Wenn Wohnraum "aus der Bindung fällt": Der Stadtsoziologe Andrej Holm weist nach, dass die private Eigentumsförderung kein Weg ist, um Wohnungen für alle zu errichten
Hintergrund ist, dass sie ganz bewusst auch den sozialen Wohnungsbau mit kapitalistischer Eigentumsbildung verknüpfen wollten. Natürlich gab und gibt es Alternativen. Vor allem in nichtkapitalistischen Ländern wurde der Wohnungsbau vom Staat kontrolliert.
Wenn von der aktuellen Wohnungsmisere in Deutschland die Rede ist, verweisen auch gern auch von Mieteraktivisten auf die Kappung des sozialen Wohnungsbaus als eine der wichtigsten Ursachen. Der Hinweis scheint erst mal vernünftig, weil die Wohnmisere schließlich nicht darin besteht, dass zu wenig gebaut wird, sondern darin, dass kaum …
Sarah Graber Majchrzak: Arbeit – Produktion – Protest: Die Leninwerft in Gdańsk und die AG »Weser« in Bremen im Vergleich (1968–1983). Böhlau-Verlag, Wien/Köln/Weimar 2021, 563 Seiten, 65 Euro
Sarah Graber Majchrzaks Studie über die Leninwerft in Gdańsk und die AG »Weser« in Bremen
»Über dem Haupteingang der AG ›Weser‹ liegt ein Hauch von Danzig, ein Hauch von Lenin-Werft«, hieß es in einer Reportage eines Bremer Lokalradios im September 1983. Es war der Höhepunkt der Besetzung der Bremer AG-Werft, mit der die Beschäftigten die …
Sarah Graber Majchrzak: Arbeit – Produktion – Protest. Die Leninwerft in Gdańsk und die AG „Weser“ in Bremen im Vergleich (1968-1983), Böhlau Verlag 2021, 563 Seiten, 65,00 Euro, ISBN 9783412519179
Sarah Graber Majchrzak beschreibt gut, warum die Gdańkser und die Bremer Arbeiter*innen im wahrsten Sinne auf die Barrikaden gingen und mit der Werftbesetzung proletarische Geschichte schrieben. Es bleiben natürlich Fragen, warum dieser proletarische Internationalismus über die unterschiedlichen Herrschaftssysteme hinweg heute so wenig bekannt ist und der Kampf in Polen von der kapitalistischen Siegergeschichtsschreibung vereinnahmt wurde. Wer das Buch von Graber Majchrzak liest, wird einige Antworten finden.
In der Danziger Leninwerft wurde die Gewerkschaft Solidarność gegründet. Ihr wird das Verdienst zugesprochen, zum Untergang des Staatskapitalismus in den osteuropäischen Ländern beigetragen zu haben. So wird ein Mythos über die Werft in Gdańsk kreiert, wonach von dort der Ruf nach Freiheit und Demokratie im Sinne des Kapitalismus ausgegangen sei. Da ist umso erfreulicher, dass sich Sarah Graber Majchrzak in ihrem gründlich recherchierten Buch „Arbeit – Produktion – Protest“ mit den sozialen Ursprungszielen des Protests der Arbeiter*innen auf der Leninwerft beschäftigt und sie mit den Kämpfen auf der Bremer ….
… ums Ganze:
Nichts ist unmöglich
Über den automobilen Kapitalismus und sein Ende
Selbstverlag, Berlin 2021
60 Seiten, kostenlos
„Nichts ist unmöglich“ ist der Titel einer Broschüre „über den automobilen Kapitalismus und sein Ende“. Darin macht das „Ums Ganze“-Bündnis einen Vorschlag für eine linke Intervention in die Klimapolitik. Bei dem Bündnis handelt es sich um einen …
Gernot Jochheim: Antimilitarismus und Gewaltfreiheit. Die niederländische Diskussion in der internationalen anarchistischen und sozialistischen Bewegung 1890–1940. Verlag Graswurzelrevolution, 356 S., br., 26 €.
Gernot Jochheim über Antimilitarismus und Gewaltfreiheit in der jüngeren Vergangenheit
Schon jetzt kann man von einem Standardwerk zum Thema Gewaltfreiheit und Antimilitarismus sprechen, das der Historiker und Pädagoge Gernot Jochheim vorgelegt hat. Bereits in seiner Dissertation an der Freien Universität Berlin 1977 hatte er sich mit der antimilitaristischen Bewegung in den Niederlanden in den Jahren 1890 bis 1940 beschäftigt. Daraus erwuchs dieses Buch, das Wolfram Beyer in seinem Vorwort zu Recht lobt. Es verwundert jedoch, dass er zugleich kritisiert, Antimilitarismus sei bis dato …
Welche Auswirkungen ideologische Einkapselung haben kann, zeigt sich an der Geschichte der anarchistischen Bewegung in der Weimarer Republik.
„Wenn einst eine kommende Geschichtsschreibung unserer Bewegung diese Zeit beurteilen wird, dann wird sie nur mit liebevoller Achtung von denen sprechen, die trotz bewußter Entstellung, Verleumdung und verhehlten heimtückischen Absichten alledem standgehalten haben, den Glauben an unsere ideale Sache nicht verloren und den Kampf mutvoll weitergeführt haben, ihn auch weiterhin im Dienst des kommunistischen Anarchismus unerschrocken und unnachgiebig führen werden.“
Diese pathetischen Worte richtete der österreichische Anarchist Karl Knauer am 28. März 1929 in einem Grußwort des Föderationskomitees Wien an den Föderationskongress, der in Kassel tagte. Dabei handelte es sich um eine Konferenz der …
Warum man das nach über 30 Jahren noch lesen soll? Zunächst, weil man etwas über die Schwierigkeiten erfährt, unter Isolationshaftbedingungen eine Diskussion führen zu können. Immer wieder stockte die Kommunikation, weil Briefe von den Behörden abgefangen wurden oder erst nach Wochen ankamen. Der junge Kurde ist im Vorfeld des Massenprozesses in Düsseldorf daran interessiert, mehr über den Umgang der BRD-Justiz mit antagonistischen Linken zu erfahren. Dafür konnte Eckes viele Beispiele liefern.
Christa Eckes gehörte zu den Gefangenen der RAF, für deren Freilassung ein Teil der außerparlamentarischen BRD-Linken in den 1980er Jahren kämpfte. Sie hat vom April 1988 bis Dezember 1989 einen Briefwechsel mit Hüseyin Çelebi geführt, der im Rahmen der Repression gegen kurdische Aktivist*innen verhaftet worden war. Die ehemaligen RAF-Gefangenen Gisela Dutzi, Sieglinde Hoffmann und Brigitte Mohnhaupt haben diesen Briefwechsel nun veröffentlicht. Warum man das nach über 30 Jahren noch lesen soll? Zunächst, weil man …
In Italien ist der Begriff »’68« untrennbar verwoben mit den Arbeitskämpfen in den Turiner Fiat-Werken. Die Neue Linke nutzte diese wirkliche Bewegung für die Formulierung einer Theorie der Praxis: des Operaismus
Mitten im September 1969, kurz nach ihrer Rückkehr aus den Betriebsferien befinden sich rund 30 000 Arbeiter der größten Fabrik Italiens, der Fiat in Turin, im Ausstand. Der Unternehmer greift zur schärfsten Waffe, die Regierung ist ratlos, die Gewerkschaften und die revisionistischen Parteien zittern.« So euphorisch berichtete Christian Arnsberger im September 1969 in der Roten Pressekorrespondenz (RKP), einem Bulletin der Westberliner außerparlamentarischen Linken, über die Streiks in den Turiner Fiat-Werken. Damals erhofften sich viele westeuropäische Linke von diesen Arbeitskämpfen eine …
Nadine A. Brügger: Helvetias Töchter. Kampf, Streik, Stimmrecht: Acht Frauengeschichten aus der Schweiz von 1846 bis 2019. Arisverlag, 367 Seiten, 29,90 Euro
Nadine A. Brügger erzählt vom Kampf für das Frauenstimmrecht, beleuchtet aber vor allem die bürgerliche Frauenbewegung in der Schweiz. Die beiden Schweizer Frauenstreiks von 1991 und 2019 werden im Buch erwähnt, aber nicht in eine Erzählung eingebunden.
Vor 50 Jahren wurde das Frauenstimmrecht in der Schweiz per Volksabstimmung eingeführt. Die Historikerin und Journalistin Nadine A. Brügger erinnert aus diesem Anlass in ihrem Buch »Helvetias Töchter« an die …
Entspannt Bauen den Mietenmarkt? Als Herausgeber des Bandes „Wohnkonzerne enteignen“ ist der Soziologe Philipp Metzger der Meinung, dass ein Mietendeckel auch bundesweit Erfolg haben könnte
Der 1983 geborene Soziologe Philipp Metzger ist Herausgeber des Buches „Wohnkonzerne enteignen – Wie Deutsche Wohnen und Co. ein Grundbedürfnis zu Profit machen“, das kürzlich im Mandelbaum Verlag erschienen ist.
Buchvorstellung am Donnerstag um 19 Uhr im Alten Wasserwerk Tegel, Trettachzeile 15
taz: Herr Metzger, bezieht sichder Titel Ihres Buches „Wohnkonzerne enteignen“ nur auf die Berliner Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteig- nen oder könnte die Forderung auch in anderen Städten aktuell werden? …
Ende 1960er-Jahre erhofften sich viele westeuropäische Linke von den Turiner Fiatwerken eine Erneuerung des Marxismus. In seinem Buch «Aufstand in der Fabrik» zeichnet Dietmar Lange die Arbeitskämpfe bei Fiat in Turin nach.
Mit dem Operaismus entstand eine linke Strömung, die den Anspruch erhob, sich an tatsächlichen Kämpfen der Arbeiter*innenklasse und nicht der Politik der Gewerkschaften zu orientieren. Die jungen kommunistischen Intellektu- ellen um die Zeitung Quaderni Rosso machten Ende der 1950er-Jahre in den Turiner Fiatwerken ihre Arbeiter*innenuntersuchungen. Dort trafen sie auf eine Situation im Umbruch: …
Dietmar Lange: Aufstand in der Fabrik. Arbeitsverhältnisse und Arbeitskämpfe bei Fiat-Mirafiori 1962 bis 1973. Böhlau-Verlag, Köln 2021, 421 Seiten, 54,99 Euro
Die außerparlamentarische Linke hat das Interesse an den Kämpfen der Arbeiter bald verloren. Doch die Geschichte des Aufstands liest sich noch immer spannend.
Der sogenannte heiße Herbst im Turiner Fiat-Werk Mirafiori im Jahr 1969 erregte weit über Italien hinaus Aufmerksamkeit in der außerparlamentarischen Linken. Intellektuelle und Studenten aus ganz Europa interessierten sich für die Kämpfe der Arbeiter bei Mirafiori. Schließlich unterschieden sich die dortigen Streiks erheblich von den …
Robin De Greef: Riders United! Arbeitskämpfe bei Essenslieferdiensten in der Gig-Economy, das Beispiel Berlin. Berlin: Die Buchmacherei, 2020. 143 S., 10 Euro
.Als positives Beispiel hebt de Greef hervor, dass sich die Taxi-AG bei Verdi, ein Zusammenschluss gewerkschaftlich organisierter Berliner Taxifahrer:innen, mit den Riders solidarisierten.
Wir werden auch in den nächsten Jahren noch häufiger von Arbeitskämpfen der Riders hören. Denn die Branche boomt im digitalen Zeitalter, sie hat unter Corona-Bedingungen noch mal mächtig zugelegt.
Das leicht verständliche Buch von Robin De Greef liefert einen guten Überblick über die Möglichkeiten und auch die Probleme einer gewerkschaftlichen Organisierung in der Lieferbranche.
Immer mehr prägen Essenslieferdienste das Straßenbild großer Städte. Dabei wird oft vergessen, welche Arbeitsbedingungen in der Branche dominieren. Und immer wieder erinnern die Beschäftigten selber daran, dass Ausbeutung zum Geschäftsmodell gehört. So begannen Mitte Juni …
Gabriele Winker: Solidarische Care-Ökonomie. Revolutionäre Realpolitik für Care und Klima Transcript Verlag, Bielefeld 2021 216 Seiten, 15 Euro ISBN 978-3-8376-5463-9
Im letzten Kapitel „Care-Revolution als Transformationsstrategie“ benennt Winker Reformen, die die Lebensbedingungen von Millionen Menschen konkret verbessern und die Kapitalprofite zumindest beschränken. Dazu gehören die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, ein bedingungsloses Grundeinkommen und eine an den menschlichen Bedürfnissen orientierte soziale Infrastruktur. Auch die Vergesellschaftung von Betrieben und Einrichtungen der Grundversorgung und die Einrichtung von Räten als demokratische Beteiligungsformen jenseits des Parlamentarismus gehören zu Winkers Programm einer revolutionären Realpolitik.
In Berlin mobilisiert seit Monaten ein Bündnis, das sich Berliner Kran- kenhausbewegung nennt, für mehr Personal und bessere Bezahlung der Beschäftigten im Krankenhaus- und Pflegebereich. In dem von der Dienst- leistungsgewerkschaft Verdi initiierten Bündnis arbeiten auch …