»Wir unterstützen die Streiks bei Amazon in Deutschland« – Transparente mit diesem Motto hingen in der letzten Junihälfte rund um das Amazon-Werk in Poznań (Polen). Es blieb nicht bei Bekenntnissen. Die Nachtschicht bei Amazon in Poznań solidarisierte sich vom 24. auf den 25. Juni durch demonstratives Bummelstreiken mit dem Streik bei Amazon-Deutschland. Andere Beschäftigte stellten kurzfristig Urlaubsanträge, um keine Streikbrecher zu werden. Tage vorher hatten Mitglieder der anarchosyndikalistischen Inicjatywa Pracownicza (IP) in dem Werk Flugblätter über den Verdi-Streik in Deutschland verteilt und dabei T-Shirts mit dem Slogan »Pro Amazon mit Tarifvertrag« getragen. Noch im Dezember 2014 bei der Eröffnung der Werke in Poznań und Wrocław erklärte der Logistikchef von Amazon Europe, Tim Collins, dass die polnische Dependance für pünktliche Lieferungen an Amazon-Kunden sorgen werde, auch wenn Verdi in Deutschland zum Arbeitskampf aufrufe. Doch schon vor Weihnachten 2014 hatte sich ein Teil der Belegschaft an die IP gewandt, weil sie mit den Arbeitsbedingungen unzufrieden war. Mitte Mai organisierte die Gewerkschaft unter der Parole »My Prekariat« (Wir Prekären) eine erste Warschauer Mayday-Parade mit knapp 350 Teilnehmern. Neben Beschäftigten von Universitäten, Bauarbeitern, Theaterleuten und Erziehern beteiligten sich auch Arbeiter von Amazon daran. Vom 2. bis zum 4. Oktober 2015 haben auch die Amazon-Beschäftigten Gelegenheit, Kontakt zu den polnischen Kollegen aufzunehmen. Am ersten Oktoberwochenende wird zu einer Tagung mit dem Thema transnationaler sozialer Streik in Poznań aufgerufen. In Arbeitsgruppen soll erörtert werden, wie man sich kollektiv gegen die Fragmentierung und Individualisierung der Arbeit wehrt. Es geht um die Vernetzung fester und befristeter Angestellter und die Frage, wie die kapitalistische Ausbeutung länderübergreifend angegriffen werden kann.
Monat: August 2015
Städtepartnerschaftlicher Aktivismus in Mietfragen
PROTEST Unterstützung über die engen Stadtgrenzen hinweg: Solidarität für eine von Zwangsräumung bedrohte Berlinerin, am Wohnort ihrer Vermieterin
„Alle für Andrea, Zwangsräumungen verhindern“, skandierten etwa 25 MietrebellInnen und „Recht auf Stadt“-AktivistInnen vor einigen Tagen. Sie taten es zur Unterstützung der 54-jährigen Andrea B., die aus ihrer Wohnung in der Blumenthalstraße in Tempelhof zwangsgeräumt werden soll. Doch die Kundgebung fand nicht vor deren Wohnung in Berlin statt, sondern etliche hundert Kilometer weiter weg, im noblen Kölner Stadtteil Lindenthal. Dort hat die Vermieterin von Andrea B. ihren Wohnsitz. Sie hat der langjährigen Mieterin gekündigt, nachdem das Grundsicherungsamt, von dem B. eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, die vollständige Miete zu spät überwiesen hatte. Die Vermieterin hatte die Miete um 70 Euro erhöht, was Andrea B. auch dem Grundsicherungsamt mitteilte. „Weil ich den Mietrückstand zwei Tage zu spät beglichen habe, wurde mir sofort gekündigt“, empört sich die Mieterin. Sie wandte sich an das Berliner Bündnis gegen Zwangsräumungen. Dass nun in ihrem Fall auch am Wohnort der Vermieterin in Köln protestiert wurde, geht vor allem auf eine Initiative von Kalle Gerigk zurück. Der wurde 2014 zwangsgeräumt. Initiativen aus Köln und Umgebung hatten unter dem Motto „Kalle für Alle“ vergeblich dagegen mobilisiert. In Folge engagierte sich Gerigk nun für andere von Zwangsräumung bedrohte MieterInnen. „Ich will die unglaubliche Solidarität, die ich damals erfahren habe, weitergeben“, begründete der 56-Jährige sein Engagement für die Berliner Mieterin.
Die Mietrebellen
„Das Gefühl, dass eine Zwangsräumung rechtlich und sozial ungerecht ist und man sich dagegen wehren muss, teilen auch viele Menschen, die bisher nie politisch aktiv waren“, sagt der Berliner Regisseur Matthias Coers. Sein gemeinsam mit Gertrud Schulte Westenberg gedrehter Film „Mietrebellen“ über die Geschichte des jüngeren Berliner MieterInnenwiderstands kam im vergangenen Jahr in die Kinos. Mittlerweile wurde der Film in zahlreichen Städten bundesweit aufgeführt. „Oft diskutierten die Menschen danach, wie sie sich zusammenschließen und engagieren können“, so die Erfahrung von Coers. Auch Grischa Dallmer, der an dem Film mitgearbeitet hat, beobachtet in der letzten Zeit eine größere Bereitschaft, auch über Stadtgrenzen hinweg Widerstand gegen Verdrängung zu leisten. Wichtig sei allerdings auch im Internet-Zeitalter der persönliche Kontakt, betont er. „Es bringt wenig, einen bundesweiten Aktionstag gegen Zwangsräumungen auszurufen.“ Es sind, sagt Dallmer, die „konkreten Schicksale von Menschen, die ihre Wohnung verlieren sollen, die den Widerstand mobilisieren“.
aus Taz: 5.8.2015
Peter Nowak
Die ewige Merkel und die deutsche Volksgemeinschaft
Merkel hat in der Union keinen Konkurrenten, aber auch nicht bei ihren Koalitionspartner SPD
Die Frage, ob Merkel noch einmal zur Wahl als Kanzlerin antritt, beschäftigt die Medien eigentlich seit der letzten Wahl. Im März 2014 wollte sie sich noch nicht festlegen [1], wurde aber schon von CSU-Chef Seehofer zur Kanzlerkandidatin 2017 ausgerufen. Zwei Jahre vor der nächsten Wahl wird darüber berichtet, dass schon erste organisatorische Vorbereitungen für Merkels erneute Kandidatur getroffen wurden.
Nun haben die Medien im Sommerloch genügend Futter, um darüber zu sinnieren, ob es Merkels Ziel ist, länger als Adenauer im Kanzleramt zu überdauern oder gar ihren verstoßenen Ziehvater Helmut Kohl noch am Aussitzen zu überdauern. Dann müsste sie allerdings auch zu den übernächsten Wahlen antreten. Dass sich die Medien mit solchen Themen beschäftigen, dokumentiert auch wieder einmal ihre Inhaltsleere. Sie machen sich damit zum kostenlosen Wahlhelfer. Denn es gehört natürlich zur Unionsstrategie, so selbst zwei Jahre vor den Wahlen schon die Kampagne inoffiziell zu beginnen.
Festgelegt hat sich Merkel ja noch nicht. Dann wäre ja auch die Spannung raus und das Thema wäre nicht mehr für tiefsinnige Artikel zu haben. So ist es für die Unionswahlkampfstrategie doch das Klügste, das Thema noch etwas am Köcheln zu halten, obwohl doch schon nach den letzten Wahlen klar war, dass Merkel kandidieren wird. Dass im Frühjahr 2014 gerade Horst Seehofer, der ja nicht immer als Merkel-Freund galt, ihre neue Kandidatur anpries, passt auch da völlig ins Konzept. Es gibt keinen Konkurrenten im Unionslager, soll es signalisieren.
Das hat sich nicht geändert, auch wenn beim Streit um die Durchsetzung des Austeritätsdiktat gegenüber Griechenland schon mal eine Differenz zwischen Merkel und Schäuble in manchen Medien konstruiert wurde. Nur haben hier die beiden konservativen Politiker mit verteilten Rollen das gleiche Ziel verfolgt, eine Alternative zur von Deutschlands Interessen geprägten Austeritätspolitik zu ersticken. Außerdem ist klar, dass Schäuble wegen seiner Rolle im Spendenskandal der Ära Kohl kein Aspirant auf das Kanzleramt sein wird.
Merkel auch Kandidatin der SPD
Merkel hat in der Union keinen Konkurrenten – aber auch nicht bei ihren Koalitionspartner SPD. Dort wird sogar diskutiert, erst gar keinen eigenen Kandidaten aufzustellen. „Sie ist eine ausgezeichnete Kanzlerin“, erklärte [2] der Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident mit SPD-Parteibuch Torsten Albig und bezweifelte eine eigene Kanzlerkandidatur. Er blieb in der SPD mit dieser Meinung nicht allein, obwohl der SPD-Parteiapparat von diesen Äußerungen gar nicht angetan war.
Schließlich bedeuten sie die Demontage des gegenwärtigen SPD-Vorsitzenden Gabriel, der schließlich das Zugriffsrecht auf eine Kanzlerkandidatur seiner Partei hat. Tatsächlich ist die Merkel-Befürwortung in Teilen der SPD-Spitze ein Akt des Misstrauens gegenüber Gabriel. Aber sie ist nur konsequent. Schließlich hat die SPD im Kern immer die Politik gemacht, die die Union vorgegeben hat. Nur gelegentlich versuchte Gabriel die Union noch rechts zu überholen. Etwa bei seiner Anbiederung an Pegida und die Hetze gegen eine kryptokommunistische griechische Regierung, die keinen Cent von deutschen Arbeitern erhalten soll.
Angesichts solcher Äußerungen sehen nicht nur manche Sozialdemokraten Merkel als das kleinere Übel. Dass die SPD sich fragt, ob sie überhaupt noch eine Kanzlerkandidatur erwägen soll, zeigt auch, dass sie mittlerweile mit den Grünen konkurriert, die 2011 erstmals über eine eigene Kanzlerkandidatur [3] diskutierten. Wie schnell der Weg noch weiter nach unten gehen kann, zeigt sich an der FDP, die noch vor 15 Jahren erstmals eine Kanzlerkandidatur wagen wollte. Erst stürzte Jürgen Möllemann ab, der diesen Posten gerne eingenommen hätte, und dann die ganze Partei ab.
Kein Protest gegen ewige Kanzlerin
Erstaunlich ist, dass im Medienecho über Merkels erneute Kandidatur kaum mal daran erinnert wurde, dass in fast allen bürgerlichen Demokratien die Begrenzung der Amtszeit der Regierenden zum Wesen der Demokratie gehört. Nicht nur in den USA, auch in Frankreich und den meisten lateinamerikanischen Staaten kann ein Präsident nicht beliebig oft kandieren. Selbst der russische Präsident Putin musste zwischendurch mal auf das Amt des Premierministers rotieren.
In Deutschland gibt es diese Beschränkungen nicht und auch keine wahrnehmbare Bewegung, die angesichts der ewigen Merkel eine solche Beschränkung fordert. In manchen Ländern lösen die Kandidaturankündigungen von Dauerpolitikern Massenproteste und regelrechte Staatskrisen aus. In Deutschland hingegen spürt man schon das Aufatmen, dass Merkel sich noch einmal bereit erklärt, die deutsche Mutti zu spielen, die wenn es sein muss, mit Pickelhaube auf dem Kopf [4] in aller Welt deutsche Interesen vertritt.
Gibt es mal einen Sturm im Wasserglas, wie bei den schnell abgebrochenen Ermittlungen gegen netzpolitik.org, gerät Merkel erst gar nicht in die Kritik, sondern kann sogar noch profitieren, weil sie sich erst bedeckt hielt und dann auch zur Kritikerin der Justizermittlungen wurde. Seltsamerweise wagt hier gar niemand den Einwand, dass die Justiz idealtypisch gar nicht von der Politik abhängig ist und die massive Kampagne gegen die Ermittlungen eigentlich als Unter-Druck-Setzen dieser als 3. Gewalt apostrophierte Justiz sonst heftig kritisiert wird.
Doch Merkel hat auch viele andere umstrittene Sach- und Personalentscheidungen ohne Imageverlust überstanden. Das liegt aber weniger an ihrer Person als an ihrer Funktion. Hier zeigt sich einmal mehr, wie recht der Politologe Johannes Agnoli schon Ende der 60er Jahre mit seiner Schrift Die Transformation der Demokratie [5] hatte.
Dort konstatierte er das Wirken einer großen kapitalistischen Einheitspartei mit mehreren Flügeln in Deutschland. In den Zeiten der Weltmarktkonkurrenz spielen auch die Flügel kaum noch eine Rolle. Und so ist es nur folgerichtig, dass diese Einheitspartei „Modell Deutschland“ erwägt, auch nur noch eine Kandidatin auf den Schild zu heben. Der Großteil der Bevölkerung fühlt sich gut vertreten, weil sie von Interessengegensätzen im In- und Ausland nichts hören will. Sie halluziniert sich wieder zur Volksgemeinschaft, die nach Außen mit einer Stimme auftritt. Merkel wird von der Mehrheit der Bevölkerung als gute Besetzung für diesen Job gesehen.
http://www.heise.de/tp/news/Die-ewige-Merkel-und-die-deutsche-Volksgemeinschaft-2768197.html
Peter Nowak
Links:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
Sechs Monate Kampf und noch immer kein Lohn
Die Auseinandersetzung migrantischer Arbeiter der „Mall of Berlin“ für ihren Lohn und ihre Würde geht weiter
„Sie haben die Arroganz der Macht, doch sie haben nicht mit unserer Bereitschaft zum Widerstand gerechnet. Was das Aufgeben betrifft, da haben sie bei uns keine Chance.“ Die knapp 200 TeilnehmerInnen der Demonstration „Sechs Monate Kampf und noch immer kein Lohn“ brechen in Applaus aus, als einer der rumänischen Kollegen spricht, die um ihren Lohn kämpfen (DA berichtete). Ein Stundenlohn von sechs Euro sowie Kost und Logis war ihnen versprochen worden. Der Betrag ist wesentlich niedriger als der im Baugewerbe gültige Mindestlohn. Aber selbst dieser Niedriglohn wurde den Bauarbeitern vorenthalten.
Im Oktober 2014 hatten sie sich zunächst an den DGB Berlin-Brandenburg gewandt. Das im dortigen Gewerkschaftshaus angesiedelte „Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte“ nahm Kontakt mit dem Generalunternehmer der Baustelle, der Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, auf und schrieb Geltendmachungen. Außer Abschlagszahlungen, die nur einen Bruchteil des vorenthaltenen Lohnes ausmachten, konnten die Bauarbeiter auf diesem Weg allerdings nichts erreichen. Sie hatten weder Arbeitsverträge noch Gewerbescheine – das macht die Durchsetzung ihrer Ansprüche schwierig. Einige nahmen die Abschlagszahlungen und unterzeichneten zudem eine vom Unternehmen vorbereitete Erklärung, nach der sie auf weitere rechtliche Schritte verzichten sollten. Andere beharrten darauf, ihren vollen Lohn zu erhalten, und wollten weiter gehen. Erst, als sich die verbliebenen Bauarbeiter an die FAU wandten, begann die Öffentlichkeitsarbeit. „Mall of Berlin – auf Ausbeutung gebaut“ lautete die Parole. Der von der FAU kreierte Begriff „Mall of Shame“ hat sich mittlerweile im Internet verbreitet. Der gesellschaftliche Druck hatte bisher nicht ausgereicht, um zu bewirken, dass der Generalunternehmer und seine Subunternehmen die ausstehenden Löhne bezahlten. Dabei handelte es sich um einige Tausend Euro. Für die Unternehmen sind es Beträge aus der Portokasse. Für die betroffenen Bauarbeiter und ihre Familien in der Heimat ist das Geld existenziell. Anfang April hatten zwei der Bauarbeiter einen juristischen Etappensieg errungen. Das Berliner Arbeitsgericht bestätigte die Forderungen von Nicolae Molcoasa und Niculae Hurmuz. Das beklagte Subunternehmen war nicht zur Verhandlung erschienen und hatte auch keinen Anwalt geschickt. So musste das Gericht der Klage stattgeben. Doch wenige Tage später ging ein Anwalt des Unternehmens in Berufung – jetzt müssen die Arbeiter weiter auf ihren Lohn warten. Im August sind die nächsten Prozesse vor dem Arbeitsgericht angesetzt. Trotz aller Schwierigkeiten betonen die betroffenen Arbeiter, wie wichtig es für sie war, gemeinsam mit der FAU um ihren Lohn zu kämpfen. Nur ein Teil der Betroffenen kann die Auseinandersetzung jetzt noch in Berlin führen. Andere mussten wieder nach Rumänien zurück oder haben in einer anderen Stadt Arbeit gefunden. Die Kollegen, die bis heute durchgehalten haben, berichten auch über die vielen Schwierigkeiten. Zu Beginn ihres Kampfes hatten sie weder Geld noch Unterkunft. Die FAU kümmerte sich um Essen und Obdach. Wenn sie auch nach sechs Monaten Kampf noch immer auf ihren Lohn warten müssen, so haben sie doch schon einen wichtigen Erfolg errungen. Sie haben deutlich gemacht, dass ausländische ArbeiterInnen in Deutschland nicht rechtlos sind und sich wehren können. Denn der Fall der rumänischen Bauarbeiter ist keine Ausnahme. „Es gibt viele solcher Fälle. Aber leider sind die Betroffenen nur selten in der Lage, sich zu wehren“, meint eine Mitarbeiterin von Amaro Foro, einer Organisation von in Berlin lebenden Romajugendlichen, auf der Demonstration. Das Leben von vielen Arbeitsmigranten aus Osteuropa sei von ständiger Verunsicherung geprägt. Das erstrecke sich nicht nur auf die Löhne und Arbeitsbedingungen. Sie würden in den Jobcentern benachteiligt, seien oft von medizinischer Versorgung ausgeschlossen und müssten wegen rassistischer Diskriminierungen am Wohnungsmarkt oft in teuren Schrott-Immobilien wohnen. Zudem fehlt es den Betroffenen oft an Kontakten zu Organisationen und Initiativen, die sie im Widerstand unterstützen könnten. Das zeigte sich erst vor einigen Wochen wieder, als eine Gruppe rumänischer und bulgarischer Wanderarbeiter in den Fokus der Berliner Medien und einer Nachbarschaftsinitiative im grünbürgerlichen Stadtteil Schöneberg geriet. Nicht, dass sie in überteuerte Schrottwohnungen leben müssen, wird skandalisiert, sondern dass sie angeblich nicht in den Stadtteil passen. Es gibt also genug zu tun für eine kämpferische Organisation wie die Foreigners Section der FAU. Sie ist mittlerweile zum Anlaufpunkt für KollegInnen aus den verschiedenen Ländern geworden, die in Deutschland um ihren Lohn oder um bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.
aus: Direkte Aktion 230 – Juli/August 2015
https://www.direkteaktion.org/230/sechs-monate-kampf-und-noch-immer-kein-lohn
Peter Nowak
Britischer V-Mann bleibt ein Rätsel
Behörden mauern bei Informationen über Wirken des Agenten Mark Kennedy
Unter dem Alias-Namen Mark Stone spionierte der V-Mann von Scotland Yard, Mark Kennedy, jahrelang die linke Szene ganz Europas aus. Nachdem Großbritannien einen Sonderermittler eingesetzt hat, wird auch in Deutschland die Forderung nach Aufklärung laut. Zumindest in Großbritannien wird ein neuer Anlauf gemacht. Dort hat das Innenministerium den Richter Christopher Pitchford als Sonderermittler eingesetzt, um das Agieren von Kennedy und anderer V-Leute aufzuarbeiten. Dabei gibt es sicher viel zu tun. Schließlich war Kennedy auf Umwelt- und Antirassismusgruppen ebenso angesetzt wie auf Gewerkschaften und einen Politiker der Labourpartei. Die Aufarbeitung wird seit Jahren von Menschenrechtsgruppen in Großbritannien gefordert, nachdem der Agent 2010 aufgeflogen war.
Neben Großbritannien war Deutschland ein langjähriges Tätigkeitsfeld für den V-Mann. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 war er undercover aktiv, ebenso beim NATO-Gipfel 2009 in Baden-Baden. In vielen Städten hatte er Freunde, bei denen er übernachten konnte, und mit einer Berliner Aktivistin führte er eine Fernbeziehung. Doch über sein Agieren in Deutschland ist bisher wenig bekannt. Denn die Verfassungsschutzämter weigern sich, die Öffentlichkeit über Kennedys Agieren zu informieren. Dafür interessieren sich nicht nur die Linken, die Kennedy für ihren Genossen gehalten haben und belogen wurden. Auch Politiker der Grünen und der Linkspartei wollen wissen, was Kennedy hierzulande so trieb. Doch bislang wurden diese Forderungen ignoriert und der Fall Kennedy war aus der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden.
Das könnte sich durch die Einsetzung des Sonderermittlers in Großbritannien ändern. Der Bundesabgeordnete der LINKEN Andrej Hunko schreibt in einem Brief an Pitchford, dass die Enttarnung von Kennedy auch in Deutschland große Resonanz ausgelöst habe. Dabei verweist er auf zahlreiche Presseartikel und erinnert an die vielen weiterhin unbeantworteten Fragen im Fall Kennedy. Hunko zitiert in seinem Schreiben aus einer Pressemitteilung seiner Parteifreundin Ulla Jelpke. Dort betonte die innenpolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag, dass der Verdacht, Kennedy sei als Agent Provokateur aufgetreten und habe Straftaten inszeniert, nicht ausgeräumt werden konnte. Denn nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs von 2007 sind ausländische verdeckte Ermittler in Deutschland wie V-Leute zu behandeln – und nicht wie deutsche verdeckte Ermittler. Die Strafprozessordnung sieht für den Einsatz verdeckter Ermittler, etwa bei der Strafverfolgung, einen Richtervorbehalt vor, während der Einsatz von V-Leuten gesetzlich völlig ungeregelt ist. Daher ist es unklar, ob in Deutschland Aufklärung über Kennedys Wirken zu erwarten ist.
www.neues-deutschland.de/artikel/979869.britischer-v-mann-bleibt-ein-raetsel.htm
Peter Nowak
Verkehrte Welt
A 100 Der Bund will die versprochene Entschädigung für Mieter, die der Autobahn weichen mussten, nicht zahlen und klagt nun
Geht es nach dem Bundesministerium für Verkehr, sollen sechs Mietparteien der Beermannstraße 20 und 22 in Treptow doch keine Entschädigung für den Verlust ihrer Wohnungen bekommen. Die beiden Häuser müssen der Verlängerung der Stadtautobahn A 100 weichen. Die sechs Mietparteien hatten sich als Letzte und sehr beharrlich geweigert, ihre Wohnungen zu räumen, unterstützt wurden sie von der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel und der Umweltorganisation Robin Wood. Als die MieterInnen Ende Februar schließlich doch nachgaben, bekamen sie eine weitreichende Entschädigung zugesichert: Die zuständige Enteignungsbehörde vereinbarte mit ihnen Ausgleichzahlungen in Höhe der Differenz zwischen ihren (günstigen) Mieten in der Beermannstraße und den Mietkosten in neuen Wohnungen –für die Dauer von bis zu 191 Monaten, bezahlt aus Bundesmitteln. Auch die Kaution für die Ersatzwohnungen und die Anwaltskosten der Mieter sollten übernommen werden, ebenfalls aus Bundesmitteln. Doch das zuständige Bundesministerium will die Entschädigung nicht zahlen. Es hat Klage gegen das Land Berlin eingereicht. Begründung: Zum Zeitpunkt der Vereinbarung habe kein Mietverhältnis mehr bestanden. „Alle angegriffenen Regelungen beruhen auf der von cem Beklagten ungeprüften Annahme, dass ein Mietverhältnis weiterhin besteht“, heißt es in dem Klagebegründung des Bundes, die der taz vorliegt. Die Enteignungsbehörde des Landes Berlin wiederum fordert die Rückweisung der Klage; sie spricht dem Bund die Befugnis für die Anfechtung ab. „Es fehlt der Bundesrepublik Deutschland mithin die Befugnis, Rechte in diesen Eilverfahren selbstständig wahrzunehmen“, heißt es in der Begründung
der Enteignungsbehörde, die der taz ebenfalls vorliegt. Auch inhaltlich findet die Enteignungsbehörde klare Worte für den Versuch des Bundes, die Vereinbarung mit den MieterIn nen für ungültig zu erklären. „Der Kern des vorliegenden Rechtsstreits ist die Frage, ob die Rechtslage es erlaubt, einem Mieter seine Wohnung zu entziehen, ohne ihm die gleichzeitige Möglichkeit der Anmietung einer Ersatzwohnung zu gewähren. Es ist traurig, dies sagen zu müssen, aber die Klägerin scheint dies zu glauben.“ Die Enteignungsbehörde ist anderer Auffassung; sie hält eine Klage, die darauf abzielt, dass „einem mittellosen Mieter seine Wohnung entzogen werden kann, ohne dass gleichzeitig eine für den Neubezug einer anderen Wohnung notwendigen Kompensationsregelung in Kraft tritt, für von unserer Rechtsordnung nicht gedeckt“. Benjamin S., einer der betroffenen Mieter, sieht sich in seinem Widerstand bestätigt. „Jahrelang wurden wir auch von der Senatsverwaltung wie Illegale behandelt. Jetzt wird bestätigt, dass wir MieterInnen waren, die um ihre Rechte kämpfen“, sagt er. Von der vereinbarten Entschädigung haben die MieterInnen bisher nichts gesehen – und es könnte auch noch eine Weile dauern. „Es liegen keine Erkenntnisse dazu vor, wann mit einer mündlichen Verhandlung in den Verwaltungsstreitsachen, gar mit Entscheidungen gerechnet werden kann. Da es sich um keine Eilverfahren handelt, ist von einer mehrjährigen Prozessdauer auszugehen“, erklärt die stellvertretende Sprecherin der Umweltverwaltung, Petra Rohland.
aus Taz: 1.8.2015
Peter Nowak