Kein dauerhafter Gedenkort

Die Fontanepromenade 15 sollte an jüdische Zwangsarbeiter erinnern. Verhandlungen sind nun gescheitert

Die Fontanepromenade 15 in Kreuzberg wird doch kein dauerhafter Gedenkort. In dem Gebäude war zwischen 1938 und 1945 die „Zen- trale Dienststelle für Juden“ des Berliner Arbeitsamts untergebracht. Von dort aus wurden etwa 26.000 Berliner Jüdinnen und Juden in Zwangsarbeit in unterschiedliche Betrieben genötigt. Die deutsch-israelische Journalistin und Holocaust-Überlebende Inge Deutschkron gehört zu den Opfern. In einem offenen Brief an den Berliner Kultursenat im Jahr 2016 bezeichnete sie die Fontanepromenade 15 als Ort, der zum „Ausgangspunkt unsäglichen Leidens geworden ist“, und forderte, dass das Gebäude eine Nutzung erfährt, „die seiner historischen Bedeutung gerecht wird“. Diese Hoffnung dürfte sich nicht erfüllen.

Verhandlungen über eine Anmietung von Räumen für einen dauerhaften Gedenkort waren nicht erfolgreich, heißt es in einer Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Kultur von Anfang Mai. Die Flächen seien nicht barrierefrei und es fehle an sanitären Anlagen. Doch auch wirtschaftliche Gründe werden genannt: „Der Eigentümer ist nach seiner Bauinvestition gebunden, die Flächen an einen um- satzsteuerpflichtigen Mieter zu vergeben, damit scheidet die Topographie des Terrors aus.“

Der Bremer Architekt Marc Brune, der das Gebäude 2015 erwarb, hat sich nun bereit erklärt, die Eingangshalle des Hauses an zwei Tagen im Jahr für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das ist nicht einmal genug Zeit, um eine Ausstellung aufzubauen, kritisiert Anne Allex, die im Verein Gedenkort Fontanepromenade 15 aktiv ist. Sie hatte seit Juni 2017 ein Gedenkkonzept entwickelt und stand mit der Senatsverwaltung und dem Hauseigentümer im Kontakt. Der Einrichtung als Gedenkort schien nichts mehr im Wege zu stehen. Im Berliner Doppelhaushalt 2018/19 waren 50.000 Euro für die Entwicklung des Gedenkortes vorgesehen. „Unser Verein kämpft weiter für die Durchführung der Bildungsarbeit am authentischen Ort. Doch von der Senatsverwaltung fühlen wir uns dabei im Stich gelassen“, betont Allex.

donnerstag, 24. mai 2018 taz 

Peter Nowak

Gedenkort zu Wohnungen

KREUZBERG  Widerstand  gegen Baumaßnahmen  in der ehemaligen  NS-Dienststelle für  jüdische Zwangsarbeit

Mehr als 26.000 Berliner Jüdinnen und Juden wurden zwischen 1938 und 1945 in der „Zentralen Dienststelle für Juden“ in Fontanepromenade 15 in Kreuzberg für die Zwangsarbeit in verschiedenen Betrieben eingeteilt. Die Volkswirtin Elisabeth Freund war eine von ihnen. In ihren Aufzeichnungen „Als Zwangsarbeiterin in Berlin“ schrieb sie, dass die NS-Behörde in der Fontanepromenade von den Betroffenen „Schikanepromenade“ genannt wurde Die Historikerin Sieglinde Peters klassifizierte die „Zentrale Dienststelle für Juden“ bei der Einweihung des Gedenkzeichens 2013 als „eine zivile Behörde mit Handlangerdiensten zur Selektion, Ausbeutung und Vernichtung“. Doch die vor der Jahren eingeweihte Stele ist zurzeit verhüllt – und es ist nicht sicher, ob und wann sie wieder zugänglich sein wird. Denn im Frühjahr 2015 wurde das geschichtsträchtige Gebäude für knapp 800.000 Euro an die „Fontanepromenade 15 GbR“ verkauft. Und Ende August 2016 erteilte das Bezirk samt Friedrichshain-Kreuzberg der Gesellschaft eine Baugenehmigung. Vor einigen Wochen haben die Bauarbeiten an dem historischen Gebäude nun begonnen. Geplant ist der Umbau „in  Büros und Wohnungen“, wie auf einem Zettel vor Ort zu lesen ist.

Die vor drei Jahren eingeweihte Gedenkstele ist zurzeit verhüllt

Die Stadtteilinitiative „Wemgehört Kreuzberg“ fordert in einem Offenen Brief einen Baustopp und die Rücknahme der Baugenehmigung. „Wir halten es für einen absoluten Skandal, dass ein solcher Geschichtsort der Immobilienspekulation geopfert und nicht als Gedenkort zur jüdischen Zwangsarbeit und zum Holocaust öffentlich genutzt wird“, heißt es in dem Schreiben. Dort werden der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und das Land Berlin dafür kritisiert, dass sie die Chance nicht genutzt habe, durch einen Kauf des Gebäudes dafür zu sorgen, dass es als Geschichtsort erhalten bleibt. Die Stadtteilinitiative will sich nicht damit zufrieden geben, dass der einstige Bezirksamtssprecher Sascha Langenbach die Hoffnung äußerte, dass auch der private Investor das Gebäude seiner historischen Bedeutung entsprechend nutzen wird. Lothar Eberhardt, der seit Langem in der Geschichtsarbeit engagiert ist, nennt im Gespräch zwei Gebäude, die in letzter Zeit durch die Immobilienwirtschaft enthistorisiert worden seien: das ehemalige Berliner Arbeitshaus in Rummelsburg und das ehemalige NS-Kriegsgericht in Charlottenburg. Die kürzlich gegründete Initiative Gedenkort Fontanepromenade sieht noch eine Chance, eine solche Entwicklung in  Kreuzberg zu verhindern. Ihre Mitglieder haben Schreiben an die Berliner SenatorInnen für Kultur und Bauwesen gerichtet. Und warten nun auf die Antworten.

Taz 19.12.2016

PETER NOWAK