im Berliner Stadtteil Wedding mit einem Transparent, mit dem sie für den rechten Aufmarsch am 1. Mai in Berlin warben. Am 4.Mai wurde das Kultur- und Wohnprojekt Kubiz im Stadtteil Weißensee mit rechten Parolen beschmiert, darunter auch dem Kürzel der Freien Nationalisten Mitte.
Teleskopschlagstöcke und Teppichmesser sichergestellt
Vor wenigen Tagen, am 9. Juli, wurde dann eine sechsköpfige Gruppe in unmittelbarer Nähe vor dem Kubiz gestoppt. Bei der Personenkontrolle stellte die Polizei nach Angaben des Pressesprechers „Teleskopschlagstöcke, zwei Dosen Pfefferspray, zwei Teppichmesser und eine Farbspraydose“ sicher. Die Gruppe soll auch strafrechtlich nicht relevante Druckwerke und Aufkleber „einer zugelassenen rechtsextremen Partei“ dabeigehabt haben.
Anwohner hatten die Gruppe zuvor beim Sprühen neonazistischer Parolen, darunter dem Kürzel FNBM, beobachtet.
RECHTE Polizei unterbindet offenbar Angriff von Neonazis auf linkes Wohnprojekt – und schweigt
Planten Neonazis in den frühen Morgenstunden des 9. Juli einen Angriff auf das linke Wohn- und Kulturprojekt Kubiz in Weißensee? Die North East Antifascists (NEA), eine seit Jahren im Nordosten Berlins aktive Antifagruppe, hat in einer Pressemeldung berichtet, dass gegen zwei Uhr morgens eine achtköpfige Neonazigruppe in unmittelbarer Nähe des Kubiz von der Polizei gestoppt worden sei. Die Rechten hätten zuvor rund um den Weißen See Neonaziparolen gesprüht, unter anderem „NS Jetzt!“, „Nazi-Area“ und „FNBM“ – das Kürzel der neonazistischen Kameradschaft Freie Nationalisten Berlin Mitte.
Ein NEA-Mitglied berichtet, dass „Linke aus dem Kiez“ beim Chillen rund um den See zufällig auf die Aktivitäten der Rechten aufmerksam geworden seien. Auch die Polizei sei den Rechten gefolgt. Das bestätigte ein Polizeisprecher gegenüber der taz: „Die Männer führten zwei Teleskopschlagstöcke, zwei Dosen Pfefferspray, zwei Teppichmesser und eine Farbspraydose mit.“ Konkrete Ansatzpunkte für einen Angriff auf das Kubiz seien nicht gefunden worden, konnten aber auch nicht ausgeschlossen werden, so die Polizei. Die Polizei habe gegen die Rechten einen Platzverweis rund um das Kubiz ausgesprochen. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. „Es handelt sich hier um einen Sachverhalt, der für die Öffentlichkeit von großem Interesse ist und eine Pressemeldung erfordert hätte“, sagte der Polizeisprecher zudem selbstkritisch. Wegen zahlreicher Demonstrationen am vergangenen Wochenende sei die Meldung von der Pressestelle versäumt worden. Die NEA hatte in ihrer Pressemeldung moniert, dass die Polizei keine öffentliche Stellungnahme abgegeben habe.
So ist es wahrscheinlich, dass die Neonazis eine Sprühaktion am Kubiz planten. Schon am 4. Mai 2010 waren auf das Gebäude rechte Parolen und Symbole gesprüht worden, darunter das Kürzel und die Internetadresse der Freien Nationalisten Mitte. Die Gruppe scheint sich bevorzugt vor linken Projekten zu produzieren. So postierten sich am 19. April FNBM-Aktivisten mit einem Transparent, das zum rechten Aufmarsch am 1. Mai mobilisierte, vor dem linken Weddinger Hausprojekt Schererstraße 8.
Ein Kubiz-Bewohner sieht in den rechten Sprühaktionen eine Bedrohung der BewohnerInnen und BesucherInnen des Projekts. Zumal es auch in der unmittelbaren Nachbarschaft bekennende Rechte gebe. Vor drei Wochen habe einer von ihnen einen Kubiz-Besucher zusammengeschlagen. Zuvor habe er sein Opfer gefragt, ob er etwas mit dem Kubiz zu tun hat
Berliner VVN-BdA-Chef soll bei Blockade von Nazi-Marsch versucht haben, Polizisten zu schlagen
Blockaden sind ein wirksames Mittel, um Nazi-Aufmärsche zu verhindern. Die Blockierer jedoch werden oft kriminalisiert. In diesem Fall steht der Antifaschist Hans Coppi vor Gericht.
Am Montag wird vor dem Amtsgericht Königs Wusterhausen gegen den Landesvorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), Hans Coppi, verhandelt. »Der Vorwurf lautet, ich hätte versucht, Einsatzkräfte der Polizei am 5. Dezember 2009 bei der Blockade des NPD-Aufmarsches in Königs Wusterhausen mit einer mitgeführten Fahnenstange zu schlagen und zu stechen«, erklärt Coppi. Er bestreitet den Vorwurf.
Rund 600 Menschen hatten am 5. Dezember gegen den Neonaziaufmarsch in Königs Wusterhausen protestiert. Aufgerufen zu der Protestdemonstration hatte ein Bündnis gegen Rechts, dem zivilgesellschaftliche Initiativen und politische Parteien angehören. Allerdings wurde die Blockade von der Polizei nach kurzer Zeit geräumt.
In einem auf der linken Internetplattform Inforiot veröffentlichten Augenzeugenbericht heißt es: »Die Neonazis starteten etwas über eine Stunde zeitversetzt vom Bahnhof aus. Eine Blockade auf halber Strecke der Naziroute wurde von der Polizei gewaltsam geräumt. Dennoch verzögerte sich durch diesen Protest der Ablauf der rechten Aktion erheblich. An mehreren weiteren Punkten der Route konnten Antifas lautstark stören. Das ›Nazis raus!‹ übertönte oftmals die Hetzparolen der Rechten.«
Bei der Auflösung der Blockade durch die Polizei wurde auch eine Fahne der VVN-BdA beschlagnahmt. Unter den Blockierern befand sich Hans Coppi, dessen Eltern Hans und Hilde 1942 beziehungsweise 1943 als Mitglieder der Widerstandsgruppe »Rote Kapelle« von den Faschisten hingerichtet worden sind. Seine Personalien wurden aufgenommen, was die Grundlage des Verfahrens ist. Dass im Zusammenhang mit den antifaschistischen Protesten in Königs Wusterhausen nur gegen ihn ein Strafverfahren eröffnet wurde, begründet Coppi mit der Vermutung, dass ein Sündenbock gesucht werden musste, weil die Polizei von der Blockade genervt war.
Markus Tervooren vom Vorstand der Berliner VVN-BdA sagt, die Blockade von Königs Wusterhausen habe danach in vielen Städten in Brandenburg Schule gemacht. »Ob in Eberswalde, Bernau, oder Strausberg – in den vergangenen Wochen blockierten Antifaschistinnen und Antifaschisten immer wieder die Aufmarschversuche von Brandenburger und Berliner Neonazis.«
Das soll auch in den nächsten Wochen weitergehen. Für den Sonnabend der kommenden Woche kündigte die NPD kurzfristig einen Aufmarsch in Finsterwalde an. Antifaschistische Gegenaktionen werden vorbereitet. Schon seit Monaten geplant ist ein Aufmarsch der rechtsextremen Kameradschaft Märkisch Oder Barnim in Manschnow im Oderbruch am 10. Juli. Auch in diesem Fall mobilisieren Antifagruppen zu Gegenaktionen.
»Naziaufmärsche blockieren ist unser Recht«, betont Tervooren selbstbewusst. Die VVN-BdA ruft dazu auf, Hans Coppi bei seinem Prozess zu unterstützen.
Verfahren gegen Hans Coppi am 28. Juni, 11.45 Uhr, Amtsgericht Königs Wusterhausen, Schlossplatz 4, Saal 2003 (Schöffensaal)
FLÜCHTLINGE Eine von Neonazis in Zossen zerstörte antirassistische Ausstellung zur FLüchtlingspolitik ist rekonstruiert worden und im Haus der Demokratie zu sehen
Der Mann mittleren Alters war empört: Er sei nicht vor 20 Jahren gegen die Mauer auf die Straße gegangen, um jetzt einen schriftlichen Antrag zu stellen, wenn er von Oberhavel nach Berlin fahren will. Diese Maßnahme hatte ihm ein Team junger Männer und Frauen angekündigt, die sich „Arbeitskreis Innere Sicherheit Oberhavel“ nannten. Die Szene findet sich in einem Video, das in der am Montagabend im Berliner Haus der Demokratie wiedereröffneten Ausstellung „Residenzpflicht – Invisible Borders“ zu sehen ist. Die 1982 im Bundestag verabschiedete Regelung verbietet Flüchtlingen das Verlassen des ihnen von den Ausländerbehörden zugewiesenen Landkreises ohne Genehmigung. Die in dem Video gezeigten Szenen sind also nicht so absurd, wie sie sich anhören.
Die Ausstellung ist Teil einer Diplomarbeit, die der Architektursoziologe Philipp Kuebart an der TU Berlin erstellt hat. Dass die Exposition jetzt in Berlin gezeigt werden kann, ist dem Engagement vieler UnterstützerInnen zu verdanken. Sie war am 22. Januar bei einem von Neonazis gelegten Brand im Haus der Demokratie in Zossen (Teltow-Fläming) völlig zerstört worden. Während zivilgesellschaftliche Initiativen in Zossen im Gebäude einer ehemaligen Kfz-Zulassungsstelle ein neues Haus der Demokratie aufbauen, ist die überarbeitete und erweiterte Ausstellung im Berliner Haus der Demokratie bis 2. Juli zu sehen.
Neu hinzugekommen sind die Landschaftsbilder des Fotografen Max Kratzer. Die abgebildeten Wiesen, Feld- oder Waldwege sind für Flüchtlinge Orte der Angst und Kontrolle, die sie beim Verlassen ihres Flüchtlingsheims passieren müssen. Kay Wendel vom Flüchtlingsrat Brandenburg betonte in seiner Eröffnungsrede, dass in der Ausstellung Flüchtlinge nicht zu Opfern gemacht werden. Stattdessen stehe in den Arbeiten die Technik der Überwachung und Kontrolle im Mittelpunkt. Das wird an den ausgestellten Modellen verschiedener Brandenburger Flüchtlingsheime deutlich, die häufig in ehemaligen Kasernen errichtet worden sind. In Wort, Bild und Text werden den BesucherInnen Hintergründe zum deutschen Asylrecht vermittelt.
In der letzten Zeit sei der Druck zur Aufhebung dieser Bewegungseinschränkung in verschiedenen Bundesländern gewachsen, betont Wendel. In Bayern und Thüringen habe der kontinuierliche Widerstand von Flüchtlingen für Diskussionen gesorgt. In Brandenburg und Berlin habe sich die Linkspartei als Teil der Landesregierung gegen die Residenzpflicht ausgesprochen, während die SPD noch bremse. Deswegen planen antirassistische Gruppen anlässlich des SPD-Parteitags am Samstag um 8.30 Uhr vor der Kongresshalle eine Kundgebung.
Die Ausstellung könne in einer Zeit, wo es eine öffentliche Diskussion über die Residenzpflicht gibt, eine wichtige Aufklärungsfunktion übernehmen, betonte Wendel. Unter anderem soll sie in der Kreisverwaltung von Luckenwalde zu sehen sein, wo auch ein Publikum garantiert ist, das Informationsbedarf hat.
Die Ausstellung „Residenzpflicht – Invisible Borders“ ist bis 2. Juli montag bis samstags von 10- 17 Uhr im Haus der Demokratie und Menschenrechte, Greifswalder Str. 4, zu sehen
Antirassistische Gruppen planen anlässlich des SPD-Parteitags am Samstag um 8.30 Uhr eine Kundgebung
Nach dem Modell von Dresden wurde auch in Berlin ein Neonaziaufmarsch ausgebremst
Am frühen Nachmittag war klar, dass es im Norden Berlins für einige Hundert Neonazis, die dort aufmarschieren wollten, kein Durchkommen gibt. Sie mussten schon nach wenigen hundert Metern umkehren. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass sich nicht nur linke Aktivisten oder Politprominenz wie Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse den Rechten in den Weg stellten. Es waren vor allem die Anwohner aus Prenzlauer Berg, darunter viele ältere Menschen, die auf der Straße, aus den Fenstern ihrer Wohnungen oder den Hausdächern ihren Unmut über den rechten Aufmarsch deutlich artikulierten.
Damit hat sich in Berlin das Dresdner Modell durchgesetzt. Weil die Blockade eine bestimmte Größe erreicht und auch einen Querschnitt der Bevölkerung erfasst hatte, war eine gewaltsame Auflösung in den Augen der Polizei unverhältnismäßig und die Rechten hatten das Nachsehen.
Das galt auch für den Teil jener Neonazis, die besonders schlau sein wollten und abseits der angemeldeten Route auf der Westberliner Renommiermeile Kurfürstendamm aufmarschieren wollten. Dieser Versuch endete mit der Festnahme von knapp 250 Rechten. Berlins Innensenator Erhart Körting hatte im Vorfeld des 1.Mai erklärt, dass er Blockaden im Kampf gegen Rechts nicht für den richtigen Weg hält, aber auch deutlich gemacht, dass sie effektiv sein können:
„Wenn es zu einer Gegendemonstration von, sagen wir mal, 50 000 Leuten kommt, kann es verhältnismäßig sein, die Route umzuleiten.“
Dieses Ziel wurde nun sogar mit geringeren Kräften erreicht. Der Sprecher des Bündnisses „1.Mai -Nazifrei“ war mit dem Ablauf zufrieden: „Wir haben heute gezeigt, dass es möglich ist, die Nazis mit entschlossenem zivilgesellschaftlichem Handeln zu stoppen.“
Dabei hatte es in den letzten Tagen von verschiedenen Seiten Störfeuer gegen das Bündnis gegeben. Höhepunkt war eine Fernsehsendung, die einen Teil des Bündnisses in die Chaotenecke stellen wollte. Auch die Bildzeitung versuchte Neonazis, die im Wald das Durchbrechen von Polizeiblockaden trainierten, und Antifaschisten, die bei einem Pressetermin ein öffentliches Blockadetraining in Berlin veranstalteten, auf eine Stufe zu stellen.
Dabei hatte sich schon bei der Mobilisierung zur Blockade des Neonaziaufmarsches in Dresden im Februar 2010 gezeigt, dass solche Störfeuer wenig Erfolg haben. Allerdings gab es am 1. Mai auch andere Beispiele. So konnten die Rechten in Zwickau trotz Blockadeversuche einen Aufmarsch durchsetzen.
Wie sich der erfolgreiche Antifaprotest in Berlin auf die Stimmung im am 1.Mai traditionell unruhigen Stadtteil Kreuzberg auswirkte, ist zur Stunde noch offen. Die verschiedenen Demonstrationen verliefen ohne Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach deren Ende kam es zu vereinzelten Auseinandersetzungen.